Die Räume von Penelope

  • "Sehr gut.", meinte Nikolaos und nickte wie zur Bekräftigung. "Vormittags würde es mir indes auch besser passen als nachmittags.", fügte er hinzu, obwohl es nicht der Wahrheit entsprach. Doch er wollte sich die Gelegenheit von diesem ... von diesem ... schönen ... dieser Frau unterrichtet zu werden, nicht durch Querulantentum verbauen.

  • Penelope lächelte leicht. Nun war eigentlich alles geklärt und sie waren sonst soweit fertig. Das mit dem Fest konnten sie auch während der ersten Unterrichtsstunde dann besprechen, das klang nun nicht so, als wäre das schon diese Woche und dementsprechend dringlich. Sie wollte den Gymnasiarchos sicher nicht hinauskomplimentieren, das traute sie sich gar nicht, aber eigentlich gab es nichts weiter zu besprechen. Und da stand immer noch Ánthimos mit diesem wunderschönen Blumenstrauß. Daher fragte sie einfach so charmant und neutral wie möglich.
    “Gibt es sonst noch etwas von deiner Seite, Gymnasiarchos?“

  • "Da du, wie ich weiß, im Begriff bist, dich im Gymnasion in den Pflichten eines Bürgers unterrichten zu lassen, würde ich dich an dieser Stelle gerne fragen, ob du bereit wärst, nach deiner Aufnahme in den Kreis der erwachsenen und vollwertigen Bürger ein Ehrenamt für die Polis auszuüben. Schließlich ist die Pyrtanie bald vorbei.", sagte Nikolaos. Das Bürschchen, das irgendwo hinter ihm stand, beachtete er nicht mehr, sondern konzentrierte sich ganz auf sein Gegenüber. "Dass eine Frau ein Ehrenamt übernimmt, ist indes nichts ungewöhnliches mehr in unserer Stadt, seit die ehrenwerte Iunia Urgulania die Bürde des Amtes eines Eutheniarchos auf sich genommen hat, dass sie mit bewundernswertem Geschick zum Wohl der Stadt ausübt."

  • Im ersten Moment wußte Penelope gar nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie sollte sich in ein Amt wählen lassen? Sie? Politik war in Penelopes kleiner, einfacher Welt eine Männerangelegenheit. Sie verstand da nichts davon, sie kannte nur ihre Musik und war damit glücklich. Da war es für sie ziemlich überraschend, dass jemand daran dachte, sie in ein Amt wählen zu wollen.
    “Nun, Gymnasiarchos, ich weiß nicht, ob ich für so etwas geeignet wäre. Immerhin habe ich keinerlei Erfahrung mit Verwaltung jedweder Art. Ich kenne die Musik und natürlich meine Pflichten, aber sonst muss ich gestehen, dass ich nicht sehr viel weiß. Welches Amt denkst du denn, würde meinen Fähigkeiten entsprechen?“
    Penelope konnte sich beim besten Willen nicht als Strategos oder ähnliches sehen. Was wusste sie denn schon von diesen Dingen? Und ein Amt, bei dem man musikalisches Geschick benötigte, wäre ihr neu.

  • "Werte Penelope, Menschen, die sich den Musen widmen, kann jede Polis gut gebrauchen, denn ist die Polis den Geweihten der Musen gütig, so sind vielleicht auch die Musen der Polis gütig.", säuselte Nikolaos.
    "Doch bei deinem hervorragendem Verstand, den zu erkennen ich ja bereits die Freude, ja die Ehre, hatte, wirst du sicher noch viele Fertigkeiten mehr haben.
    Aber nicht ich möchte mir anmaßen, über deine Fähigkeiten zu urteilen, werte Penelope. Ich dachte nur daran, es könnte vielleicht etwas im Dienste der Polis geben, wozu du dich berufen fühlst."

  • “Ich fühle mich durch dein Vertrauen in meine bescheidenen Fähigkeiten sehr geehrt, Gymnasiarchos. Aber ich muss ehrlich gestehen, dass ich mir um so etwas bislang noch nicht einmal Gedanken gemacht habe. Ich denke auch, dass sich bestimmt genug geeignete Männer finden werden, die dieser Polis weit besser dienen können als ich.“
    Zwar machte Urgulania ihre Arbeit gut, nach allem, was Penelope so hörte. Aber dennoch waren in ihrer Vorstellung Männer einfach besser für die Politik beschaffen. Und sie hatte in dieser Beziehung einfach keine Erfahrungen.
    “Aber für den Fall, dass sich wirklich niemand finden würde, der die ehrwürdigen Aufgaben dieser Polis übernehmen kann, wäre es mir eine Ehre, meinen Teil dazu beizutragen. Allerdings hoffe ich, dass dies nicht nötig werden wird.“
    Penelope wäre bestimmt weniger gut geeignet als Respektsperson der Stadt. Jemand, der nicht nein sagen konnte, hatte wahrscheinlich in einer öffentlichen Ämterlaufbahn wirklich nicht viel zu suchen.

  • "Deine Bereitschaft, etwas zum Wohl der Polis zu tun, ehrt dich, werte Penelope.", sagte Nikolaos sanft. Dann sah er sie lange an. Schließlich zog er einen gefalteten, schmalen Papyrusstreifen, um den ein schwarzer Faden gewickelt war, aus einer verborgenen Tasche in seinem Chiton hervor und schob ihn über die Tischplatte in Richtung Penelopes.
    Fallls sie ihn öffnete, sähe sie in kleinen Buchstaben folgendes darauf geschrieben:


    Komme eine Woche vor Ende des Mechir in den Rosengarten, wenn die Sonne bald untergeht. Ein Meister wird sprechen. Komme allein, deine wahren Freunde werden dort sein.

  • Anthi sah, dass der Gymnasiarchos ihr etwas zuschob, sah aber nicht was es war. Trotzdem machte es ihn stutzig. Der Kerl hatte Penelope einfach nichts zu geben, schließlich wa sie seine Verlobte! Schlimm genug, dass er ihr hier schmeichelte und versuchte ihr mit Ämtern in der Polis den Kopf zu verdrehen. Er wusste zwar, dass er bei Pelo da auf Granit biss, aber alleine die Dreistigkeit seines Vorgehens machte ihn wütend.


    Ànthimos atmete dreimal tief durch, und hoffte dass Nikolaos jetzt endlich gehen würde, damit er Penelope die Blumen überreichen konnte.

  • Etwas unsicher nahm Penelope den Zettel entgegen und überflog kurz das Geschriebene. Eine Woche vor Ende des Mechir… das war ja schon nächste Woche! Und ein Meister würde sprechen und wahre Freunde würden da sein? Das klang schon sehr kryptisch. Da hatte Nikolaos ja Glück, dass Penelope sehr integer war und mit seinen seltsamen Informationen vertraulich umgehen würde. Aber ein wenig verwundert blickte sie schon zum Gymnasiarchos herüber.
    “Danke“, meinte sie etwas unsicher, fing sich dann aber gleich wieder und redete einfach weiter.
    “Nun, werter Gymnasiarchos, wenn es von deiner Seite nichts mehr gibt, würde ich mich verabschieden.“
    Ihr Blick glitt mit einem Lächeln zu Ánthimos herüber, auf den sie sich nun schon freute. Die Blumen waren einfach wundervoll.

  • Nikolaos bemerkte, dass Penelope sich ihm bereits abgewandt und ihrem Beschäler zugewandt hatte. Auch ihr Lächeln blieb ihm nicht verborgen. Kaum merklich biss er sich kurz auf die Lippe, ehe sein Gesicht die Form einer lächelnden Maske annahm. Ihre Verabschiedung hatte, auch das wusste Nikolaos, den Charakter eines höflichen Hinauswurfes.


    "Werte Penelope, ich freue mich auf ein baldiges Wiedersehen.", sagte er süßlich, erhob sich und blieb einen Moment in der Tür stehen, ehe er den Raum verließ. Was danach in diesem Zimmer im Heiligtum der Musen und des Apollons geschehen würde, meinte er sich gut vorstellen zu können.

  • Kaum war die Tür geschlossen ging Anthi zu Penelope und überreichte ihr die Blumen. "Herzlichen Glückwunsch zu deinem ersten Arbeitstag! Ich finde es total aufregend dich hier zu sehen. Hinter diesem Schreibtisch siehst du wirklich richtig wichtig aus, als wäre er für dich gemacht worden. Und dazu noch dieser tolle Chiton, die Schüler werden dir sicher die Türe einrennen!"


    Er blickte sich im Raum um. Eigentlich war ja jetzt schon eine Weile hier, aber er hatte mehr auf sie und Nikolaos geachtet, als auf die Einrichtung.

  • Penelope nahm die Blumen entgegen und roch einmal daran. Ihr süßer Duft war einfach wundervoll, und sie glaubte, sie hatte noch nie etwas so schönes Geschenk bekommen. Außer vielleicht ihr Chiton, wobei das hieß, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Sie behielt den Strauß ein wenig im Arm und schnupperte verliebt an den Blüten. Gut, dass gleich eine Vase mit dabei war, Penelope hätte sonst hier drinnen keine gehabt. Aber wo stellte sie sie am besten hin?
    “Bislang haben sie mich glaube ich noch nicht gefunden, der Gymnasiarchos war der erste, der um Unterricht gebeten hat. Aber findest du den Raum nicht ein bisschen groß? Ich meine, die Akkustik ist toll, aber… der Raum hier sieht so wichtig aus. Ich trau mich fast gar nicht, mich an den Schreibtisch zu setzen und muss alle Stunde an Türschild nachschauen, ob ich auch im richtigen Raum bin.“
    Hell und klar musste Penelope lachen. Es war schon verrückt, wie jemand wie sie zu einem solch gewaltigen Raum kam. Sie hätte sich das nie träumen lassen. Schon gar nicht, dass sie wirklich Philologos wäre.
    Schließlich fand sie einen Platz dafür an der rechten Seite ihres Schreibtisches. Dann wirkte er auch nicht mehr so riesig, und sie konnte sich beim Arbeiten immer an den hübschen Blüten erfreuen.

  • Sie nahm sich noch immer nicht selbst ernst. "Aber Schatz, du bist jetzt wichtig! Du bist jetzt eine Philologe. Sogar der Gymnasiarchos kommt zu dir und bittet dich zum Unterricht. Und du hast hm sogar die Stirn geboten. Ich bin ja sooo stolz auf dich!" Aber nun übermannte ihn die Neugier. "Was hat er dir denn da am Ende rübergeschoben?", fragte er ganz unschuldig.

  • Penelope war zwar auch ein klein wenig stolz auf sich, aber die Sorge, den Gymnasiarchos irgendwie verärgert zu haben, war im Moment noch ein klein bisschen größer. Hoffentlich war der Abschied nicht zu hastig oder ungeduldig gewesen. Nikolaos war es sicher nicht gewohnt, dass man jemand anderen ihm einfach vorzog und das auch mehr oder minder deutlich machte.
    “Hm? Ach, du meinst den Zettel. Nichts wichtiges.“
    Penelope war sich ja selber nichtmal sicher, was das genau auf dem Zettel war, aber sie wollte die Information, die ja offensichtlich vertraulich war, nicht gleich herausposaunen. Wenn der Gymnasiarchos das gewollt hätte, hätte er es auch laut gesagt. Und Pelo erachtete diese doch recht seltsame Einladung als doch recht harmlos und kein Grund zur Besorgnis.

  • Sofort flammte die Eifersucht in ihm hoch. Hatte sie Nikolaos nur abgewiesen weil er zufällig dagewesen war? Was wäre passiert, wenn er nicht dagewesen wäre? Hatten sie etwa ein geheimes Treffen ohne ihn ausgemacht?

    "Er gibt dir also einen Zettel mit nichts wichtigem ?!"
    . Seine Stimme war kalt, aber Penelope kannte ihn gut genug, damit sie merken musste dass er wütend war.

  • Bei dem Tonfall seiner Worte zuckte Penelope leicht zusammen. Warum war er denn jetzt so wütend auf sie? Hatte sie ihm dazu einen Grund gegeben? Er konnte doch wohl nicht allen ernstes sauer sein, weil sie von Nikolaos einen Zettel gelesen hatte? Sie hatte ihm schließlich gerade bewiesen, dass sie keiner seiner Avancen nachgab und Anthi treu war!
    “Ja, richtig, nichts wichtiges. Warum bist du denn nun wütend auf mich?“

  • Er hatte eigentlich wirklich keinen Grund wütend zu sein, aber seit wann brauchte man für Eifersucht einen wirklichen Grund?



    "Natürlich hast du ihn abgewiesen, ich war ja auch fast daneben gestanden! Und dann reicht er dir einen kleinen Zettel, möglichst geheim so dass ich beinahe nicht sehen konnte, auf dem nichts wichtiges steht! Was soll ich da denn denken? Sags mir!"

  • Einen Moment lang verschlug es Penelope die Sprache. Er glaubte, sie habe sich mit dem Gymnasiarchos auf ein Stelldichein verabredet? Sie schaute einen Augenblick lang verdattert, dann senkte sie den Kopf und drehte sich leicht seitlich weg. Das tat weh.
    “Vielleicht solltest du denken, dass ich für dich alles aufgegeben habe und zu dir in die Wohnung gezogen bin. Dass ich dein Kind unter dem Herzen trage. Und alles, obwohl wir nicht verheiratet sind. Vielleicht solltest du denken, dass das alles deshalb so ist, weil ich dich liebe, und dir daher auch treu bin. Vielleicht sowas.“
    Sie hatte das alles sehr ruhig und leise gesprochen, ohne ein Anzeichen von Zorn in der Stimme. Sie war auch nicht zornig, sie war zutiefst gekränkt, dass er ihr sowas auch nur zutraute.

  • "Bei den Göttern ich hab ja nicht gesagt dass du da mitmachst! Aber vielleicht willst du diesen feisten Bücherwurm schützen! Reicht es nicht, dass er mich hier und in der Ephebia vor dir demütigt?" Er klang jetzt nicht mehr wirklich wütend, sondern eher maulend und getroffen. Diesen Konflikt konnten er jetzt bis auf die Spitze treiben, aber das würde sehr sehr unschön werden. Und es tat ihm leid und es schmerzte ihn Pelo so anzugehen.

  • “Und reicht es nicht, dass ich ihn zurückweise und dir sage, dass es unwichtig ist? Wenn es etwas wäre, was unehrenhaft wäre und du als mein Mann wissen solltest, würde ich es dir sagen. Aber so ist es nicht, und er hat es mir im Vertrauen zu lesen gegeben! Ánthimos, willst du wirklich eine Frau, die das, was man ihr im Vertrauen sagt, gleich weitererzählt?“
    Ging es hier denn wirklich um den Zettel oder nur darum, dass es der von Nikolaos war? Penelope war sich da nicht so ganz sicher.

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