Nigrina folgte ihm, und ihr innerer Widerstreit nahm noch zu. Sie wollte nicht. Wenn er wenigstens Patrizier wäre. Oder wenigstens einem alten Geschlecht entstammen würde. Oder besser aussehen würde! Sie hatte ja nicht einmal unbedingt was gegen Männer, die sich so aufführten wie er, und wenn sie ehrlich war, musste sie zugestehen, dass sie ihn in gewisser Hinsicht bewunderte, dafür, wie er auftrat, wie er erreichte was er wollte... aber er war eben auch wer er war, er war nicht anziehend, er benahm sich daneben und er hatte noch nicht einmal den Anstand, sie mit dem Respekt zu behandeln, der ihr zustand! Und trotzdem war sie hier, an seiner Seite, und ging freiwillig mit ihm mit. Mehr oder minder. Sie kratzte sich am Oberarm und warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. „Ich teile nicht gern“, gab sie spitz zurück. Jetzt, wo sie die Gäste zurück gelassen hatten, wo sie um ihren Ruf hätte fürchten müssen – wenn es da überhaupt noch was zu fürchten gab, wo sie doch nun hier lebte, aber wenigstens der Schein wollte ja gewahrt bleiben – und mit dem, was sie vor sich hatte, bröckelte ihre Beherrschung mehr als zuvor. Sie sah einfach wenig Sinn darin, ihre Zunge jetzt noch zu zügeln, und so fügte sie mit einem etwas sarkastischen Lächeln an, ihr Tonfall jedoch so spitz wie zuvor: „Sie kann uns gern Gesellschaft leisten... aber dann sieht entweder sie zu oder du.“ Was ein wenig übertrieben war. So lange sie selbst im Mittelpunkt stand, würde sie es wohl auch nicht stören, wenn sie alle drei aktiv waren, mutmaßte Nigrina, auch wenn sie das jetzt noch nicht ausprobiert hatte. Aber sie wusste die Vorzüge von Frauen – Sklavinnen, vornehmlich – durchaus zu schätzen, und sie hatte ebenso schon die Erfahrung gemacht, dass sie es erregend fand, wenn jemand zusah.
Was allerdings dann geschah, hätte Nigrina nicht erwartet. Fangen wir gleich an? Was war das denn bitte? Sollte sie jetzt etwa ihn verführen? Wer war denn hier die Geißel, konnte sie da nicht wenigstens ein bisschen mehr erwarten? Oder glaubte er leichtes Spiel zu haben, weil sie mitgekommen war? Ihre Zähne knirschten ganz leicht, als sie ein Lächeln aufsetzte. Sie legte ihm eine Hand auf den Arm, strich nach oben bis zur Schulter... setzte sich dann in Bewegung, ging hinter ihn, langsam, und noch langsamer zog sie ihre Hand mit, die über seinen massigen Rücken glitt. Kurz bevor sie wieder auf seiner anderen Seite nach vorne hätte kommen können, stoppte sie und stellte sich auf die Zehenspitzen, um näher an sein Ohr heran zu kommen. „Oh. Du magst keine langen Vorreden? Kein Wunder, dass dir der Senat so ein Dorn im Auge ist.“ Abrupt löste sie sich von ihm und ging hinüber zu einem Tisch, wo Getränke aufgestellt waren. Ohne zu fragen, schenkte sie sich einen der Becher voll mit dunkelrotem Wein, der allein dem Geruch nach zu schließen schwer war – und der Geschmack bestätigte das gleich darauf, als sie trank. Sehr gut. Das konnte sie gebrauchen, jetzt. Davon würde sie wohl noch mehr gebrauchen können.