Valetudinarium | Krankenhaus

  • Hadamar grunzte bloß auf die Feststellung hin, dass er wohl etwas angestellt haben musste. Nein, das würde er NICHT beantworten, nicht diesem Kerl, dem würde er garantiert nicht unter die Nase binden, wie recht er mit der Vermutung hatte. Stattdessen humpelte und hopste er zu einer der Liegen, um sich darauf zu setzen, während der Optio nach einem anderen rief für. War ihm wurscht, dass der nix gesagt hatte, er sah gar nicht ein sich im Stehen behandeln zu lassen.


    Er schwieg auch weiterhin, als der Gerufene kam und sich das Bein ansah, biss nur die Zähne so fest aufeinander, dass es weh tat, als Repentinus mit einem Ruck die Hose nach unten hin aufriss – nicht etwa weil die ihm so viel bedeutete, sondern weil es schlicht weh tat. Was allerdings erst der Anfang war. So sehr Hadamar versuchte, sich zusammenzureißen, er konnte ein dumpfes Ächzen nicht unterdrücken, als der Wein über die offene Wunde floss. Sein Körper verkrampfte sich, seine Hände klammerten sich rechts und links so fest um den Rand der Liege, dass die Knöchel weiß hervortraten, er atmete schwer, und sein Gesicht war schmerzverzerrt, während er mit geschlossenen Augen darauf wartete, dass das glühende Brennen in seinem Bein wieder abebbte. Was allerdings noch ein wenig auf sich warten ließ, da der Kerl recht bald weiter machte und irgendeine Paste draufstrich. Und dann, als der Schmerz wenigstens etwas abklang und Hadamar wieder einigermaßen klar denken konnte, sah auch er wieder auf die Wunde – und war doch leicht irritiert. Das Blut klumpte zwar schon ein bisschen, aber die Wunde war größtenteils nach wie vor offen. Und blutete immer noch. Und da legte der Kerl nur nen Streifen Leintuch drauf? „Jaja“, brummte er auf die Anweisung mit dem Knoblauch hin. „Willst da noch nen Verband draus machen oder soll das so bleiben?“ Auf dem Weiß des Tuchs bildete sich bereits jetzt ein roter Fleck, wo das Blut durch den Stoff hindurch drang.


  • Quintus Saltius Repentinus



    Der Sanitäter bemerkte Ferox' ungläubigen Blick noch vor dessen Frage. "Was ist?" Die Erklärung kam prompt. Der Sanitäter legte den Kopf mitleidig schief, grinste kurz und antwortete auf die gestellte Frage. "Das IST ein Verband. Wenn du willst, ziehe ich den Knoten etwas fester, aber was anderes gibt's nicht. Du hast nen lächerlichen Streifschuss, mehr nicht. Das Pilum hat dich ja nur zärtlich berührt. Klar verlaufen hier jede Menge kleinerer Blutgefäße, die ordentlich bluten, aber das hat auch seinen Zweck: Das Blut soll den Dreck rausspülen. Tief ist die Wunde nicht. Außerdem fehlt die Haut, sodass man nix flicken kann. Oder wo glaubst du, soll ich die fehlende Haut hernehmen? Soll ich sie von den Außenkanten rüberzerren? Oder soll ich dir Hautlappen wo anders wegschneiden?" Dem Sanitäter war es egal, ob er maßlos übertrieb. Er wollte keine Wiederrede und gab alles dafür. "Druckverband ist auch nicht nötig, es ist kein großes Blutgefäß verletzt. Außerdem sind wir hier nicht in einem Mädchenpensionat, sondern bei der Armee."


    Er zupfte extra unsanft am Leinenstreifen. "Das Wichtigste sind Knoblauch, ab und zu die Salbe, Götteropfer und wenn du ganz sicher gehen willst, dann kipp später noch mal Wein über die Wunde. Hier haste nen Ersatzstreifen." Er reichte Ferox ein schmales Leinenstück. "Du wirst schon noch dahinter kommen, dass offene Wunden angenehmer sind als die abgedeckten, wo man sich beim Wechseln immer wieder die Heilborke abreißt."




    MILES MEDICUS - LEGIO II

  • „Ja klar, weil das nen Verband ist“, murrte Hadamar zurück. Elfleda war Heilerin gewesen, und bei ihr hatte das irgendwie anders ausgesehen. „Bist du der Medicus oder ich?“ maulte er zurück auf die rhetorischen Fragen von Repentinus. Hauptsächlich verstand er blablabla, weil es ihn im Moment gar nicht interessierte, was für einen Zweck das Blut hatte oder wo wie viel Haut fehlte. Die Wunde brannte immer noch, und mittlerweile war Hadamar schlicht und ergreifend ziemlich übel gelaunt – und noch schlechter auf diesen Kerl zu sprechen, der sich so aufspielte. Und erzählte der jetzt tatsächlich noch was von Flicken und Haut irgendwo wegschneiden? „Außerdem hab ich kein Wort von Flicken gesagt, nur obs da noch irgendwas Gscheides gibt. So, verbandsmäßig, weißt du? Nen bisschen mehr Stoff rumwickeln?“ Er zuckte sichtbar zusammen, als der Kerl in aller Seelenruhe – und ziemlich rüde – noch mal an dem Stück Stoff rumzupfte. „Oh du kannst mich mal, echt ey!“ fuhr er auf und erhob sich mit einem Ruck. Die Schmerzen mit zusammengebissenen Zähnen ignorierend humpelte er zu Corvinus hinüber – und an ihm vorbei und schnurstracks zur Tür. „Oooh und das beruht auf Gegenseitigkeit, der Sack ist ja so was von liebenswürdig“ ätzte er auf dem Weg nach draußen – und gab einen Dreck drauf, wer ihn da womöglich hören konnte. Der Abend war eh im Eimer... und Hadamar war im Moment irgendwie alles egal. Er dachte nicht einmal einen winzigen Augenblick daran, dass er das vielleicht irgendwann noch bereuen würde, dass er sich gerade aufführte wie die Axt im Walde. „Ich freu mich jetzt schon auf das Wiedersehen! Kanns gar nicht erwarten! Elender Klugscheißer...“

  • Corvinus Grinsen wurde noch breiter. Er folgte Ferox nach draußen und sagte beim rausgehen
    "Hat Feuer was, traut man ihm im ersten Moment gar nicht zu aber die roten Haare sagen ja manchmal auch was. Naja bis später dann."


    Als er den Raum verlassen hatten holte er Ferox ein und ging wieder neben dem sagte aber erst nichts.


    Nachdem sie das Valetudinarium verlassen hatten fragte er:
    "Soll ich dich wieder bis kurz vor der Unterkunft vom Centurio tragen. Ich hab gesehen wie du mit den Schmerzen gekämpfst hast und es kann gut sein das du deine Kraft noch brauchst."

  • Dass Corvinus noch irgendwas zu dem Medicus sagte, bekam Hadamar gar nicht mehr wirklich mit, weil er schon auf dem Weg nach draußen war. Missgelaunt humpelte er weiter und brummte dabei noch ein paar Verwünschungen in seinen nicht vorhandenen Bart, aber er kam nur ein paar Schritte weit, bis Corvinus ihn schon wieder eingeholt hatte. Bei dessen Angebot zögerte Hadamar einen Moment. Er wollte nicht jammern, oder verweichlicht erscheinen. War schon genug, dass der Medicus ihn so hatte da stehen lassen, obwohl er nur nach einem festeren Verband gefragt hatte, einem, der Blutung auch stoppte – der Medicus konnte erzählen was er wollte, Hadamar glaubte da nicht so recht dran, dass das wirklich gut sein sollte, wenn sein Bein einfach munter weiter blutete. So oberflächlich war die Wunde nun auch wieder nicht... aber gut, das war etwas, worum er sich später dann selbst kümmern konnte. Die Hose war eh hinüber, daraus konnte er auch Streifen reißen und die noch mal fester und vor allem in mehreren Lagen drum wickeln.


    Nein, verweichlicht wollte er nicht wirken. Aber sein Verstand – und die Schmerzen in seinem Bein – sagten Hadamar, dass Corvinus Recht hatte. Er hatte nicht wirklich eine Ahnung, was ihn erwartete beim Centurio, aber dass er dafür wohl noch Kraft brauchen würde, war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit richtig. Und er wollte vor dem Centurio wenigstens gerade stehen können... was auch leichter sein würde, wenn er eben nicht den ganzen Weg da selbst hingehumpelt war. „Naja...“ antwortete er, immer noch zögernd, und mit einem Tonfall, der verriet, wie unangenehm ihm das war. „Wär wahrscheinlich besser, ja. Wenn's dir nichts ausmacht“, fügte er noch hinzu – und hoffte nur, dass ihn tatsächlich keiner sehen würde.

  • "Ach was du halbe Toga wiegst ja nix." sagte Corvinus und hatte Ferox schon wieder auf den Arm genommen. Mit schnellen Schritten und darauf achtend das sie niemand sah, einmal wich Corvinus in den Schatten eines Unterkunftsgebäudes aus, brachte er Ferox zum Block ihrer Centurie. Kurz vorher setzte er ihn wieder ab und gab ihm noch nen Klaps auf den Hinterkopf.
    "Na dann wollen wir mal schauen was Massa mit dir macht!"

  • Zum Glück war es dunkel – und zum Glück passte Corvinus auf. Hätte ihn jemand so gesehen, Hadamar wäre vermutlich im Boden versunken vor Scham. Und der Spott der halben Legion, davon war er überzeugt, wäre ihm wohl auch sicher gewesen in den nächsten Tagen. Aber sie kamen ungesehen bis zu den Unterkünften, und allein dafür war Hadamar dankbar, was seine Laune doch etwas besserte.

  • "Salvete...", grüßte Sönke, der sich zunehmend besser im Griff hatte, seit er NICHT den Weg zum Ausgang eingeschlagen hatte, "Ich bin Marcus Marius Madarus, Rekrut der Legion... ich soll mich hier mustern lassen..."


  • Quintus Saltius Repentinus



    Drei Personen befanden sich in dem Zimmer, das Marius betrat: ein Miles medicus und zwei Capsarii. Alle erwiderten murmelnd den Gruß, aber nur der Miles winkte Marius heran.


    "Ja, dann mal näher treten. Ich brauche deine Tafel." Er wies auf die Wachstafel in der Hand des Rekruten.
    "Ich benötige Informationen über deinen Gesundheitszustand aktuell und in der Vergangenheit. Gab es bereits Operationen, schwerwiegende Krankheiten, wie häufig bist du erkältet? Schmerzen die Glieder? Bist du nach eigenem Ermessen sportlich trainiert oder durchschnittlich fit?" Der Miles beobachtete Marius, während er auf die Antworten wartete.




    MILES MEDICUS - LEGIO II



  • Sönke nickte dem Mann zu, der ihn schließlich herannickte, und trat schließlich zu ihm, mit der Tafel in der ausgestreckten Hand, und begann seine Krankengeschichte schönzureden: "Ich bin gesund.. und habe nicht die geringste Ahnung, was eine Operation sein soll. Erkältet... lass mich... nun... die letzte ist schon eine ganze Weile her. Und schwerwiegende Krankheiten... nein.", antwortete er wahrheitsgemäß, schließlich waren diejenigen in seiner Welt, die schwerwiegende Krankheiten hatten schnell Asche und in Holz geritzte Erinnerungen. Soweit, so gut, dann aber kam die Frage nach den schmerzenden Gliedern, die er schlecht damit beantworten konnte, dass ihm gewisse Glieder immernoch weh taten weil ein schmächtiger Schreiber ihn verprügelt hatte. Die offensichtlichen Blessuren waren verschwunden.. aber als schmerzfrei konnte er sich beim besten Willen nicht bezeichnen, "Ich habe bei der Arbeit auf dem Hof den linken Arm eingeklemmt... nichts gebrochen, zieht nur ein wenig.", war somit die größtmögliche Kleinredung dessen, was gerade in ihm vorging, "Sportlich? Eh... trainiert? Ich... ich arbeite auf dem Hof, vor dem Sonnenaufgang bis danach... ich kann den Karren eigenhändig aus dem Dreck ziehen, einen sooo dicken Baumstamm alleine tragen..", untermalte er seine Körperkräfte mit rudimentärer Gestik, "..oder den Ochsen auf dem Acker davon abhalten einen Zaun zu sprengen.. ist das... fit?"


  • Quintus Saltius Repentinus



    Die Antwort zu den Krankheiten fiel großzügig aus, sodass der Miles Medicus allerhand damit anfangen konnte. Nur die Sache mit dem Arm verstand er nicht. Er nahm die Wachstafel ab und überflog die Angaben, während er nachfragte.
    "Was muss ich mir unter 'Arm eingeklemmt' vorstellen? Und hattest du jemals etwas gebrochen?"


    Auch die Auskünfte in Bezug auf die Fitness erforderten eine Überprüfung, was er sogleich erklärte.
    "Alltägliche Bauernarbeit mag nicht verweichlichen, aber dabei werden völlig andere Muskelgruppen beansprucht als beim Militärdienst. Vorteile haben diejenigen, die vorher Gymnasien besuchen, aber es gibt andererseits nichts, was man sich während der Grundausbildung nicht antrainieren könnte. Zeig gleich mal, was du kannst. Dazu ziehst du deine Tunika aus." Er bezeichnete die Kleidung einfach einmal als solche, obwohl er sich nicht sicher war.
    "Stell dich so hin, dass ich deine Wirbelsäule betrachten kann, dann mach dreißig Kniebeugen. Anschließend runter auf den Boden und dreißig Liegestütze. Dabei erzählst du mir, woran deine nächsten Verwandten gestorben sind. Und anschließend machen wir den Sehtest."




    MILES MEDICUS - LEGIO II



  • "Eine ehemals offene Tür und meinen linken Arm dazwischen..", erwiderte Sönke beinahe automatisch, so viele Möglichkeiten seinen Arm einzuklemmen gab es auch auf einem Rus nicht, "Nein, habe ich nicht."


    Muskelgruppen? Was sollte das denn sein? Und Gymnasien... der Heiler begann mit Worten um sich zu werfen, die Sönkes Universum nicht nötig gehabt hatte, und ihn daher ziemlich ahnungslos zurückließen, als er sich die dicke Wolltunika über den Kopf zog.. erst wollte er fragen, ob er die wollene Hose auch ausziehen sollte, dann jedoch dachte er sich, dass der Mann das sicherlich erwähnt hätte. Während er also die dreißig Kniebeugen in Angriff nahm, die er nicht allzu eifrig bewältigte (denn bei Bauern zählte das gleiche wie für Pferde: sie 'springen' nur so hoch wie sie müssen), begann er erst nach einer Weile davon zu erzählen, was seine Verwandtschaft dahingerafft hatte: "..., Alke, Schwester, sieben Winter alt, der römische Heiler sagte an Wurmfieber.. Bruder, ohne Namen, zwei Monate, Kindstod.. Bruder, ohne Namen, vier Monate, Kindstod, Bruder, ohne Namen, vier Monate, Kindstod, Schwester, ohne Namen, Kindstod... Algar, Onkel, Blutsturz, Brinwolf, Onkel, Kneipenschlägerei, Thorgall, Großvater, Ruhr, Lanthilda, Großmutter, Ruhr..."
    Als das alles aufgelistet war, wobei er mit zunehmender Anstrengung die Namen auch mehr rausatmete als wirklich zu sprechen, stand er wieder vor dem Heiler, angestrengt atmend auf weitere Order wartend...


  • Quintus Saltius Repentinus



    Saltius betrachtete ganz genau die Wirbelsäule des Rekruten. Einen Knick konnte er nicht entdecken und ebensowenig ein Übel wie es ein Rundrücken oder Hohlkreuz darstellte. Aber etwas anderes fiel ihm auf. Obwohl Sprechen und körperliche Betätigung jeden mehr als normal forderte, bemerkte er die zeitige Atemnot des Rekruten. Er notierte sich die mangelhafte Fitness, bevor er ihn an die vorhin bereits gestellte Aufgabe erinnerte.
    "Und wo bleiben die dreißig Liegestütze? Ich kann dir nur für deine Grundausbildung raten, lerne genau hinzuhören und köchel nie auf kleiner Flamme." Am liebsten hätte er angefügt, 'das wird dir sonst sehr schnell und schmerzhaft ausgetrieben', ließ es aber sein, weil er keinen vor Angst gelähmten Rekruten gebrauchen konnte.


    "Folgende Aufgabe: Dort hängt eine Tafel. Lies, was du jeweils erkennen kannst, aber vergiss dabei nicht die Liegestütze. Wenn du beides nicht zusammen hinbekommst, müssen wir an deiner Koordination arbeiten." Vermutlich hätte ein Ausbilder bei diesem Rekruten überdurchschnittlich viel zu tun, um das Ausbildungsziel zu erreichen - sofern er überhaupt körperlich geeignet war. Saltius wie auf die Tafel und wartete ab.



    Der Eques reitet gern. Der Centurio brüllt quer über den Campus. [SIZE=7]Ein Tiro bekommt wenig Sold.[/SIZE]




    MILES MEDICUS - LEGIO II


  • "Nochmal?", stutzte Sönke, gehorchte aber, da der Medicus anscheinend mit seinen Gedanken woanders gewesen war, als er die Liegestütze gemacht hatte. Und natürlich, weil er schlecht darum diskutieren konnte, dass er die Liegestütze gemacht hatte.. so waren dies die ersten Erfahrungen mit der Befehlskette in der Legion. Folglich legte er sich noch einmal auf den Boden und begann damit, die nächsten dreissig Liegestützen zu machen... als der Medicus dann mittendrin auf die an der Wand hängende Tafel aufmerksam machte, hielt Sönke einen Moment inne, und wandte den Kopf so, dass er den Medicus ansehen konnte: "Das geht nicht... ich kann nicht lesen. Aber... ich kann.. beschreiben.. das erste ist ein senkrechter Strich einem Bogen nach rechts.. das zweite ein kleiner Bogen nach rechts mit einem Strich nach links, das dritte ein kurzer senkrechter Strich mit einem Zipfel nach rechts..", so fuhr er fort, was natürlich erheblich länger dauerte als seine Liegestütze, aber da er nicht aufgefordert wurde sich dafür wieder zu erheben blieb er einfach aus seinen ausgestreckten Armen gestützt und schielte zur Tafel, um die Aufgabe abzuschließen, "...dann kommt ein freier Platz... dann eine gewundene Schlange, deren Enden nach Links und Rechts zeigen.. dann ein kleiner Kreis.. dann ein senkrechter langer Strich, dann ein senkrechter langer Strich mit einem Bogen an der unteren Hälfte, der nach links zeigt..."


  • Quintus Saltius Repentinus



    Der Meduicus beneidete den Rekruten nicht um seine Lesehaltung, denn auf die Art, mit der er seine durchaus gute Sehkraft unter Beweis stellte, dauerte der Test erheblich länger. Eine schnelle Auffassungsgabe schien ihm zu Eigen zu sein, denn er kapierte schnell, wer hier das Sagen hatte, was er sich in seiner Position erlauben durfte und was eben nicht.


    "Na, das war gar nicht mal schlecht", beurteilte Saltius. "Du kannst aufstehen und dich wieder ankleiden. Für Kandidaten deiner Sorte habe ich aber auch noch einen Alternativtest da. Eins nämlich muss dir klar sein: Ohne Lesekenntnisse bleibst du lebenslang Legionär und hast keine Chance auf irgendeine Beförderung. Du könntest keinen Bericht schreiben, keine Kassenaufzeichnungen kontrollieren und keinen Befehlsausgabe lesen. Damit bist und bleibst du Mitläufer. Andererseits, die Legion braucht Leute wie dich. So, und nun zum zweiten Sehtest."


    Saltius hängte eine weitere Tafel an die Wand. Motive in verschiedener Größe konnte das geübte Auge erkennen, der Vogel im Sturzflug stellte dabei das kleinste Bild dar. Außer ihm gab es ein Haus zu sehen, das auf der Seite lag, ein aufrecht stehender Baum und eine Pferdezeichnung, die auf dem Kopf stand.


    "Was erkennst du?"



    MILES MEDICUS - LEGIO II


  • Sich gerade die Wolltunika wieder anziehend hörte Sönke dem Reden des Mannes zu, und war überrascht darüber, dass der Mann mögliche Beförderungen überhaupt als Grund anführte Lesen zu lernen.. hatte er einen so guten Eindruck gemacht? In seinen ganzen Tagträumereien die mit Heldentum und glorreichen Schlachten zu tun hatten, hatte er NIE auch nur einmal den Posten eines Offiziers inne gehabt. Das Bürgerrecht war für einen Menschen von Sönkes traditionellem stand schon Errungenschaft genug, Offizier in der römischen Armee... nein. Das wurden Söhne von einflussreichen Familien... alten Familien. Viele Offiziersposten gab es ja nicht zu vergeben, drum wurden Sönkes Denken zufolge auch nur jene solche, die auch außerhalb des Militärs höher standen.


    "Das da ist ein umgekipptes Pferd...", begann er den zweiten Sehtest zu beschreiben, "..und das ein Baum... dies ist... das ist ein Haus nach der Rhenusflut.. und das ist... ein... Vogel, ja. Ein Greif, vielleicht."


  • Quintus Saltius Repentinus



    Der zweite Sehtest brachte erneut sehr gute Ergebnisse, was jedoch die aktuelle Einschätzung in Bezug auf Kraft und Durchhaltevermögen nicht herausriss.


    "Tja, Marius Madarus", begann der Medicus seine Abschlusseinschätzung. "Ich finde nichts, was dich nicht befähigen würde, ein guter Soldat zu werden, aber leicht wird die Grundausbildung sicher nicht sein. Deine Kondition muss sich verbessern und wie mir scheint auch dein Einsatzwille. Beides liegt jedoch im Bereich des Möglichen, weswegen ich dir Diensttauglichkeit bescheinige.


    Er füllte die leeren Felder auf der Wachstafel aus und reichte sie dem Rekruten.


    "Viel Erfolg! Und schick den Nächsten rein."



    nomen: Marcus Marius Madarus



    aetas: 16 17



    habitus: ausreichend


    morbi cogniti: keine bekannt


    Gesamturteil: diensttauglich
    (des Lesens und Schreibens nicht mächtig)


    gez. Miles Medicus Quintus Saltius Repentinus




    MILES MEDICUS - LEGIO II


  • "Sehr wohl.", sprach Sönke, griff sich die Tabula und verschwand wieder... Diensttauglich, das war alles was er zu hören brauchte um seinen Kopf wieder schwirren zu lassen... ging gerade aus an dem Typen vorbei, der vor der Tür wartete, und erst als er einige Schritte weiter war, fiel ihm noch ein, dass er den noch reinzuschicken hatte. Als das getan war, machte er sich auf den Weg zurück in die Principia... mit beschwingterem Schritt als vorher.

  • Der Optio aus dem Rekrutierungsbüro hatte den jungen Fullo nach Aufnahme einiger Informationen weiter ins Lazerett geschickt. Hier stand er nun mit der Wachstafel in der Hand und begab sich wieder in seine übertriebene Habachtstellung.


    "Salve, Medicus!", sein Herz raste und würde wahrscheinlich bald explodieren, sein Kopf war hochrot. Selbst nach 12 Stunden harter Feldarbeit hätte er nicht so geschwitzt. Sein ganzes Leben lang hatte er auf diesem Moment hingearbeitet, wurde teilweise sogar dafür "gedrillt". Alles hing jetzt von diesem Moment ab. "Titus Terentius Fullo, Wehrdienstpflichtiger aus Bingium. Melde mich zur medizinischen Untersuchung im Zuge der Musterung, Sir!"


    Stock steif und kaum atmend, wartete er auf die Reaktion des Feldarztes.

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