Akademie des Marcus Achilleos

  • Ich sagte nichts, ebenso wie Alsuna. Sie verrichtete schweigend ihre Arbeit und ich sah schweigend dabei zu. Sie machte das wirklich gut. Die Tücher wickelte sie perfekt um meinen Arm. Sie schien geistesabwesend zu sein bei dieser Tätigkeit, fast so, als gäbe es nur diese Aufgabe. Für mich war es eher lästig, so ruhig zu verharren. Aber es war notwendig. Die Umschläge waren kühl und eine Gänsehaut machte sich auf meinem Arm breit. Doch es war eine wohltuende Kühle. Auch der Geruch der Kräuter war durchaus angenehm, wenngleich ich fest damit rechnete, kaum schlafen zu können, da mich der ungewohnte Geruch wohl wachhalten würde.


    Natürlich machte ich mir Sorgen um sie, aber ich ließ es Alsuna nicht spüren und ich sagte auch nichts. Dazu wusste ich inzwischen zu gut, dass sie sich darüber sowieso nur ärgern würde. Wozu also Öl ins Feuer gießen? Ich hatte keine Lust auf einen erneuten Streit. Nicht heute. Vielleicht ein anderes Mal, aber nicht heute. So wartete ich, bis sie fertig war. "Du kannst jetzt gehen," sagte ich leise, auch wenn sie das vermutlich auch ohne meine Erlaubnis getan hätte.

  • Unter jedem ruhigen Atemzug schien es schwerer, die Augen offen zu halten, dennoch wartete Alsuna mit jedem kleinen Blinzeln, bis es unter den Lidern schon unangenehm brannte. Auch ihre Armmuskulatur litt unter den gewollt langsamen Bewegungen und das Zittern verstärkte sich, bis die Arbeit endlich getan war und sie die Hände vorsichtig wieder auf die Oberschenkel bettete, ungeachtet der Tatsache, dass sie sie zuvor nicht abgetrocknet hatte. Wiederum durchlief ein tiefer, erleichterter Atemzug ihren aufrechten Körper, als habe sie gerade eine weitere schwere Prüfung absolviert. Ihr Blick wanderte noch einmal prüfend über ihre Arbeit, sondierte förmlich jedes kleine Stück des Verbandes, welches sie von ihrer Position aus erkennen konnte. Es sollte, es musste perfekt sein.


    Dann sprach er zu ihr, diesmal vernahm sie es besser, womöglich weil er sich nun innerhalb ihres eng bemessenen Wahrnehmungsradius' aufhielt. Dennoch brauchte es eine kleine Weile, bis der Sinn der Worte sie wahrhaftig erreichte. Ruhig schüttelte Alsuna den Kopf, nur gerade soviel, dass man die sachte Bewegung als solche zu erkennen vermochte. Nein, sie konnte nicht gehen, sie war noch nicht fertig. Ihr Blick glitt träge zu seinem Lager hinüber, danach wieder zur Schüssel, eh sie erneut ein Tuch aufnahm und es in das Wasser tauchte.
    "Die Stirn." Gerade die würde sie ganz gewiss nicht vergessen, angesichts des kontinuierlichen Hämmerns in ihrer eigenen. Erneut blickte sie hinüber zu seinem Lager, ehe sie die Luft einsog und kaum hörbar flüsterte:
    "Bitte leg dich hin."

  • Sie ging also nicht. Ich fragte mich, ob sie bei Memnos auch schon so widerspenstig war. Vielleicht schenkte er sie mir deshalb? Es war ja eigentlich auch gar nicht Menos' Art, eine Sklavin zu verschenken. Ich hätte viel skeptischer sein sollen. Dafür war es nun zu spät. Und der Verband saß ja wirklich gut. Meine Stirn also auch noch? Allzu schlecht ging es meiner Stirn doch gar nicht!


    "Zu Befehl," grummelte ich dann schließlich und legte mich hin. Der Rücken schmerzte zwar etwas, aber damit kam ich klar, auch wenn ich kurz bei dem Schmerz zusammen zuckte und leicht seufzte. Ich ließ es mir allerdings nicht nehmen, mich selbst zuzudecken. Und anschließend das Schwert auf meinen Bauch zu legen, so dass ich es jederzeit ziehen konnte. Eigentlich wollte ich ihr noch sagen, dass sie sich beeilen sollte. Nicht so sehr wegen mir, sondern mehr wegen ihr, damit sie Ruhe finden könnte. Die schien sie dringender zu brauchen als ich. Aber ich ließ es bleiben. Manchmal war es der Harmonie wohl zuträglicher, wenn man nichts sagte, anstatt Höflichkeiten oder scheinbare Höflichkeiten auszutauschen. Diese Lektion hatte ich immerhin gelernt.

  • Beinahe hätte Alsuna damit gerechnet, bei dieser Aufforderung erneut auf irgendwelche sinnlosen Widerstände zu stoßen, welche es nötig gemacht hätten, erneut Körpereinsatz zu betreiben. Jener hätte dann wahrscheinlich so ausgesehen, dass sie sich einfach gegen Achilleos hätte fallen lassen, unkoordiniert und sich einzig auf ihren Schwung und ihr Gewicht verlassend, welche ihn im besten Falle gemeinsam in eine angemessene Position gerückt hätten. Im schlechtesten Falle wäre er schlicht ausgewichen und sie hätte sich der Länge nach hingelegt, ohne die Kraft zu besitzen, so bald wieder alleine hoch zu kommen. Insofern war es schon als ein enormer Vorteil zu bezeichnen, dass ihr Patient die gewünschte Lage von sich aus einnahm. Und dass er sich ebenso selbständig zudeckte. Was das Schwert auf seinem Bauch allerdings dort bewirken sollte, entzog sich gänzlich Alsunas derzeit ohnehin sehr eingeschränktem Verstand. Warum legte er es nicht neben sich? Dies konnte doch gar nicht in irgendeiner Weise bequem sein.
    Doch andererseits hatte er ja selbst erwähnt, in der letzten Zeit kaum Schlaf gefunden zu haben. Dies würde sich heute ganz gewiss nicht ändern, ohne Rüstung, mit zwei Verbänden und mit ihr. Denn sie würde in regelmäßigen Abständen die Verbände wechseln müssen, damit sie kühl blieben und ihre volle Wirkung entfalten konnten. Gerade zu Beginn der Behandlung, wenn die Pflanzenwirkstoffe noch alle Kraft besaßen, war dies eine äußerst wichtige Maßnahme zur Genesung.


    Vermutlich würde er hellauf begeistert sein, wenn er ihrer Absicht gewahr wurde. Schon jetzt knurrte er wie ein Kind, das seine Medizin nicht schlucken wollte.
    Endlich hatte Alsuna ein sorgfältig zusammengefaltetes, kühlnasses Leinentuch auch auf seine Stirn platziert und leicht festgedrückt. Alleine der Anblick einer solchen Behandlung weckte das Verlangen in ihr, bei sich selbst das Gleiche durchzuführen, sobald sich die Gelegenheit böte. Was hoffentlich in naher Zukunft sein würde. Das Herabblicken auf seinen Kopf war nicht ganz förderlich gewesen, doch ihre Sinne beruhigten sich nach mehrmaligem, längerem Verschließen der Augen wieder.
    "Gute Nacht, Jinshi. Hab eine angenehme Nachtruhe. Möge Morpheus sich deiner annehmen und dir nur die schönsten Träume schenken."
    Diese von ihm so gewünschte Anrede war dazu gedacht, ihn entspannter werden zu lassen, falls denn Alsuna überhaupt etwas zu tun vermochte, das einen Effekt in diese Richtung hinterließe.
    Das Erheben war nur langsam und erneut verbunden mit einiger Mühsal möglich, doch nach einem stärkeren Aufeinanderpressen der Kiefer und einer nicht zu hohen Erwartung an Eleganz gelang ihr diese schwierige Aufgabe schließlich. Mit leisen Schritten verließ sie das Zimmer, bog um den Eingang und ließ sich nur zwei Schritte weiter erneut auf dem Boden nieder, den Rücken an die Wand gelehnt und die Augen endlich schließend. Ihr Körper kannte solche Zeitintervalle bereits von Hermione, sie würde in halbwegs angemessenen Etappen erwachen und die Tücher erneut auswaschen können. Bei ihrer früheren Herrin waren ihr derartige Behandlungsmethoden sogar so gut geglückt, dass die Griechin dadurch nicht einmal in ihrem Schlaf gestört wurde. Hier sähe dies wahrscheinlich anders aus.

  • Das Kühle Tuch auf meiner Stirn war ungewohnt. Und doch angenehm. Ein Teil von mir wollte protestieren, ein anderer erkannte, dass sie mir damit helfen wollte und ein dritter Teil schließlich wollte einfach nur Ruhe. Meine Augen ließ ich geschlossen, da etwas Flüssigkeit ihren Weg über darüber gefunden hatte und ich kein Wasser mit irgendwelchen Kräuteressenzen in die Augen bekommen wollte. So etwas brannte immer ganz fürchterlich. Und dann geschah etwas, womit ich nicht gerechnet hätte. Sie nannte mich Jinshi, wünschte mir eine angenehme Nachtruhe und nicht nur schöne Träume, sondern die schönsten Träume. Da mein Bild, das ich von ihr hatte, damit nun wieder revidiert werden musste, würde ich wohl so schnell nicht einschlafen. Ganz im Gegenteil!
    Was aber vielleicht auch besser war, da ich in meinen Träumen fast immer nur wieder und wieder meine Schlachten und Kämpfe schlug oder Befehle gab, die zwar richtig waren, aber dennoch grausam. Befehle, die ich nur sehr ungerne gegeben hatte. Und doch hatte ich sie gegeben. Ich sagte mir zwar immer, dass ich keine Wahl hatte, doch das war natürlich falsch. Man hatte immer eine Wahl. Nur, wenn man so schnell wie möglich Resultate wollte, dann hatte man meist keine Wahl. Es war mein Ehrgeiz und mein Fanatismus, die mir keine Wahl gelassen hatten. Sonst nichts. Ich hatte stets den Menschen in den Dienst der höheren Ordnung gestellt. Das Individuum war wertlos. Da machte ich für mich selbst auch keine Ausnahme. Vielleicht war es auch gerade diese Denkweise, die mich zur Höflichkeit zwang. Denn alles andere war viel zu chaotisch. Viel zu sehr gegen die Ordnung. Doch irgendwie hatte es mein Aufenthalt in Alexandria geschafft, einen leichten Zweifel zu säen. Alsuna hatte daran sicher auch ihren Anteil. Ob ich ihr deshalb böse war oder dankbar, das konnte ich vorerst nicht sagen. Die Zeit würde es zeigen.


    Ich hörte, wie Alsuna sich außerhalb meines Zimmers scheinbar an der Wand niederließ. Ich hatte ihre Erschöpfung durchaus bemerkt. Die Höflichkeit verlangte, dass ich aufstand, um ihr zu helfen. Andererseits würde sie das verärgern, was wiederum unhöflich wäre. Außerdem würden wir uns dann streiten, was definitiv unharmonisch wäre. Womit diese Option also ausfiel. Stattdessen konnte ich einfach so tun, als würde ich schlafen. Das wäre zumindest harmonischer. Also blieb ich regungslos liegen und atmete ruhig und gleichmäßig. Nur konnte ich zunächst nicht einschlafen.

  • Gewöhnlicherweise hätte Alsuna auf seine Atmung geachtet, und auch nun versuchte sie so gut wie möglich, jenen charakteristischen Geräuschen zu lauschen, doch ihre Sinne waren inzwischen derart überschattet von dem dröhnenden Kopfschmerz, dass sie sich nie wirklich sicher sein konnte, ob das, was sie dort vernahm, nicht irgendwie von ihr selbst stammte. Näher heran wagte sie sich ebenfalls nicht. Ihre Vorgehensweise, so gut sie auch gemeint war, würde seinen ohnehin scheuen Schlaf nur noch weiter fortjagen. Und ganz offensichtlich zürnte er ihr bereits deswegen, zumindest hatte er ihren Nachtgruß unerwidert gelassen. Ziemlich unhöflich für jemanden auf der verzweifelten Suche nach Harmonie.
    Doch sie hatte wenigstens höchst erfolgreich dafür sorgen können, dass er die Augen schloss. Gewöhnlich vermied sie es tunlichst, irgendwelche Wasser- oder Öltropfen von der Körperpflege oder dergleichen in Augenkontakt treten zu lassen, doch im vorliegenden Fall war diese geheime Taktik schlicht zu verlockend gewesen, um sie nicht anzuwenden. Er hatte sich auch weder gewehrt, noch ein tadelndes Wort darüber verlauten lassen.
    Er hatte einfach rein gar nichts gesagt.
    Und dies verwirrte sie auf sehr ungesunde Art und Weise.


    Im Grunde durfte es ihr fürchterlich einerlei sein. Sie selbst hatte gefordert derartig dämliche, geheuchelte Höflichkeiten bleiben zu lassen. An jenem zurückliegenden Zeitpunkt allerdings hatte ihr auch noch erheblich mehr Kraft und damit Energie und wohl auch Wut zur Verfügung gestanden. Nun fühlte sie sich wie ein Krebs, welchem man gnadenlos den Panzer geknackt und das weiche Fleisch freigelegt hatte, allem ausgeliefert, was sich daran gütlich tun wollte. Trotz der Probleme und Konflikte war sie so unglaublich nett zu ihm gewesen, obwohl er bei allen Furien nun wirklich anderes verdient hätte. Und was tat er? Gar nichts. Rummosern oder einfach nur da liegen und schweigen. Diese verfluchte, egomanische Ratte! War er nicht einmal imstande, ihr in einer solchen Situation eine gute Nacht zu wünschen?!
    Sie hätte es besser wissen sollen. Der Kerl war einfach zu verdreht und krank und geschädigt, keinesfalls eine Neuentdeckung. Man durfte rein gar nichts von ihm erwarten, erst recht nichts Positives. Verschwendete Zeit, etwas zu versuchen, ihn irgendwie zu beeinflussen. Zumal sie augenblicklich selbst nicht zu sagen wusste, in welche Richtung dieser Einfluss überhaupt gehen sollte. Er sollte sie hassen und das tat er offenbar. Also war doch alles in bester Ordnung. Augenblicklich machten die Schmerzen sie etwas dünnhäutig und weinerlich, doch dies ginge vorbei. Am Morgen wäre alles so wie früher. Dann würde sie keinen Dank mehr wollen für die Wahnsinnstortur, die sie auf sich genommen hatte, nur aufgrund seines blöden Armes, in dessen Knochen sich vermutlich ein Riss befand. Es wäre ihr vollkommen gleich, was er wann aussprach oder verschwieg.


    Wütend über sich selbst und mit einer ebenso gereizten Geste fuhr Alsuna sich mit dem Handrücken über die Wangen, sog die Luft ein und schloss demonstrativ die Augen. Wenigstens ein klein wenig dösen musste sie. Langsam ließ sie sich seitlich auf den Boden sinken und seufzte stumm bei der Wohltat, ihren Kopf auf etwas betten zu können, und sei es nur hartes Holz. Vorsichtig zog sie die Beine an und schob eine Hand unter ihre schmerzende Schläfe. Die Erschöpfung ließ den Schlaf gleich einer schwarzen Bestie über sie herfallen und ersparte ihr zumindest die Energieverschwendung sinnloser Träume.

  • Da ich nicht wirklich schlafen konnte, entschloss ich mich nach einiger Zeit, zumindst kurz aufzustehen. Nur mal für eine Weile die Sterne betrachten. Vielleicht würde das ja helfen. Ich legte mein Schwert vorsichtig neben mich, so dass es kein Geräusch machte. Dann zog ich die Decke ebenso lautlos zurück. Ich bemerkte, dass ich meine Schuhe angelassen hatte. Also zog ich diese auch möglichst lautlos aus und stellte sie neben mein Bett. Das Tuch nahm ich vorsichtig von meiner Stirn, wobei mir etwas Flüssigkeit in die Augen lief, die ich dummerweise geöffnet hatte. Ich ließ es einfach durch die Tränen entfernen, die jetzt zwangsläufig kamen. Nachdem auch dieses Problem im Griff war, schlich ich aus meinem Zimmer. Und dort sah ich nun Alsuna liegen. Sie schlief. Das musste doch unbequem sein.


    Ich holte ganz leise ein Samtkissen aus einer Ecke der Meditationshalle. Vorsichtig näherte ich mich ihr, um sie nicht zu wecken. Schließlich kniete ich mich neben ihren Kopf und hob ihn ganz vorsichtig an, um das Kissen zwischen Kopf und Boden zu platzieren.

  • Ebenso plötzlich und bar eines Hauchs von Vorwarnung schien die alles umfassende Finsternis sie wieder freizugeben, ohne, dass Alsuna auch nur die Gelegenheit bekam, sich an deren schwarze Essenz zu klammern und zu flehen, sie nicht erneut in diese unwirtliche, schmerzvolle Welt dort draußen zu stoßen. Zudem durchdrang sie die Befürchtung wie ein Peitschenschlag, dass sie zu einem Zeitpunkt und an einem Ort eingeschlafen war, an dem ihr ein kleines Nickerchen bei höchster Strafe verboten war.
    Ihr Erwachen folgte schlagartig und mit einem derart tiefgehenden Schrecken gepaart, dass ihr bislang ruhig schlagendes Herz nun losjagte wie von einem Dämon verfolgt. Ein hastiges Muskelzucken durchlief ihren Körper und während sie bereits die Augen aufriss musste sie nach Luft schnappen wie eine Ertrinkende, welche es noch ein letztes Mal vor dem endgültigen Versinken an die Wasseroberfläche schaffte. Würde es ihre Lungen gegenwärtig nicht in erster Linie nach Atem verlangen, so hätte Alsuna vermutlich schon in diesem Moment zu einer Entschuldigung angesetzt.
    Dann zuckte ihr Blick orientierungslos über ihre Umgebung, während ihr Verstand scheinbar erst ebenfalls noch erwachen musste, um ihr brauchbare Informationen zu liefern, nach welchen sie gerade heftigst verlangte. Instinktiv fuhr sie von der neben ihr aufragenden Schattengestalt zurück, was mit zitternden, teilweise ihren Dienst versagenden Armen und Knien nicht sonderlich erfolgreich war, abgesehen davon, dass man als Beobachter die ursprüngliche Absicht noch halbwegs zu deuten vermochte.


    Wo war sie? Rhakotis kam ihr in den Sinn, obgleich ihr Gedächtnis zunächst nur aufgeschreckt wie ein Schwarm Gänse Erinnerungsbruchstücke durch die Gegend warf, welche kein logisches Ganzes ergaben. Sie musste mitten in den Straßen Rhakotis' eingeschlafen sein - nur was bei den Feuern des Tartaros trieb sie in Rhakotis mitten in der Nacht?! Hermione hasste diese Gegend und würde aufgrund der bevorzugten Sauberkeit in ihrer Umfeld gewiss nicht ihre Leibsklavin dorthin schicken. Aber dies hier war doch keine Straße! Mit zunehmender Panik jagte Alsunas Blick weiter über ihre unmittelbare Umgebung, vermochte darin jedoch nicht die kleinste bekannte Ecke zu finden. Laut und drohend dröhnte ihr eigener Herzschlag in ihren Ohren, während sie mit nackter, heller Panik in den jadegrünen Augen schließlich zu dem ihr unglaublich riesig erscheinenden Unterweltwesen fand und dort bewegungslos verharrte. Das Ding musste sie mit irgendetwas auf den Kopf geschlagen haben angesichts der fürchterlichen Schmerzen, welche sie verspürte. Die Germanin unterdrückte jeden Laut, der ihre Kehle bereits emporsteigen wollte und hob schützend eine Hand zwischen sich und das Ungeheuer.

  • Als sie aufwachte und so hochschreckte, die Hand schützend vor sich haltend, erschrak ich mich zunächst auch. Doch ebenso schnell fasste ich mich wieder und hob das Kissen auf, das ich vor Schreck fallen gelassen hatte. "Ganz ruhig, alles ist in Ordnung," sagte ich beruhigend. "Alles in Ordnung. Du bist nur ein wenig eingenickt." Das Kissen legte ich vor sie. "Ich wollte dir nur ein Kissen bringen. Du musst ja nicht deinen Kopf auf dem harten Boden betten." Ein sanftes Lächeln war für einen kurzen Moment bei mir zu erkennen. Wieder ernst, fügte ich noch hinzu "Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe."

  • Langsam und nur äußert zähflüssig begannen sich die wie verlorene Federn durch die Luft wirbelnden Erinnerungsfetzen zu senken und miteinander zu verbinden, formten erst Bilder, und schließlich sogar etwas wie eine brauchbare Zeitlinie. Sogar jene obskuren Ausschnitte, welche gänzlich ohne Sinn hätten bleiben müssen, fanden ihren Platz darin, so verwirrend und verrückt jener auch sein mochte. Diese Umgebung... Rhakotis... und dieser Dämon, der nichts anderes war, als ihr neuer Herr. Unnötig zu behaupten, dass Alsuna in dieser Offenbarung nicht die geringste Beruhigung fand.
    Sie war eingeschlafen vor seinem Zimmer, später hatte sie seine Verbände noch wechseln wollen... Anscheinend war er ihr zuvor gekommen und herausgekommen um... ja, um was eigentlich zu tun. Angesichts der miserablen Lichtverhältnisse hier musste draußen auch weiterhin noch tiefste Nacht herrschen. Das trüb-klebrige Gefühl trügte sie nicht, sie konnte kaum eine Stunde geschlafen haben.
    Immer noch starrte sie vollkommen bewegungslos und nur ab und an leise keuchend zu ihm empor, ehe sie mit einem hastigen Ruck den Kopf senkte und die Arme schützend vor der Brust verschränkte, die Hände fest um die eigenen Oberarme gelegt. Beinahe hätte sie ihm tatsächlich in die Augen gesehen. Lediglich ihr getrübter Blick und das Schattenspiel in seinen Zügen hatten das Schlimmste verhindert. Ihr ohnehin hektisch pochender Herzschlag beschleunigte sich noch einmal quälend und kurz schien es ihr, als würde sie gerade einen mächtig tiefen, gähnenden Abgrund hinabfallen. Ihr Griff um die Arme festigte sich zitternd, musste eigentlich schon fast schmerzhaft sein, dennoch lockerte sie ihn nicht. Das Zittern ihres Körpers schien nicht schwächer zu werden, im Gegenteil, ihre nackten Schultern begannen in unregelmäßigen Abständen zu erbeben und die drückende Stille, welche von ihr ausging, bekam etwas Beängstigendes.

  • Sie schien meine Worte nicht zu hören. So ängstlich hatte ich sie nie zuvor erlebt. Was sie wohl als Sklavin mitgemacht hatte? Was sie wohl ertragen musste, dass sie solche Angst hatte? Ich merkte förmlich, wie sie zurückschreckte, als sich unsere Blicke fast getroffen hätten. Was tat man Sklaven nur an, dass sie solche Angst davor hatten, jemandem in die Augen zu sehen? Was hatte Memnos ihr angetan? Zu gerne würde ich all diese Fragen stellen, doch würde ich damit nicht die Wunden tiefer aufreißen, die auf ihrer Seele waren?


    Sie schien apathisch und sie zitterte. Ich hatte sogar das Gefühl, dass ihr Zittern stärker wurde. "Alsuna, was hat man dir nur angetan?" murmelte ich schließlich. "Du zitterst ja... frierst du? Soll ich dir eine Decke holen?" Mehr als fragen konnte ich ja erstmal nicht. Immerhin murmelte ich die Fragen nicht. Es war auch keine Höflichkeit oder Ähnliches in meiner Stimme, sondern nur ehrliche Besorgnis.

  • Verdammt, einen Moment nur war sie unaufmerksam gewesen. Warum hatte sie sich auch gleich an dieser Stelle fallen gelassen, wo er förmlich über sie stolpern musste? Natürlich würde er kein Auge zutun unter diesen Bedingungen, ohne Rüstung, mit den Verbänden! Vermutlich schlief er selbst im für ihn optimalen Zustand noch fürchterlich schlecht. Das alles hätte ihr im Vorhinein bewusst sein müssen. Sie hätte sich zu ihrem eigenen Lager bequemen sollen, dort hätte sie auf jeden Fall erholsamer ruhen können als hier, auf dem nackten Boden, und die Pflicht hätte sie trotz dessen frühzeitig wieder aufgescheucht. Bis dort hinein hätte sich Achilleos ganz gewiss nicht getraut. Aber nein, sie musste ja die selten dämliche 'Heldin' spielen, die sich aufopferungsvoll und mitleidheischend auf den harten Boden warf, quasi wie ein folgsames Hündchen zu Füßen ihres Herrn zusammenrollte, um jederzeit hinspringen zu können, wenn er sie und ihre Dienste bräuchte. Kurz gesagt, es war genauso wie bei Hermione, nur dass ihr dort zumindest in angemessener Nähe ein Bett zugestanden hatte, natürlich ganz in der Nähe ihrer Herrin. Allzu viele Nächte hatte sie in ihren Diensten nicht auf hartem Holz verbringen müssen. Nicht unter einem Befehl und ganz gewiss nicht aus freien Stücken.


    Nun gut, sie war erschöpft gewesen. Eigentlich war sie es immer noch, gemessen an jedem scharfen, gehetzten Atemzug, der ihre Kehle passierte. Und sie hatte selige Dankbarkeit verspürt, als sie sich endlich hatte entspannen können, ganz gleich wo und wie und in welchem Zustand.
    Trotzdem... jetzt war ihr dieser Zustand ganz gewiss nicht mehr einerlei. So hatte sie von Achilleos mit Sicherheit nicht gesehen werden wollen. Besonders nicht nach seiner kalten, ihre Mühen so geringschätzenden Art kurz zuvor. Hart biss sie die Zähne aufeinander und spürte, wie sich aus Beschämung und Unsicherheit zunehmend Wut herauskristallisierte, vornehmlich auf sich selbst, doch dies ließe sich ändern. Natürlich trug sie Schuld, sie hatte sich schließlich so richtig dumm, lächerlich und peinlich verhalten und womöglich nur einmal mehr den gerechten Lohn dafür kassiert. Ihre glänzenden Augen begannen sich zu verengen, während sie weiterhin den starren Blick zu Boden hielt und der heißer Atem ihre Arme erwärmte. Ob sie fror? Ob er ihr eine Decke holen sollte? Gleichzeitig spürte sie den unstillbaren Drang zu lachen und entnervt aufzustöhnen. Großartig war ihr dies gelungen, hervorragend. Genauso wollte sie von Achilleos gesehen werden, als kleines zitterndes Nervenbündel. Ja! Mehr davon!


    "Aachiiilleeeoos..." Seltsam langgezogen presste sie seinen Namen hervor, ihre Kiefer dafür nicht einmal auseinandernehmend. Noch nicht. Immerhin war sie so freundlich und entsandte im Voraus eine Warnung. Doch da sie bereits so wütend war und die Gründe jener Wut in erster Linie ihm zuzuschieben gedachte, hielt sie sich nicht mehr lange an diesem Punkt auf. Ihr Blick strich langsam, gleich einer sich anpirschenden Raubkatze, an ihm empor und verharrte in der üblichen Position an seinen Wangenknochen. Die Knöchel ihrer Hände traten inzwischen weiß hervor, so stark umschloss sie ihre immer noch zitternden Arme.
    "Was machst du eigentlich hier?! Kriegst du es nicht fertig, eine Stunde lang ruhig liegen zu bleiben und zu schlafen?! Du bist ja schlimmer als ein kleines Kind! Stattdessen schleichst du dich an und erschreckst erschöpfte, schlafende Frauen fast zu Tode! Was hast du dir dabei gedacht?! Duuuu... Perversling!!"
    Mit einer schnellen Bewegung packte Alsuna das Samtkissen, schlicht weil es sich dabei um den nächsten, greifbaren Gegenstand handelte. Unter anderen Umständen und im Angesicht einer größeren Auswahl hätte sie mit Sicherheit zu etwas weniger Flauschigem gegriffen. Nichtsdestotrotz schleuderte sie ihre Wahnsinnswaffe nun mit Schwung in Richtung seines Kopfes, präziser auf seine Augen zielend, in welche sie um ein Haar geblickt hatte. Bedauerlicherweise würde der Samt dort wohl kaum bleibenden Schaden hinterlassen.

  • Man konnte erkennen, wie Alsunas Stimmung in Wut umschlug. Die letzte Warnung war, wie sie meinen Namen aussprach. Und dann kam schon ihre Schimpftirade, gefolgt vom Kissen, das mich traf. So wirklich vorbereitet war ich darauf nicht, so dass ich es nicht abwehren konnte. Statt dessen wurde ich auch wütend.


    "Na, da bin ich beruhigt! Ich dachte schon, du wärst... ach, scheißegal! Du bist wie immer, den Göttern sei Dank! Ich wollte dir eigentlich nur einen etwas bequemeren Schlaf ermöglichen, nach dem, was du für mich getan hast! Quasi aus Dankbarkeit! Werde ich aber nicht mehr machen! Du hysterische Tussi!" Mit der rechten Hand nahm ich das Kissen und warf es weit in den inneren Hof, während ich mit der linken Hand ausholte, um sie dann wütend auf den Boden zu schlagen. Sie krachte laut auf die hölzernen Planken, wobei sich ein kurzer, heftiger Schmerz in meinem Unterarm breit machte. "Verdammte Scheiße!" Ich hielt mir kurz den linken Arm, so als würde ich ihn jetzt noch schützen können. Doch dazu war es nun zu spät. "Geh in dein Quartier und lass mich in Ruhe! Geh! Geh! GEH!" Ich sprang auf und ging schnellen Schrittes in eine Ecke des inneren Hofes. Den linken Arm ließ ich dabei herunterhängen, weil jede Bewegung weh tat. Ich wusste nicht, was der wütende Faustschlag auf den Boden im bereits verletzten Unterarm angerichtet hatte, aber es schien nichts allzu Gutes zu sein. Es schmerzte jetzt recht stark, auch die Umschläge konnten das nicht ändern. Und so, mit meinem nur mühsam beherrschten Gesichtsausdruck, sollte mich Alsuna nicht sehen. Deshalb betrachtete ich im fahlen Schein des Mondes scheinbar interessiert das Mauerwerk vor mir. Auch wenn nicht wirklich viel zu erkennen war.

  • Schreien war nicht gut. Schreien war im Gegenteil ganz, ganz schlecht. Dummerweise war Alsunas Wut dies momentan fürchterlich einerlei. Seit sie jene bislang gut unter Verschluss gehaltene Emotion so großzügig von der Leine gelassen hatte, schien diese ganz dicht unter der Oberfläche vor sich hin zu schwelen, um bei jeder sich bietenden Gelegenheit das Nächstgreifbare darstellen zu können. Ganz gleich, wie viele Kraftreserven dies auch einforderte oder ob nach der Eruption noch ausreichend Energie für Dinge wie das Atmen vorhanden war.
    Langsam aber sicher entwickelte es sich sogar so weit, dass die Germanin ihre Wut als die sicherste Option im Umgang mich Achilleos ansah, denn schließlich sollte ihr Verhältnis zueinander möglichst von Hass und Verachtung geprägt sein, und was schürte diesen Wunsch mehr als Beleidigungen und Anfeindungen? Insofern war ihre Wahl durchaus gut und richtig. Nicht gerade wohl durchdacht und in der Anwendung eher impulsiv, aber doch gewinnorientiert.
    Und wie es schien hatte ihre gar nicht mehr so geheime Geheimwaffe auch diesmal wieder tadellos funktioniert. Gut, ausgezeichnet, obgleich sein Gebrüll nicht weniger qualvoll in ihrem Kopf nachhallte denn ihr eigenes vordem. Doch damit konnte sie problemlos umgehen. Zumindest um einiges besser als mit 'Soll ich dir eine Decke holen?'. Wie albern war das denn mal?


    Achso, eine Dankesbezeugung! Na aber sicher. Sie benötigte auch immer mehrere Stunden, um sich zu bedanken, das war ja vollkommen normal. So normal wie alles andere an diesem Irren, der offenbar an arger Launenhaftigkeit litt. Und sie war also die hysterische Tussi? Wer zickte denn hier gerade so lautstark herum? Wäre er eine Frau, hätte sie darauf gewettet, dass ihr Gegenüber sich gerade in einer kritischen Zyklusphase befände.
    Flüchtig folgte ihr eisiger Blick dem Flug des Kissens, allerdings nur soweit wie möglich, ohne dass sie zusätzlich den Kopf drehen musste, in welchem es stetig arger zu hämmern begonnen hatte. Doch davon würde sie sich nichts mehr anmerken lassen. Keine Schwächen mehr in seiner Anwesenheit. Immerhin gebrauchte er bei dieser eher sinnfreien Aktion seinen rechten Arm. Insofern verhielt sich die Heilerin in ihr noch ruhig und friedlich.
    Dann sah sie die schicksalsschwere Bewegung kommen, allerdings erfolgte diese viel zu schnell, als dass Alsuna mehr hätte tun können, als Atem zu holen um eine Warnung zu rufen, welche ohnehin viel zu spät gekommen wäre. Beim Aufprall seiner Faust auf den Boden glaubte die Germanin förmlich ein Knirschen zu hören, was sie sich vermutlich nur einbildete, nichtsdestotrotz zuckte sie zusammen und schmälerte die Augen, als spürte sie jenen, nun garantiert über Achilleos hereinbrechenden Schmerz am eigenen Leib. Aber gut, ganz so uneigennützig war ihre Empfindung dann doch nicht, ein gewisser, düsterer Teil ihrer Seele erfreute sich diebisch an dieser Wende, ganz gleich, ob sie dafür letzten Endes würde büßen müssen. Immerhin hätte sie sich nach ihrer Provokation auch locker in der Rolle des Bodens wiederfinden können.


    Dann wurde er richtig laut und unbeherrscht, Beweis dafür, dass die Schmerzen wirklich heftig sein mussten. Verspürte sie deswegen ein schlechtes Gewissen? Nein, sie vermochte sich nicht zu erinnern, ihn dazu gezwungen zu haben, ausgerechnet mit diesem Arm seinen Frust der Umgebung mitzuteilen. Weswegen war er denn überhaupt dermaßen aus der Haut gefahren? Sie war frech geworden, gut, aber warum ließ er das überhaupt so nahe an sich heran? Konnte ihm doch mal fröhlich gleich sein, was seine dumme kleine Sklavin da in die Gegend blökte.
    Doch Alsunas ohnehin trägen Gedanken blieb nicht viel Zeit zur Entfaltung. Er schickte sie nicht einfach nur weg, nein, er schrie sie geradezu in ihre Räumlichkeit zurück. Und dann verschwand er selbst. Die Sklavin sah ihm nach, die Augenbrauen leicht in die Höhe gezogen. Wollte er nun heldenhaft seinen Schmerz verbergen? Dafür hatte er zuvor doch ein wenig zu freimütig seinen Gefühlen Ausdruck verliehen. Und allein die Haltung seines Armes sagte mehr aus, als alle Versuche, dem entgegenzuwirken.
    Alsuna seufzte tief in die Nacht hinaus und schloss die Augen, während sie sich bewusst machte, was eine solche Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes nun auch für sie hieße. Ganz besonders nach diesem Aufeinanderprallen. Womöglich war sie auch nicht gaaanz frei von Schuld. Aber er sollte bloß nicht glauben, dass er ihr vorzugeben hatte, wie sie fühlte und dass sie seine Andeutungen genauso und völlig richtig interpretierte, wie er sie denn irgendwie auf verschlungenen Pfaden beabsichtigt hatte. Sie war kein verfluchtes Orakel.


    Langsam und mithilfe der Wand als Stütze richtete sich Alsuna schließlich wieder auf und wagte einige vorsichtige Schritte in den Hof hinein. Immerhin, sie fiel nicht gleich um. Erst, als sie sich nach dem Kissen zu bücken versuchte, kam sie sehr rasch auf die Idee, doch besser direkt auf die Knie zu fallen, damit der unerzogen schwankende Boden auch wirklich dort bliebe, wo er hingehörte. Behutsam strichen ihre Fingerspitzen über den edlen Stoff und reinigten ihn notdürftig vom Staub des Hofes, ehe sie sich nach einem tiefen Atemzug erneut hochstemmte. Unschlüssig wanderte ihr Augenmerk erneut auf Achilleos, der sich nach wie vor an der interessanten Oberflächenstruktur seiner Mauern erfreute. Wenn sie jetzt sanft und freundlich zu ihm wäre, gestand sie damit nur indirekt ihre Schuldgefühle ein. Die ohnehin nicht vorhanden waren. Und er hatte ihr einen deutlichen Befehl erteilt. Der sichere Weg zurück in ihre Unterkunft stand weit und einladend offen. Womöglich verärgerte sie ihn nur noch mehr, wenn sie sich ihm erneut widersetzte. Andererseits, war Ärger nicht eigentlich das, was sie wollte?


    "Jinshi? Du musst gleich heute früh zu einem richtigen medicus, damit er sich den Arm anschaut. Vielleicht ist es gut so, ansonsten wärest du wahrscheinlich niemals dorthin gegangen, oder?" Vordergründig hätte sie seine Schmerzen vielleicht etwas lindern können, doch die Gefahr einer ernsthaften Verletzung wäre nicht gebannt gewesen.
    "Besser auf diese Art, als innerhalb eines Kampfes auf Leben und Tod, nicht wahr?" Zaghaft machte Alsuna ein, zwei Schritte in seine Richtung und auch ihre leise Stimme drückte eine gewisse Vorsicht aus. Hoffentlich hatte sie es nicht ungesund übertrieben. Sie drückte das Kissen eine Spur fester an ihren Oberkörper und wagte sich noch ein wenig näher an den Verletzten heran.
    "Sieh' es als eine Herausforderung. Verletzungen härten ab, glaub mir. Danach wirst du nur noch stärker sein. Ich werde dir eine provisorische Schiene für den Rest der Nacht anlegen, deine Umschläge erneuern und du versuchst noch ein wenig zu schlafen, ja?" Mit einem hoffnungsvollen, aber nichtsdestotrotz auch unsicheren Lächeln blieb Alsuna schließlich hinter ihm stehen und gab sich der Erwartung hin, auf wenigstens eine ihrer Nachfragen eine positive Resonanz zu erhalten.

  • Der linke Arm schmerzte noch immer. Es kam mir sogar stärker vor als jene Verletzung, die ich von der Lanze hatte und die ihre Narbe auf dem gleichen Unterarm hinterlassen hatte. Einen Moment lang dachte ich, dass die Narbe vielleicht aufgebrochen wäre, doch dann müsste ich spüren, wie das Blut meinen Arm herunterlief. Das tat es aber nicht, also konnte ich das ausschließen. Ich bemerkte die Bewegung hinter mir, doch ignorierte ich sie zunächst. Alsuna musste sich ja bewegen, wenn sie in ihr Zimmer zurück ging.


    Dann sprach sie mich wieder an. Ich sollte zu einem Medicus gehen. Na, klar, da wäre ich ja nie drauf gekommen! Eine Antwort darauf hatte sie nicht verdient. Besser so, als in einem Kampf auf Leben und Tod? Was für ein Blödsinn! In einem Kampf auf Leben und Tod hätte ich mich schon zu verteidigen gewusst. Und wenn nicht, dann wäre es mir egal, weil ich tot wäre! Also hatte sie auch darauf keine Antwort verdient. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass sie sich näherte. Ich hob meine rechte Hand zum Zeichen, dass sie sich nicht weiter nähern sollte. Das Zeichen war energisch und durchaus gebieterisch.


    Was sollte dieses 'Verletzungen härten ab' Gerede? Das war belangloser Blödsinn! Ich und noch stärker sein! Meine Stärke war doch gerade das Problem! Sie kam vor allem aus der Abhärtung, die meine seelischen Verletzungen gebracht hatten. Mein Körper war stark, weil mein Geist stark war. Und der war stark, weil ich den Menschen nicht trauen konnte!
    Jetzt wollte sie also meine Verbände wechseln und den Arm schienen? So nicht! "Ich habe mich wohl missverständlich ausgedrückt. Du sollst sofort in dein Quartier gehen. Auf dem direkten Weg. Sofort und direkt!" Ich drehte mich noch nicht einmal um, als ich diesen Befehl gab. "Es ist mein Leben, mein Körper und MEINE VERDAMMTE GESUNDHEIT!" ich atmete tief durch. "Ich kann damit tun und lassen, was ich will." Immer noch drehte ich mich nicht um. Statt dessen hob ich meinen linken Arm und ballte die Faust, auch wenn es schmerzte. "Ich kann diesen Arm immer noch gebrauchen!" Dann zeigte ich mit der linken Hand in Richtung großer Halle, und somit auch in Richtung von Alsunas Zimmer. Dabei musste ich mich zwangsläufig halb umdrehen. "Und jetzt geh!" Man hörte mir an, dass ich mit meiner Selbstbeherrschung kämpfte, während ich diesen Satz sprach. Ich war es einfach satt.

  • Alsuna kamen ihre eigenen, peinlichen Bemühungen so etwas wie aufmunternde Worte zu finden reichlich albern vor, nur war ihr eben auf die Schnelle nichts Sinnvolleres eingefallen. Das Sprechen überhaupt wurde zunehmend mühsamer und eigentlich strebte einiges in ihr danach, diesem wohl gerade schönsten Befehl von allen einfach nur brav Folge zu leisten und sich auf ihr eigenes, angenehm ruhiges Lager zu verziehen, fernab von geistesgestörten, brüllenden Kriegern. Sie müsste einfach nur die Augen schließen und sich erneut in die Dunkelheit treiben lassen, all diese fürchterliche Wirklichkeit würde sich in gefühlloses Wohlgefallen auflösen. Welch wundervoller Gedanke.
    Und warum sollte sie hier stehen bleiben und sich anschreien lassen? Unverdient, denn was konnte sie dafür wenn er so dämlich war, seinen bereits verbundenen Arm noch auf so hinverbrannte Weise nachhaltig zu beschädigen? Ehrlich, wie vermochte man nur so dämlich zu sein und das aus dem nichtigen Grunde, zuvor ein Samtkissen ins Gesicht bekommen zu haben?


    Nun, wenigstens schien er seine falsche höfliche Art bis auf Weiteres tatsächlich abgelegt zu haben. Doch hatte er sie nicht noch vor nicht allzu langer Zeit eben davor gewarnt? Dass sie ihn keinesfalls erleben sollte, wenn er nicht von seinen seltsamen Prinzipien geleitet würde? Dies wurde er nun offenkundig nicht und um ehrlich zu sein, so besaß sein Verhalten durchaus etwas Beängstigendes. Und nicht bloß ‚etwas‘. Stünde er derzeit nicht mit dem Rücken zu ihr und besäße sie die Angewohnheit, den Menschen in die Augen zu sehen und daran ihre Emotionen abzulesen, so wäre sie möglicherweise sofort umgedreht und hätte sämtliche letzte Kraftreserven mobilisiert, um so viel Abstand wie nur möglich zwischen sich und diesen Mann zu bringen. Nein, er hatte sich auch zuvor keineswegs missverständlich ausgedrückt. Alsuna wusste selbst nicht so recht, was sie hier gerade trieb. Unter Umständen war sie doch mehr Heilerin, als sie wahrhaben wollte und hatte keine Lust zuzuschauen, wir ihr Patient – der Arm nämlich – unter den unverantwortlichen Ambitionen seines Besitzers litt.


    „Natürlich ist es dein Leben.“ Und was für ein tolles Leben. „Und deine Gesundheit und dein Arm. Aber da ich in dieser Nacht mein Leben dafür riskiert habe wirst du verstehen, dass es mir nicht ganz einerlei ist, was du im Begriff bist damit anzustellen.“ Ihre Stimme hatte verhältnismäßig ruhig geklungen, schon alleine aus eigenen kopftechnischen Gründen heraus. Allerdings wich sie sicherheitshalber zwei Schritte zurück, was ihr jedoch im Ernstfall auch fürchterlich wenig nutzen würde.
    „Und vielleicht kannst du den Arm wirklich noch irgendwie eine Zeitlang gebrauchen, aber es wird schlimmer werden, wenn du ihn nicht ruhigstellen und versorgen lässt. Das ist es doch ehrlich nicht wert.“ Wie konnte man nur so fürchterlich stur sein? Zum Glück war sie selbst da vollkommen anders. Immerhin, sie wich erneut einen Schritt zurück. Quasi befand sie sich schon so gut wie in ihrem Quartier, folgsam und nachgiebig.

  • Sie war ja immer noch da! Ob sie eigentlich wusste, welchem Risiko sie sich gerade aussetzte? Ohne meine Selbstbeherrschung war ich ziemlich gefährlich. Ich spürte, wie ich zunehmend wütender wurde. Ohne genau zu wissen, was mich eigentlich so verärgerte. Vielleicht war es die Tatsache, dass Alsuna mir irgendwie sympathisch war? Wenn sie sich so fürsorglich zeigte, hatte ich das Gefühl, dass sie da ein Relikt der Person zeigte, die sie wohl wäre, wenn sie keine Sklavin wäre. Doch der andere Teil war definitiv stärker. Und das war der aggressive, streitlustige Teil. Der war zwar eine Herausforderung, zerstörte aber meine Harmonie recht nachhaltig. Möglicherweise war das der Grund meiner Wut? Oder war ich einfach nur wütend, weil meinen Anordnungen nicht Folge geleistet wurde?


    Womöglich könnte ich die etwas sympathischere Alsuna häufiger erleben, wenn ich einfach nur Geduld hätte? Doch Geduld war nie meine Stärke gewesen. Also kam das nicht in Frage. Was mich auch ärgerte.


    So stand ich da und zeigte immer noch in Richtung ihres Quartiers. Meine Stimme wurde eisig. "Niemand hat dich dazu gezwungen, irgend etwas zu riskieren. Nicht mal drum gebeten wurdest du. Es war deine freie Entscheidung! Genauso, wie es deine freie Entscheidung war, mich zu provozieren und mit mir zu kämpfen! Deine Entscheidung, deine Konsequenzen!" Ich senkte den linken Arm langsam und drehte mich zu ihr um. Die ganze Bewegung hatte etwas Raubtierhaftes an sich, vor allem, so wie ich sie mit meinen Blicken fixierte, sobald mein Kopf weit genug gedreht war, um dazu fähig zu sein. "Was es wert ist, und was es nicht wert ist, das entscheide ich! Deinen Rat habe ich zur Kenntnis genommen. Wo liegt eigentlich dein Problem? Du wolltest doch, dass ich jede Form der Höflichkeit ablege. Und jede Form der Nettigkeit und Freundlichkeit, selbst wenn sie ehrlich ist! Wo liegt also dein Problem, Alsuna?" Mit der Geschmeidigkeit eines Geparden, der sich an seine Beute heranschleicht, machte ich einen Schritt auf sie zu.

  • Zumindest passte sich die Lautstärke seiner Stimme nun der ihren an, was ihr Kopf dankbar zur Kenntnis nahm, obgleich Alsunas Instinkt ihr zuflüsterte, dass entgegen aller Annahmen die Ruhe nurmehr eine Steigerung des lauten Tosens zu sein vermochte. Und obgleich auch sie und weite Teile ihres Körpers dieses ewigen, immer wieder aufbrechenden Konfliktes langsam müde wurden, so war sie doch nicht imstande, ihm einfach den Rücken zu kehren, mit den Schultern zu zucken und der Stimme der Vernunft nachzugeben, welche schon längst um Aufmerksamkeit kämpfte, doch nach wie vor schmählich ignoriert wurde. Wer konnte schon sagen, wie lange Achilleos ihr noch mehr oder weniger freiwillig gestattete, sich derart ungezwungen äußern zu können? Im nächsten Augenblick schon konnte er ihr die Zunge abschneiden und der Rest ihres Lebens bestünde aus Schweigen und Demut.
    Nein, diese und jede weitere sich bietende Gelegenheit würde sie ergreifen und genau das sagen, was sie dachte. Aus freien Stücken ginge sie diesen Weg nicht mehr zurück. Da würde man sie schon mit Gewalt wieder hinschieben müssen. Natürlich ahnte sie irgendwo, dass ihr derzeit das rechte Maß fehlte, was ihre Äußerungen anbelangte und sie Achilleos gegenüber ziemlich rücksichtslos und teilweise wohl auch nicht ganz gerecht gewesen war. Undankbar ob der Möglichkeiten, die er ihr eröffnet hatte. Doch bei den schwarzen Wassern des Styx, er machte es einem wirklich verflucht schwierig, Dankbarkeit zu zeigen! Schließlich warf er diese auch nicht gerade mit beiden Händen durch die Gegend. Entweder er war ein unausstehlicher Heuchler, oder er wurde zur unberechenbaren Bestie. Ein Extrem oder das andere, der Bereich dazwischen war von einer großen, langen Mauer belegt. Und da Alsuna falsche Freundlichkeit auf den Tod nicht ausstehen konnte, würde sie wohl gezwungenermaßen mit der Bestie auskommen müssen. Immerhin müsste sie aufgrund dessen nicht aus purer Langeweile sterben.


    Zudem sorgte er bravourös dafür, dass ihr Zorn gar nicht erst Gelegenheit erhielt, sich in der Kühle der Nacht zu verflüchtigen. Achso, na klar, sie war also selbst schuld. Wundervolle, sorgenfreie Einstellung, welche er da hegte. Ihre Muskeln begannen sich anzuspannen, trotz der Proteste an einigen Stellen, welche jedoch rasch erstickt wurden. Dieser arrogante Dreckskerl! Als ob er nicht genau wüsste, dass er sie beeinflusst hatte! Und nur, weil sie angefangene Arbeiten gerne zu einem Ende brachte, war sie jetzt also selbst schuld? Besäßen Blicke die Macht zu töten würde er jetzt nichts mehr darstellen als ein ganz jämmerliches Häuflein Asche, das ein Windstoß in alle Himmelsrichtungen zerstob. Dass man manche Dinge eben tat, auch ohne darum gebeten zu werden, weil es in bestimmten Situationen eben das Richtige und Vernünftige war, schien sich Achilleos‘ Blickwinkel auf die Welt locker zu entziehen.
    Alsunas Fingerspitzen krallten sich in den weichen Stoff des Kissens, selbst ihre Kopfschmerzen waren zu einem dumpfen Druck zurückgewichen angesichts der wütenden Glut, welche gerade durch ihre Adern tobte. Ihre Hilfsbereitschaft war verflucht dünn gesät und auf die wenigen, mutig ihre Köpfchen aus der Erde streckenden Pflänzlinge auch noch grob draufzutreten traf den Stolz der Germanin gleich in doppelter Weise. Das kleine, wohlversteckte Beet war nicht nur gefunden, sondern auch noch grundlos verwüstet worden. Und dies schrie nach der wirklich ganz üblen Art von Rache.


    Wiederum spürte sie seinen Blick, ohne, dass sie ihn dafür so genau reflektieren musste. Da ihre Augen mit Sicherheit gerade in sehr ähnlicher Weise glühten wusste sie nur zu genau, was sie erwartet hätte, würde sie diese unsichtbaren Pfeile wirklich erwidern. Die Atmosphäre verdichtete sich ohnehin bereits zu einer sehr ungesunden Energie. Selbst bei ihren vorangegangenen Konflikten war es noch nie derart schlimm gewesen. Gut, womöglich hatte doch alles Bisherige nur daraufhin gedeutet, dass man in diesem Punkt dringend einer Klärung bedurfte. Einer musste die Angelegenheit endgültig für sich entscheiden, sonst würde dies ewig und drei Tage so weitergehen, bis einer von ihnen aufgab oder seinen Verletzungen erlag. Das wäre dann sehr wahrscheinlich ihre Aufgabe. Trotz seines linken Arms wirkten seine Bewegungen mehr als gefährlich, mit denen er gerade dasselbe Spiel eröffnete, welches sie zu einem früheren Zeitpunkt bereits begonnen und für sich entschieden hatte. Da war sie selbst auch noch in einem weitaus besseren körperlichen Zustand gewesen.


    Ihre Lippen verzogen sich zu einem zynisch amüsierten Lächeln, ehe sie mit betont seidig-schwarzer Stimme erwiderte:
    „Richtig, ich wollte, dass du jede Form von Höflichkeit ablegst, aber da war mir auch nicht bewusst, dass du deinen Verstand gleich mit wegwirfst. Und genau da liegt mein Problem. Denn ganz gleich weswegen ich diesen Scheißweg durch Rhakotis auf mich genommen habe, dank deines absolut blödsinnigen Verhaltens machst du gerade all meine Bemühungen zunichte. Ja, ich bin wirklich ganz schön dämlich, für ein undankbares Biest wie dich sowas zu tun. Das verdienst du gar nicht, oder? Wenn ich du wäre, würde ich es allerdings nicht wagen, jetzt gegen mich kämpfen zu wollen. Bedenke, du trägst deine hübsche, schützende Rüstung nicht. Dein Gleichgewicht hat sich verlagert. Und dein Arm ist im Arsch. Wahrscheinlich sollte ich aus diesen Gründen von vornherein ablehnen. Du bist einfach keine Herausforderung mehr für mich.“
    Unter gespieltem Bedauern zuckte sie mit den Schultern und verengte ihre Augen provozierend um eine Winzigkeit, so dass es verräterisch in ihnen funkelte.

  • So langsam wurden mir diese Spielchen zu bunt. Am liebsten hätte ich sie zum Schweigen gebracht. Doch wollte ich sie nicht angreifen. Aus einem Grund, der mir nicht klar war, wollte ich es einfach nicht. Egal, wie sehr sie mich provozierte. Ich ging nicht zum Angriff über. Vermutlich wäre das noch vor wenigen Monaten anders gewesen. Doch ich wollte nichts tun, was mir hinterher leid tat. Das tat ich schon viel zu oft.


    Mit welchem Recht wurde sie eigentlich so wütend? Und dann noch diese spitzen Kommentare. Ich und meinen Verstand wegwerfen? Ich wusste sehr genau, was ich tat! Außerdem war sie da auch nicht besser! "Darum geht es also, um deine Bemühungen, ja? Und mir wirfst du Egoismus vor! Und was heißt denn da 'undankbares Biest'? Wenn ich mich bedankt hätte, dann hättest du mir sowieso nur Scheinheiligkeit vorgeworfen! Ist doch scheißegal, wie ich mich dir gegenüber verhalte, du legst es immer so aus, dass du dich darüber aufregen kannst! Abgesehen davon, ja, ich verdiene es in der Tat nicht. Also, was willst du dann überhaupt?" Ich machte eine kurze Pause, nur um dann mit einem zynischen Grinsen zu sagen "Übrigens zeugt deine Arroganz auch nicht gerade von einem gesunden Menschenverstand." Das Lächeln verschwand wieder. "So langsam verstehe ich allerdings, warum memnos dich verschenkt hat! Verkaufen wäre unmöglich. Eigentlich sollte ich ihn mal aufsuchen und noch eine Entschädigungszahlung verlangen. Dafür, dass ich dich überhaupt angenommen habe!"


    Kaum hatte ich das gesagt, tat es mir auch schon leid. Wirklich gerecht war ich nicht, und das war mir schon klar. Doch entschuldigen kam nicht in Frage. Oder doch? Aber dann würde sie mir wieder Unehrlichkeit vorwerfen! Andererseits war das jetzt auch unwichtig. Wichtig war, das Richtige zu tun. "Tut mir leid... das war so nicht fair von mir..." Ich zuckte mit den Schultern. "Wenn du mich nicht dauernd so provozieren würdest! Herrje, du kannst mich doch nicht permanent reizen und dann verlangen, dass ich mich bedanke, wenn du mal ausnahmsweise nett und hilfsbereit bist?"

  • "Du ziehst also winselnd den Schwanz ein und gibst frühzeitig auf, ja?" Momentan war Alsuna viel zu konzentriert auf ihren Zorn, als dass sie aus Achilleos' Worten zunächst mehr als diese wichtigste Information herauszufiltern vermochte. So rasch wechselten ihre Stimmungen nicht, wenngleich sie einen Anflug von Enttäuschung verspürte ob des plötzlichen Zurückziehens seiner Herausforderung. Was auch immer ihn dorthin gebracht hatte, ihre Worte waren es gewiss nicht gewesen. Vermutlich sein blöder Arm. Hoffentlich heilte der rasch wieder zusammen, so dass sie darauf keine Rücksicht mehr nehmen mussten. Seine Verbände würde dieser Kerl in Zukunft auch allesamt hübsch selbst wechseln können. Mit ihrer Hilfsbereitschaft durfte er so rasch nicht mehr rechnen. Der Boden, welchen er so gnadenlos umgepflügt hatte, war ohnehin nicht sonderlich fruchtbar und hätte niemals sonderlich üppiges Grün hervorgebracht, nun allerdings würde er wieder ein ganzes Weilchen brach liegen, denn offen gesagt reizte es die Germanin nicht sonderlich, sich überhaupt noch um dieses elendige Fleckchen Erde namens Hilfsbereitschaft zu kümmern. Wozu? Für wen? Ihr werter Herr nahm dies offenbar für selbstverständlich. Erstaunlich wenn man bedachte, dass er eigentlich an ein autarkes Einsiedlerdasein gewöhnt sein musste, in dem sich keine Seele dafür interessierte, was mit ihm geschah.
    Mit einigen tiefen Atemzügen versuchte sie die grollende Bestie, welche aufgrund ihres versäumten Kampfes lauthals aufbrüllte, wieder in ihre eigenen Abgründe zu treiben. Dass sie selbst diese Aktion nicht so recht wollte, machte es nicht wirklich einfacher.


    Langsam begannen sich ihre Finger wieder aus dem Kissen zu lösen. Eine gespielte Entspannung, wo sicherlich gar keine war.
    "Wenn es dir nicht passt, verkauf' mich doch. Dann kannst du dich wieder seelenruhig in deiner sicheren Festung aus Blut und Philosophie verkriechen, deine Wunden lecken, die du dir zuvor selbst gebissen hast, und weiterhin hoffen, dass sich eines Tages jemand findet, der dich von deinem schmerzvollen Dasein erlöst. Dann wird dich auch niemand mehr aus deinen schwermütigen Gedanken und Träumen reißen oder dir Dinge 'antun', die du aufgrund deiner furchtbaren Taten alle gar nicht verdienst. Dann herrscht Harmonie über allem, wie eine erstickende, aber sehr süße Schicht Honig! Klingt das nicht elysisch? Nur du, deine Dämonen und deine Schuldgefühle. Ich hoffe wirklich, ich habe nicht zu lange das glückliche Zusammenleben gestört. Grüß deine Frau und deinen Sohn von mir, wenn du es endlich geschafft hast, zu sterben. Sag ihnen, dass es mir ein Rätsel ist, wie sie es länger als einen Tag mit dir aushalten konnten!"
    Die letzte Bemerkung war so hinterhältig wie nötig gewesen, schließlich hatte er umgekehrt auch Memnos ins Spiel geworfen. Und Alsuna wollte niemals wieder irgendjemandem etwas schuldig bleiben. Mit einem Ruck wandte sie sich nun der Richtung zu, in welche er zuvor so überdeutlich gezeigt hatte. Wenn er ohnehin nicht mehr zu kämpfen gedachte, sondern lieber in ihrer Seele herumzupicken begann, konnte er sich das getrost sparen.

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