Mit großen Augen hörte sie Fhionns Geständnis und konnte es kaum glauben. Matho hatte Siv schlecht behandelt? Die Sklavin sollte Matho erstochen haben?!? Und jetzt war der majordormus tot, von gar nicht so fremder Hand über den Fluß Styx gebracht worden. Aber.. aber... wie ein nach Luft schnappender Fisch, der unversehens an einem leckeren Imbiss angelockt und von einer Angel an die Luft gezogen wurde, klappte Tilla den Mund auf und zu, versuchte Worte für das soeben Gehörte zu finden. Und nun? Was konnte sie tun? Offensichtlich rein gar nichts! Tilla schreckte bei Corvinus lautem Wort zusammen und bekam sogleich Gesellschaft von der Sklavin Dina. Gemeinsam blickten sie höchst erschrocken hinter der Säule hervor und sahen weiterhin taten- sowie hilflos dem Geschehen zu. Corvinus wies etwas neues an, nämlich das Fhionn einzusperren war! Tilla war nicht an dem Geschehen beteiligt.. lediglich nur eine zufällige Zuhörerin.
Dina schüttelte an ihrer Schulter, versuchte sie dazu zu überreden zurück in die Schlafräume zu gehen. Lass mich! Tilla schüttelte ihre Hand ab und erhob sich. Dina liess Tilla stehen. Letztere wartete geduldig ab, bis alle anderen verschwunden war und schlich sich in den Gang hinein, wo Brix mit Fhionn verschwunden war. Niemand konnte sie hören, da sie ja barfuß unterwegs war. Sich hinter einem Möbel im Flur versteckend, hörte und sah sie dem Gespräch zwischen Fhionn und Brix zu. Immer noch war der Drang in ihr tief drinnen etwas tun zu müssen, aber was bloß? Ziemlich unentschlossen kaute Tilla auf ihren Lippen und betrachtete die Flurtüren. Brix war durch Fhionn abgelenkt.
Flink huschte sie los, nutzte den Schatten und schlüpfte durch die zum Glück unverschlossene Tür ins benachbarte Gästezimmer. Sogleich lief Tilla zu den Fenstern und beugte sich hinaus. Wenn sie nur zu Fhionn rüberklettern könnte?!? War es tatsächlich wahr? Immer noch unentschlossen versteckte sich Tilla fürs erste hinter der Fenstergardine, mit dem Rücken zur Zimmerwand und kauerte sich ganz klein zusammen. In ihrer Kindheit hatte sie immer wieder erlebt, dass allein der Herr das Recht hatte Sklaven zu töten. Dass aber ein Sklave sich gegen einen im Rang höherstehenden Sklaven auflehnte, das war ungeheuerlich. Doch einen Sklaven wegen einem Mord zu kreuzigen, das war wahrlich übertrieben. Tilla legte ihr Kinn auf die Knie, starrte stumm vor sich hin und lauschte den Geräuschen im Gang. Wenn sie Fhionn sehen wollte, dann musste sie das Fenster zu Fenster klettern wagen und riskieren erwischt zu werden. Durfte man überhaupt mit einer Mörderin sprechen, die den gleichen Rang hatte wie sie? Ganz langsam erhob sich Tilla und wagte die Kletterei, klammerte sich mit Finger- und Zehenspitzen an jeder Ritze und jedem Vorsprung fest, bis sie die andere Fenstermauer erreichte, sich hinauf- sowie hinein ins Zimmer zog.