Marcus Decimus Flavus

  • Das Gespräch mit seinem neuen Patron, Consul Aelius Quarto, hatte Marcus auf eine Idee gebracht. Sofort nach seiner Rückkehr in die Casa Decima ließ er den Verwalter des Alten bei sich antanzen, um ihn etwas in die Mangel zu nehmen. Es handelte sich dabei um einen freigelassenen Sklaven mittleren Alters, der anscheinend zu den engen Vertrauten des Senators gehörte – warum sollte er ihm sonst die Verwaltung seines Vermögens übertragen. Marcus hatte sich bereits auf dem kurzen Fußmarsch vom Palatin auf dieses Gespräch vorbereitet und Empfing den Libertinus mit einer ausgesprochen herablassenden und unfreundlichen Art.


    Er hielt ihm einen langen Vortrag darüber, das seine Schwester und er die Kinder des Senators und seiner verstorbenen Frau Aemilia waren, dass er schon auf Grund der Ähnlichkeit nicht daran zweifeln konnte und das auch die Familie keinerlei Zweifel an der Identität der beiden Geschwister hegten. Er legte ihm den Brief der Großeltern vor und ließ ihm bei jeder Gelegenheit spüren, dass es dem ehemaligen Sklaven gar nicht zustand die Rechmäßigkeit seines Handelns in Frage zu stellen. Der Verwalter, der nicht umsonst das Vertrauen seines Herren genoss, war natürlich alles andere als begeistert von der Tatsache, dass Marcus, ob rechtmäßiger Sohn oder nicht, Anspruch auf das Vermögen seines Herren stellte und dachte nicht daran, ihm freien Zugang zu den Landgütern oder dem Bargeld zu gewähren. Es war ein langes hin und her bei dem Marcus immer wieder seine aufbrausende Art im Zaum halten musste, um den Libertinus nicht gänzlich zu verärgern.


    Die beiden Männern einigten schließlich, nachdem Marcus das Argument vorbrachte, dass es Livianus bei seiner Rückkehr nicht gerne sehen würde, wenn der Verwalter sowohl die Karriere seines Sohnes blockiert, als auch die beiden Geschwister die ganze Zeit über vollkommen ohne Geldmittel gelassen hätte. Diese beiden Punkte überzeugten den Verwalter schließlich und er traf mit Marcus die Vereinbarung, das Geld vorerst nur zinsenlos an den jungen Mann zu verleihen – gegen unterschriebenen Schuldschein verstand sich – und alles weitere der Senator bei seiner Rückkehr entscheiden musste. Marcus war damit einverstanden und willigte diesem Vorschlag ein. Mit Brief und Siegel wurde die Vereinbarung gefestigt und der Verwalter versprach dem jungen Decimer bei nächster Gelegenheit einen Sklaven mit der vereinbarten Summe vorbei zu schicken.


    Zufrieden ließ sich Marcus in seinen Stuhl sinken, als der Libertinus den Raum verlassen hatte. Er musste Quarto dankbar sein, dass er ihm auf diese Idee gebracht hatte. Es fühlte sich richtig gut an, dem Alten Geld aus der Tasche zu ziehen, ohne das er selbst etwas davon wusste. Er ließ seinen Blick noch einmal über das am Tisch liegende Dokument schweifen, rollte es zusammen und verstaute es in einer Truhe, die vor dem Bett stand.

  • Der Abend war bereits vorbei und die dunkle Nacht hatte sich über Rom gelegt. In der Casa Decima war es seit einiger Zeit still geworden und die Hausbewohner hatten sich bereits vor Stunden in ihre privaten Gemächer zurückgezogen und zur Nachtruhe begeben. Lediglich aus Flavus Zimmer war durch einen schmalen Spalt am unteren Ende der Türe noch das leichte Schimmern eines Kerzenscheines zu erkennen, der nur schemenhaft hinaus auf den Flur schimmerte. Diese angenehme Stille wurde jedoch hin und wieder von merkwürdigen Geräuschen unterbrochen. Hörte man etwas genauer hin, hatte man den Eindruck, als klang ein leises klagendes Wimmern aus dem Inneren des von Innen versperrten Raumes, das aber nur dumpf und fast unhörbar hinaus auf den Flur drang. Nicht laut genug, dass es jemand anderer im Haus mitbekam, der nicht direkt vor der Zimmertüre stand und sich darauf konzentrierte.


    Sim-Off:

    *Story reserviert*

  • Mitten in der Nacht war Flava aufgewacht. Sie hatte schlecht geträumt. Sie wusste nicht mehr so genau, was sie geträumt hatte, aber es war verstörend gewesen. Sie wusste noch, dass sie erschrocken war, und etwas wie ein Schmerzenslaut oder auch ein Wimmern hallte in ihren Ohren nach. Aber es entglitt ihr langsam, als sie aufwachte, und sie konnte es nicht wirklich festmachen. Eigentlich hätte sie sich wieder hinlegen sollen und einfach weiterschlafen, aber in ihrem neuen Zimmer fühlte sie sich noch nicht so heimisch. Also hatte sie sich schnell eine sehr weit geschnittene Tunika übergezogen, und war hinaus auf den Gang gehuscht.
    Schon als kleines Kind war sie bei Alpträumen immer zu ihrem Bruder ins Zimmer geschlichen. Eigentlich hatte sie sich ja vorgenommen, dies nun in ihrem neuen Zuhause zu unterlassen, schon allein aufgrund der möglichen Komplikationen, weil sie nun mal eine Frau und ihr Bruder ein Mann war und sie beide im heiratsfähigen Alter. Wenn sie dann verschlief und bei ihm morgens aus dem Zimmer kam, könnte das schon gewisse Vorurteile erwecken. Auch wenn dazu keinerlei Grund bestand, aber Flava wollte ihre Verwandten da nicht unbedingt auf falsche gedanken bringen.
    Doch heute war sicherlich eine Ausnahme. Immerhin war hier alles noch neu, und der Traum hatte sie wirklich verstört. Sie wollte ja auch gar nicht die ganze Nacht bleiben, aber ein wenig mit ihrem Brüderchen zu reden würde ihr sicher gut tun.
    Also kam sie leger gekleidet an seinem Zimmer an und klopfte sacht an. Sie hörte etwas von drinnen, und es klang fast so verstörend wie ihr Traum. Kurz zögerte Flava und lauschte an der Tür. Eigentlich machte sie sowas ja nicht, denn es gehörte sich nicht, aber sie wollte einfach wissen, ob sie sich dieses Wimmern nun nur noch aufgrund ihres Traumes eingebildet hatte, oder ob sie das wirklich gehört hatte. Aber sie hörte eindeutig ein ängstliches Geräusch aus dem Zimmer ihres Bruders.
    Sie klopfte noch einmal. „Marcus?“, fragte sie leise gegen die Tür.

  • Dann ging alles recht schnell. Aus dem Inneren des Raumes war wutentbrannt


    "Verdammte Lupa!"


    und fast zeitgleich ein klatschendes Geräusch zu hören, als wäre jemand geschlagen worden. Danach ein weiterer leiser aber von fürchterlicher Angst erfüllter Aufschrei. Im nächsten Moment wurde der ínnere Riegel beiseite geschoben und die Türe schwungvoll aufgerissen. Eine junge Sklavin, nur etwas jünger als Marcus und Flava, stürmte mit verweinten Augen und einem völlig verstörten Gesichtsausdruck aus dem Zimmer, rannte dabei fast gegen Flava und verschwand im dunklen des Hausflurs in Richtung Sklavenunterkünfte. Sie war nackt, hielt lediglich ihre Tunika notdürftig vor ihren Körper und nahm Flava, die vor dem Cubiculum gestanden hatte, auf ihrer Flucht überhaupt nicht war.


    In der Mitte des Zimmers stand Marcus, der mit einem wütenden Gesichtsausdruck der flüchtenden Sklavin hinterher sah. Er war lediglich mit einem Lendenschurz bekleidet und der flackernde Schein der Kerzen ließen sein Aussehen und seinen Gesichtsausdruck in diesem Moment fast dämonisch erscheinen. Die Muskeln seines Körpers waren angespannt und seine zu einem schmalen Spalt zusammengezogenen Augen spiegelten eher den Ausdruck eines wilden Raubtiers wieder, als den eines menschlichen Wesens. Als die Sklavin um die Ecke gebogen und sich in Sicherheit gebracht hatte, nahm der junge Mann die Anwesenheit seiner Schwester war, die vor seiner Zimmertüre stand und die ganze Szene mitverfolgt hatte. Er sagte kein Wort zu ihr, als sein alles durchdringender Blick auf seine Zwillingsschwester traf und sie ebenso anfunkelte.

  • Flava war nicht blöde, sie wusste, was wohl vorgefallen war. Ein Blick auf die Sklavin hätte genügt, aber als sie dann ihren Bruder erblickte, war auch das letzte bisschen Zweifel weg. Und sie hatte so sehr gehofft, dass sie das hinter sich gelassen hätten! Zuhause in Britannia war so etwas auch ab und zu vorgekommen, und auch wenn Flava ihr Tunlichstes tat und niemals darüber sprach und es auch bei den Sklaven in ihrer Anwesenheit sofort immer unterbunden hatte, hatte sie doch die Gespräche der jungen Sklavinnen im Hause der Großeltern mitbekommen. Und auch das ein oder andere Mal war dort eine Sklavin heulend aus dem Cubiculum ihres Bruders geflüchtet und an ihr vorbei gerannt. Flava hatte so sehr gehofft, dass das hier in Rom anders sein würde. Hier waren es ja nicht seine Sklavinnen, die ihrem Bruder selbst gehörten, sondern die von Meridius. Und hier waren sie so weit weg, es gab so viele Möglichkeiten, den wilden Geist ihres Bruders mit anderen Dingen zu beschäftigen. Aber offenbar war es nicht die Langeweile, die ihn dazu getrieben hatte.
    Sie sah den wütenden Blick ihres Bruders, aber er schreckte sie nicht. Er brauchte sie jetzt, um seinen aufgewühlten Geist wieder zu beruhigen, und sein Zorn und sein Ärger würden sie nicht abhalten. Er hatte ihr noch nie etwas getan, und auch jetzt hatte Flava keine Angst vor ihm. Sie betrat sein Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich. Dann trat sie einfach auf ihren Bruder zu und umarmte ihn ganz sachte. Sie sagte kein Wort dabei. Vorwürfe waren sinnlos, solange er noch so war. Erst einmal musste er sich beruhigen, und das konnte sie mit Umarmungen besser als mit Worten der Vernunft.

  • Wie im Traum sah er Flava näher kommen, spürte wie sie ihre Arme um seinen nackten Oberkörper legte. Es war ihm in diesem Moment weder unangenehm, dass sie diese Situation mit der Sklavin miterlebt hatte, noch war es ihm peinlich, dass er nur mit Schurz bekleidet und immer noch sichtlich erregten Lenden vor seiner Schwester stand. Er verspürte nur Wut und Gier – unstillbare Gier. Sonst war da nichts. Die Türe zu seinem Cubiculum wurde geschlossen. Seine Augen verfolgten jede Bewegung seiner Zwillingsschwester, bis sie schließlich dicht bei ihm stand und er sie spüren konnte.


    Ohne ein Wort zu sagen, ohne jegliche Gegenwehr oder Reaktion, ließ sich Marcus langsam in die Arme seiner Schwester gleiten. Er spürte ihrer Körperwärme, ihre zarte Haut, die sich zaghaft an die seine schmiegte und roch den wohlbekannten Geruch ihrer Haare. Es dauerte einen kurzen Moment, ehe sich sein ganzer Körper langsam Muskel für Muskel entspannte und er seine Arme ebenso um seine Schwester legte und sie an sich drückte. Sein Kopf senkte sich langsam auf ihre Schultern und sein Gesicht vergrub sich sachte in ihrem Hals. Marcus Stimme klang leise und auch etwas verwirrt, fast wie die eines verstörten Kindes, als er Flava ansprach, ohne sie dabei anzusehen oder nach Blickkontakt zu suchen. Seine Augen waren geschlossen, seine Arme umklammerten Flavas Hüfte.


    "Flava?"

  • Nur ganz langsam wich die Anspannung aus Flavus Körper. Sie konnte es regelrecht fühlen, wie es nach und nach weniger wurde und er sich mehr an sie kuschelte. Sie blieb einfach nur still stehen, ließ sich von seinen noch vorhandenen Körperreaktionen nicht ablenken. Sie wusste, dass sie nicht ihr galten, sondern der Situation vorhin, also schenkte sie ihnen nicht nähere Aufmerksamkeit. Sie hielt einfach nur ihren Bruder fest, bis er sie beim Namen nannte. Es erinnerte sie an jemanden, der aus einem schlimmen Alptraum aufwachte, und ganz sanft schmiegte sie sich mehr an ihren Bruder, glücklich, dass er wieder da war und die dunklere Hälfte von ihm gewichen schien für den Moment.
    Ich bin da, Marcus. Alles ist gut.
    Mehr gab es noch nicht zu sagen. Sie war jetzt einfach für ihn da und hielt ihn fest, bis er auch den Rest des Traumes abgeschüttelt hätte.
    Kurz galten Flavas Gedanken der Tür. Sie hatte sie nicht abgesperrt, das hatte sie vergessen. Aber es war mitten in der Nacht, und für die paar Momente würde sicher niemand hereinplatzen. Und das hier war jetzt auch wichtiger. Sanft gab Flava ihrem Bruder einen Kuss auf den Kopf, da er sich so an ihren Hals vergraben hatte, dass sie nichts anderes von ihm erreichte. Aber es zählte nur die Geste.

  • Es dauerte einige Zeit bis sich Marcus Puls wieder beruhigt hatte und er einen klaren Gedanken fassen konnte. Langsam hob er seinen Kopf, versuchte jedoch jeglichen Blickkontakt mit seiner Schwester zu vermeiden. Die Wut war gewichen und nun blieb nur noch die Scham, die er vor Flava in diesem Moment verspürte. Er wollte weder das sie diese Situation sah noch, dass sie ihm in einer solchen Verfassung jemals zu Gesicht bekam. Diese dumme kleine Sklavin hatte alles versaut und einfach nicht auf ihn gehört, hatte nicht das Gemacht, was er wollte und wonach ihm gierte. Als Flava schließlich an der Türe geklopft hatte, nutzte dieses Miststück die Gelegenheit zu verschwinden. Das würde sie noch bereuen. Bei der nächsten Gelegenheit würde er nicht mehr so Rücksichtsvoll mit ihr umgehen. Er bildete sich zumindest ein, dieses mal Rücksichtsvoller gewesen zu sein. Schließlich war es für sie Neu gewesen und musste noch lernen, wie man ihrem Herrn zu Diensten war. Sein Mund war nun direkt neben Flavas Ohr und seine Stimme flüsterte ihr leise zu.


    "Es tut mir leid Flava…. Ich wollte nicht…… Ich wollte nicht das du das siehst."


    Sein Arme, die immer noch um Flavas Hüften geschwungen waren, drückten sie bei diesen Worten etwas fester an ihn heran. Die letzten Worte klangen irgendwie bedrohlich und doch sanft. Einen kurzen Moment verharrte er mit seiner Schwester in den Armen, dann ließ er plötzlich von ihr ab und ging zu seinem Bett, vor dem eine Tunika auf dem Boden lag. Er hob sie auf und warf sie auf sein Bett. Dann wandte er sich wieder an seine Schwester und sah sie mit dem gewohnten freundlichen und liebevollen Gesichtsausdruck an, den sie an ihm kannte. Die Erektion war aus seinen Lenden gewichen und es war fast so, als wäre nichts gewesen und nichts passiert. Als wäre sie gerade erst ins Zimmer gekommen und alles wäre wie immer gewesen.


    "Was machst du denn so spät noch auf?"

  • Einen kurzen Moment glaubte sie, dass sie ihn soweit hätte, dass sie mit ihm vernünftig darüber reden könnte. Aber dann machte er sich von ihr los und ging zu seinem Bett, und der Moment war vorbei. Flava schaute kurz traurig zu ihm herüber, denn sie hätte den bösen Geist in seinem Inneren gerne für ihn vertrieben, aber jetzt war es wieder, als wäre überhaupt nichts gewesen. Also atmete sie einmal kurz durch und spielte mit. Ihn jetzt gleich darauf anzusprechen hatte wohl ohnehin nicht viel Sinn, er würde alles abblocken.
    Ich bin aufgewacht und konnte nicht wieder einschlafen. Ich hatte einen schlechten Traum.
    Einen Moment fragte sich Flava, ob es eine Verbindung zwischen ihrem Traum und dem Handeln ihres Bruders gab. Sie wusste nicht, was sie geträumt hatte, dafür war der Traum zu schnell verflogen, aber auch da ging es um Schmerz und Dunkelheit, genau wie sie hier stattgefunden hatte. Vielleicht waren ihre Seelen ja in mehr als einer Weise miteinander verknüpft? Aber vielleicht bildete sie sich das auch ein.
    Ich wollte ja eigentlich damit aufhören, damit kein falscher Eindruck entsteht, aber… ich wollte einfach ein bisschen bei dir sein, bis ich wieder einschlafen kann.
    Normalerweise wäre sie zu ihm ins Bett geklettert und hätte vielleicht bis zum Morgen durchgeschlafen, eng an ihn gekuschelt. Aber das wäre hier im Haus vielleicht wirklich etwas viel gewesen.

  • "Eigentlich denke ich, dass du ja bereits zu alt dafür bist………"


    Er machte mitten im Satz eine kurze Pause, lächelte seine Schwester an, ging dann zur Türe und schob den Riegel vor. Dann sah er wieder zu ihr und zwinkerte ihr fröhlich zu. Es war wirklich so, als wäre nichts passiert. Er verhielt sich vollkommen Normal und verschwendete auch selbst keinen Gedanken mehr an die letzten Momente.


    "…….aber ich denke heute können wir eine Ausnahme machen."


    Dann kam Marcus wieder zurück an sein Bett und schob die Decke auf, die immer noch vollkommen unberührt darauf lag. Einladend hielt er sie auf und sah in Flavas Richtung. Sie brauchte dieser Einladung nur noch folgen und sich in sein Bett legen. So wie immer würde er sich dann zu ihr legen und sie in die Arme nehmen bis sie eingeschlafen war. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie alt die beiden waren, als Flava zum ersten Mal zu ihm gekommen war. Damals hatte sie ebenfalls einen Albtraum gehabt und gab ihren Bruder so lange keine Ruhe, bis er einwilligte und sie unter seine Decke ließ. Irgendwann war es dann normal gewesen. Immer wenn Flava von Sorgen oder Albträumen geplagt wurde, kam sie zu Marcus und kuschelte sich an ihn. Selbst jetzt noch, aus dem Kindesalter bereits herausgewachsen, konnte er es ihr nicht ausreden, obwohl er es bereits ein paar Mal versucht hatte.

  • Eigentlich war Flava ja auch viel zu alt dafür, und eigentlich wollte sie hier ja auch gar nicht die ganze Nacht bleiben. Aber angesichts der Situation änderte sie ihre Pläne kurzerhand. Dem aufgewühlten Geist ihres Bruders würde es gut tun, sie in der Nähe zu haben. Wenn er bei ihr war, war er sanft und ruhig, nicht so wild und gewaltvoll, wie er vorhin wohl gewesen war. Und es wäre besser für sie beide, und vor allem besser für die Sklavin, wenn ihr Bruder nicht wieder zu diesem gewaltvollen Wesen würde. Für eine Nacht würde es schon gehen.
    Flava lächelte ihren Bruder leicht an und schlüpfte zu ihm ins Bett. Normalerweise hätte sie die Tunika vorher noch ausgezogen, aber das ließ sie vielleicht doch lieber. Sonst entstand wirklich noch ein völlig falscher Eindruck, sollte der Riegel doch nicht so geschlossen sein, wie er schien.
    Sie wartete, bis er sich auch hingelegt hatte und sie in die Arme nahm. Sie kuschelte sich leicht in seine Arme und seufzte einmal wohlig und leise. Jetzt waren sie ein perfekter Mensch, nicht zwei Hälften dessen, was sie hätten sein können. Flava sah es gerne so, denn so fühlte es sich an. Flavus war das Kräftige, Starke, Männliche, manchmal auch das Dunkle und Erschreckende. Sie war das Sanfte, Helle, Leichte und Weibliche, aber auch das Zögerliche und Ängstliche. Gemeinsam waren sie vollkommen, und er war für sie die fehlende Stärke und sie seine fehlende Ruhe. Ob es Verus mit seiner Zwillingsschwester wohl genauso ging? Lustig, dass sie gerade jetzt daran denken musste.
    Marcus? Glaubst du, dass sich zwei Menschen eine Seele teilen können? Und der eine das sieht, was der andere fühlt, und umgekehrt?
    Sie war jetzt schon schlaftrunken und redete leise und langsam. Aber sie wollte gerne seine Meinung hören.

  • Marcus drückte seine Schwester ganz eng an seinen Körper. Sie behielt ihre Tunika heute an, was nur bedingt den Hautkontakt ermöglichte, den er sonst so gerne spürte und der ihm das Gefühl von Wärme und Geborgenheit vermittelte. Noch dazu hatte Flava wunderbar helle und zarte Haut, was vermutlich aus ihrer überdurchschnittlichen Körper- und Hautpflege herrührte. Er hatte seine Augen bereits geschlossen, als sie ihn plötzlich wieder leise ansprach. Er schmunzelte leicht in seiner ersten Reaktion und flüsterte ebenso leise zurück


    "Flava! Auf was für Gedanken du mitten in der Nacht kommst. Du bist ja schon eine halbe griechische Philosophin."


    Dann machte er eine kurze Gedankenpause und dachte über Flavas Frage nach. Zwei Menschen die sich eine Seele teilten. Das kam ihm doch etwas verrückt vor. Natürlich merkte auch er, dass er sich mit seiner Zwillingsschwester auf irgendeinen Art und weise besonders Verbunden fühlte, aber zu sehen oder zu fühlen was der andere fühlt, dass hatte er bisher noch nicht erlebt. Und Marcus war in solchen Dingen außerordentlich Realitätsbewusst – konnte man etwas nicht sehen, schmecken oder fühlen, dann gab es da auch nichts. Er konnte auch die Hingabe seiner Schwester zur Religion nicht Teilen. Ja eigentlich glaubte er nicht einmal an die Götter – schließlich hatte er bisher keinen Beweis ihrer Existenz erhalten. Flava war da anders, feinfühliger und vor allem wesentlich gläubiger als ihr Bruder. Schließlich sagte er leise


    "Nein. Ich glaube nicht das es so etwas gibt."


    und nahm ihre kleine zarte Hand.

  • Flava atmete ruhig und gleichmäßig, während sie ihm zuhörte. Ihre Hand in seiner wirkte so zart, und er nahm sie so vorsichtig. Sie fragte sich, warum er nicht zu allen Frauen so zart und vorsichtig war, wie er es mit ihr war. Wie konnte ein Mann auf der einen Seite so liebevoll seine Schwester berühren, und auf der anderen Seite einen so tiefen Abgrund des Zorns in sich bergen, dass Sklavinnen weinend vor ihm flüchteten?
    Ich mag es, wenn du so sanft bist“, meinte sie schließlich schon im Halbschlaf und schloss wieder die Augen. In seiner Nähe fühlte sie sich einfach wohl, und es war ja auch schon spät. Sie musste nur noch den Rest ihrer Gedanken loslassen, und schon wäre sie eingeschlafen. Aber noch nicht jetzt.
    Ich glaube, ich habe von dir geträumt, Marcus. Dass du mich brauchst…“ Flavas Zunge wurde bereits schwer. Sie musste aufpassen, nicht mitten im Satz doch einzuschlafen. Und auch stimmte nicht so ganz, was sie sagte. Jetzt wusste sie, dass ihr Bruder sie gerade brauchte, aber geträumt hatte sie eigentlich ein wenig was anderes. Aber das war auch nicht so wichtig, wichtig war, sie war jetzt hier und ihr Bruder konnte der sanfte, liebe Bruder sein, den sie so sehr schätzte.

  • Nun merkte auch Marcus nach und nach, dass die Müdigkeit über ihn hereinbrach. Die ganze Anspannung und Aufregung waren aus seinen Körper gewichen und ließen seine Glieder nun schwer und träge erscheinen. Die zusätzliche Wärme, die von den beiden Körpern unter der Decke ausgestrahlt wurde, tat das restliche, um auch die Augenlieder des jungen Mannes schwer werden zu lassen. Dennoch versuchte er sich noch auf die Aussagen seiner Zwillingsschwester zu konzentrieren. Er verstand die Aussage gänzlich anders, als sie vermutlich gemeint war und meinte nur schlaftrunken


    "Natürlich brauche ich dich Flava. Du bist meine Schwester. Und nun lass und schlafen. Ich bin schon sehr müde."


    Er rückte einmal mehr dicht an sie heran, so dass es auf der Deckenoberfläche wirklich den Anschein hatte, als wären sie eine kräftig gebaute Person, und gab ihr einen sanften Kuss auf den Hinterkopf. Dann schloss er endgültig die Augen und war nach wenigen Atemzügen eingeschlafen.

  • Flava ließ es gut sein und ließ sich einfach zurücksinken. Es dauerte nur ein paar Atemzüge, und auch sie schlief tief und fest in der Umarmung ihres Bruders.


    Als sie aufwachte, war es noch dunkel. Sie lauschte auf die gleichmäßigen Atemzüge ihres Bruders, er schlief noch. Ganz vorsichtig hob sie seinen Arm an, immer darauf achtend, ihn nicht zu wecken. Schließlich konnte sie sanft aus seiner Umarmung herausgleiten, ganz vorsichtig und leise. Als sie seinen Arm wieder hinlegte, rührte sich Flavus ganz kurz im Schlaf, und sie machte leise einmal kurz „Shhh“ und streichelte ihm über die nackte Brust, bis er wieder ruhig lag. Sie krabbelte aus dem Bett und deckte ihren Bruder vorsichtig richtig zu. Er sollte noch ein wenig länger schlafen, sie wollte ihn so früh nicht schon aufwecken.
    Ganz leise tappte sie zur Tür und öffnete lautlos den Riegel. Sie sah noch einmal zu ihrem Bruder herüber, der immer noch schlief. Ein kleines Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Er sah im Schlaf so ruhig und friedlich aus. Ganz leise öffnete sie die Tür und schlich hinaus. Noch schlief das ganze Haus, und das nächtliche Beisammensein war hoffentlich unbemerkt geblieben. Flava ging leise durch den Gang und zurück in ihr eigenes Cubiculum.

  • Ein Sklave klopfte zaghaft an der Türe zu Marcus Zimmer und es dauerte einen Moment, ehe er von drinnen die unfreundliche Aufforderung zum Eintreten hörte. Marcus saß gerade an seinem Schreibtisch und sah nicht auf, als der Sklave das Zimmer betrat und sich tief verbeugte.


    "Verzeiht bitte die Störung junger Herr. Diese Botschaft wurde soeben beim Ianitor abgegeben."


    Langsam trat der Sklaven näher an Marcus heran, der sich erst jetzt, als er etwas von einer Nachricht hörte, dem Sklaven zuwandte und ihm gespannt entgegenblickte. Er nahm das Schreiben gefühlskalt wie immer entgegen und deutete dem Sklaven mit einer Handgeste, das er sich zurückziehen konnte. Als dieser das Zimmer wieder verlassen und die Türe hinter sich geschlossen hatte, öffnete er das zusammengefaltete Stück Papyrus.


    Wir sind uns einig


    gez. Asellus


    Die Botschaft war kurz, jedoch aussagekräftig. Marcus wusste sofort was gemeint war und lächelte zufrieden. Damit war es also besiegelt und der Spielraum des jungen Mannes hatte sich mit einem Schlag ziemlich erweitert.

  • Narcissa konnte gar nicht genug davon bekommen durch die Gänge zu gehen und sich alles anzusehen, hier und dort entdeckte sie ein Mosaik oder ein Wandgemälde, dass zum genaueren Betrachten einlud und sie immer wieder stehen bleiben ließ. Dann gab es genügend Fenster, aus denen man herausschauen und Leute beobachten konnte. Und nicht zuletzt gab es unzählige Türen, von denen Narcissa eigentlich jede öffnete, nicht ahnend was sie jeweils dahinter fand. Sie hatte natürlich das Verbot von Livianus verstanden, sich aus den Privatgemächern der anderen herauszuhalten, aber wie sollte sie das tun, wenn sie nicht mal wußte wo diese waren. Daher konnte sie nicht widerstehen und öffnete hin und wieder eine der Türen, ganz langsam und vorsichtig um warf einen kurzen Blick hinein und bisher war auch noch kein Donnerwetter über sie hereingebrochen. Ganz im Gegenteil, es schien alle hatten etwas besseres zu tun und waren gar nicht da. Nicht mal die Ehefrau von Livianus Bruder, wie hieß sie noch gleich...? Magnus und Venusia, ja, so hießen sie. Komisch, sie hatte gehofft noch eine weitere Frau zu treffen, aber es war ja noch Zeit für sowas. Viel interessanter dagegen war das Hier und Jetzt.


    Nach einer Weile kam Narcissa an einer weiteren Türe an, die sich rein äußerlich nicht unterschied von all den anderen und nach einem prüfenden Seitenblick nach links und nach rechts öffnete Narcissa auch diese. Phila stand etwas abseits und beobachtete den Flur um ihre Herrin gegebenenfalls anzutippen und so auf Gefahr in Form von herannahenden Sklaven aufmerksam zu machen. Der winzige Spalt, den sie die Tür öffnete, reichte gerade um hindurchzulünkern...

  • Hinter der Türe, nahe seinem Bett, stand Marcus, der eben erst von seinem Dienst bei der Cohortes Urbanae Heim gekommen war und sich in aller Ruhe umzog. Er machte einen Müden und geschafften Eindruck und war froh, endlich der Hitze Roms entflohen und in seinem halbwegs kühlen Zimmer zu sein. Sein Tribunat erwies sich bisher als anstrengender, wie er es sich erwartet hatte. Der Praefectus Urbi hatte wohl etwas gegen Stabsoffiziere, die ihre meiste Zeit in den kühlen Büros der Castra verbrachten und ließ daher keine Gelegenheit aus, den jungen Decimer mit den durch Rom marschierenden Patrouillen mitzuschicken.


    Marcus hatte der Türe gerade seinen Rücken zugewandt und präsentierte der Iunia, ohne es zu wissen, seinen blanken Hintern. Seine Rüstung und die Soldatentunika hatte er bereits zuvor abgelegt und sein Lendenschurz war wohl im gleichen Augenblick zu Boden gefallen, als Narcissa durch den Türspalt gelugt hatte.

  • Narcissa konnte ihr Glück kaum fassen, sie grinste und sah es nicht im Geringsten ein wegzugucken. Der junge Mann da vor ihr brauchte sich für seinen Körper sowieso nicht schämen und Narcissa hoffte lediglich, er würde sich nicht umdrehen. Nicht, dass sie sich seine Vorderseite nicht angeguckt hätte, doch die Gefahr war zu groß, dass er sie ebenfalls entdeckte. Unschlüssig, ob sie ihre Beobachtungen einstellen sollte, schaute sie noch wenige Sekunden und entschloß sich dann damit aufzuhören. Die Gefahr war zu groß!


    Aber, natürlich, kam es anders, denn gerade als sie sich aufrichtete und die Tür schließen wollte, nieste Phila und erschrocken fuhr die junge Iunia zusammen, was wiederum dafür sorgte, dass die Tür ziemlich unsanft ins Schloß fiel. Mit einem lauten "pong". Na toll. Der bitterböse Blick, den Phila erntete, hätte sie um ein Haar in eine Salzsäule verwandelt, allerdings hatte Narcissa besseres zu tun. Nämlich hier sofort verschwinden.

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