Hortus | Im Reich der Rosen

  • Weder Schimmer noch ein gar noch so winziges, mattes Funkeln hatte ich von dem, was gegenwärtig in Gracchus' Kopf vorgehen mochte. Doch schien er mir plötzlich so tief in Gedanken versunken zu sein, dass ich mich nach einem Moment bereits fragte, ob ich mich räuspern oder ihn anderweitig zurückholen sollte in die Situation, die ihm augenscheinlich so sehr missfiel. Doch tat ich nichts dergleichen, sondern wartete geduldig, mochte doch die fehlerhafte Aussprache genauso gut plötzlich auf seinen Geist übergesprungen und damit der Grund sein, aus dem er nach Worten suchte, die er erwidern wollte.


    Während Celerina sich dann plötzlich einbrachte, wandte ich das Gesicht hin zu ihr, gleichsam zuckte eine Augenbraue unmerklich nach oben. Ihre Worte ließen darauf schließen, dass ihr Besuch vor ein paar Tagen wohl kaum jemandem hier bewusst war, zumindest nicht Gracchus selbst. Es verwunderte mich, dass Celerina nicht offenbart hatte, dass sie meiner Einladung gefolgt und mich im Gegenzug hierher eingeladen hatte - irgendjemandem mussten die Vorbereitungen für diesen pompösen Empfang doch zudem aufgefallen sein? Doch das Quietschen des kleinen Flavius rief mir in Erinnerung, dass es gegenwärtig andere Prioritäten in der villa Flavia gab, ungleich wichtigere als die Vorbereitungen einer cena oder den Erwerb von Bahnen uber Bahnen roséfarbenen Stoffes. So wandte ich mich nun wieder Gracchus hin, der meine Worte schlussendlich akzeptierte, nicht jedoch ohne eine Schelte auszusprechen. Kurz beschäftigte er sich mit seinem Sohn, der so unbeschwert jedwede Aufmerksamkeit auf sich zog, so auch die meine. Die Ungelenkheit, mit welcher er nach dem so großen Erwachsenenfinger griff, um ihn so schnell nicht mehr loszulassen, machte mich schmunzeln, doch allzu bald wurde mein Augenmerk wieder auf den Garten und seine gegenwärtigen Besucher gerichtet. Celerina wurde durch Gracchus' Worte in Verlegenheit gebracht, wo doch ich es war, der sich hier in der prekären Situation befand. Gleichwohl es weder meine Absicht gewesen noch meine Schuld war, dass ich mich nun hier inmitten des eilends aufgebauten, rosafarbenen Heiligtums des flavischen Gartens befand, sah ich mich in der Pflicht, hier zu handeln, nicht nur aus Gründen der Akzeptanz der flavischen Gepflogenheiten - welche eben unmissverständlich deutlich gemacht worden waren - sondern auch, um Celerina Scham zu ersparen. So räusperte ich mich vernehmlich. "Nun, ich bin mir sicher, dass es ein ungleich sehenswerter hortus ist, allein der Farbenpracht der Rosenbüsche und ihrer Anzahl wegen, doch erscheint mir ein anderer Zeitpunkt durchaus gelegener, um die wahrhaftige Fülle zu erfassen." Ich sah kurz hinauf in den Spätnachmittagshimmel, sah dann zu Gracchus und erneut zu Celerina, an die ich auch die folgenden Worete richtete. "Es ist bereits spät, und ich möchte deine Gastfreundschaft nicht über Gebühr strapazieren, Flavia. Hab Dank für das delikate Mahl und die nette Unterhaltung, die wir hoffentlich in Bälde fortführen können." Ihr, wie anschließend Gracchus, nickte ich zu. Kurz überlegte ich, meine Glückwünsche zu wiederholen, doch erschien es mir unpassend, und so blieb es nur bei einer Verabschiedung. "Valete", sagte ich also und verließ in gemessenem Schritt den Garten in Richtung des Hauses.

  • Ein verständnisvolles Nicken geleitete den Aurelier aus der prekären Situation hinaus, Gracchus hätte vermutlich ebenfalls sein Heil in der Flucht gesucht.
    "Vale, Aurelius."
    Der Garten verschluckte den Gast alsbald, so dass in der roséfarbenen, von Lachs und hellem Mauve durchdrungenen Szenerie nur die drei Flavier übrig blieben, von welchen einem dies völlig gleichgültig war, welcher jedoch eines der anderen Unbehagen noch beschwerte. Allmählich spürte Gracchus den kleinen Manius in seinem Arm, obgleich das Kind kaum etwas wog, doch seine schiere Existenz, die Aussicht seiner Zukunft legte sich wie ein dunkles, samtiges Tuch über seines Vaters Gemüt, wie auch die gesamte Situation gleich eines Bleiberges auf seine Schultern hinab drückte. Er trat auf eine der Klinen zu und setzte sich langsam, vorsichtig, behutsam den Jungen auf seinem Schoße drapierend.
    "Setze di'h."
    Er blickte nicht auf zu Celerina, musterte die Konturen des so konturlosen Gesichtes seines Sohnes, die weichen, unschuldigen Züge. Wieder fühlte er sich zurück versetzt vor Minervinas Tod - ihr gegenüber hatte er versagt, sie nicht von ihren Eskapaden abhalten, seiner Verantwortung nicht gerecht werden können, hatte versagt gegenüber seinem Vater, gegenüber der Familie. Wie stets. Er suchte sich damit zu überzeugen, dass in Celerinas Falle alles anders würde sein, sie war seine Großnichte zweiten Grades, er war nicht für sie verantwortlich, nicht, solange andere ihr näher standen. Doch es hatte keinen Sinn, sich selbst zu belügen. Er war für sie verantwortlich, wie er für sie alle verantwortlich war. Wie stets.
    "In dieser Fa..milie gelt'n ... Regeln, Cel'rina, ... not..wend'ge Reg'ln, erwa'hsen ... aus dem, was wir sind, ... was du bist. Was au'h immer ein'r von uns tut, ... es f'llt auf alle zur'ck. Zu viel' ihrer Mitgl''..der hab'n das An..sehen ... und die Ehr' dieser Fami..lie ... b'reits in den Schmu'z gez'gen, ... Schmutz der auch di'h be..deckt, ob du dies wills' ... oder ni'ht, ob du dir dess'n ... bew'sst bist oder ni'ht. Wir kehr'n dies ... gern' un..ter unser'n Teppi'h ... und in den letz''n Jah..ren ... ist uns dies zu..meis' sehr gut gel'ngen, ... so dass die Schma'h der Ver..gang'n..heit ni'ht allzu ... dräng'nd auf je..nen last't, wel'he der Geg'nwart ang'hör'n, ... die Schma'h selbst nur ... aus Erz'hlun..gen no'h kennen. Und do'h ... wand'ln wir alle ... auf uneb'nem Grund, Cel'rina, und kei..n'r von uns ist ge..willt, weit're Er..heb'ngen zu dulden, ... da sie uns nur all..zu lei'ht zu Fall ... bring'n können."
    Obgleich die Worte aufgereiht wie die Perlen einer Kette aus seinem Geiste tropften, fiel es ihm schwer, sie in fortwährendem Fluss in die Welt zu entlassen, gleichsam schwerer noch, sie in sich selbst widerhallend zu hören. Eine Pause entstand, ob derer Gracchus seine Hand hob, Celerina zu bedeuten, dass er noch nicht am Ende seiner Worte war angekommen, und mit einem Wink einen Sklaven zu weisen, ihm etwas zu Trinken zu bringen. Mit großen Augen beschaute Manius Minor, wie Manius Maior den Becher ansetzte und trank, was ihn eben auf den Gedanken brachte, dass auch er enormen, geradezu gewaltigen und alles andere verdrängenden Durst und Hunger verspürte. Als Gracchus den Becher fort stellte, fort aus der Reichweite des Kindes, fing jenes zuerst an leise zu quengeln, nur um gleich darauf aus seiner triebgesteuerten Laune heraus in ein unzufriedenes Weinen zu verfallen. Sogleich sputete die Amme des Jungen aus den Schattierungen des Hintergrundes heran, welche schon am Tonfall eines Kindes konnte hören, ob es der Nahrungsaufnahme oder -abgabe wegen schrie, übernahm das heulende Bündel und eilte in Richtung der Villa davon.
    "Das hier ..."
    , fuhr Gracchus schlussendlich fort und umfasste mit einer unbestimmten Handbewegung die roséfarbene Welt,
    "... mag für di'h ein ... Spiel sein, do'h das ist es ni'ht. Ein pa..tr'z''sch's ... Leben ist kein Spie', und die ... Real'tät ist gna..d'nlos geg'nüber jen'n, wel'he si'h in einem sol'hen ... wähnen."
    Noch einmal entstand eine kurze Pause, ehedem Gracchus zu einer Frage ansetzte, deren Antwort er fürchtete, gleichsam sich nicht dessen sicher war, welche Antwort er mehr fürchtete, die Bejahung oder die Verneinung.
    "Weiß Caius hierv'n?"

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  • Dieser wunderschöne Nachmittag, der so gut von mir durchdacht und geplant worden war, der fast schon einem Kunstwerk glich, er war mit nun vollends entglitten und ich mußte nun hilflos mit ansehen, wie Corvinus sich umdrehte und ging! Nein, bitte nicht, wollte ich ihm noch hinterher kreischen. Dies unteließ aber, war doch mein Onkel noch anwesend und der kleine Manius, der in der Tat an dieser Situation am wenigsten konnte. Das harte Vale, Aurelius meines Onkels, hallte mir noch Minuten im Ohr, bis er mich schließlich aufforderte, Platz zu nehmen. Alsbald saßen wir uns beide gegenüber. Er hatte dort Platz genommen, wo noch der Aurelier vor nicht allzu langer Zeit gesessen hatte. "Ja. Onkel!" Ich tat, wie mir befohlen wurde, und kam mir mit einem Mal in meinem Äußeren so lächerlich vor. Am liebsten hätte ich den Schmuck und die alberne roséfarbene Tunika abgestreift. Ich mußte zugeben, rosé stand mir überhaupt nicht! Wahrscheinlich hatte ich es sogar fertig gebracht, daß der Aurelier mich nach diesem Nachmittag nie wieder eine Blickes würdigen würde. Ich hatte hoch gespielt und war tief gefallen. Wie konnte es nur geschehen? Ich hatte mich bereits am Ziel meiner Wünsche gewähnt und doch stand ich in Wirklichkeit noch ganz am Anfang. Ja, das mußte es sein! Aber wie hatte ich es nur zulassen können, mich dermaßen gehen zu lassen! Nun kam auch noch zu guter letzt die Strafpredigt des Gracchus Maior auf mich hernieder geprasselt. So mußte es gewesen sein, als der Ascheregen über Pompeji niederging und alles unter sich begrub. Genau das, was ich im Moment brauchte. Aber als artige Nichte ließ ich alles über mich ergehen, ohne auch nur ein Widerwort zu wagen.
    Manchmal war es schwierig, ihm folgen zu können. Die Einschränkung seiner Sprache infolge der Krankheit, verlangte mir meine vollste Aufmerksamkeit ab. Erst als er zu dem Becher griff, dem ihn ein Sklave gebracht hatte, tat ich es ihm gleich. Auch ich hatte das Verlangen nach Flüssigkeit verspürt, allerdings wohl eher, damit die Anspannung von mir abfiel.
    Der kleine Manius fühlte sich in diesem Augenblick mehr als vernachlässigt. Er war der Einzige, dem nichts angedeiht wurde. Deshalb begann er sogleich unruhig zu werden und bevor er sich in ein schreiend plärrendes Bündel verwandelte, kam seine Amme und nahm sich seiner an. Er war wirklich sehr zu beneiden!
    Kaum hatte man ihn von seinem Söhnchen entbunden, fuhr Gracchus weiter fort. Ich wußte, mein Verhalten war unentschuldbar. Jedes Wort, welches ich zu meiner Verteidigung hätte vorbringen können, wäre fehl am Platz gewesen. Als absolute Krönung des Ganzen war letztendlich noch eine Frage, bei der ich mir gewünscht hatte, er würde sie nie stellen. Doch es war unabdingbar, dass sie kommen mußte und sie kam, nach einer kleinen Pause, in der ich schon hoffen wollte, er sei fertig.
    Natürlich wußte Onkel Aquilius nichts davon. Wie hätte er auch? Ich hatte es ihm jedenfalls nicht erzählt. Es war anzunehmen, dass Antonia bereits mit ihm gesprochen und begonnen hatte, unseren Plan in die Tat umzusetzen. Doch darauf konnte ich mich in diesem Augenblick nicht verlassen. Es lag mir auch fern, Gracchus diesbezüglich die Unwahrheit zu sagen.
    "Nein, ich fürchte nicht!" antwortete ich mit leicht roten Wangen, die so gar nicht mit dem Restrosa meiner Umgebung harmonieren wollten.

  • Ein Funken Erleichterung strich sich in Gracchus' Geist, wäre doch die Tolerierung all dessen durch Aquilius ihm weitaus schlimmer erschienen denn der Fehltritt Celerinas an sich. Sie widersprach nicht, schimpfte nicht, diskutierte nicht, flehte nicht, zeterte nicht und weinte nicht, saß nur da, ihre Aufmachung gleich einer Persiflage ihrer selbst, einem kleinen Häufchen Elend gleich, welches nur allzu leicht unter den flavischen Teppich würde gekehrt werden können. Ein Seufzen entwich Gracchus, tief aus seinem Bauch heraus. Aurelius Corvinus glaubte Gracchus bei all dem weiterhin als mehr oder minder zufällige Auswahl - ein sicherlich interessanter Mann, unbezweifelt ansprechend für das weibliche Geschlecht, nicht ohne Einfluss zudem und somit durchaus angemessen für das flavische Beuteschema -, so dass er nicht für notwendig hielt, näher auf Celerinas Beziehung zu jenem einzugehen.
    "Er muss es ni'ht wiss'n."
    Für das Wohl der Familie Sorge zu tragen, bedeutete nach Gracchus' Verständnis gleichsam auch, jegliche überflüssige Sorge von ihr fern zu halten. Unbezweifelt würde jene Aktion zwar Aquilius nicht verborgen bleiben, doch ihn explizit darauf hinzuweisen, würde dies alles nur unnötig exorbitieren.
    "Ni'ht, so..lange so etwas ni'ht no'h ein..mal g'schieht."

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  • Langsam kam ich aus meiner Deckung heraus. Mein Geständnis, ob der Unwissenheit Aquilius´ von meiner kleinen Gartenfestivität, hatte mein Onkel doch recht gelassen aufgenommen. Dabei hatte ich doch schon ein mittelgroßes Donnerwetter seinerseits erwartet. Doch nichts dergleichen! So staunte ich nicht schlecht, als er mir versicherte, er müsse es auch nicht erfahren.
    Ich atmete erleichtert auf und fand meine Haltung wieder. "Nein, natürlich nicht Onkel!" beteuerte ich. Noch einmal würde ich eine solche Dummheit nicht begehen!
    Jetzt musste ich mir wirklich eingestehen, ich hatte den Onkel gänzlich mit falschen Augen gesehen. Warum nur hatte ich mich ihm nicht gleich anvertraut? Doch das konnte man ja noch nachholen! Wenn es mir gelang, Gracchus zu überzeugen, dann hatte ich in ihm einen starken Verbündeten! Damit mir das gelang, grübelte ich nicht lange nach einer extravaganten Geschichte nach. Der heutige Tag war bereits prall mit Extravaganz gefüllt gewesen! Nein, ich entschied mich, es frei heraus und aufrichtig zu sagen, so wie es war und was mich bewegte.
    "Onkel, wie du ja weißt, ich kam nach Rom, mit der Absicht, mich wieder zu verheiraten. Bei meiner Ankunft war ich noch der Meinung, dies hätte noch Zeit. Doch dann lernte ich den Aurelius kennen. Onkel, er ist der Typ Mann, den ich mir als Gemahl wünschen würde. Er hat Stil und ist standesgemäß und er hegt die gleiche Liebe für Pflanzen, wie ich es tue. Er ist der Mann, an dessen Seite ich gerne leben möchte, Onkel!"

  • Es schien Gracchus bereits als habe er sein brüchiges Schiff passabel durch die Meerenge der Flavia Celerina lenken können, ganz ohne dass jene in Wut erschäumt, in Sturm entbrannt, in vernichtende Wirbel war ausgebrochen und sein Boot hatte an den scharfen Kanten der schroffen weiblichen Felsen zerspringen lassen, wie Minervina dies nur allzu gern hatte getan, gleichsam vermutlich ohne sich dessen recht bewusst zu sein, ebenso wie sie es nicht in sintflutartigem Tränenregen hatte erdrückt und in die feuchten Tiefen hinab gezogen, was Gracchus meist mehr noch in Ratlosigkeit sinken ließ denn kochende Wut. Es hatte darob einen kurzen Augenblick lang den Anschein, als wäre an diesem Tage die Möglichkeit gegeben, die seltene Gelegenheit des familiären Aufeinandertreffens zu nutzen, um ganz unverfänglich herauszufinden, wie Celerina sich in Rom hatte eingelebt. Noch ehe jedoch Gracchus bei seiner Nichte konnte einige Nachfragen anstellen, sich nach ihrem Befinden erkundigen, fing jene von selbst an, freimütig zu berichten, allerdings in gänzlich andere Richtung als unverfängliches Befinden. Ausdruckslos betrachtete der Onkel seine in rosé gehüllte Nichte, ihre gesamte Präsentation, verwoben mit den Worten aus ihrem Munde, und neuerlich keimte in ihm die Erinnerung, Minervina in Einklang mit ihrem Leoparden, den Caecilier umwerbend.
    "Bist du in Au..relius v'rliebt?"
    Es klang dieser Satz merkwürdig, hallte seltsam in Gracchus' Gedanken nach, denn obgleich er sich scheute von Liebe zu sprechen, verliebt längst nicht jene grave Bedeutsamkeit erlangte, so war es dennoch ein Wort, welches in seinem Sprachgebrauch kaum je vorkam, über dessen zugehörige Emotion zu sprechen er außer in poetischer Erörterung sich nur gegenüber Caius und seit einiger Zeit auch gegenüber Antonia wagte. Seine Beziehung zu Celerina jedoch kam bisweilen nicht über ihre Verwandtschaft hinaus, es gab keinerlei Vertrautheit jenseits der familiären Sorge, und mit ihr über solcherlei Intimitäten zu sprechen kostete Gracchus ein nicht geringes Maß an Selbstüberwindung.

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  • Ob es nun klug war, sich so zu offenbaren, wie ich es gerade getan hatte, wußte ich nicht. Es war ein Wagnis, ein Spiel. Ich hatte versucht, dem Onkel meine Sichtweise zu zeigen, damit er verstand, worum es mir ging. Umso mehr überraschte mich seine Reaktion. Perplex war wohl die richtige Beschreibung meiner Mimik. Mit großen Augen sah ich ihn an. "Verliebt? Ich? Oh nein! Nein, natürlich nicht! Wie sollte ich, ich kenne ihn ja kaum!" Ein Lächeln schlich sich in mein Gesicht. Und doch, für einen kurzen Moment nur, versuchte ich, in mich hineinzuhorchen. Ich und verliebt! Nein, so etwas wie Liebe hatte ich bei alle dem nicht gefühlt. Es war mehr eine Zuneigung. Liebe kam, sofern man es zuließ, erst später. Hatte ich jemals wirklich richtig geliebt? Nein, nicht wirklich. Es gab da die eine oder andere Liaison, eine simple Liebelei nur, doch Liebe? Nein!


    "Nein Onkel! Dieser Mann wird mein Fortkommen sichern! Er ist eine aufstrebende und vielversprechende Partie. Ich möchte nicht das Andenken an meinen verstorbenen Mann in den Schmutz ziehen, doch diese Ehe war mehr als unbefriedigend. Denkbar, ich war einfach zu jung und naiv, als man uns vermählte..." Ich führte den Satz nicht zu Ende. Die Erinnerungen, die an meine Ehe geknüpft waren, schmerzten noch immer und sie sollten mir eine Warnung sein. Diesmal wollte ich nicht an den erstbesten verschachert werden. Diesmal sollten meine Vorstellungen eine Berücksichtigung finden! Was sprach also dagegen, die Frau eines Mannes zu werden, der jüngst in den Senat berufen wurde?
    Ich erwartete noch einiges vom Leben und ich hatte nicht vor, als alte Jungfer zu versauern oder gar mit einem Mann zusammenzuleben, mit dem ich so gar nichts anfangen konnte. Mit etwas Glück und dem Wohlwollen der Götter, würde ich auch endlich ein Kind haben, vornehmlich einen Sohn. Ja, das war es, was ich wollte, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wenn sich irgendwann Liebe einschlich, umso besser!

  • "Gut."
    Ein Anflug von Erleichterung klang in Gracchus' Stimme mit, welchen er nicht ganz konnte verbergen. Emotion war nichts, was bei der Abwägung einer Ehe von Belang sollte sein, denn das eine hatte nicht zwangsläufig mit dem anderen zu tun, mochte zwar im Laufe der Zeit erwachsen, konnte jedoch gleichsam ebenso gut gänzlich ausbleiben. Dennoch waren die flavischen Frauen diesbezüglich stets ein wenig wankelmütig und voreilig gewesen, nicht nur Minervina, auch Aristides' Tochter Arrecina hatte sich ein immenses, doch äußerst brüchiges Traumgefüge hinsichtlich ihrer ehelichen Zukunft errichtet, ebenso wie Aquilius' Nichten Calpurnia und Fausta. Jene Probleme hatten sich letztlich von selbst gelöst, nicht gar so, wie die Familie hatte erhofft augenscheinlich, doch endgültig. Allfällig mochte Celerina eine bessere Zukunft beschieden sein, in der einen, wie auch der anderen Hinsicht. Die Amme näherte sich aus dem Hintergrund, kehrte mit dem kleinen Manius zurück, welcher friedlich in ihren Armen seinem Verdaungsschlaf sich hingab. Mit einem feinen Lächeln winkte Gracchus sie näher und übernahm seinen Sohn wieder, denn jede Gelegenheit, den Jungen bei sich haben zu können, ohne zuvor einen subtilen Kampf mit seiner Mutter auszufechten, musste genutzt werden - zudem, mit dem Kind auf seinem Schoße war Gracchus weit mehr gewillt, sich als jenen Onkel titulieren zu lassen, welchen Celerina beständig ihm angedeihen ließ, welcher - wie Gracchus glaubte - ihm aus ihrer Sicht heraus jedoch nicht unbedingt musste zustehen.
    "Die Herk'nft Au..relius' ist tadellos, sein eigener Werd'gang ni'ht zu bean..standen. Es wird an Caius sein, mit ihm darüber zu spre'hen ... und die Form'li..täten zu klären, ... glei'hsam ist ni'ht zu erwarten, dass er ab..lehnt. Wie er selbst erw'hnte, ist er no'h immer ... ung'bunden, und er kann si'h ni'ht leis..ten, no'h wird er wagen, eine Flavia z'rück zu weisen."
    Diesbezüglich war sich Gracchus sehr sicher, so Corvinus Aquilius nicht einen äußerst guten Grund würde nennen, weshalb er jene Bindung mochte ablehnen wollen. Niemand lehnte eine Flavia ab.
    "I'h werde einen Teil deiner Mit..gift beisteu'rn, einen Betrieb, wenn du mö'htest, zudem einen Beitr'g aus dem Fa..milienver..mögen. Flavia mögen das Verm'gen ihrer Gatten aus..geben, do'h sie werden niemals davon abhäng'g sein."
    Die Sichtweise der rationalen Eheplanung lag Gracchus bei weitem mehr als jene vorige Richtung, welche er befürchtet hatte. Gegen Aurelius Corvinus sprach nicht allzu viel, für ihn ein wenig mehr, zudem mochte er allfällig eine glänzende Zukunft vor sich haben, doch letztlich war es ohnehin nicht an Gracchus, über diese Bindung zu entscheiden, obgleich er sie durchaus würde billigen.

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  • Nicht minder groß war meine Erleichterung. Ein vages Lächeln erschien auf meinem Gesicht. Die Zeiten, in denen ich mich nur einer Laune hinzugeben gepflegt hatte, waren längst vorüber. Alles was ich tat, folgte einer fast kühlen Berechnung heraus. Ziellos und ohne Plan durchs Leben zu eilen, brachte mir auf die Dauer nichts. Außerdem schien mir meine Zeit dafür zu kostbar zu sein, um einem Phantasiegebilde nachzulaufen.
    Mein Lächeln wurde noch verstärkt, als mein Blick der Amme folgte, die den kleinen Manius zurückbrachte, der dann schließlich seinen Platz in den Armen seines Vaters wieder fand. Ein solch kleines Wesen war mehr als erstrebenswert! Eines Tages wollte auch ich einen solchen Prachtjungen in meinen Armen halten können und dann sagen dürfen, dies ist mein Kind! Natürlich hatte ich die Schrecken meiner Fehlgeburt nicht vergessen. Manchmal begegneten sie mir noch in meinen Träumen. Doch für solche Gedankengänge war nun hier kein Platz!
    Umso mehr erfreute mich Gracchus´ Urteil, welches er über den Aurelier fällte. Wenn er so über ihn dachte, dann konnte Aquilius doch auch nicht abgeneigt sein! Erneut begann die Hoffnung in mir zu keimen.
    "Ich bin mir sicher, der Aurelier denkt ähnlich wie ich es tue. Wäre er sonst meiner Einladung gefolgt? Nur wie kann ich ihn Aquilius schmackhaft machen?" Vor einigen Tagen hatte ich mit Aquilius bereits das Thema Heirat angesprochen, wobei ich mich nicht recht überwinden konnte, ihn direkt auf den Aurelier anzusprechen.
    Doch bei der Ankündigung meines Onkels, er wolle einen Teil der Mitgift beisteuern, war die Frage, wie man Aquilius dazu gewinnen konnte, dieser Ehe zuzustimmen, nur noch zweitrangig. Es war nur noch eine reine Formsache.
    "Du bist sehr freundlich! Ich danke dir und weiß deine Großzügikeit sehr zu schätzen!"

  • Mit sich und der Welt im Einklang schlummerte Manius Minor in Gracchus' Arm und förderte somit zugleich auch dessen Einklang mit sich und der Welt, so dass er zuversichtlichen den Kopf schüttelte.
    "Ihn Caius schmack..haft zu ma'hen, wird ni'ht ... notwend'g sein, da er den Au..relier einen Freund n'nnt, zudem mag Caius imperiale und fam'liäre Politik als läst'ges Übel era'hten, do'h er ist ob dessen ni'ht minder in..formiert."
    Ein sublimes Lächeln schlich sich um Gracchus' Lippen, als er sich dessen entsann, einst die Befürchtung gehegt zu haben, der Aurelier könne Caius nur allzu schmackhaft sein, ihre Freundschaft würde sich auf weit mehr beziehen denn freundschaftliches Gebaren, gleichsam war er sich nur allzusehr der äußerlichen Vorzüge bewusst, welche Corvinus offenbarte, so ein Mensch gewillt war, ihn näher in Augenschein zu nehmen, was Gracchus selbst zu vermeiden suchte und nur in äußerst klandestinen Momenten sich gestattete. Einige Herzschläge lang stellte er sich die Possibilität vor, Aurelius Corvinus könne nach einer Verbindung des öfteren gemeinsam mit Celerina zum Mahl in die Villa Flavia kommen, so dass jener direkt auf dem locus consularis neben ihm würde liegen, in nur allzu greifbarer Nähe - zwang sich jedoch sogleich jenen Gedanken in sich zurück zu däingen, blinzelte, als könne er ihn so aus seinen Augen und somit seinen Sinnen wischen. Viel zu lange schon hatte er sich von männlichen Körpern fern gehalten, hatte geglaubt, auf diese Weise Antonia näher kommen zu können, hatte nicht einmal mehr sein Verlangen an Sciurus gestillt, geschweige denn an Sklaven außer Haus. Er sehnte sich nach Caius' Körper, nach dessen heißem Leibe, dem sinnlichen Geruch und den feinen Schweißperlen auf seiner Haut, gleichsam wie er sich nach jedem männlichen Leibe sehnte, den festen Muskeln, den sehnigen Gliedmaßen, den konturlosen Proportionen, welche ihm so viel anziehender waren denn die weiblichen Rundungen seiner Ehefrau. Ob solcher Gedanken abgelenkt, überging Gracchus weitere Worte bezüglich der Mitgift, ohnehin waren diese obsolet, gehörte doch Celerina zur Familie, wodurch alles weitere sich erübrigte oder ergab.

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  • Alle Sorgen schienen von mir abfallen zu wollen. Mein Gesicht erheiterte sich zunehmend, ebenso mein Gemüt und ich glich einem Kind, das sich noch richtig über eine Sache freuen konnte. Eine Eigenschaft, die dem erwachsenen Menschen allmählich verlustig ging, je älter er wurde. Doch ich freute mich und hätte ich nur im Entferntesten ahnen können, was in Gracchus´ Kopf vorging, dann hätte ich auch gewusst, wie sehr ich mit der Naivität eines Kindes behaftet war. In meiner Kindheit hatte man mir eingebläut, was die grundlegenden Pflichten und Aufgaben der Frau und des Mannes seien. Daß die Frau dazu bestimmt war, an der Seite ihres Mannes zu leben, ihm Kinder zu gebären, ihm das Leben lebenswert machen und ihm Untertan zu sein. Für eine andere Form von 'Gemeinschaft' gab es keinen Platz, in dieser Weltanschauung. Meine Ziehmutter wäre vor Scham umgefallen, hätte es jemand in ihrer Gegenwart gewagt, in diese Richtung eine Frage zu stellen oder auch nur davon zu sprechen.
    "Das ist ja fabelhaft! Dann wird eins zum anderen kommen! Oh, wie sehr ich mich freue!"
    Doch trotz all der Euphorie holte mich dann doch wieder die Frage ein, was dieser unrühmliche Nachmittag bei dem Aurelier verursacht hatte. Würde er es noch angebracht finden, sich erneut bei mir zu melden, mir eine Nachricht zukommen lassen, mich noch einmal sehen wollen? Ich wußte es nicht und das ängstigte mich! Wieder einmal war ich zum Abwarten verdammt. Hoffen und warten waren wohl meine ständigen Begleiter im Leben. Aber auch diesmal würde ich dies durchstehen, so wie ich es immer getan hatte. Und wenn es all zu lange dauerte, gab es Mittel und Wege, Dinge zu beschleunigen.
    "Was rätst du mir jetzt, Onkel?" Ich wünschte, ich wäre nur mit den Sorgen des kleinen Manius behaftet gewesen, der sich durch nichts von seiner Ruhe abbringen ließ.

  • Celerinas Freude war für Gracchus nicht gänzlich nachvollziehbar, allerdings konnte er durchaus sich vorstellen, dass für eine Frau, welche die Wahl hatte, es durchaus angenehmer würde sein, einen Mann zu heiraten, in welchem sie von Beginn an nicht nur einen Statusbedingten Vorteil sah, gleichsam jedoch war auch dies kein Garant weder für Beständigkeit, noch für eine erfolgreiche Ehe, doch vermutlich gab es einen solchen ohnehin wohl kaum je. In seinem Schlaf versunken drehte Manius Minor seinen Kopf, verzog ein wenig das Gesicht, ehedem er friedlich weiter schlummerte. Erneut abgelenkt von seinem Sohne - jenem Kind den gesamten Tag über hinweg nur bei seinem Leben zuzusehen, würde Gracchus im Grunde derzeitig vollends zufrieden stellen - sann er darüber nach, ob das Kind wohl träumte und so dies der Fall war, welcher Art solcherlei Träume in seinem kleine Kopfe waren, nicht geprägt durch Eindrücke des täglichen Lebens, durch plagende Gedanken und quälende Ängste, allfällig nur von Verlangen nach Nahrung und Geborgenheit. Viel hätte er darum gegeben, in die Gedanken seines Sohnes blicken zu können, das kleine Gedankengebäude zu erkunden, den kindlichen Geist. Doch nicht nur die Unmöglichkeit dessen hielt ihn davon ab, gleichsam waren es die Worte seiner Nichte, jene erneute Titulierung des Onkels, welcher ihm nurmehr vor Augen hielt, wie weit er sich hatte entfernt von den unschuldigen Gedanken eines Kindes, dass er längst nicht mehr sich konnte fallen lassen in die gedankenlose Sicherheit des Schlafes, behütet durch die ihn stets auffangenden Hände der Familie, dass er selbst derjenige war, welcher mit seinen Händen alles musste halten, alles musste auffangen, gleichsam mit seinen Gedanken nicht bei sich selbst verweilen, sondern Fäden und Enden des familiären Netzes verknüpfen, entwirren, in ihre Bahnen lenken. Was sollte er raten? Nicht Ratschläge geben, erraten war es, was er diesbezüglich beständig glaubte zu tun, zu erraten, was von ihm wurde erwartet, stets zu erraten, was das Beste für alle mochte sein.
    "Spri'h mit Caius bezügli'h ... deiner Wünsche. All's weitere wird si'h er..geben."

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