[CAMERA] Der Unterricht einer Vestalin

  • Das komische Stück Bronze fühlte sich kalt an, nur langsam nahm es die Wärme meiner Hand an. Ich hatte so etwas noch nie gesehen oder irgendwo wahrgenommen.
    Die bronzene Leber war nicht sehr schwer, aber wirkte unhandlich wegen der herausstechenden Ecken und der interessanten Form. Ich versuchte mir Details einzuprägen, aber die Zeichen waren mir fremd wie es Milicha angedeutet hatte.


    Ich nickte der Vestalin als Zeichen dass ich verstanden hatte zu.

  • Minucia Milicha


    Die Alte konnte das fehlende Verständnis, das Calvina der Weissagekunst entgegenbrachte, geradezu sehen. Aber für Anfänger war dies wohl normal! Daher fuhr sie einfach fort.


    "Für jeden Teil der Leber gibt es einen normalen Zustand und einen, der davon abweicht. Je nachdem, wo die Abweichung auftritt, kann etwas daraus geschlossen werden. Genaueres musst du nicht lernen, aber du musst wissen, wie die Vitalia im normalen Zustand aussehen, damit du erkennen kannst, wann du ein Opfer zu wiederholen hast."


    Im Anschluss begann sie, die einzelnen Segmente, die auf der Bronzeleber eingezeichnet waren, zu erklären. Zu jedem Teil beschrieb sie das Aussehen, teilweise aber auch mögliche Abweichungen und deren Bedeutung. Alles in allem waren die Erklärungen schwer zu verstehen und noch schwieriger zu behalten, wenn man nicht mitschrieb.


    Am Ende meinte sie endlich


    "Damit wäre die Leber erklärt. Wir werden diese Sache morgen üben, damit du ein praktisches Beispiel hast!"


    Damit beendete Milicha die Sitzung und verabschiedete sich, um mit langsamen Schritten aus dem Raum zu schlurfen.


    Sim-Off:

    sorry, bin nicht dazu gekommen!




  • [SIZE=6]

    Sim-Off:

    macht nichts.

    [/SIZE]


    Dieser Tag war mit viel Schreibarbeit verbunden. Alles was die Vestalin sagte, versuchte ich wortgenau aufzuschreiben.
    Ich nahm mir vor es abends noch einmal durchzulesen, damit ich am nächsten Tag ein wenig vorbereitet bin.

  • Minucia Milicha


    Am nächsten Morgen kam Milicha etwas später. Sie hatte einen Korb bei sich, den sie neben dem Lehrstuhl abstellte. Dann setzte sie sich mit einem Ächzen. Einen Augenblick musste sie sich sammeln, dann begann sie den Unterricht.


    "Heute machen wir das, was wir gestern gelernt haben, ein wenig praktischer. Ich habe Lebern mitgebracht."


    Sie bückte sich zu dem Korb (was ihr wieder sichtlich Mühe machte) und nahm den Deckel ab. Dann begann sie einen Augenblick zu suchen und holte endlich ein Stück Fleisch heraus. Sie hielt es hoch und dann der Amata hin.


    "Das ist eine gesunde Schafsleber. Ich habe sie schon vom Blut reinigen lassen, damit du alles besser erkennst."




  • Milicha zeigte mir eine Schafsleber. Aus nächster Nähe hatte ich so etwas noch nie gesehen. Aus unerfindlichen Gründen ekelte ich mich aber nicht. Vielleicht lag das daran dass kein Blut mehr an dem Schafsorgan war und die Vestalin es säubern ließ bevor sie es zum Unterricht benutzt hatte.


    Ich nickte und war gespannt auf die weiteren Ausführungen.

  • Minucia Milicha


    Calvina wirkte etwas befremdet, doch zufrieden stellte Milicha fest, dass sie nicht angewidert das Gesicht verzog, wie es bei jungen Mädchen beim Anblick innerer Organe so oft der Fall war.


    Dann reichte sie die Leber an Calvina weiter.


    "Schau' sie dir nur gut an, Sergia. Du siehst, dass sie dunkelrot ist wie altes Blut. Auf der Seite ist sie glatt, dort hängen ein paar Dinge daran, deren genauere Bedeutung du aber nicht unbedingt kennen musst. Das dort ist eine Ader, die in den Körper des Schafes geht."


    erklärte sie dann am echten Objekt, wobei sie sich vorbeugte und der Amata all die Dinge durch Daraufzeigen zeigte. Als sie fertig war, lehnte sie sich wieder zurück und seufzte gedehnt.


    "Die andere Leber in dem Korb ist nicht gesund. Nimm sie dir heraus - mein Rücken macht das häufige Bücken nicht mehr mit!"


    Sie schob den Korb ein wenig in Calvinas Richtung, sodass sie sich nur bücken musste, um das nächste Objekt zu nehmen.




  • Vorsichtig nahm ich die Leber in meine Hände. Sie fühlte sich komisch an, weich und etwas klebrig.
    Ich schaute sie mir von allen Seiten an und nickte bei den Worten Milichas.


    Schließlich nahm ich die andere Leber aus dem Korb. Sie sah etwas dunkler aus, fast schwarz und hatte einige Dellen, die fast wie Löcher aussahen.
    Ich legte sie nach kurzer Zeit wieder in den Korb und sagte: "Diese ist dunkler und hat Dellen. Die andere Leber ist glatter und heller."

  • Minucia Milicha


    "Richtig. Das ist ein besonders augenfälliges Beispiel, wie du dir denken kannst. Hat ein geopfertes Tier eine solche Leber, sollte das Opfer dringend wiederholt werden! Es kann sein, dass das Schaf nicht gesund war oder zumindest nicht makellos - so ein Opfer beleidigt die Götter.


    Wenn du ein Opfer durchführst, das so ein Ergebnis hat, musst du es auf jeden Fall wiederholen - sonst kannst du dir göttlichen Zorn zuziehen!"


    erklärte sie. Dann begann sie, verschiedene Stellen an der Leber zu erklären, dazu mögliche Deformationen oder häufige Mäkel. Es dauerte jedoch nicht lange, da hatte sie geendet.


    "So, das ist genug - mehr musst du nicht wissen! Dies solltest du dir aber merken!


    Für morgen hat mir die Virgo Vestalis Maxima aufgetragen, dir eine kleine Aufgabe zu geben: Schreibe auf, was Superstitio für dich ist. Morgen wird sie es abprüfen!


    Desweiteren wünsche ich dir einen angenehmen Nachmittag und noch eine gute Ausbildung. Wir sehen uns sicher noch häufiger! Vale!"


    Damit war der Haruspizin-Unterricht beendet. Minucia Milicha blieb jedoch noch einen Augenblick sitzen, als schien sie nachdenken zu müssen, was als nächstes zu tun sei. Endlich erhob sie sich doch noch und verließ mit schlurfendem Gang den Lehrraum.




  • Pomponia Pia


    Am nächsten Tag erschien wieder Pomponia Pia, die Virgo Vestalis Maxima, in der Ausbildungs-Kammer. Wie üblich strahlte sie eine gewisse Majestät und Würde aus, als sie sich auf ihren Platz setzte.


    "Hat Minucia dir die Aufgabe für heute gegeben?"


    fragte sie dann knapp.




  • "Ja sie hat mir eine Aufgabe gegeben. Ich sollte aufschreiben was Superstitio für mich ist."


    Ich nahm eine Rolle Papyrus und las vor, was ich am Tag davor aufgeschrieben hatte.



    Superstitio sind für mich solche Religionen anderer Völker, die nicht mit der römischen Religion vereinbar sind und sich auch nicht integrieren lassen. Die Juden und Christen beispielsweise folgen einer solchen Religion.

  • Pomponia Pia


    Pia lächelte zufrieden, als Calvina die Rolle hervorholte und zum Vorlesen ansetzte. Als sie jedoch kurz darauf wieder endete, gefror ihr Lächeln einen Augenblick und erstarb. Nach einem gedehnten Seufzer meinte sie


    "Ich hatte eigentlich einen etwas längeren Text erwartet. Aber wir können das ganze ja auch mündlich machen: Kannst du mir etwas genauer erklären, was du unter Superstitio verstehst? Oder warum ausgerechnet die Juden und Christen?"




  • Ich war etwas verwirrt über die Frage, da ich dachte eigentlich alles wichtige geschrieben zu haben. Aber wahrscheinlich wollte Pomponia eine sehr ausführliche Erklärung.


    Erst einmal räusperte ich mich und begann dann zu sprechen:
    "Nun...es gilt nicht nur für Juden und Christen, sondern auch für die Religionen anderer Völker, die nicht in unserer Religion aufgehen können. Die Juden und Christen glauben an einen Gott der über allem steht, an einen Gott der keine anderen Götter neben sich duldet und somit ist diese Art von Religion unserer Religion feindlich gesinnt. Auch der Kult der gallischen Druiden ist eine solche Religion. Diese Religionen sollten entfernt werden, da sie die Gemeinschaft und den römischen Staat gefährden."


    Das Wort Religion sprach ich im Zusammenhang mit Galliern, Christen und Juden verächtlich aus, als wäre dies keine Religion. Aber genauso empfand ich es auch. Das waren keine Religionen, sondern gefährliche Kulte.

  • Pomponia Pia


    "Das ist soweit korrekt. Kennst du aber noch eine weitere Bedeutung des Begriffes? Vielleicht etwas, was gar nicht so weit weg ist?"


    fragte die Virgo Vestalis Maxima weiter. Offensichtlich wollte sie auf etwas ganz bestimmtes heraus!




  • Angestrengt dachte ich nach, dann fiel mir noch etwas ein.


    "Ältere Frauen können als superstitio benannt werden, wenn sie einen Hang zu übermäßiger, unangebrachter Religiosität oder Magie haben."

  • Pomponia Pia


    Heute schien die Amata doch etwas kurz angebunden zu sein - zumindest für den Geschmack von Pia. Dennoch ließ sie sich nicht beirren und fragte weiter:


    "Hast du eine Idee, was unangebrachte Religiosität sein könnte?"




  • Pomponia Pia


    "Richtig! Die Götter sind zwar übermächtig und können uns jederzeit strafen und zermalmen, doch es ist eines freien Römers nicht würdig, vor den Göttern zu kriechen - wir geben ihnen Gaben, sie helfen uns und es besteht kein Grund, wie ein Sklave vor sie zu treten.


    Viele östliche Kulte haben diese Praktik jedoch angenommen - angefangen bei den Juden und ihren Sekten, aber auch viele andere Kulte verlangen völlige Unterwerfung."


    Damit hatte sie die Hausaufgabe ihrer Meinung nach ausreichend geklärt und sie enthüllte, was das Thema des heutigen Unterrichts war.


    "Deine Ausbildung neigt sich ihrem Ende zu, Sergia. Wir werden ab jetzt nur noch einige Dinge wiederholen, du kannst aber auch Fragen stellen. Deswegen möchte ich noch einmal auf das Opfern, einen zentralen Bestandteil der Religio Romana kommen:


    Kannst du mir sagen, nach welchen Kriterien ich ein Opfertier auswählen muss?"




  • Schon bald sollte die Ausbildung also abgeschlossen sein. Es war eigentlich eine lange Zeit gewesen, auch wenn sie mir im Nachhinein nicht so lang vorkam. Aber es noch war sie schließlich nicht beendet und ich musste weiter lernen und achtsam sein.


    "Nun das Geschlecht des Opfertieres muss das gleiche Geschlecht wie die Gottheit haben, der es geopfert werden soll. Auch die Farbe ist wichtig. Je nachdem welche Farbe dem Gott oder der Göttin zugeordnet wird, muss auch die Farbe des Tieres gleich sein.
    Einige Opfertiere sind bestimmten Göttern zugeordnet und dürfen nur diesen geopfert werden."

  • Pomponia Pia


    "Hast du ein Beispiel für ein solches Tier parat?"


    fragte Pia und blickte die Amata fragend an. Offensichtlich wollte sie es heute ganz genau wissen!





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