Jetzt war Nigrina – was selten vorkam – sprachlos. Dass er so damit umging, dass er nicht beleidigt war, dass er auch noch laut aussprach, was sie nur angedeutet hatte... und das auf eine Art, die sie maßlos ärgerte und die wohl auch nur dazu gedacht war, sie zu ärgern, damit hätte sie nicht wirklich gerechnet.
Die Momente der Sprachlosigkeit retteten sie vermutlich. Hätten ihr nicht die Worte gefehlt, hätte sie sich schwerlich zusammenreißen können, und ihre erste Reaktion hätte wohl mit den Worten begonnen: Aber nur weil, und dann wäre irgendwas gefolgt wie: weil du den Titel unrechtmäßig an dich gerissen hast, weil du dir etwas anmaßt was dir nicht zusteht, weil du wertlosen Dreck in Positionen gehievt hast, in denen sie dich jetzt unterstützen können. Nach diesen ersten Momenten lagen ihr diese Worte zwar immer noch auf der Zunge, brannten vielmehr, und sie hätte einiges gegeben, sie ihm ins Gesicht schleudern zu können – aber ihr Verstand hatte da schon wieder weit genug die Oberhand, dass sie sich beherrschte. Sie war sich nicht ganz so sicher, ob er auf so was auch nur mit einem Lachen und einer weiteren Beleidigung für sie gekontert hätte. Und wenn sie sich die übrigen Gäste so ansah, dann war da keiner hier, der auch nur ansatzweise auf ihrer Seite sein würde. Ganz im Gegenteil schien sich hier eher – wenig verwunderlich – besagter wertloser Dreck versammelt zu haben.
Sie schnaubte also nur – wenig damenhaft, aber dafür auf eine Art, die ihre Herablassung und Verachtung fast noch besser ausdrückte, als Worte es gekonnt hätten – und meinte spitz: „Ja. Scheinbar.“ Sie neigte sich nach vor und griff nach ihrem Kelch, in der ziemlich starken Überzeugung, dass sie diesen Abend wohl nur mit Alkohol würde überstehen können, und trank einen Schluck von dem unverdünnten Wein. Der gut war. Richtig gut. Was sie freute, weil sie ihn genoss, und sie gleichzeitig ärgerte, weil der Vescularius Geschmack bewies. Aber vermutlich hatte er den gar nicht selbst ausgesucht, sondern sich einfach den besten, teuersten liefern lassen – ganz sicher schmeckte der hier für ihn genauso wie das übelste Gesöff, redete sie sich ein, um wenigstens irgendwas zu haben, an das sie sich hier klammern konnte. „Wie ist das eigentlich mit denen, die deinen Anspruch... nicht anerkennen? Ich habe heute Nachmittag gehört, dass es doch einige sind. Mit Legionen“, erkundigte sie sich – hauptsächlich um eine weitere Spitze loszulassen, weil es doch irgendetwas geben musste, was ihn wenigstens kurz aus der Fassung brachte, aber auch aus echtem Interesse. Immerhin würde das das Reich, Rom und nicht zuletzt das Leben hier nicht wenig beeinflussen in den kommenden Monaten.