Mit einem Brief aus Mogontiacum hatte sich Dives in die hauseigene Bibliothek begeben. Er hatte sich einen ruhigen Platz gesucht und es sich an einem kleinen Tisch auf einem der beiden dortigen Korbsessel bequem gemacht. Tiberia, die Schwester seines Verbündeten Lepidus, hatte ihm geschrieben - und Dives wollte diesen Anlass, ihre Worte, nutzen, um dem für ihn nur wenig erträglichen Ehealltag für einige, wenige Augenblick zu entfliehen.
Es fiel ihm in der Folge alles andere als schwer, sich die kleine Aquilina, von der die Patrizierin schrieb, vorzustellen. Er malte sich das Mädchen aus mit den Gesichtszügen ihrer Mutter und einem quirligen, hochgradig ansteckenden Babylachen, wie er es von seiner eigenen Tochter durchaus kannte. Es musste ein ganz wunderbares Kind sein, diese Duccia Aquilina. Sie war sicherlich selbstbewusst wie ihre Mutter, interpretierte Dives in die als 'Trommelfell-malträtierend' beschriebene Lautstärke des Mädchens hinein, während er die mutmaßlich gezeigte Zuneigung durchaus etwas wörtlicher nahm. Immerhin hatte er einst einen tiberischen Großonkel Dolabella und über ihn auch eine tiberische Tante Faustina gehabt, wie nicht zuletzt die kleine Duccia Aquilina zudem mit einem Onkel Lepidus gesegnet war, der seinerseits erwähntermaßen in einem politischen Bündnis mit dem divitischen Senator stand. Wäre die Kleine wohl einst nur halb so schön wie ihr schmucker Verwandter Duccius Callistus, sie würde später wohl nicht wenigen Männern den Kopf verdrehen...
Dives lächelte das amüsierte Lächeln eines entfernten Onkels, bevor ihm der Name Callistus ins Auge stach. Von jenem konnte die Tiberia ihm leider keine Grüße senden, was die Mundwinkel des Iuliers wieder etwas von ihrem Höhenflug zurückholte. Angeblich hatte die Patrizierin bereits seit einiger Zeit schon nichts mehr von dem schönen Beau gehört, was Dives zunächst nur auf eine einzige Art und Weise zu interpretieren wusste. Der Duccier hatte den Iulier schlicht vergessen, respektive mochte sich vielleicht durchaus noch an Dives erinnern, sah in ihm allerdings keinen Freund; keinen Mann, in dessen Nähe er unbedingt sein wollte; nur den Mitklienten seines Verwandten Duccius Vala. Dass Duccius Callistus nun scheinbar doch noch in Roma weilte, änderte an dem Gefühl niederschlagender Einsamkeit nur vergleichsweise wenig. So starrte Dives also gedankenverloren mit nachdenklicher Miene ein Loch in das Regal in seiner Blickrichtung...