[Blockierte Grafik: http://img14.imageshack.us/img14/7499/luciusgrer.jpg]| Lucius Petronius Crispus
Wieder einmal stand das entwürdigende Ritual an, das der alte Crispus im Hof des Hauses veranstaltete. Lucius hasste die Trainingseinheiten, die sein Vater seit neuestem mit ihm und Armin veranstaltete. Das lag jedoch vor allem daran, dass er stets gegen den drei Jahre älteren Sklaven antreten musste, dem er körperlich in keinster Weise ebenbürtig war. So war er beim Ringen immer wieder im Staub gelegen. Beim ersten Mal hatte er geglaubt, dass sein Vater eine fixe Idee gehabt hatte, die er ebenso schnell vergessen würde. Doch er hatte sich geirrt: Jeden zweiten Tag musste Lucius nach der Schule antreten, ebenso Armin, dem dies ebenso auf die Nerven ging wie Lucius. Zwei Wochen lang hatten sie dann gerungen, der alte Crispus hatte sie angeschrieen wie Rekruten, ihnen aber auch die ein oder andere Technik beigebracht, sodass der junge Petronius nun immerhin gewisse Chancen gegen den ebenfalls körperlich überlegenen Caius aus der Schule hatte. Zu Hause jedoch fraß er Staub - immer wieder. Und anstatt ihn zu ermuntern, hatte sein Vater nichts besseres zu tun, als ihn dann auch noch anzuschreien oder gar zu verhöhnen! Wenn er zu Weinen begann, konnte er auch nur mit Schlägen rechnen! Lucius hasste seinen Vater - und dennoch war er von dem Wunsch beseelt, seine Erwartung endlich auch einmal erfüllen zu können! Er wollte es ihm zeigen, wollte beweisen, dass er auch ein ganzer Römer war!
Am Vortag aber war etwas geschehen, was Lucius überrascht hatte: Er hatte herausgefunden, was Armin immer so schrieb, warum er ständig so lange in der Stadt blieb und auch sonst völlig abwesend war: Er hatte ein Mädchen! Lucius fand Mädchen dumm, sie redeten dauernd, kicherten, sodass er das Gefühl hatte, sie lachten ihn aus und steckten immer ihre Köpfe zusammen! Doch Armin scheinbar nicht - Lucius hatte ihn genau gesehen: Zusammen mit diesem Mädchen war er in einer schattigen Nische der Basilica gestanden und zum Abschied hatte das Mädchen Armin auf den Mund geküsst!
Langsam trat er an den Sklaven heran, der wie üblich auf der Steinbank im Hof saß, eine Tabula auf dem Schoß und die Stirn nachdenklich in Falten gelegt. Ohne etwas zu sagen lehnte er sich vor und schaute auf die Tafel, woraufhin Armin diese sofort an seinen Leib zog und den Jungen feindselig anstarrte.
"Hey, das geht dich nix an!"
"Warum, was schreibst du denn so tolles?"
fragte Lucius mit leicht spöttischem Unterton. Er freute sich bereits, sein Wissen zu offenbaren. Da würde Armin aber schauen! So fragte er ironisch
"Was schreibst du denn da? Schreibst du wieder deiner Knutsch-Freundin?"
Zuerst hatte es so ausgesehen, als wolle Armin ihn einfach wegschubsen, doch beim letzten Wort erstarrte er. Doch nur für einen Augenblick, denn dann setzte er ein überlegenes Grinsen auf, was Lucius ein wenig ärgerte.
"Du spinnst, Lucius! Geh spielen!"
"Ich hab' euch gesehen! In der Basilica - ihr habt ja richtig herumgeknutscht!"
Nun konnte Armin seine Überraschung nicht mehr verbergen. Etwas entgeistert blickte er Lucius an, ließ sogar seine Tabula sinken. Mit einem genüsslichen Grinsen fügte Lucius jedoch noch an
"Wenn das Papa erfährt..."
Es war wohl nicht schwierig sich auszumalen, was der alte Petronier zu so einem Techtelmechtel sagen würde. Er war stets darauf bedacht, alles innerhalb der Domus zu kontrollieren. Und eine solche Beziehung würde ihm zweifelsohne als nutzlos erscheinen, sodass sie wohl sehr schnell unterbunden sein würde. Dazu würde Armin sicherlich eine ordentliche Tracht Prügel bekommen!
Und tatsächlich wirkte es. Armin wurde sichtlich nervös...oder sogar ängstlich? Was immer es war, es war eine Regung bei seinem Gegenüber, die Lucius gefiel. Sie verlieh ihm das Gefühl von Macht - noch nie hatte jemand vor ihm Angst gehabt! Doch dann erhielt seine Freude einen Dämpfer, denn Armin schien plötzlich zornig zu werden.
"Das glaubt der Alte dir doch nie! Wahrscheinlich kriegst du noch ein paar Schläge!"
Lucius hatte schon befürchtet, dass Armin ihn schlagen würde, doch dieser Einwand war natürlich auch berechtigt. Er hatte tatsächlich manchmal das Gefühl, dass sein Vater Armin ihm vorzog und jenem mehr glaubte als ihm. Rasch überlegte er, dann kam ihm etwas und seine Hochstimmung kehrte zurück!
"Ich hab's genau geseh'n! Ich weiß sogar, wie sie aussieht! Und Papa kann ja 'mal bei ihr fragen..."
Dies war ein kleiner Bluff, denn Lucius wusste zwar, wie sie aussah, doch nicht, wer sie war und wohin sie gehörte. Aber das konnte Armin ja nicht wissen und die ängstliche Reaktion, die seine Bemerkung auslöste, zeigte ihm, dass Armin den Köder geschluckt hatte. Nun zappelte er am Haken!
"Aber er wird mich verprügeln und einsperren, Lucius! Bitte, sag's ihm nicht!"
Voller Genuss sah Lucius die Angst in den Augen seines Gegenübers. Es schien fast so, als würde er jeden Augenblick anfangen zu weinen. Und Lucius kannte dieses Gefühl - allzu oft hatte er es im Angesicht seines Vaters, von Xanthippus oder auch Caius...doch diesmal stand er auf der anderen Seite! Und das gefiel ihm! Mit ironischem Bedauern, das er so oft bei Caius gesehen hatte, antwortete er daher
"Aber ich muss es ihm sagen! Er ist mein Vater und du gehörst ihm! Ich würde ihn ja anlügen, wenn ich es verheimliche!"
Diese Worte verfehlten ebenfalls ihre Wirkung nicht, denn Armin schien noch ängstlicher zu werden und ergriff zitternd Lucius' Arme.
"Aber der Herr von Lynn wird sie auch verprügeln oder schlimmer! Tu's für sie!"
Das Wohlgefühl in Lucius verbesserte sich weiter. Jetzt wusste er auch noch, dass sie eine Sklavin war und Lynn hieß. Er brauchte also nicht mehr zu bluffen - damit würde er sicherlich herausfinden, wo sie wohnte!
"Davon hab' ich auch nix! Ich kenne sie nicht 'mal!"
"Bitte, sie ist so lieb und...und...bitte, du kriegst alles, was du willst!"
Armin wurde nun immer nervöser und ängstlicher, seine Augen waren bereits ganz glasig - gleich würde er zu weinen beginnen! Einen Augenblick lang spielte Lucius mit dem Gedanken, es bis zum Letzten auszureitzen, ihn vielleicht sogar wirklich zu verpetzen - es wäre eine schöne Genugtuung, endlich jemanden anderes als sich selbst leiden zu sehen! Doch dann besann er sich - er hatte ja einen Plan und den musste er umsetzen!
"Hmmm...na guut. Ich sag's nicht - aber nur, wenn du mich das nächste Mal beim Training gewinnen lässt! Und zwar immer!"
Es schien, als wäre alle Angst innerhalb eines Augenblicks von Armin abgefallen, er wirkte sprichwörtlich erleichtert, völlig überrascht über Güte des Angebots! Und das wiederum ärgerte Lucius. Für ihn waren die ständigen Niederlagen absolut demütigend, daher war er davon ausgegangen, dass Armin dies ebenso empfand. Ihm war nicht klar gewesen, dass es dem Sklaven relativ egal war, ob er gewann oder verlor - zumindest beim Training. So legte er rasch nach:
"Und ich kriege dein Messer!"