In Rom waren Geschichten wie diese sehr beliebt: ein Römer, vornehm von Geburt und in bedeutender Stellung, gerät in Gefangenschaft. Der Feind ist natürlich verschlagen, heimtückisch und für seine Brutalität bekannt. Schon hält man ihn, den vermissten Römer, für tot, da kann er fliehen oder wird ausgelöst, kehrt zurück und wird gefeiert. Ein Beispiel für römische Willenskraft und Unverwüstlichkeit ist er dann.
Unvergessen war zum Beispiel, wie der junge Gaius Iulius Caesar einst in die Hände von Piraten gefallen war, frei kam, und anschließend blutige Rache nahm. Das war eine Geschichte, so ganz nach dem Herzen der Römer.
Es gab dabei aber noch einen anderen Reiz, nämlich sich vorzustellen, was für Qualen und Demütigungen so ein feiner Herr in Gefangenschaft wohl hatte erleiden müssen. Auch darüber spekulierte das einfache Volk sehr gerne unter mehr oder weniger vorgehaltener Hand und mit unterschwelliger Häme. Das es eine Schande war, sich gefangen nehmen zu lassen und mehr noch, eine solche Gefangenschaft zu überleben, auch diese Meinung gab es natürlich.
Marcus Decimus Livianus, dass war der Name des Mannes, der dieser Tage den Anlass für solch Gerede bot. Ein Niemand war er nun wahrhaftig nicht. Ein Senator. Mehr noch, er war Legat der I. Legion gewesen und einer der Heerführer beim Iulianischen Feldzug gegen die Parther. Der war, nach einigen anfänglichen Erfolgen, vor inzwischen fast eineinhalb Jahren mit dem Tod des Kaisers recht kläglich gescheitert. Allerdings wagte noch immer kaum jemand offen das Wort 'Niederlage' auszusprechen.
Damals war Decimus Livianus in Gefangenschaft geraten und Ulpius Iulianus hatte nichts unternommen. Einige glaubten, damit hätte er Schuld auf sich geladen und genau deshalb hatte ihn wenig später ein verirrter parthischer Pfeil getroffen und tödlich verwundet. Wie dem auch sei, Livianus blieb verschwunden. War er tot? Lebte er noch? Das wusste keiner so ganz genau. Viele, wenn auch nicht alle, hatten ihn bald aufgegeben. Doch er lebte und durchlitt das Martyrium seiner Gefangenschaft.
Wer hätte zu hoffen gewagt, dass er nicht nur am Leben war, sondern das es gelingen würde, ihn aus den Fängen der Parther zu befreien? Aber genau das war geschehen und so kehrte er Heim.
Das war nun der Anlass, weswegen sich die Senatoren vor der Curia Iulia auf dem Forum Romanum versammelt hatten. Zuvor hatten sie lange darüber beraten und sich am Ende schließlich dazu entschlossen, obwohl nicht alle so ganz einverstanden damit waren. Sie wollten den glücklich Heimgekehrten öffentlich empfangen und sie wollten hören, wie es ihm ergangen war. Denn auch Senatoren sind neugierig und mögen Abenteuergeschichten. Ihr Interesse galt aber nicht nur ihm, sondern auch seinen Befreiern.
Das war also die Vorgeschichte.
Der amtierende Consul – ein Mann von vergleichsweise geringer Bedeutung und Popularität – stand nun auf dem Forum, umringt von den Senatoren, die ebenfalls gekommen waren, und gemeinsam warteten sie auf Marcus Decimus Livianus und seine Befreier. Mit ihnen warteten viele Schaulustige. Unruhig nestelte der Consul an seiner Toga herum. Er war kein Mann von sicherem Auftreten.
“Mandeln! Gesalzen und in Honig gesotten! Maaandeln, wer will Mandeln?“, rief jemand in der Menge, der sich scheinbar ein gutes Geschäft versprach.
/edit: Noch ein paar Links hinzugefügt