Iuvat inconcessa voluptas
~ Spaß macht das unerlaubte Vergnügen
Eine dunkle Gasse wand sich zwischen den schlafenden Häusern,schwarze Fensterhöhlen starrten mich an, auf meinem nächtlichen Weg. Ich hatte den Tiber überquert, sein Rauschen verklang hinter mir, der sumpfige Dunst hing mir noch immer in der Nase. Leise trugen mich meine Füße nach Trans Tiberim hinein. Sie steckten in weichen Sandalen, nicht in Caligae, und auch meine leichtgegürtete Tunika wies mich nicht als Soldaten aus, bloß meinen Pugio trug ich unter der Lacerna verdeckt bei mir. Für alle Fälle.
Hier in Trans Tiberim hatte die Stadt einen ganz anderen Charakter als drüben. Großzügiger zum einen, man merkte, dass beim Bau der Häuser nicht so penibel Platz gespart worden war, wie auf dem anderen Ufer. Und sehr abwechslungsreich, bunt, was wohl an den vielen Peregrinen lag, die sich hier angesiedelt hatten. Ich mochte das Viertel, es hatte Flair, auch wenn’s an vielen Stellen recht schmuddelig war. Und es hatte einen großen Vorteil: meine Centurie machte hier keine Patrouillen, so war die Gefahr, zufällig auf einen Bekannten zu treffen, sehr gering.
An der großen Kreuzung der Via Aurelia bog ich ab, und war mit einem Mal mitten im Vergnügungsviertel. Laternen beleuchteten die Gasse, Tavernen säumten sie. Ich ging durch Stimmengewirr, Becherklirren drang aus offenen Türen, Zecher drängten sich in die Schenken. An einer Ecke wurde trotz der späten Stunde noch immer an einem Gebäude gehämmert, es sollte offenbar eine neue Garküche werden. Zum hohen Stapel aufgeschichtet lagen die glattgehobelten Bretter, ein frischer Kieferngeruch ging von ihnen aus.
Zwischen den Scharen der Nachtschwärmer auf nocturna grassatio, die sich feuchtfröhlich amüsierten, fehlten nicht die Huren, Huren jeder Art, die hier nach Kundschaft fischten. Für die aufgetakelten Mädchen hatte ich keinen Blick, ging rasch vorüber an den schwellenden Reizen und aufdringlichen Rufen, aber als ich zum Cloeliusbrunnen kam – die Gasse öffnete sich dort zu einem kleinen Platz – und auf die angrenzenden Arkaden zuschlenderte, da ließ ich meine Blicke ungehemmt schweifen. Denn hier boten sich ihre männlichen Kollegen feil, hier lockten breite Schultern, schmale Hüften und muskulöse Schenkel... eingeölte Haut schimmerte verheissungsvoll... kräftige und schmale, helle und dunkle, athletische sowie auch knabenhafte Körper präsentierten sich einladend dem Auge des Betrachters. Meinem Auge.
Ich musste schlucken als ich dort entlangging und die Prostituierten musterte, trocken schlucken. In dem Bestreben, ein vorzeigbarer Decimer und tadelloser Soldat zu sein, war ich allzu lange nicht mehr hier gewesen, nicht mal nach dem letzten amourösen Desaster. Aber jetzt... Was war schon dabei?! Es kannte mich ja keiner.
Ein verbotenes Paradies tat sich auf. Am allerbesten gefiel mir ein gutgebauter Orientale - ich habe einfach eine Schwäche für diesen Menschenschlag. Ich mag das Exotische, diese natürliche Eleganz. Ein Bronzeschimmer glitt über seine Haut, als er, meinen Blick richtig deutend, auf mich zutrat. Etwa in meinem Alter, schöne schwarze Auge, und stramme Hinterbacken, die sich deutlich unter dem knappen Hüfttuch abzeichneten.
“Salve Dulcis... was kostest du für zwei Stunden?“
Er war nicht billig, doch bei dieser Aussicht vergass ich zu feilschen. Den Arm um seine Schultern gelegt, nahm ich ihn mit in die nächste Absteige. Das Zimmer war stickig, der Wein, den ich bestellte, auch nicht der beste, aber der Orientale verstand sich auf die Liebeskunst, und ich vergnügte mich ausgiebig mit ihm. Dachte an nichts mehr, und kostete es ganz und gar aus, diesen schönen Mann für mich zu haben, solange bis ich schliesslich sehr zufrieden und ermattet auf die strohige Matratze sank.
Mit einer Hand angelte ich mir meinen Gürtel vom Boden und suchte die Denare heraus, entlohnte ihn und gab ihm auch ein großzügiges Trinkgeld. Er bedankte sich, etwas abwesend. Ich fragte mich einen Augenblick lang, ob er seinen Lohn wohl für sich behalten durfte, oder abliefern musste, aber eigentlich wollte ich es gar nicht wissen. Vielleicht, so überlegte ich träge, sollte ich mir einen Sklaven wie ihn kaufen, dann müsste ich nicht den weiten Weg nach Trans Tiberim auf mich nehmen. Aber das könnte zu Gerede führen.
Längelang ausgestreckt, den Kopf auf die Hände gestützt, sah ich dem Orientalen zu, wie er sich erhob, die Münzen in einem kleinen Beutel sorgfältig verstaute, und seine Hüften wiederum mit dem Lendentuch verhüllte. Gerade eben noch hatte der Mann heftiges Verlangen in mir geweckt, jetzt, nüchtern betrachtet, fand ich ihn auf einmal gar nicht mehr so anziehend. Die Nase zu breit. Das Lippenrot, das er nun vor einem kleinen Handspiegel auffrischte, zu grell, zu vulgär.
“Vale.“
Ich sah ihm nach, wie er müden Schrittes durch die Tür verschwand, und wusste, dass ich ihn wohl kaum nochmal aufsuchen würde. Dann machte auch ich mich auf, zurück in meine Welt, und kehrte, mit einem schalen Geschmack im Mund, Trans Tiberim den Rücken.