Weder Schimmer noch ein gar noch so winziges, mattes Funkeln hatte ich von dem, was gegenwärtig in Gracchus' Kopf vorgehen mochte. Doch schien er mir plötzlich so tief in Gedanken versunken zu sein, dass ich mich nach einem Moment bereits fragte, ob ich mich räuspern oder ihn anderweitig zurückholen sollte in die Situation, die ihm augenscheinlich so sehr missfiel. Doch tat ich nichts dergleichen, sondern wartete geduldig, mochte doch die fehlerhafte Aussprache genauso gut plötzlich auf seinen Geist übergesprungen und damit der Grund sein, aus dem er nach Worten suchte, die er erwidern wollte.
Während Celerina sich dann plötzlich einbrachte, wandte ich das Gesicht hin zu ihr, gleichsam zuckte eine Augenbraue unmerklich nach oben. Ihre Worte ließen darauf schließen, dass ihr Besuch vor ein paar Tagen wohl kaum jemandem hier bewusst war, zumindest nicht Gracchus selbst. Es verwunderte mich, dass Celerina nicht offenbart hatte, dass sie meiner Einladung gefolgt und mich im Gegenzug hierher eingeladen hatte - irgendjemandem mussten die Vorbereitungen für diesen pompösen Empfang doch zudem aufgefallen sein? Doch das Quietschen des kleinen Flavius rief mir in Erinnerung, dass es gegenwärtig andere Prioritäten in der villa Flavia gab, ungleich wichtigere als die Vorbereitungen einer cena oder den Erwerb von Bahnen uber Bahnen roséfarbenen Stoffes. So wandte ich mich nun wieder Gracchus hin, der meine Worte schlussendlich akzeptierte, nicht jedoch ohne eine Schelte auszusprechen. Kurz beschäftigte er sich mit seinem Sohn, der so unbeschwert jedwede Aufmerksamkeit auf sich zog, so auch die meine. Die Ungelenkheit, mit welcher er nach dem so großen Erwachsenenfinger griff, um ihn so schnell nicht mehr loszulassen, machte mich schmunzeln, doch allzu bald wurde mein Augenmerk wieder auf den Garten und seine gegenwärtigen Besucher gerichtet. Celerina wurde durch Gracchus' Worte in Verlegenheit gebracht, wo doch ich es war, der sich hier in der prekären Situation befand. Gleichwohl es weder meine Absicht gewesen noch meine Schuld war, dass ich mich nun hier inmitten des eilends aufgebauten, rosafarbenen Heiligtums des flavischen Gartens befand, sah ich mich in der Pflicht, hier zu handeln, nicht nur aus Gründen der Akzeptanz der flavischen Gepflogenheiten - welche eben unmissverständlich deutlich gemacht worden waren - sondern auch, um Celerina Scham zu ersparen. So räusperte ich mich vernehmlich. "Nun, ich bin mir sicher, dass es ein ungleich sehenswerter hortus ist, allein der Farbenpracht der Rosenbüsche und ihrer Anzahl wegen, doch erscheint mir ein anderer Zeitpunkt durchaus gelegener, um die wahrhaftige Fülle zu erfassen." Ich sah kurz hinauf in den Spätnachmittagshimmel, sah dann zu Gracchus und erneut zu Celerina, an die ich auch die folgenden Worete richtete. "Es ist bereits spät, und ich möchte deine Gastfreundschaft nicht über Gebühr strapazieren, Flavia. Hab Dank für das delikate Mahl und die nette Unterhaltung, die wir hoffentlich in Bälde fortführen können." Ihr, wie anschließend Gracchus, nickte ich zu. Kurz überlegte ich, meine Glückwünsche zu wiederholen, doch erschien es mir unpassend, und so blieb es nur bei einer Verabschiedung. "Valete", sagte ich also und verließ in gemessenem Schritt den Garten in Richtung des Hauses.