Das schäbige kleine Officium des Princeps Prior Decimus Serapio

  • Mit spitzen Fingern fischte ich mir eine Spinnwebe aus den Haaren. Gut, man sah es dem Raum an, dass er eigentlich als Ausrüstungslager vorgesehen war, und er war weder besonders hell noch besonders gross. Aber nachdem ich ausgefegt und den Boden gescheuert, die Spinnweben entfernt und durchgelüftet hatte, war es immerhin sehr sauber hier drinnen. Ausserdem versuchte ich mich mit dem Gedanken zu trösten, dass so ein unscheinbarer Rahmen genau das richtige für konspirative Planungen war. Ein klein bisschen Bestechung beim zuständigen Quartiermeister war schon nötig gewesen, aber jetzt konnte ich den Raum als Arbeitszimmer haben. (Allerdings unter der Bedingung, dass die restlichen Waren die noch hier lagerten, ihren Platz behalten durften. Da es sich dabei um ein Dutzend Ersatz-Mühlsteine aus Tuffstein handelte, störte mich das nicht, ich hatte sie mit Rupus' Hilfe an der Wand aufgestapelt wo sie nicht im Weg waren.)
    Ein Tisch, ein Stuhl für mich und einer für Besucher, ein Regal, eine Truhe, das war die spartanische Einrichtung. Auf dem Tisch ein Stapel Papyri, eine Öllampe und, akkurat dazu ausgerichtet, Tintenfass und Feder, Tabula und Stylus. Vor dem Fenster wuchs eine Platane, leise drangen die Geräusche vom Exerzierplatz herüber.
    Die Wände waren kahl, bis auf die gegenüber des Fensters, da hatte ich eine grosse Karte von Rom aufgehängt. Vor dieser Karte stand ich eine Weile lang, die Hand ans Kinn gelegt, und betrachtete nachdenklich das unendliche Netz der Strassen, Gassen und Foren. Irgendwo in dieser Stadt waren die Christianer, versteckt wie Maden in einem rotwangigen Apfel, eine zersetzende Kraft, sie sponnen ihre Ränke gegen Kaiser und Imperium. Jedenfalls vermutete das der Praefectus Urbi, und mein Auftrag war es, ihm dazu Informationen zu beschaffen.
    Wo beginnen, fragte ich mich. Hm, am besten war es wohl wir observierten erst mal die Leute, die in Vergangenheit in der Hinsicht schon mal auffällig geworden waren. Ich begab mich ins Archiv und kehrte nach langem Suchen mit einem Arm voll Akten zurück, viele Berichte, alte und neue, Denunziationen, Gefangenenlisten und Protokolle, in die ich mich bis spät in die Nacht vertiefte.

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • So schnell mich meine Füsse trugen, rannte ich die Strasse entlang, meine Schritte hallten auf dem Pflaster, mein Atem ging keuchend, das Herz hämmerte in meiner Brust, ich rannte um mein Leben. Hinter mir wusste ich die Meute. Umdrehen durfte ich mich nicht, nur keine Zeit verlieren! Sie hetzten mich, ihr böses Bellen und Heulen erfüllte die Strasse, ein Fraßlied, das von den Mauern zurückschallte und auf mich eindrang, ihr hungriges Knurren sprach von Gier, von der Lust zu töten und zu zerfetzen - mich zu töten und zu zerfetzen! Ich rannte um mein Leben, die Strasse entlang, die kein Ende nahm, sie war breit, ganz gerade, verlor sich in unbestimmtem Grau. Im Nacken spürte ich den heissen Atem der Meute, ihre Zungen waren rot, Geifer tropfte von ihren scharfen Zähnen mit denen sie mir das Fleisch von den Knochen reissen wollten. Unaufhaltsam kamen sie näher, setzten zum Sprung an, in panischer Angst stürmte ich vorwärts, wusste doch, dass ich ihnen nicht entkommen konnte.
    Da - eine Pforte in der Mauer, ein Ausweg, ich warf mich hindurch, schlug die Türe hinter mir zu, rammte den Riegel davor. Dumpf der Aufprall, als die Hunde sich gegen die Türe warfen, sie erzitterte, aber gab nicht nach, und die Meute stimmte ein entsetzliches Heulen an, ein klagendes Jaulen und Winseln, so bejammerten sie den Verlust ihrer Beute.


    Gerettet... ich schöpfte Atem, und sah mich um. Die Sonne stand hoch, ihre Strahlen liessen die Dinge mit scharfen Konturen und weiss hervortreten. Ein leichtes Flirren lag in der Luft... Ich stand in einem Garten, auf allen vier Seiten von Mauern umgeben. Alle Pflanzen waren vertrocknet, die Sonne musste sie ausgedörrt haben, die Bäume waren knochenweiss, mit einem kaum hörbaren Rascheln rieben sich die spröden Stengel der vergilbten Blumen aneinander. Schritt für Schritt ging ich tiefer in den Garten hinein. Da war etwas, etwas das auf mich wartete... - dann sah ich es, in der Mitte des Gartens, nur einen Blick warf ich darauf und wich sofort erschrocken zurück, suchte vergeblich Schutz hinter den dürren Zweigen. Draussen heulten die Hunde. Nein, wusste ich da, nein ich war keineswegs gerettet...
    Es war nur eine Luke im Boden, verschlossen mit einer schweren, eisernen Abdeckung, sie lag da vor mir in der Sonne und die Luft schwirrte ganz leicht darüber, nur eine klobige, metallene Luke, aber mir stockte der Atem wenn ich sie ansah, meine Knie zitterten, und die Furcht umfasste mein Herz mit eisigen Fingern und drückte immer fester zu. Nur eine Luke, aber ich wusste, dass darunter etwas war, etwas das viel, vieltausendmal schlimmer war als die Meute. Von Grauen gelähmt starrte ich auf den Eisendeckel, der knirschte, ruckte, und dann langsam, ganz langsam begann sich zu öffnen... -


    Ein grässlicher Schrei gellte in meinen Ohren, laut und unartikuliert, ein hässlicher Laut, wie von einem Tier, nicht von einem Menschen, und riss mich aus dem Reich des Traumes brutal ins Wachsein. Ich fuhr hoch, natürlich war ich es der geschrien hatte, kreidebleich, mit weitaufgerissenen Augen und panisch verzerrtem Gesicht - und blickte erst mal verständnislos auf meine Umgebung, das schäbige Officium, den Tisch an dem ich sass, den Berg von Dokumenten aus dem Archiv, bei deren Studium ich offenbar irgendwann in der Nacht übermüdet eingeschlafen war.
    Die Öllampe, die ich randvoll gefüllt hatte, war jetzt fast leer, glomm nur noch ein wenig, warf einen schwachen kleinen Lichtkreis auf den Tisch, der Rest des Raumes lag in tiefer Dunkelheit. In der sich alles mögliche verbergen konnte. Mit zittrigen Fingern füllte ich schnell die Lampe nach, zog den Docht ein Stück hervor, und liess die aufflackernde Flamme die Dunkelheit und damit die Hirngespinste vertreiben.
    So ein Dreck, ich war völlig nassgeschwitzt, kalter klebriger Angstschweiss, mein Nacken schmerzte vom krummen Schlafen auf dem Stuhl, ich fühlte mich als wäre ich zwischen zwei Mühlsteine geraten! Langsam stand ich auf, ging steifbeinig zum Fenster, öffnete es und liess frische Luft hinein, stützte mich dann auf das Fensterbrett und sah zum Nachhimmel hoch. Es war kalt und bewölkt. Ich massierte mir die Schulter und dachte mit Abscheu und Angst an den Albtraum zurück. Als ich mir die Luke vor Augen rief, lief es mir kalt den Rücken herunter, und diese überwältigende, völlig unvernünftige Furcht wollte mich wieder packen. Es war nicht das erste mal, dass ich von den Hunden träumte, von dem Garten und dem was da lauerte. Ich wollte das loswerden...!

  • Seit einigen Tagen und Nächten beobachteten wir jetzt das Haus von Veratius, dem Sattler in Transtiberim, der auf meiner Liste der Verdächtigen ganz oben stand, aber bisher hatte sich noch nichts ergeben. Auch die anderen Subjekte, über die wir dezent Erkundigungen eingezogen hatte, schienen ganz unbescholtene Bürger zu sein.
    Ich sass in meinem Officium, und tippte geistesabwesend gegen den Wimpel der Factio Aurata, den ich - zur Verschönerung des schäbigen Raumes, und als persönliche Note - neben meinem Schreibtisch aufgehängt hatte. Er schaukelte hin und her. Ich war müde, hatte auch letzte Nacht eine 'Wache' bei der Observation übernommen, und als ich danach schlafen gegangen war, hatte ich wieder einmal schlecht geträumt. Nur mit halben Ohr hörte ich Silio zu, der mir gegenüber sass und von der heutigen Ergebnissen berichtete. Unterm Strich: nichts. Ich fragte mich, ob wir vielleicht ganz auf der falschen Spur waren.
    "Ich schätze, wir brauchen einfach Geduld."
    "Ja Optio." Silios Miene war kühl. Seit dem Vorfall auf dem Campus, bei den Hasta-Übungen, war er mehr als reserviert mir gegenüber. Dabei hatten wir so viel zusammen durchgemacht. Es war schade, aber ich wusste nicht wie ich ihm erklären konnte warum ich so ausgerastet war, ich verstand es ja selber nicht, und dachte nicht gerne darüber nach.


    "Dann versuchen wir jetzt zusätzlich noch etwas anderes. Der Kerl hat zwei Sklavinnen. Du machst Dich an eine von ihnen ran, machst ihr schöne Augen, versuchst ihr Vertrauen zu gewinnen und sie auszuhorchen."
    Silio grinste, verwegen und unternehmungslustig. "Die Sklavinnen? Eine ist ne alte Wachtel, die andere dürr wie ein Besenstiel. Sein Töchterchen gefällt mir besser."
    "Das wird aber auch besser gehütet. Es geht um den Auftrag, Silio, nicht um... Dein Ego, wie eine gewisse Iulierin sagen würde."
    Jetzt grinsten wir beide, für einen Moment einträchtig, dann erinnerte er sich wieder an seinen Groll und wurde ernst.
    "Mach ich", erklärte Silio, der ewige Schürzenjäger, voll Selbstvertrauen, ohne auch nur eine Spur von Zweifel. "Sonst noch was?"
    "Nein. Wegtreten. Viel Erfolg."
    Silio nickte und verliess federnden Schrittes den Raum. Manchmal wünschte ich, ich wäre mehr wie er. Dann wäre so vieles so viel einfacher.


    Nachdenklich strich ich mir über das Kinn. Es war stoppelig, denn ich strebte zur Zeit, aus Gründen der Konspiration, nach einem weniger militärisch-korrekten Aussehen. Auch die glatt gescheitelten Haare brachte ich durcheinander, dann ging ich zu einer Truhe und nahm einfache zivile Kleidung heraus, auch eine Tasche mit Schreiber-Utensilien, und mit meiner Syrinx. Ich nahm das Cingulum ab, löste die Caligae und zog mich um. (Ich hoffte nur, dass mein nachlässiges Äusseres, jetzt nicht die Rekruten zur Nachahmung verführte!) Ungern liess ich die Waffen zurück, aber es musste sein. Ein Messer, das ich unter der Tunika verbarg, war meine ganze Bewaffnung.
    Dann brach ich auf, und verliess die Castra, um mich zu meiner nächsten Schicht bei der Observation zu begeben. Eine Sonnenuhr an der ich vorbeikam, sagte mich allerdings, dass ich noch Zeit hatte, und so beschloss ich, auf dem Weg noch einen kleinen Abstecher zu machen...

  • Es war ausnahmsweise einmal ein etwas freundlicherer Herbstmorgen an diesem Tag, dem Tag nach Tychicus' Beförderung zum Miles und der überraschenden Aufforderung des Decimers, nach dem Morgenappel in dessen Officum zu erscheinen.
    Der junge Mann war stolz darauf, dass er sich am vergangenen Abend in der Taverne zurückgehalten hatte und deshalb an diesem Morgen einen realtiv klaren Kopf hatte - ganz im Gegensatz zu Calvena, Regillus und Pitio, die noch ein wenig verkatert gewesen waren.


    So hatte sich Tychicus von seinen Kameraden getrennt, die sich auf den Weg zum Training auf dem Campus gemacht hatten, und war zu den Unterkünften zurückgekehrt, wo sich das äußerst provisorisch wirkende Officum des Princeps Prior befand.
    Der junge Mann grübelte immer noch darüber nach, was sein Vorgesetzter eigendlich von ihm wollte, denn irgendetwas Negatives erwartete er nicht, schließlich war er gestern noch von ihm gelobt worden...
    Natürlich mischte sich unter dieses Gefühl der Ungewissheit aber auch eine gehörige Portion Neugier, schließlich stand zu erwarten, dass Tychicus bald erfuhr, was es mit dem Zweck dieses Officums überhaupt auf sich hatte. Der Rediviver malte sich bereits in Gedanken die abenteuerlichsten Dinge aus, die ihn vielleicht dort erwarteten - von schrecklichen Folterinstrumenten bis hin zu geheimen, beschlagnamten Reichtümern oder Schätzen.


    Schließlich stand Tychicus vor der Tür und klopfte an.

  • Als es klopfte, war ich gerade sehr beschäftigt. Bis über beide Ohren vertieft in eine ganz aktuelle Abschrift von 'Rennsport in unserem Imperium', in der das glorreiche Rennen von Misenum in allen Einzelheiten analysiert wurde, mitsamt den technischen Eigenheiten der Wägen, der Bodenbeschaffenheit der Bahn und den speziellen Strategien der Fahrer, es gab darin auch Tipps für das beste Kraftfutter für die Pferde, Prognosen für die nächsten Rennen, und überhaupt, es war ein ganz, ganz spannendes Blatt, unverzichtbar für jeden Fan, und vor allem für jeden Hobby-Auriga. Ich musste mich doch auch in der Theorie vorbereiten, auf das Equus October.
    Trotzdem zuckte ich zusammen, wie ertappt, bei dem Klopfen, denn so wirklich dienstlich war es nicht, was ich hier tat, und schnell schob ich die Blätter zusammen und stopfte sie unter den Dienstplan der Centurie, der auch auf meinem Tisch herumlag. Dann räusperte ich mich, rief gemessen: "Herein", und blickte dem Eintretenden mit strenger Miene entgegen. Dafür dass er tags zuvor befördert worden war, sah er erstaunlich frisch aus.
    "Morgen Redivivus. Setz dich," - ich wies auf den Stuhl gegenüber des Schreibtisches - "und sag mir: Wie hältst du es mit der Religion?"

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Tychicus betrat nach der entsprechenden Aufforderung das Officum und blieb ersteinmal etwas verblüfft stehen.
    Er hatte bereits einige Verwaltungsgebäude von innen gesehen, nicht zuletz die Principia der Castra, aber er hatte noch nie ein Officum gesehn, dass ihn derart stark an eine (zugegeben, relativ leere)Abstellkammer erinnerte.
    An der Wand stapelte sich ein nicht kleiner Haufen Mühlsteine, die Wände wirkten alt und baufällig, das Dachgebälk war von den Jahren, die auf ihm lasteten, durchgebogen und bestimmt auch etwas morsch... Es war insgesamt nicht das, was man von einem Officum erwartete.
    Allerdings bemerkte der Rediviver im selben Augenblick, dass der Decimer sich offensichtlich Mühe gegeben hatte, den Raum wieder halbwegs in Stand zu setzten; Die Wände und der Boden waren vom gröbsten Schmutz befreit worden, es hingen keine Spinnweben von der Decke und außer dem Steinhaufen füllten einige relativ neu wirkende Möbel den Raum.
    Besonders beeindruckt war der Neu-Miles von der riesigen, detaillierten Karte von Rom.


    Er riss seinen Blick mit Gewalt von diesem Anblick los und setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch.
    Religion? War er jetzt bei den Stadtkohorten oder beim Cultus Deorum? Tychicus runzelte leicht die Stirn, verwundert über die Frage, da er etwas.. nunja, eher "militärisches" erwartet hatte...


    "Mit der Religion... Nun, ich verehre die Götter und tue das Nötigste, um ihnen das auch zu zeigen... Ich habe die Riten und Opfer durchgeführt oder Priester dazugezogen, als meine Eltern starben...
    Aber allgemein gesehen ist mir der Cultus Deorum eher fern. Ich hege nicht die Überzeugungen und den starken Glauben, den andere Menschen besitzen, ich bin eben mehr neutral."


    Er hoffte, dass der Princeps Prior mit dieser wahren Antwort zufrieden war und vor allem, dass er ihm bald sagte, was es mit dieser Frage überhaupt auf sich hatte :hmm:

  • Mein Officium war schäbig. Ich hatte mich inzwischen daran gewöhnt, und war einfach froh, einen separaten Raum für meine Arbeit zu haben, aber der Ausdruck im Gesicht des Miles, als er die Mühlsteine, die an der Wand aufgestapelten, betrachtete, führte es mir doch wieder wieder vor Augen. Tja. Vielleicht hätte ich doch zu den Praetorianern gehen sollen, kam mir mal wieder der Gedanke - die hatten viel mehr Geld, da gab es bestimmt auch viel schönere Officien, auch für die Optiones...
    Die Frage schien Redivivus zu verwundern. Kein Wunder. Ich fasste ihn genau ins Auge, suchte nach Anzeichen des Unbehagens, der Lüge. Aber seine Antwort klang grundehrlich.
    "Mhm", machte ich nebulös, und nickte dazu. In harmlosem Tonfall stellte ich die nächste Frage. "Und der Kaiserkult, die Verehrung des Imperators? Wie stehst du dazu, Redivivus?"

  • Langsam wurde es Tychicus doch ein wenig unwohl in seiner Haut zu Mute...
    Was sollten diese Fragen? Verdächtigte man ihn der Untreue gegenüber Kaiser oder Imperium?
    Nun, er hatte sich kein Verbrechen zu schulden lassen kommen und war reinen Gewissens, also antwortete er einfach ebenso wahr und direkt wie zuvor:


    "Ich verehre den Kaiser als unseren Beschützer und Führer sowie die göttliche Seele unseres verstorbenen Kaisers genauso, wie ich unsreren alten Imperator zu dessen lebzeiten verehrte. Ich zweifele nicht an seinem guten Willen und an seiner Kraft, das römische Reich anzuführen oder an dem Willen der Götter, den er vertritt."

  • Schön gesagt. Einen Augenblick lang schwieg ich noch, suchte nach irgendeiner verdrehten Formulierung oder versteckten Doppeldeutigkeit in diesen Worten, dann beschloss ich, dass das reichte, und liess dieses ganze Inquisitoren-Gebaren von mir abfallen, wie eine Maske - was es ja auch war.
    Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück, und erklärte: "Es gibt da eine Sache, bei dem ich Dich dabeihaben möchte, Redivivus. Du darfst aber kein Wort darüber verlauten lassen. Auch nicht gegenüber den Kameraden. Wenn sie neugierig werden, dann kannst du andeuten, wir wären einem Konsortium von Schmugglern auf der Spur, die die Einfuhrzölle prellen. In Wirklichkeit geht es natürlich um etwas anderes."
    Eine kleine Spannungspause folgte, dann fuhr ich fort und meinte - diesmal nicht so forschend wie zuvor, eher zur Eröffnung: "Sicher hast Du schon mal von der Christianer-Sekte gehört. Was sagt dir dieser Name?"

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Das war also der Kern der ganzen Fragerei! Jetzt verstand Tychicus, warum sein Vorgesetzter nach seiner Loyalität und seinen Glauben geforscht hatte. Es ging um Sekten, um Abweichung vom Glauben an die römischen Götter.
    Tychicus wusste, dass es zahlreiche Glaubengemeinschaften innerhalb der römischen Gesellschaft gab, die heidnische Götter oder Heilige verehrten, aber die meisten waren zu unbedeutend, um wirklich Ärger berieten zu können.
    Über die Christianer-Sekte glaubte der Rediviver einmal etwas gehört zu haben, aber er wunderte sich, dass man diese Sekte jetzt offensichtlich als gefährlicher als manche andere vergleichbare Gemeinschaft eingestuft hatte.


    "Ich habe gehört, dass diese Sekte ihren Ursprung irgendwo im Osten, in Syria, hat.", fasste Tychicus seine Erinnerungen jetzt zusammen, "Sie sollen einen Mann anbeten, der sich als König der Juden ausgegeben hat und deshalb zum Tode verurteilt wurde... Das ist aber auch schon so ziemlich alles, was ich weiß, Princeps Prior."


    Er meinte sich grau daran zu erinnern, dass er sich als kleiner Junge einmal brennend für diese Sekte interessiert hatte, weil die Eltern eines seiner Freunde irgendetwas mit ihr zu tun gehabt hatten. Aber nachdem Tychicus damals seine Eltern begonnen hatte, nach diesen seltsamen Leuten auszufragen, hatten sie ihm verboten, diesen Jungen wieder zu treffen, und der kleine Rediviver hatte danach schnell sein Interesse wieder verloren.

  • "Diese Leute sind Fanatiker. Sie halten sich im Verborgenen, geben sich harmlos, sind aber in Wirklichkeit zu einer grossen Untergrundorganisation herangewachsen", erklärte ich Redivivus, "und es gibt Grund zur Annahme, dass sie sich staatsfeindlicher Umtriebe schuldig machen..." Ich nickte gewichtig und wies, mit der mir eigenen Theatralik, auf die grosse Romkarte an der Wand. "...sogar hier, im Herzen unseres Imperiums!"
    Durch diese ausholende Geste wischte ich unglücklicherweise den Dienstplan vom Tisch. Er schwebte zu Boden, und enthüllte so wieder "Rennsport in unserem Imperium", genau genommen das Titelblatt, auf dem eine prachtvolle Quadriga mit peitschenschwingendem, muskulösem Lenker abgebildet war. Das brachte mich ein bisschen aus dem Konzept.
    "Ähm... ja... nun, und an uns ist es, herauszufinden was diese Leute im Schilde führen..." sprach ich weiter, etwas undeutlich weil ich zugleich unter meinem Tisch nach dem Dienstplan fischte. Ich erwischte ihn und legte ihn an seinen Platz zurück
    "Aber diskret. Erst mal äusserst diskret! Man weiss ja nicht wie weit ihre Verbindungen reichen, und wer schon alles dazugehört. Verstanden, Miles?"

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • "Verstanden, Princeps Prior!", erwiderte Tychicus, nachdem er den Blick erfolgreich von dem kurz sichtbar gewesenen Heft über Rennsport abgewandt hatte. Offensichtlich schien der Decimer dieses Officum nicht ausschließliech für Dinge zu nutzen, die mit dern Cohortes Urbanae zu tun hatten.
    Der Neu-Miles schaffte es allerdings, nicht allzu interessiert auf die Stelle zu schielen, wo "Rennsport in unserem Imperium", jetzt wieder durch das Dokument verdeckt, lag. Es war schließlich nicht verboten, sich in seiner Freizeit auch mit anderen Dingen als dem Militär zu beschäftigen.


    Er wunderte sich allerdings, dass die Christianer sich anscheinend tatsächlich als gefährlich erwiesen hatten. Denn unter gefährlich stellte Tychicus sich etwas anderes vor als, das, was diese Sekte seiner Meinung nach bis jetzt getan hatte, nämlich im Untergrund zu leben und die normale Bevölkerung nicht zu behelligen.
    Gefährlich, das war für den Rediviver, wenn eine solche Organisation aktiv Mitglieder anwarb, ihren Glauben öffentlich propagierte und damit die gesamte Sicherheit und Stabilität gefährdete...
    Allerdings, unterbrach er sich in Gedanken sofot selbst, wenn die Christianer so etwas getan hätten, wären sie mit Sicherheit schon früher aufgefallen und zum Schweigen gebracht worden.


    Wenn es tatsächlich stimmte, dass diese Sekte sich inzwischen zu einer wahren Untergrundorganisation ausgewachsen hatte, sollte man tatsächlich etwas unternehemen. Tychicus fragte also neugierig:
    "Habt ihr bereits Nachforschungen betrieben oder etwas in diese Richtung geplant?"

  • "Ja, wir haben ein paar Verdächtige observiert", meinte ich, "und versucht in näheren Kontakt mit ihnen zu kommen. Aber wir haben bisher noch nichts Handfestes."
    Die Unzufriedenheit war mir anzumerken. Was sollte ich denn dem Praefectus Urbi sagen, wenn wir nichts herausfanden?! Dieser Mann gab sich bestimmt nicht mit vagen Anhaltspunkten zufrieden. Dieser Mann wollte Fakten! Es ging dabei ja auch um meine Zukunft bei den CU.
    "Wir brauchen aber Fakten. Deshalb habe ich mir etwas anderes überlegt. Die Sache ist allerdings etwas knifflig. Kann man nicht jedem anvertrauen."
    Ich musterte den Miles, dämpfte unwillkürlich ein wenig die Stimme und fuhr eindringlich fort: "Es ist vor allem anderen wichtig, dass man die Aktion nicht auf uns zurückführen kann. Du gehst also in Zivil, und ohne irgendwas, was Dich als Soldaten identifizieren könnte. Da ist es gut, dass Du noch nicht so lange dabei bist, viele Altgediente erkennt man ja auf Anhieb.
    Deine Aufgabe ist folgende: Es gibt in der Stadt einen Experten was, ähm, Informationsbeschaffung und so angeht. Ich kenne die Person nicht, aber sie hat einen guten Ruf, soll unheimlich fähig sein. Mit diesem Profi musst Du Kontakt herstellen, und ihm den Auftrag geben, in den Häusern von den Verdächtigen mal genau nachzusehen, ob es dort Unterlagen gibt, die die Bewohner in der Hinsicht belasten. Irgendwelche Briefe oder andere Dokumente in denen sie sich verraten, was ihren Irrglauben angeht, und ihre Verschwörung für ein anderes Reich auf römischem Boden. Oder vielleicht auch Spuren der abscheulichen Opferhandlungen, die man diesen Sektierern nachsagt. Wichtig ist aber, dass die Person es trotzdem nach einem normalen Bruch aussehen lässt!
    Hier ist eine Tabula, auf der die Häuser verzeichnet sind, um die es geht - zwei Häuser und eine Insula-Wohnung um genau zu sein."

    Ich zog eine zusammengeklappte Wachstafel hervor, hielt sie aber in den Händen. Absichtlich war es eine ganz schlichte, der niemand ihre Herkunft ansehen konnte, und beim Schreiben der Worte hatte ich sogar meine Schrift verstellt.
    "Und hier das Geld." Ich stellte einen Beutel mit Sesterzen daneben. Hoffentlich reichte das, vor zwei Jahren wäre es mehr als genug gewesen, aber ich hatte keine Ahnung wie sich in dem Metier mittlerweile die Preise entwickelt hatten.
    "Ach ja, es gibt einen Mann, über den man diesen Experten kontaktieren kann - soviel ich weiss. Er nennt sich Scopas. Ist am Frachthafen oft anzutreffen, ein feister Kerl, der dort im Tagelöhnergeschäft tätig ist. Arbeitskräfte vermittelt und so weiter. Alles klar soweit Redivivus? Traust Du Dir diese Aufgabe zu?"

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Huh, das war jetzt aber für den Anfang schon eine heikle Sache... Sich im Zivil in die Gassen der Stadt zu stürzen, mit nicht mehr bewaffnet als einem Namen, der ihm vielleicht zu seinem eigendlichen Ziel führen würde - einer offensichtlich etwas zwielichtigen Gestalt, die dem Decimer noch nicht einmal bekannt war... nun ja, wie sein Vorgesetzter es bereits ausgedrückt hatte, die Sache war knifflig.
    Noch dazu kam, dass die ganze Sache offensichtlich in mehreren Einbrüchen in verdächtige Häuser oder Wohnungen enden würde - wenigstens musste Tychicus das nicht persönlich erledigen.



    Ob er sich diese Herausforderung zumutete?
    Das schien dem Rediviver die schwierigste Frage, die der Princeps Prior ihm an diesem Morgen gestellt hatte...
    Den anscheinend gut gefüllten Geldbeutel und die Tabula rührte der junge Mann erst einmal nicht an. Bevor er diese Aufgabe zu unüberlegt anging, bereinigte er lieber erst die Unklahrheiten.
    Tychicus antwortete also erst einmal mit einer Gegenfrage, nur um sicher zu gehen.


    "Kennt ihr den Namen dieses Mannes, der für uns die Informationen beschaffen soll?
    Und heißt im Zivil, auch wirklich ohne jede Waffe? Denn... nun ja, man kann ja nie wissen, und meiner Ansicht nach ist in diesem Beutel genug Geld, um einen Überfall auf mich, gerade in bestimmten Vierteln der Stadt, beinahe zu provozieren."


    Und wer wusste schon, in welche zwielichtigen Regionen Roms er würde vordringen müssen, um diesen "Experten" ausfindig zu machen.

  • "Nein, auf keinen Fall unbewaffnet! Einen Dolch oder Caestus solltest Du unbedingt mitnehmen. Nur nicht Gladius oder Pugio, das sieht zu sehr nach Soldat aus. Den Namen, den kenne ich leider nicht. Wie gesagt, ich weiss nur dass Scopas da jemand ganz besonders fähigen an der Hand hat."
    Bei diesen berechtigten Bedenken des Miles, beschlich mich das ungute Gefühl, das das ganze doch recht riskant werden könnte. Es war eines, sich selbst in die Gefahr zu begeben, etwas anderes jemanden dort hin zu schicken... Aber Redivivus war nun mal gut geeignet - zuverlässig, tatkräftig, und eben nicht zu leicht als Soldat zu erkennen. Manche Gauner hatten da echt einen sechsten Sinn für! Callistus zum Beispiel, dieser Lump der das Lotus-Zeug verscherbelte, der hatte immer behauptet, dass er einen Urbaner allein am Geruch erkennen würde. Gut, das war wahrscheinlich nur Prahlerei gewesen. Ob der noch im Geschäft war? Ich wollte ihm ungern nochmal begegnen. Hoffentlich hatte er mich vergessen. Oder nein, eigentlich würde ich ihm liebend gerne nochmal begegnen - wenn ich ihn dabei verhaften könnte!

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Nun gut, es würde auf alle Fälle eine heikle Sache werden, aber Tychicus hatte seinen Entschluss gefasst. Die kleine Erleichterung darüber, dass er wenigstens nicht völlig unbewaffnet würde losziehen müssen, hatte ihm den letzten Stoß gegeben.


    "Gut, ich werde die Sache erledigen."
    Er griff nach dem Geldbeutel und nahm dann die Wachstafel mit den Einbruchszielen entgegen. Danach erhob der junge Mann sich von seinem Stuhl, bereit, die Herausforderung, die diese Aufgabe an ihn stellte, anzunehmen. Er würde seinen Vorgesetzten nicht enttäuschen, der sicher nicht ohne Grund ausgerechent ihn ausgewählt hatte.


    "Wann soll ich aufbrechen?"

  • Erleichtert hörte ich wie Redivivus sich bereit erklärte. Aber es blieb doch, nagend im Untergrund, so etwas wie ein schlechtes Gewissen, dass ich ihm diese riskante Aufgabe übertragen hatte. Dabei waren wir doch Soldaten, es war nun mal unsere Pflicht uns der Gefahr auszusetzen. Für Rom und seine Bürger, und so weiter und so fort. Dass die Sache nicht ganz astrein war, bekümmerte mich weniger, schliesslich waren wir, wie es aussah, einer Bande von gefährlichen Feinden unseres Gemeinwesens auf der Spur, da darf man, denke ich, nicht allzu wählerisch mit den Methoden sein. Diese Leute gehen schliesslich auch nicht zimperlich vor.
    Ich warf einen Blick auf den Dienstplan, der für heute vor allem das herbeitransportieren der neuen Kornvorräte vorsah, ausserdem Wachdienst.
    "Sofort. Viel Erfolg, Miles. Abite."

  • Ich war der unglücklichste Mensch auf Erden. Ich hatte gewagt, und ich hatte alles verloren. Ich hatte für meine Liebe einstehen wollen, für uns, aber wie es sich herausstellte, gab es überhaupt kein uns! Hannibal hatte mir nur was vorgemacht. Und ich hatte mir auch was vorgemacht. Heute, in der Villa Flavia, hatten sich alle meine Illusionen in einen grossen Scherbenhaufen zerschlagen. Und jede einzelne von ihnen hatte sich tief in meine Seele hineingebohrt, sie staken darin wie gläserne Dolche! Nach meiner Rückkehr hatte ich mich unverzüglich in meinem Officium eingeschlossen, denn das war der einzige Raum wo ich allein sein konnte, und ich wollte niemanden sehen und vor allem wollte ich um keinen Preis, dass jemand mich so sah, niedergeschmettert und... verheult.
    Das letzte Licht des Tages wich, und die Schatten krochen aus den Ecken, erfüllten den schäbigen Raum mit grauem Zwielicht. Ich sass in einer Ecke, auf einem der blöden Mahlsteine, hatte die Arme um die Knie geschlungen, und starrte vor mich hin. Meine Augen brannten, meine Glieder waren wie taub, und ich fühlte mich vollkommen leer. Warum musste mir sowas passieren. Warum hatte ich ihn nicht gleich durchschaut, nicht verstanden, dass die ganzen schönen Worte nur leeres Gewäsch waren, dass er stets darauf bedacht war, sich nicht festzulegen, aber zu schmeicheln und Öl ins Feuer zu giessen, und dabei doch alles im unklaren zu lassen. Mit mir rummachen, ja, aber nur zum Spass, ohne etwas dahinter.
    Ich vergrub mein Gesicht in meinen Knien und wurde ein weiteres Mal von bitterlichem Schluchzen geschüttelt. Hannibal! Er war alles was ich mir ersehnt hatte, er war der Himmelspol, zu dem meine Träume hinstrebten, und meine Gedanken, und Wünsche und Vorstellungen. Ich selbst war doch nur ein Traum, ein feines Gespinst der Phantasie, eine skizzenhafte Figur in einem wilden Reigen, umhergewirbelt und ohne eigene Essenz... er war der Träumer. Der mir Leben verlieh, der mich an der Hand nahm und aus dem Chaos zog, der mir Wirklichkeit einhauchte. Wenn er mich nicht mehr wollte, würde ich vergehen wie Nebel im hellen Licht der Morgensonne, weithin würden die Winde mich über Erde und Meer verwehen... Hannibal!


    Natürlich, von Anfang an hatte es unter einem schlechten Stern gestanden. Im Nachhinein sah ich ganz deutlich, was ich im Taumel der Gefühle nicht hatte sehen wollen. Er hatte mich getäuscht! Mit mir gespielt. Das war einfach... böse. Ja, ich hasste ihn. Ich sollte Ziaar losschicken, damit er ihn richtig brutal verprügelte. Ihn zum Krüppel schlug. Oder besser, ich sollte mir eine Fluchtafel besorgen, und ihm die grausigsten Gebrechen auf den Hals schicken... Einen Ausschlag, schmierige Pusteln die über Nacht aufbrachen und sein Gesicht entstellten, dann würden seine ganzen anderen Liebhaber und Freundinnen, wegen denen er mich verschmäht hatte, angewidert vor ihm zurückschrecken, und er würde es erfahren, wie es war allein gelassen zu werden.
    Nein, das war zu niedrig. Und irgendwie auch weibisch. Ich sollte ihn vergessen. Es war es gar nicht wert, war doch bloss ein Sklave, ein niederes Wesen zu dem eine Verwirrung meiner Sinne mich hinabgezogen hatte. Sowieso, es war eines Römers nicht würdig, es wäre schon längst an der Zeit gewesen, dieses, man konnte schon sagen Doppelleben, zu beenden, diese Verstrickung zu lösen, sie gehörte zu einem Flosculus, einer lächerlichen Nachtgestalt, aber nicht zu mir, Decimus Serapio, Soldat im Dienste des Kaisers. Ein Schmerz, ja, ein unsäglicher Schmerz, war in mir, aber das war meine Katharsis, die mich von dem letzten Schmutz reinigte... das musste es sein.
    Ich erhob mich, und ging steifbeinig zu einer Kiste, schloss sie auf und zog ganz unten meine alte Tunika aus dem Krieg hervor, die fadenscheinig war, ausgebleicht, geflickt und übersät von den Rändern der Blutflecken, die sich nicht ganz hatten auswaschen lassen. Es knisterte leise, als ich in ihren umgeschlagenen Saum griff, die Lücke in der Naht erfühlte, und den Brief daraus hervor zog. Den Brief, der meine Hoffnungen so sehr genährt hatte, den Brief den ich abertausend mal gelesen hatte, der mir in an der Front ein Talisman gewesen war, und ein Zeichen dafür wie sehr es sich lohnte, das ganze zu überleben. Ich biss mir auf die Lippen, und stierte auf das Stück Papyrus, ein hellerer Fleck im Zwielicht, auf dem sich die Tinte schwarz abhob. Zum Lesen war es zu dunkel, aber ich kannte den Inhalt auswendig. Die ganzen Lügen. Abgeschmackte Lügen. Ich war sein Eromenos. Ein Adonis. Ein strahlender Saphir. Er vermisste den Glanz meiner Augen. Von wegen.
    Langsam schloss ich die Faust. Ein Finger nach dem anderen drückte sich in das faserige Gewebe, zerdrückte es, knickte es, zerknüllte es zuletzt.


    An meinem Schreibtisch tastete ich fahrig nach der Öllampe, und entzündete sie. Drei Flämmchen zuckten über den tönernen Tüllen des Gefässes, warfen ihren Schein über die penibel aufgeräumte Fläche des Tisches, malten einen Lichtkreis drumherum, und liessen die Schatten am Rande des Raumes schwärzer werden. Langsam, wie gegen einen Widerstand näherte ich die Hand mit dem Brief dem Feuer. Sie zitterte, das machte mich wütend über meine eigene Schwäche, und mit einer abrupten Bewegung hielt ich den Brief mitten hinein in die Flammen. Einen Wimpernschlag lang leckten sie nur drumrum, schienen das Papyrus zu verschonen, dann schwärzte es sich an einer Ecke, fing Feuer, und auf einmal lohte es unversehens hell auf, wie Zunder, so dass der ganze Raum kurz von roten Flackerlicht erfüllt war. Auch meine Hand, die ich nicht schnell genug zurückgezogen hatte, umzüngelten die Flammen, ich starrte drauf, fühlte erst dann den Schmerz, und liess aufkeuchend den brennenden Brief los. Er segelte auf den Schreibtisch wo die Flammen ihn verzehrten, dann so schnell wie sie aufgeflammt waren wieder verloschen, während ich zum Fensterbrett eilte, denn da stand ein Wasserkrug, in den tauchte ich meine Hand zur Kühlung. Es tat verdammt weh, und der körperliche Schmerz riss mich für den Moment aus der Versenkung in meine Verzweiflung heraus. Ich fluchte derb, betrachtete dann meine Hand, auf der sich am Rande des Handtellers ein paar kleine Brandblasen gebildet hatten. Naja, da hatte ich schon schlimmeres überstanden.
    Und eigentlich, sagte ich mir trotzig, eigentlich galt das für die ganze Angelegenheit. Ich hatte echt schon schlimmeres durchgemacht... - auch wenn es sich im Moment gar nicht so anfühlte. Elend stützte ich mich auf das Fensterbrett, wickelte mir einen nassen Fetzen um die Hand. Morgen früh würde ich wieder funktionieren müssen. Stark und bestimmt sein, das ganze einfach wegschieben. Ich konnte mir Liebeskummer nicht leisten!
    Aber so einfach war das nicht. Schon wieder stieg Hannibals Bild vor mir auf, schon wieder füllten Tränen meine Augen. Perfidus, sed quamvis perfidus, carus tamen, hätte ich mit Tibullus sagen können. Brandig roch es jetzt hier drin... Langsam verglomm auch die letzte Glut, die die Ränder der Aschefetzen säumte, und liess die verkohlten Überreste des Briefes in Dunkelheit versinken.

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Da mein schönes neues Arbeitszimmer noch frisch verputzt wurde, musste ich leider wieder auf mein altes ausweichen, an dem Tag als ich wieder einmal eine Lagebesprechung mit meinen Getreuen hielt - einer Handvoll Milites, die rings um meinen Schreibtisch auf Stühlen sassen. Es reichte mir, wir hatten jetzt so lange und mit so viel Aufwand einem Haufen Verdächtiger nachgeschnüffelt, und auch einige Hochverdächtige unter ihnen ausgemacht, aber mittlerweile war ich an dem Punkt wo mir alles zu lange dauerte, und wo es mir in den Finger juckte nicht weiter zu beobachten sondern zu handeln, diese Leute einfach festzunehmen und einem richtigen Verhör zu unterziehen. Aber das durfte ich ja nicht. Wenigstens hatte Silio heute etwas interessantes zu berichten:
    "Dieser Veratius ist ganz sicher ein Christianer, und genauso sein ganzer Haushalt. Ich hab seiner Tochter weisgemacht dass ich ganz vernarrt in sie bin und sie heiraten will, das Mädel ist total verrückt nach mir, und sie hat versucht mich zu bekehren, meinte sie müsste 'meine Seele retten', was auch immer das heisst."
    Er grinste selbstgefällig. Einerseits zurecht, fand ich, andererseits war es nicht die feine Art Jungfern an die Wäsche zu gehen, um deren Geheimnisse zu erfahren. Naja, Silio folgte ja nur seinen Befehlen, die ich ihm gegeben hatte. Und ich folgte meinen, die der PU mir gegeben hatte...
    "Was hast Du herausgefunden?"
    "Also, diese Leute glauben allen Ernstes, dass die Welt sehr bald untergeht, und dass dann nur die Mitglieder ihrer Sekte gerettet werden und in einem Paradiesgarten ewig leben dürfen. Aber nur weil ihre Verfehlungen von ihnen genommen werden, dadurch dass dieser Zimmermann, der eigentlich der Sohn von ihrem Gott ist, für sie gestorben ist."
    "Der, der gekreuzigt wurde?"
    "Ja genau. Sie glauben, dass er sich für sie geopfert hat, oder dass ihr Gott ihn geopfert hat, wie ein Lamm, damit sie ewig leben. Er ist aber nicht tot, sondern ersteht wieder auf, so wie Atys, oder Adonis... Aber alle die nicht an ihren Gott glauben, müssen dafür ewig im Tartaros leiden."
    "Makaber.... Sie hat nicht zufällig gesagt wer noch alles dazugehört?"
    "Nein, aber ich weiss jetzt, dass sie sich alle sieben Tage treffen, an einem geheimen Ort, um ihre Riten zu vollziehen und zusammen zu beten. Über die Riten wollte sie nichts sagen - kann mir schon denken warum..."
    "Ja... Heuchel weiter Interesse, und versuch herauszufinden, wo sie sich treffen. - Hm...hat Veratius irgendwie gegen das Decretum Christianorum verstossen?
    "Ja, Centurio. Und leider nein, nicht dass ich wüsste. Aber ich habe noch was rausgekriegt! Sie haben ein geheimes Zeichen, an dem sie sich erkennen: den Fisch."

    Silio zeichnete mit den Fingern den schlichten Umriss eines Fisches auf den Tisch.
    "Gute Arbeit, Luscius."
    Aber seltsam. Ein Fisch?


    Die anderen Berichte waren wie immer, nichts aufregendes dabei. Ich verteilte die Aufgaben für die nächsten Tage, und liess die Männer wieder wegtreten - bis auf Redivivus, dessen Bericht über seinen ungewöhnlichen Auftrag ich lieber unter vier Augen hören wollte.
    "Nun, Miles, wie ist deine Suche verlaufen?", fragte ich, nachdem die anderen den Raum verlassen hatten, und musterte ihn, neugierig ob es ihm wirklich gelungen war, Scopas' mysteriösen Spezialisten ausfindig zu machen.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!