triclinium | Io Saturnalia! - Die cena

  • Chimerion nickte düster. "Ja, sie wird mich mitnehmen. Deshalb nutze ich auch den heutigen Abend, um meine zukünftigen Mitsklaven kennen zu lernen. So wie dich zum Beispiel", meinte er grinsend.
    "Meine Haare? Nun, in meinem Volk trägt man sie so, aber ich habe mir noch nie die Frage gestellt, ob ich sie abschneiden soll, wenn ich ehrlich bin.... Sieht doch wild aus, oder?" fragte er mit einem verschmitzten Lächeln, während er seinen Pferdeschwanz fasste und ein wenig daran zog.


    Dann blickte er in die Runde und sah viele noble Gesichter. Das eine oder andere schien er zu kennen. "Sag mal, kannst du mir sagen, wer sonst noch alles in dieser Villa wohnt? Damit ich weiß, welches Gesicht zu welchem Namen gehört".

  • Das klang irgendwie einleuchtend! Hätte ich auch so gemacht, wenn Ursus umgezogen wäre. Naja, auf diese Weise lernte man auch mal einen von den Neuen kennen, die die Flavia mit in die Villa bringen würde. "Na schön, mich kennst du ja jetzt und die anderen sind eigentlich auch ganz nett. Bloß nimm dich in Acht vor Dina! Die hat sie nicht mehr alle. Außerdem labert die dir das Ohr ab und wieder dran!" Ich hielt es für meine Pflicht, ihn davon in Kenntnis zu setzten! "Ja und, wie ist deine Herrin so?" Die Flavierin kannte ich nur vom sehen, aber wie sie live und in Farbe war, wusste ich nicht.
    "Echt? Deine Leute zu Hause laufen alle so rum? Na dann! Also unsere Männer hatten früher ja auch ´ne ganz besondere Art, sich die Haare zu machen. Die haben Kalk rein geschmiert. Das hat die Haare weiß gefärbt und außerdem standen die dann zu Berge. Damit haben die jedesmal die Römer zu Tode erschreckt. Naja, heutzutage machen die das nicht mehr. Die laufen alle wie mein Bruder hier rum, verweichliche Kerle!" Louan drehte sich zu mir um. "Was is? Is was mit mir?" "Nö, alles Bestens!", antwortete ich ihm grinsend.
    Dann begann ich mal mit der Vorstellungsrunde.
    "Ja, also wie gesagt, das ist Louan, mein Bruder. Da drüben, das ist Ursus, mein Herr. Die Frau da ist Prisca. Die wollte eigentlich ´nen Flavier heiraten. Da ist aber nix draus geworden. Und die beiden jungen Mädels da sind Severa und Laevina." Der Mann, der sich gerade noch mit Laevina unterhalten hatte, kannte ich nicht.

  • Chimerion musste lachen. Scheinbar gab es in jedem Haushalte eine Sklavin oder einen Sklaven, der die meiste Zeit des Tages am reden war. Er musste an die dicke Küchensklavin bei den Flaviern denken, die schreien konnte wie ein Ochse.
    "Meine Herrin? Nun ja, so wie die meisten Patrizierfrauen: Sie kauft gerne ein, liebt schöne Dinge, die noch mehr kosten und ist manchmal unberechenbar wie das Wetter in den Bergen.... So wie alle anderen Damen eben auch." Er musste schmunzeln. Eigentlich war er froh, bei seiner Herrin gelandet zu sein, er konnte ihr sogar ihre kleinen Eigenheiten verzeihen.


    Chimerion grüßte den Bruder von Caelyn, der sichtlich ahnungslos war, dass über ihn gesprochen wurde. "Ach, ihr beide stammt aus Britannia? Ich habe schon viel von eurem Land gehört, besonders von euren Kriegern... Aber sind sie echt so verweichlicht?" Sein Blick fiel auf Louan, der doch ein wenig zart aussah. Er versuchte, ihn sich mit weißen abstehenden Haaren vorzustellen und musste grinsen. Nein, manchmal übersprang Männlichkeit eine Generation.


    Er folgte mit den Blicken Caelyns Aufzählung der Anwesenden und versuchte, sich die Namen einzuprägen. Ursus kannte er schon, aber die beiden Damen, die mit in der Runde saßen, hatte er noch nie gesehen. Auch die Frau mit dem Namen Prisca sagte ihm nichts. Nun, er würde schon noch Zeit haben, sich einzugewöhnen.
    "Wie ist es eigentlich für dich, hier in Rom zu leben? Bist du schon lange Sklavin?" fragte er, während er einen Schluck aus seiner Weinschale nahm.

  • Naja, das war ja nu nix neues! Noch eine von der Sorte gelangweiltes Patrizerweibchen, weiß nicht was es treiben soll, also wirft es die Kohle zum Fenster raus, hätte ich beinahe laut gesagt. Aber ich hatte meine Klappe ja zum Glück ganz gut im Griff. :D "Na, klar!", kommentierte ich seine Antwort, was hätt ich auch sonst sagen sollen?
    Louan hatte sich nicht groß von uns stören lassen und er hatte auch nicht richtig mitgekriegt, was ich über die verweichlichte Jugend von heute gelabert hatte. Mann, eigentlich gehörte ich ja auch noch dazu. Aber was Chimerion jetzt vom Stapel ließ, das war ja jetzt ein dicker Hund, ach was! Das war noch mehr! Das war… keine Ahnung was das war. Auf jeden Fall lief ich ganz schön rot an, was nicht unbedingt zu meinen blonden Haaren passte.
    "Ey, sag ma, wie kommsten da drauf? Junge, da bist du aber echt schief gewickelt! Wir kommen nicht aus Britannia! Pfui! Sehen wir etwa aus, wie diese Lauwarm-Cervisia-Trinker? Wir sind Gallier! Häduer um´s genau zu sagen! Vercingetorix, sagt der dir was, hä? Mein Ururgroßvater, war sein alter Kumpel! Verstehste?" Naja, das hatte ich mir jetzt einfach nur mal so ausgedacht, um Eindruck zu schinden. Keine Ahnung, ob mein Ururgroßvater den großen Vercingetorix persönlich gekannt hatte, oder nicht.
    Logisch, dem langhaarigen Burschen, mit der Wuschelfrisur konnte ich nicht bös sein. Die meisten Römer stopften ja auch ganz ungeniert Briten und Gallier auch in einen Topf und dachten sich nix dabei.
    "Na mit verweichlicht meine ich, sie haben´s nicht mehr so drauf, wie die Krieger von damals. Das sind doch alles halbe Römer. Viele von meinen Leuten schämen sich sogar, ihre alte Sprache zu sprechen. Ist doch irre, oder?"
    Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich laberte wieder viel zu viel. Meine Kehle war auch ganz trocken. Von dem Wein hatte ich noch gar nicht viel probiert, fiel mir ein. Das musste ich gleich mal nachholen.
    "Ach ja, ist ganz nett hier. Wobei ich es natürlich nicht so prickelnd finde, Sklavin zu sein. Aber mein Bruder hier, der will mich freikaufen, irgendwann, oder auch nicht." Naja, wenn das mit den Wettkämpfen in Mantua ja doch noch was würde, dann waren meine Tage als Sklavin hoffentlich gezählt!

  • Mit einem durchschnittlich großen Sack aus blaugrauem Stoff kam ich zurück ins Speisezimmer. Alexandros beäugte sogleich gierig das Grau, Währens Sofia einen Schluckauf zu haben schien. Oder war es gar schon zu viel Wein? Jedenfalls kicherte sie überdies hin und wieder albern vor sich hin und schielte zu Chimerion hinüber, der sich mit Caelyn unterhielt. Siv wirkte unbeteiligt, Avianus still. Laevina und Philo befanden sich im Gespräch, Ursus lächelte vor sich hin und Prisca beobachtete das alles. "So", machte ich lautstark, suchte meinen Platz neben Celerina wieder auf und setzte mich. "Wie wollen wir es handhaben? Rundenweise? Durcheinander?" fragte ich in den Raum hinein und grinste. "Ich könnte auch einfach ziehen..."


    Gleichzeitig griff ich tief ins Innere des Geschenkesacks hinein und tastete umher. Jeder, der heute hier anwesend war, würde etwas erhalten. Als ich die Hand wieder aus dem Sack zog, förderte ich ein längliches, schmales Päckchen zu Tage. L-O-U-A-N war darauf vermerkt. "Aaaha", bemerkte ich. "Louan, das hier ist für dich." Ich reichte ihm das in dunkelblaues Seidenpapier eingeschlagene Päckchen. Eine Seite war biegsam, die andere, viel längere Seite war hart. Das Päckchen war an sich recht leicht. Ich möchte es, jemandem etwas zu schenken. Das Lächeln des Beschenkten war wohltuend - es sei denn, das Geschenk gefiel nicht. Ich hoffte allerdings, Louan würde sich über die sechs unterschiedlich großen Pinsel freuen. Sie hatten einen aus griffigem Hartholz geschnitzten Stiel und Echthaar als Quaste, doch der Clou an den Pinseln war die Zierde der Griffspitze: Auf jedem Pinsel thronte ein anderersartiger Tierkopf, der mit dem Holz des Griffs verschmolz.


    Ich wühlte bereits wieder nach dem nächsten Geschenk, unabhängig davon, ob die anderen nun auch zu tauschen begannen oder nicht. Das nächste Päckchen war flach und eckig. Es gab beim Zusammendrücken ein ganz klein wenig nach, wies aber sonst keinerlei Besonderheit auf. Inmitten des weinroten Seidenpapiers prangte der Name S-I-V, und darunter war ein wenig kleiner und in Klammern vermerkt PARS I. Ich lächelte leicht. "Das hier ist für dich, Siv." Sobald sie es auspackte, würde sie ein Buch finden. Es enthielt Geschichten und Legenden über die Entstehung der Sternbilder. Neu war es nicht, im Gegenteil, es war sehr abgegriffen und stellenweise musste man darauf achten, dass das Buch mit dem Hirschledereinband nicht auseinander fiel. Das lag daran, dass dieses Buch mir das liebste Buch gewesen war, als ich noch ganz klein gewesen war. Die Besonderheit an diesem Buch allerdings war, dass nachträglich der Rücken verbreitert und weitere Seiten eingefügt worden waren. Sie hoben sich deutlich von den alten Seiten ab - und waren gänzlich leer. Schon suchte ich nach dem nächsten Geschenk...

  • Mit einem Ohr hörte ich zu, was meine Schwester mit diesem Kerl zu besprechen hatte. Der hatte doch tatsächlich geglaubt, wir wären Britannier! Aber Caelyn erzählte ihm schon das Nötigste. Der arme Kerl konnte einem schon leid tun!
    In der Zwischenzeit war Corvinus wieder zurückgekommen. Er hatte einen großen blauen Sack dabei. Was da nur drin war? Logisch, da waren die Geschenke drin! Bei der Gelegenheit fühlte ich mal unter meiner Tunika nach, ob das kleine Päckchen für meine Schwester noch da war, wo ich es vorhin verstaut hatte. Ja, da war es noch. Damit wollte ich sie überraschen. Ich hatte ihr ja gesagt, mein Saturnaliegeschenk sei die Fahrt nach Mantua. In Wirklichkeit hatte ich ihr aber was besorgt, worüber sie sich hoffentlich auch freute.
    Jetzt war aber erst mal Corvinus dran, der schon damit begann, das erste Päckchen herauszuholen. Komisch, wie ruhig es auf einmal war! Ich sah natürlich auch ganz gespannt zu ihm rüber, obwohl ich eigentlich nicht damit rechnete, was zu bekommen. Deswegen war ich echt platt, als es mein Name war, den er zuerst aufrief. "Was? Für mich?" Er reichte mir ein kleines Päckchen. Caelyn schaute ganz neugierig und meinte gleich, ich sollte es schnell mal aufmachen, weil sie sonst vor Neugier platzen würde. Das glaubte ich ihr auf´s Wort. Um das zu vermeiden, entfernte ich vorsichtig das Papier, bis sechs Pinsel zum Vorschein kamen, deren Holzgriffe ganz kunstvoll verziert waren. Oh Mann! So was Schönes hatte mir noch nie einer geschenkt. Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte. Dankbar sah ich wieder zu Corvinus. "Vielen Dank. Das ist echt nett von dir!"Als nächstes war Siv dran. Bei ihr hatte er sich nicht so viel Mühe gemacht. Sie kriegte nur ein Buch, was schon einen ganz schön kaputten Eindruck machte.

  • Chimerion musste beim Erklärungsversuch von Caelyn lachen. Sie hatte ihm zwar nicht genau gesagt, woher sie kam, aber definitiv nicht aus Britannia, soviel wusste Chimerion nun.
    "Ach so, ich dachte weil sich die Männer deines Volkes die Haare weißen... Machen das nicht auch die Britannier? Naja, die sind schon ein wenig komisch, was man so hört. Vercingetorix? Klar kenne ich den, hab Caesars De bello gallico gelesen. Deine Vorfahren haben mit ihm gekämpft? Nicht schlecht, nicht schlecht", meinte er anerkennend. Zwar hatte Caesar den Aufstand niedergeschlagen, aber wenigstens hatten sich die Leute gewehrt.


    Dann fand er wieder zurück zum Thema: "Was ist denn eure alte Sprache? Haeduisch? Da wo ich herkomme spricht man noch immer das Dakische.... Glaube ich zumindest, ich war schon lange nicht mehr dort."


    Chimerions Blick fiel auf den Bruder Caelyns. So reich sah er nicht aus, dass er sie freikaufen konnte, oder?

  • Was weiß ich, was die Typen in Britannia machten. Erstens kannte ich keinen von denen und zweitens war´s mir auch herzlich egal! Chimerion wenigstens, fand das richtig lustig!
    "Echt?? Du kennst Vercingetorix! Ach, du hast das Gewäsche von diesem Halsabschneider gelesen! Glaub bloß nicht alles, was da drin steht! Der hat das so geschrieben, wie´s ihm an besten in den kramgepasst hat. Propaganda, oder wie die heißt, war das! Der hat das damals sogar in Bibracte geschrieben. Das war unser altes Oppidum, in dem meine Leute früher gelebt haben. Später haben uns die Römer umgesiedelt. Die haben ´ne ganz neue Stadt damals gebaut. Aus der komm ich, aus Augustodunum." Ach, das tat richtig gut, über die alte Heimat zu erzählen! Logisch war ich stolz auf meine Leute und auch auf die Geschichte meines Volkes. "Ja, denen haben wir´s damals echt gegeben! Wenn die Stämme sich untereinander grün gewesen wären, hätten wir den Römern ´nen Tritt in den Allerwertesten gegeben." Schade, dass es nicht so gekommen war. Dann wär Ursus heute vielleicht mein Sklave! :D
    "Naja, wir sprechen gallisch. Aber manche meinen, sie müssten nur noch Latein quatschen." So nebenbei kriegte ich auch mit, dass er Daker war. Von seinem Land wusste ich eigentlich gar nix, was aber nicht unbedingt was heißen musste.


    Ich hatte gar nicht mitgekriegt, wie man begonnen hatte, die Geschenke zu verteilen. Corvnus war auf einmal mit ´nem blauen Sack aufgetaucht und Louan bekam als erster was. Ausgerechnet der! Ach was, ich war nicht neidisch! Doch nicht auf meinen Bruder. Ich wollte nur wissen, was in dem Päckchen war. "Na los, mach mal auf!"
    Das war echt nervig, was der mit dem Papier machte! Warum riss er das nicht einfach auf? Dann wäre er viel schneller an sein Geschenk gekommen. Ach ja, sechs Pinsel! Super! Wozu brauchte er die denn? Na ja, wenigstens freute er sich.
    "Was für Geschenke hast´n du schon gekriegt?", fragte ich Chimerion.

  • Das Strahlen von Caelyns Bruder und sein begeistertes Gesicht waren mir eine Freude. Ich lächelte ihn an und hielt inne mit dem Geschenkekramen. "Gern geschehen, Louan. Ich wollte mit dir ohnehin noch über die Südwand des tablinum reden.... Findest du nicht auch, dass sie ein wenig fade wirkt? Ein neuer Anstrich täte ihr sicher gut... Oder ein hübsches Motiv, was meinst du?" Mit einem Zwinkern beende ich den letzten Satz und begann dann, weiter in dem Sack zu suchen. Ich förderte ein unbeschriftetes, ein wenig unförmiges Päckchen zu Tage - ein Standardgeschenk für die Sklaven, welche die Gäste mitgebracht hatten. Zur Sicherheit hatte ich zehn solcher Exemplare packen lassen. Ich reichte es Chimerion. "Nur eine Kleinigkeit, aber es schmeckt dir hoffentlich", bemerkte ich, während das grün eingeschlagene Päckchen meine Hand verließ. Es beinhaltete verschiedene Leckereien und Süßigkeiten, beispielsweise Zuckerstangen, Kandiertes und in Honig eingelegtes - und gut verpacktes - Obst.


    Das nächste Paket, das der Sack ausspuckte, war an einem Ende gerundet und am anderen so schmal wie ein Stock. P-R-I-S-C-A stand darauf. Ich hob verheißungsvoll die Brauen und hielt das Geschenk hoch. "Da steht Prisca drauf. Ich hoffe, es gefällt dir, liebe Nichte." Das Seidenpapier dieses Geschenks war violett und schmiegte sich um einen - wie ich fand - wunderschönen Silberhandspiegel, dessen Griff ein nach unten springender Löwe war. Aus der Rückseite der Spiegelfläche sah ein stilisierter und fein gearbeiteter Löwenkopf aus zwei feurigen Rubinaugen den Betrachter an. Ich hoffte, dass Prisca das Geschenk mögen würde. Ursus erhielt das nächste Geschenk - scheinbar hatte ich mich als einziger so gut auf das Verteilen der Saturnaliengeschenke vorbereitet, denn bisher machte keiner Anstalten, auch mit dem Beschenken anzufangen. 8)


    In blaues Papier gehüllt, auf dem sein Name vermerkt war, verbarg sich ein kleines goldenes Schmuckstück. Mit Sicherheit erkannte er diesen Ring: Es war jener, den nur Senatoren zu tragen berechtigt waren. Ein ähnlicher Ring befand sich an meinem Finger. "Du wirst ihn sicher bald brauchen", bemerkte ich, während er auspackte und noch ahnte, was er gleich in der Hand halten würde.

  • Einen Augenblick lang gefror Sivs Gesichtsausdruck, dann breitete sich ein Grinsen darüber aus. "Es hat gepasst, zu Caelyn? Sei froh, dass sie hat nicht das gehört." Dass Caelyn diesen Kommentar nicht gehört hatte, war recht offensichtlich – andernfalls wäre sie vermutlich auf ihren Bruder losgegangen. Aber die befand sich, recht vertieft, wie es schien, in einem Gespräch mit dem flavischen Sklaven. Unterdessen betrat Corvinus wieder den Raum, einen Beutel in einer Hand, aus dem er, kaum dass er sich gesetzt hatte, das erste Geschenk zutage förderte und es nach einem kurzen Blick darauf Louan in die Hand drückte. Der schien reichlich überrascht zu sein davon, was ihn aber nicht daran hinderte, es sofort zu öffnen. Siv bekam noch mit, dass es Pinsel waren, aber wie schön gestaltet sie waren, bemerkte sie nicht mehr, denn das nächste Päckchen war für sie. Langsam beugte sie sich vor und nahm es entgegen, verzog die Lippen zu einem Lächeln und lehnte sich wieder zurück. Einen Moment lang drehte sie das Päckchen nur in ihren Händen, strich mit den Finger über den seidenen Umschlag und tat erst mal gar nichts. Wie schon letztes Jahr überlegte sie, es nicht sofort zu öffnen. Es sich aufzuheben, bis sie alleine war. Allerdings war sie diesmal nicht auf einer größeren Feier, wo es kaum auffiel, ob sie das Geschenk sofort öffnete oder nicht. Sie hatte auch nicht mehr die Ausrede, dass sie auf Geschenke von Römern keinen Wert legte. Und sie wollte keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wollte nicht, dass irgendjemand nachfragte oder auch nur seltsam zu ihr sah. Sie zog die Beine seitlich hoch auf die Kline, auf der sie saß, und setzte sich so hin, dass ihr Oberkörper immer noch aufrecht blieb, bevor ihre Finger erneut über den Umschlag fuhren und nach dem verschlossenen Ende tasteten, die sie schon bald gefunden hatten.


    Unter dem roten Umschlag kam ein Buch zum Vorschein. Alt sah es aus, abgegriffen. Ein Lächeln umspielte Sivs Mundwinkel. Es war deutlich, dass dieses Buch häufig gelesen worden war, dass der Besitzer begeistert davon gewesen war, und sie zweifelte nicht daran, dass Corvinus selbst dieser Besitzer gewesen war. Als sie dann den Titel las, öffneten sich ihre Lippen leicht in freudigem Erstaunen, während das Lächeln breiter wurde. Geschichten, Sagen, Legenden. Über Sterne. Sie sah hoch, suchte Corvinus’ Blick, der bereits weitere Geschenke verteilte, und lächelte ihm zu, als er zu ihr sah. "Danke. Das ist… Es ist toll." Mehr sagte sie nicht, aber ihrer Stimme ebenso wie ihrem Blick war anzumerken, dass sie sich freute. Gleich darauf senkte sie ihren Blick wieder auf das Buch und begann, darin herumzublättern, die Überschriften mancher Geschichten zu lesen, weiterzublättern, bis sie schließlich ans Ende kam, wo noch eine Überraschung auf sie wartete: leere Seiten, die ganz offensichtlich nachträglich hinzugefügt worden waren. Wieder sah sie hoch, diesmal mehr Erstaunen im Blick als Freude, und sah Corvinus fragend an. "Wofür ist das?"

  • Wie wenig sich diese Feier doch von den vielen anderen Festlichkeiten unterscheidet …, stellte Prisca, angesichts ihrer Beobachtungen still für sich fest und gähnte hinter vorgehaltener Hand: Mehr oder weniger belanglose Gespräche, Essen und Trinken im Überfluss und … eigentlich war doch alles wie immer. Mal abgesehen davon, dass heute die Sklaven das Wort hatten, somit ungefragt sprechen und sogar mit ihrer Herrschaft an einem Tisch sitzen durften. Und was noch? Ach ja Geschenke! Die gibt es ja auch noch, horchte die Aurelia neugierig auf, als ihr Onkel wieder den Raum betrat und mit dem verteilen begann.


    Dabei bemerkte sie, wie Siv ihr zaghaft zulächelte und ebenso huschte auch ein freundliches Lächeln über Priscas Lippen. Die Sklavin schien sich ebenfalls etwas zurück zu halten und lieber zu beobachten, anstatt sich in die Gespräche einzumischen. Ob es ihr ähnlich geht wie mir? ... Weiter konnte Prisca diesen Gedanken nicht führen, oder gar Siv danach fragen, da eben Marcus der blonden Germanin ein Geschenk überreichte.


    Und gleich darauf rief Marus auch schon ihren Namen auf, wodurch Prisca - vor Neugier gepackt - sich sogleich von der cline erhob und zu ihm eilte. Was mag das sein?, dachte sie sich noch beim Anblick des violett eingepackten Gegenstands und beim auspacken wurden ihre Augen schnell größer. "Ein silberner Handspiegel! …Ohh ...", hauchte sie fast andächtig und strich mit den Fingern die Konturen des springenden Löwen nach. Das war nicht einfach nur ein Schmuckstück, sondern ein wirklich nützliches Utensil für den täglichen Gebrauch. Beim Umdrehen entdeckte sie auch die rubinrot funkelnden Augen des Löwenkopfes auf der Rückseite und wieder seufzte sie begeistert auf. In der Tat hatte Prisca selten einen so kunstvoll gestalteten Spiegel gesehen, geschweige denn selbst besessen.


    "Oh ... der ist einfach wunderschön! Natürlich gefällt er mir,was denkst du denn? …vielen Dank Marcus!", antwortete Prisca schließlich ihrem Onkel und drückte ihm zum Dank einen Kuss auf die Wange. Sie selbst hatte es natürlich (wieder einmal) völlig verschwitzt, Saturnalien-Geschenke zu besorgen und diesmal bedauerte sie es wirklich, nichts für ihren Onkel zu haben. Noch dazu, da wir in letzter Zeit so viele Unstimmigkeiten miteinander hatten und er mir jetzt so eine Freude macht. Nein das konnte und wollte Prisca nicht auf sich sitzen lassen und deshalb nahm sie sich fest vor, noch ein hübsches Geschenk für ihn zu finden. Für den Moment aber zog sie sich lächelnd von ihm zurück, damit Marcus mit der Bescherung weiter machen konnte.

  • Ah, da war Marcus schon wieder und begann, seine Geschenke zu verteilen. Sollte er auch..? Nein, das würde nur die Wirkung von Marcus' Geschenken schmälern. Er würde warten, bis dieser fertig war. Zum einen erhöhte dies die Spannung, zum anderen gab es allen die Gelegenheit, ihre Geschenke genau zu betrachten, ihre Freude zu zeigen und sich zu bedanken. Lächelnd beobachtete Ursus, wie Louan seine Pinsel auspackte. Ja, das war ein gutes Geschenk, das den Jungen sicher sehr freute. Seine künstlerische Begabung war wirklich enorm. Prisca war auch schön zu beobachten, wie sie ihren Spiegel auspackte. Das Erstaunen in ihrem Blick, dann die Andacht, mit der sie das Geschenk berührte. Da hatte Marcus auch voll ins Schwarze getroffen, wie es schien. Schriftrollen für Siv. Anscheinend lehrte Marcus sie Lesen und Schreiben. Und im Gegensatz zu Caelyn schien sie Freude daran zu haben. Ja, das war wirklich schade, daß Ursus es nicht geschafft hatte, in Caelyn die Liebe zur Literatur zu wecken. Sie schien Lesen und Schreiben nur als notwendiges Übel zu betrachten. Was Marcus wohl seiner Verlobten schenken würde?


    Überraschend hielt er plötzlich auch selbst ein Geschenk in den Händen. Ein kleines Päckchen. Schon als er es befühlte, ahnte er, was es beeinhalten würde. Und so blickte er Corvinus in Vorfreude und Erstaunen an, noch während seine Finger mit Auspacken beschäftigt waren. Der Senatorenring! "Ja, ich hoffe, daß ich ihn bald brauchen werde. - Hab Dank, Marcus!" Er stand auf, um seinen Onkel kurz und herzlich zu umarmen. Nichts war in diesem Moment zu spüren von den Spannungen, die in der Vergangenheit zwischen ihnen geherrscht hatten.



    Edit: Wegen Blindheit ...

  • Es war schon ein gutes Gefühl, andere positiv zu überraschen. Davon könnte man glatt süchtig werden, überlegte ich so vor mich hin, während Prisca auf mich zu eilte, mich umarmte und auf die Wange küsste. Es war ein schrecklicher Gedanke, dass sie irgendwann einem anderen so um den Hals fallen könnte. Augenblicklich meldete sich meine Eifersucht. Niemand hatte Prisca verdient, kein anderer. Im Grunde wäre ich nicht einmal besorgt, wenn sie nicht heiratete. Aber diese Gedanken waren egoistisch und weder der Familienehre noch der res publica dienlich. Ich schluckte den Besitzanspruch weitestgehend herunter und schenkte Prisca ein frohes Lächeln. "Dann bin ich ja beruhigt", bemerkte ich und genoss das Gefühl, das ihre Lippen auf meiner Wange zurückgelassen hatten. Das war etwas ganz anderes, als Sivs Lippen zu spüren. Oder die Celerinas. Die neben mir saß, wie mir soeben wieder auffiel.


    Ich warf meiner Verlobten ein flüchtiges Lächeln zu - vermutlich sollte es der Beruhigung dienen, so genau wusste ich es selbst nicht zu sagen in jenem Moment - und wandte mich dann Siv zu, die auch ihr Geschenk ausgepackt hatte und sich eben über die leeren Seiten wunderte. Mein Blick wurde ein wenig weicher, während ich ihr erklärte, was es damit auf sich hatte. "Es gibt noch viel mehr Geschichten über Sternbilder und ihre Entstehung. Ich dachte mir, dass du sie vielleicht dazuschreiben möchtest", sagte ich und spielte damit unter anderem auch auf die Sagen und Legenden an, die ich ihr bisher erzählt hatte, wenn wir allein waren. Das konnte ich allerdings kaum offen aussprechen. "Ich hatte es als kleiner Junge immer gern, wenn meine Amme mir etwas daraus vorgelesen hat", bemerkte ich und bestätigte damit die Vermutung, dass dies einmal mein Buch gewesen war. Siv würde auf vielen Seiten Anmerkungen von unordentlicher Kinderschrift bis zu meiner jetzigen Handschrift finden, und hin und wieder eine krakelige Zeichnung. Ich hatte dieses Buch geliebt. Und ich war mir sicher, dass Siv es mögen und ihrem Kind auch daraus vorlesen würde. Und ganz nebenbei würde sie sich so mehr anstrengen, das Lesen und Schreiben zu perfektionieren.


    Im nächsten Moment fand ich mich bereits in einer Umarmung von Ursus wieder, dessen Augen beim Auspacken bereits einen fröhlichen Glanz angenommen hatten. Es war nun auch nicht allzu schwer gewesen, zu erraten, was sich in einem derart kleinen und kompakten Päckchen befand. Meine Mundwinkel hoben sich von ganz allein. Da war kein aufgesetztes Lächeln, keine geheuchelte Dankbarkeit - die Freude war ehrlich, und das wiederum verursachte ein Kribbeln in meiner Brust. Als ursus mich drückte und soeben wieder loslassen wollte, hatte ich beide Arme um ihn geschlungen und drückte noch immer. Erst dann ließ ich ihn los, und es war mir peinlich, dass ich gegen das aufwallende Wässrigwerden meiner Augen ankämpfen musste, was hoffentlich niemand bemerkt hatte.


    Als nächstes zog ich ein Geschenk für Avianus aus dem Präsentsack. Sein Name war ebenfalls darauf vermerkt: T-I-B-E-R-I-U-S. Es war bauchig und schwer und nur wenig größer als eine geballte Männerfaust. "Das solltest du haben, Tiberius. Es hat deinem Vater gehört. Bei dir ist es in besseren Händen als bei mir", sagte ich leise, als ich ihm das gelb eingeschlagene Päckchen reichte. Darin befand sich ein Briefbeschwerer, der auf seine Art besonders war. Es handelte sich um eine schwere Bronzekugel, auf deren Vorderseite ein ausgesprochen gut getroffenes Bildnis der Iustitia prangte. Um die Kugel herum waren folgende Worte zu lesen: alter alterius auxilio eget*. Ich lächelte schwach, als Avianus sein Geschenk auspackte.


    Ein flaches Päckchen war das, was ich darauf zu Tage förderte. L-A-E-V-I-N-A stand darauf geschrieben, und es war orangefarben. Ich reichte ihr das Päckchen und sah ihr dabei zu, wie sie es auswickelte. "Bei dir war es schwer, etwas zu finden, das deine Schönheit noch hervorhebt und nicht schäbig aussieht neben deinem Antlitz", meinte ich schmunzelnd. Laevina erhielt zwei Haarkämmchen, jedes am Kopfstück verziert mit einigen grazilen Kirschblüten aus schimmerndem Perlmutt. In jeder Blütenmitte saß eine echte Perle. Ich war mir sicher, dass sowohl Farbe als auch Form mit Laevinas Haar harmonisieren würden.


    "Mal sehen, was haben wir denn da noch..." sagte ich vor mich hin und widmete mich wieder meinen Mitbringseln. Bald war der Sack leer, nur noch wenige Geschenke befanden sich darin....



    *Der eine bedarf der Unterstützung durch die anderen


  • Mein Sitznachbar hatte mir erzählt, dass er Apollon dienen würde und schon gedient hatte. Er war der schönste Mann im Götterhimmel. Seine Statuen waren ansehnlich und hatten mir immer besonders gefallen.
    Ich nickte also anerkennend und ging dann kurz auf die Frage nach meiner Zeit in Griechenland ein.
    "Ja, ich bin auch neu in Rom. Wir zogen schon in meiner frühen Kindheit ins Exil..." - das war es doch, das war doch der eigentliche Grund für die Entscheidung ihres Vaters sie fernab allen Lebens grosszuziehen! - "Aber was ich bisher von Rom gesehen habe, hat mir ausgesprochen gut gefallen. Es ist eine grossartige Stadt, findest Du nicht?" In diesem Moment wurden wir unterbrochen, da Severa sich zwischen uns setzte. Ich lächelte Quintus - so hiess er doch?! - noch einmal freundlich zu, begrüsste dann Severa und musste mich dann den Geschehnissen im Raum widmen. Immerhin wurden schon erste Geschenke verteilt.


    Marcus hatte sich tatsächlich einige Mühe gegeben, für mich etwas Schönes auszusuchen - und es war ihm wahrlich gelungen.
    Kaum hatte ich ihn ob des beinahe übertriebenen Kompliments anzulächeln und ihm zu danken, erblickte ich die beiden Kämme. Sie mussten eine ganze Menge Wert sein und sie sahen entsprechend edel aus.
    Nun strahlte ich: ich liebte es, Geschenke zu kriegen. "Vielen Dank, Marcus! Sie sind wirklich herrlich! Ich freue mich schon auf das erste Mal, wenn ich sie tragen kann - sobald wieder jemand da ist, der mich ordentlich frisieren kann!", fügte ich hinzu. Ich wollte es nicht jetzt sofort vor allen Leuten hier selbst ausprobieren, aber die beiden Prachtstücke gefielen mir wirklich ausserordentlich gut - sie würden gut mit dem transparenten Seidengewand korrespondieren, welches ich immer noch vor hatte mir irgendwann einmal zu kaufen.

  • Siv sah kurz von den Seiten hoch, als Prisca und Ursus als nächstes Geschenke erhielten von Corvinus, und ein Lächeln zuckte über ihre Lippen, als sie die Freude auf den Gesichtern sah. Ihr Blick blieb etwas länger an der Aurelia hängen, und für einen Augenblick fragte sie sich, warum sie wohl bisher so zurückhaltend gewesen war, warum sie eher beobachtete, als sich an einer der Unterhaltungen zu beteiligen. Sie biss sich kurz auf die Unterlippe und grübelte kurz, ob sie sich zu ihr setzen sollte. Es waren Saturnalien, oder nicht? Wann, wenn nicht heute, war die Gelegenheit für so etwas? Und war es nicht lächerlich, die Saturnalien überhaupt zu feiern, wenn dann doch die Römer und die Sklaven jeweils unter sich blieben? Siv konnte sich nicht recht durchringen, und in diesem Moment sprang Prisca schon auf, umarmte Corvinus und drückte ihm einen Kuss auf die Wange, was der Germanin ein lautloses Seufzen entlockte. Sie hätte sich auch gerne auf diese Weise für das Geschenk bedankt, aber das würde bis später warten müssen, ebenso wie das, was sie für Corvinus hatte. Zum einen stand sie nicht gern allzu sehr im Mittelpunkt, und Geschenke in einer so großen Runde zu verteilen, hieß nun mal, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Zum anderen würde auch ihr Geschenk für Corvinus die Aufmerksamkeit der anderen auf sich ziehen, und das wollte Siv vermeiden – ebenso wie Corvinus, das wusste sie. Nein, sie würde warten, bis sie Geschenke verteilte. Sie hatte ohnehin nicht für jeden etwas, und von großem materiellen Wert waren die Sachen auch nicht – das Opfer für Iuno hatte sie sämtliche Ersparnisse gekostet, und sie schuldete Brix immer noch den Rest, den er ihr ausgeliehen hatte. Einmal verziehen, dass sie ihn an jenem Tag so in der Luft hatte hängen lassen, hatte der hochgewachsene Germane darauf bestehen wollen, dass er ihre Schulden beglich, aber das war Siv überhaupt nicht in Frage gekommen, und er kannte sie gut genug um zu wissen, wann sie nicht nachgeben würde. Dafür hatte er dann jedoch hatte vorgeschlagen, dass sie mit Corvinus reden solle, der sicher nichts dagegen habe, einen Teil der Kosten zu tragen für das Kaninchen – zumal für ihn dieser Betrag ein Witz sein würde, hatte er argumentiert. Aber Siv hatte auch das abgelehnt. Sie hatte Corvinus von dem Opfer erzählt, aber nichts davon, wie sie an das Opfertier gekommen war. Das war ihre Sache. Es reichte schon, dass sie die übrigen Opfergaben für Iuno, die Blumen, die Früchte, die Zutaten für die selbstgebackenen Kekse, einfach so genommen hatte, ebenso wie das Kaninchen und Ursus’ Met für das Opfer für ihre Götter. Brix hatte nichts davon hören wollen, als sie angeboten hatte, dafür ebenfalls aufzukommen, und genauso wie sie war er in diesem Fall stur gewesen. Nachgegeben hatte sie trotzdem nur, weil sie befürchtete, dass der Maiordomus dann Corvinus von dem Opfer erzählen würde. Es war ihr egal, dass sie nun keine Münzen mehr hatte – sie hatte ohnehin nur vergleichsweise viel Geld gehabt, weil sie keinen Wert darauf legte, weil sie nicht wirklich wusste, was sie damit hätte anfangen sollen. Sie bekam in der Villa alles, was sie zum Leben brauchte, so einfach war das.


    Corvinus wandte sich ihr erneut zu, als sie nach den leeren Seiten fragte, und erneut breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Er hatte Seiten einfügen lassen, damit sie selbst Geschichten dazu schreiben konnte? Sie dachte an die Sagen, die er ihr erzählt hatte, aber dafür würde sie diese hier erst einmal lesen müssen, um zu wissen, welche enthalten waren und welche nicht. Für einen Moment bedauerte sie, dass es in Germanien keine Legenden über die Sternbilder gab, aber sie konnte immerhin hineinschreiben, was sie glaubten – dass die Götter Funken in den Himmel gestreut hatten, die zu Sternen geworden waren. Noch bevor sie antworten konnte, fügte Corvinus noch etwas hinzu, und diesmal begann sie zu strahlen. Seine Amme hatte ihm aus dem Buch vorgelesen. Sie konnte ihrem Kind daraus vorlesen. Halb Germane, halb Römer war es, und so wie Siv den Göttern beider Kulturen geopfert hatte, weil es ihr wichtig war, keinen Teil dessen zu unterschlagen, was ihr Kind ausmachte, hatte sie auch vor, es zu erziehen. Es sollte Bescheid wissen, woher es kam, was sein Erbe war, was seine Eltern, beide, ihm mitgegeben hatten. Corvinus’ Geschenk ermöglichte es ihr, ihrem Kind nicht nur germanische Legenden zu erzählen – die sie in- und auswendig kannte –, sondern auch die römischen, die sie nicht kannte, vorzulesen. Sie würde das selbst machen können, würde nicht angewiesen auf Hilfe sein von irgendjemandem, der die römischen Geschichten kannte so wie sie die germanischen. Obwohl sie es sich schön vorstellte, bei Corvinus zu sitzen, das Kind in ihren Armen so wie sie in seinen, und ihm zuzuhören, wie er mit leiser Stimme erzählte. Siv unterdrückte ein Seufzen und verscheuchte diesen Gedanken, während ihr Blick Celerina streifte. Sie wusste genau, wenn es Momente wie diesen gerade in ihrer Phantasie geben würde, dann würden sie rar gesät sein. Aber wenn es sie gab, dann waren sie die Schwierigkeiten wert. Siv lächelte wieder. "Danke", wiederholte sie. Viel mehr konnte sie nicht sagen, ohne zu viel von dem zu verraten, was ihr durch den Kopf gegangen war. Sie hoffte, er verstand auch so. "Das Geschenk ist… wunderbar. Wirklich."


    Und dann ging es auch gleich schon wieder weiter, was vermutlich auch gut so war, denn so lief Siv überhaupt nicht erst Gefahr, ihn länger anzusehen als normal war. Ursus kam auf Corvinus zu und bedankte sich ebenfalls mit einer Umarmung, und Siv blätterte erneut in den Seiten herum, während nun auch Avianus und Laevina beschenkt wurden. Sie studierte unterdessen manche der Anmerkungen, die handschriftlich hinzugefügt worden waren und in denen sie Corvinus’ Schrift wieder erkannte, jedenfalls in den meisten, auch wenn offensichtlich war, dass sie verschiedene Stadien durchlaufen haben musste im Lauf der Jahre. Als sie zum ersten Mal auf die Kinderschrift stieß, musste sie erneut lächeln, und ganz sacht strichen ihre Fingerkuppen kurz über die Buchstaben, die Corvinus irgendwann vor zwanzig, fünfundzwanzig Jahren hingeschrieben haben mochte – überall hatte sie nur seine Schrift entdeckt, sie war sich sicher, dass auch dies seine war, zumal er ja selbst gesagt hatte, dass es nicht nur sein Buch gewesen war, sondern dass er es schon seit Kindertagen besessen hatte.

  • Chimerion nahm Corvinus Geschenk entgegen und bedankte sich artig. Das grüne Geschenk verströmte einen angenehmen Duft nach Honig. Vorsichtig öffnete er einen Zipfel und zog eine Zuckerstange heraus. Ob Celerina ihm gesagt hatte, dass Chimerion eine Schwäche für alles Süße hatte? Süße Früchte, süßen Wein, süße Frauen...?
    Er brach ein Stück der Stange ab und reichte sie Caelyn.
    "Hier probier mal. Das ist das Beste, was es im Imperium gibt. Selbst bei uns gibt es keine vergleichbaren Knabbereien", meinte er zu ihr.


    Dann wurde er ein wenig verlegen bei Caelyns Frage. Er sah nach links und rechts und griff dann in den Lederbeutel an seinem Gürtel. Vorsichtig zog er ein kleines hölzernes Pferdchen aus dem Beutel hervor und legte es auf seine ausgestreckte Hand.
    "Das habe ich von meiner Herrin bekommen", entgegnete er dann. Dass aber zu dem kleinen Geschenk ein lebendes Tier in Celerinas Stall gehörte, verschwieg er lieber. Er wusste nicht, wie seine Nachbarn darauf reagieren würden.
    Statt dessen ging er zum Fragen über: "Und was hast du so bekommen?"

  • Mannomann! Louan freute sich wie ein Schneekönig über die Pinsel! Irgendwie konnte ich das nicht nachvollziehen. Aber das lag eben daran, dass ich nicht Louan war. Plötzlich hagelte es nur so von Geschenken. jeder bekam was, nur ich nicht. Sogar Chimerion hatte ´n Päckchen abgekriegt. Neugierig, wie ich halt war, schaute ich zu, wie er es öffnete. Mhhm, lecker! Was Süßes. Er war so nett und gab mir ein Stück von seiner Zuckerstange. Echt, mit so ´nem Süßzeugs konnte man mich ködern!
    Ich war ja mal gespannt, was ich dieses Jahr kriegte. Hoffentlich nicht wieder so ´n Buch, wie letztes Jahr! Mann, das war stinklangweilig! Natürlich hatte ich das niemandem erzählt. Ich wollte ja niemanden kränken. Nur wenn er dieses Jahr wieder mit so ´nem Schinken ankam, konnte ich für nix garantieren!
    Chimerion öffnete seinen kleinen Lederbeutel und holte ein kleines hölzernes Pferd heraus. Er tat so, als wäre ihm das peinlich, ein erwachsener Mann und Holzspielzeug. Alles Quatsch! Ich fand, das Pferdchen sah niedlich aus. Klar, ´n echtes Pferd war viel besser.
    "Hier schau mal!" Ich holte den keltischen Anhänger aus Bronze unter meiner Tunika hervor, der auch die Form eines Pferdchens hatte. "Das ist mein Pferd!", sagte ich und grinste.

  • Es versprach ein sehr angenehmer Abend zu werden, an dem alle gesellschaftlichen Zwänge gefallen waren und das war auch gut so. Was hätte es auch schöneres geben können, als diesen Saturnalienabend im Beisein meines Verlobten ausklingen zu lassen? Auch für Chimerion war dies eine willkommene Gelegenheit, die Sklaven in seinem zukünftigen Zuhause kennenzulernen, die er offenbar auch zu nutzen schien. Er unterhielt sich ganz angeregt mit einer blonden Sklavin, die ich bereits einmal gesehen hatte, deren Name mir aber nicht geläufig war.
    Marcus hatte in der Zwischenzeit das triclinium verlassen um wenig später mit einem sackähnlichen Behältnis wieder zu erscheinen. Natürlich konnte ich mir vorstellen, was sich darin befand. In gewisser Weise hatte ich ja den Ruf nach den Geschenken losgetreten. Ich selbst hatte eine ähnlich gefüllte Tasche unter meiner Kline liegen, die ich zu gegebener Zeit hervorholen wollte, sobald Marcus seine Geschenke verteilt hatte.
    Im Vorfeld hatte ich mich nach den Interessen von Marcus´ Verwandten erkundigt und hatte dementsprechend die Geschenke ausgewählt. Bei den Sklaven verhielt es sich ähnlich, zumindest bei denen, die mir bekannt waren. Für alle Fälle hatte ich aber auch für alle anderen einige zusätzliche Einheitsgeschenke dabei, damit niemand leer ausgehen mußte.
    Vorerst beobachtete ich nun, wie einer nach dem anderen beschenkt wurde. Wie mir schien, hatte sich Marcus große Mühe gegeben, um jedem, den er beschenkte, gerecht zu werden.
    Im Gegensatz zu den letzten Jahren fieberte ich dieses Jahr weitaus weniger einem Geschenk entgegen. Für mich war es das größte Geschenk, mit dem Leben davongekommen zu sein und hier liegen zu dürfen.

  • Chimerion wurde ein wenig lockerer und sah sich den schönen Anhänger an. Ungläubig blickte er darauf. "Das ist ein Symbol deines Volkes, oder? Ich habe so etwas schon mal in Gallia gesehen, als ich... auf dem Rückweg in meine Heimat war. Ein Händler trug genau den gleichen..."murmelte er. Dann fiel ihm siedendheiß seine Verabredung für heute Nacht ein. Es war schon dunkel und Mitternacht würde auch bald kommen. Bis dahin musste er wieder zurücksein in der Villa Aurelia.


    Deshalb setzte er eine gequälte Miene auf und hielt sich den Bauch. "Oh OOOh, ich glaube mit ist nicht gut, scheinbar habe ich zu viel gegessen..."meinte er an Celerina gewandt. "Wie lange gedenkst du zu bleiben? Wenn du heute Nacht hier bleibst, würde ich mich allein auf den Weg nach Hause machen und müsste mich nicht sorgen, ob du sicher zurückkommst."

  • Ich sah Chimerion lächelnd an. Mit dem konnte mansichrichtig gut unterhalten. Ich hatte das Gefühl, er mochte mich und ich fand ihn auch nicht übel. "Ja, Pferde sind für uns sehr wichtig. Epona, die Pferdegöttin habe ich immer schon gemocht. Ich hab mir immer schon ´n Pferd gewünscht. Aber ich hab nie eins gekriegt, außer dem hier." Wahrscheinlich würde ich auch nie eins kriegen. Aber das war nicht so tragisch.
    "Echt, du warst schon mal in Gallia? Das ist ja ´n Ding!" Bestimmt war er nicht in Augustodunum gewesen. Da kam sowieso nie einer hin. Ich hatte gar nicht richtig mitbekommen, weshalb er in Gallia war und raffte auch gar nicht, was er damit meinte, als er auf dem Rückweg in seine Heimat war.
    Auf einmal bekam er dann auch noch Bauchschmerzen und wollte gehen. Das war ja echt schade! Aber man konnte ihm das nicht verdenken. Außerdem würde ich Chimerion ja demnächst häufiger sehen, wenn er erst mal hier wohnte.

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