Atrium | Ich lade gern mir Gäste ein...

  • Von der Kanzlei gekommen, als er seine Arbeit fertig gestellt hatte, war der junge Flavius durch Rom gegangen, eilends, es nicht erwarten könnend, seiner Familie seine neueste Errungenschaft vorzuführen. Er hatte Quarto davon überzeugen können, zur Villa Flavia zu kommen, um dereinst mit ihnen zu speisen.
    Ebendorthin ging Piso. Die Türe öffnete ihm Acanthus, wie üblich. Sowie ihm der Einlass gewährt wurde, schritt der Patrizier in das wohl vertraute Atrium, wo er einen vorbeilaufenden Sklaven am Schlawittchen packte. Der Sklave, sich in seiner Bewegungsfreiheit beschränkt fühlend, blickte Piso mit großen Augen an.
    „So, Sklave, ich habe da eine pikobello-tipp-topp-feines Jöbchen für dich. Du holst mir bitte Furianus und Gracchus. Ich habe mit den beiden etwas zu unterreden. Es geht um Politik.“ Pisos Anweisungen waren mit barscher Stimme vorgetragen. Unwohl in seiner Haut musste sich der arme Teufel fühlen. Was Piso nicht bekümmerte. Es ging um ein Anliegen, da mussten Sklaven kuschen.
    Der Sklave stammelte und nickte, brav, wie intendiert. Piso blickte ihm nach. Was das wohl werden würde. Vielleicht hatte er sich jetzt in Teufels Küche gebracht. Gut, dass er den Ahnen kürzlich geopfert hatte. Ahnen, beschützt mich, dachte er und bemühte sich um eine feste, aufrechte Haltung.


    Sim-Off:

    Furianus, Gracchus, darf ich euch herbitten? ;)

  • Eigentlich wollte Flavius Furianus in den nächsten Minuten ein wohlig warmes Bad in den hauseigenen Thermen einnehmen, als ihn ein aufdringlich werdender Sklave bis zur Weißglut brachte, indem er die Befehle, man möge ihn nun nicht stören, einfach bewusst überhörte.
    Es musste also wichtig sein. So streifte sich der Senator eine weinrote Tunika über und begab sich in das Atrium.
    Dort stellte dieser überrascht fest, dass kaum ein anderer als der Jüngling selbst dort vor ihm stand.
    "Junge, was soll das werden?", fragte er daher ungläubig.

  • Ach, Furianus. Piso wusste immer noch nicht, wie er zu ihm stehen sollte. Auf der einen Seite hatte er, wohl noch von der cena und von der Episode in seinem Zimmer, wo ihm Furianus die Leviten gelesen hatte, ordentlichen Respekt, ja, fast ein wenig Furcht vor ihm. Furianus machte seinem furienhaften Namen manchmal durchaus Ehre. Auf der anderen Seite bewunderte er den erfolgreichen Politiker, und hoffte, er könnte ihm so gut wie möglich nacheifern. Piso wollte seinem heimlichen Vorbild gefallen. Vielleicht würde der Jungflavier ihn dieses Mal positiv überraschen.
    „Salve, Lucius Furianus.“, machte Piso. Wenn doch nur die joviale Gestalt des Gracchus vorher hier gewesen wäre! Aber jetzt musste er sich mit dem Ex-Praetor beschäftigen. „Ich wollte dir etwas sagen, was dich vielleicht interessieren wird. Heute habe ich im Officium Aelius Quarto kennen gelernt. Jener hat mir in meiner Funktion als Kanzleibeamter einen Auftrag gegeben, doch hernach sind wir ins Gespräch gekommen. Und... ich erzähle dir, was dabei herausgekommen ist.“ Jetzt kam es, jetzt kam es ganz dick.
    „Quarto ist, so scheint es, tatsächlich daran interessiert, den Konflikt – den ein solcher ist es, machen wir keinen Hehl daraus - zwischen den Aeliern und den Flaviern zu bereinigen. Inklusive Aufhebung der damnatio memoriae unseres verehrten Kaiser Domitianus. Er ist bereit, ein politisches Bündnis mit uns einzugehen. Gegen wen, muss ich dir hoffentlich nicht sagen.“ Er räusperte sich. „Und nun habe ich Folgendes getan. Ich habe den Senator zu einer cena bei uns in der Villa eingeladen, sodass wir, ich, du, und Gracchus, mit ihm vielleicht eine Einigung erreichen können. Alleine in der Kanzlei wollte ich nicht für die Gens Flavia sprechen.“
    Er atmete aus. „Entschuldigung, dass dies so überraschend kommt, aber ich habe eine einzigartige Möglichkeit gesehen, und sie gepackt. Wenn es dir, oder Manius Gracchus, nicht gefällt, dass Aelius Quarto komme, dann werde ich ihm einen Brief schreiben, der eine Entschuldigung vorschiebt.“ Er wartete nun gespannt auf eine Antwort. Wahrscheinlich käme jetzt wohl wieder eine Auswahl von Tätlichkeiten, zusammen mit Gebrülle und Gekeife... oder vielleicht doch nicht?

  • Wären die Gehirnwindungen Gracchus' einem Hypocausten-System ähnlich - bei Tätigkeit von heißer Luft gespeist -, so hätte vermutlich sein Kopf bereits leicht rotfarben geglüht, als er in höchster Konzentration suchte, den Text vor sich - Ciceros de officiis - zu bezwingen, welcher wie alles andere Schriftliche hartnäckig dagegen sich sträubte, in korrekter und daher verständlicher Reihenfolge vom Pergament bis in Gracchus' Verstand vorzudringen. Einem Kinde gleich schob er ein hölzernes Lineal über die Zeilen, so dass er nicht in der Vertikalen sich konnte verlieren - der Theorie nach zumindest -, doch beständig fanden die Worte einen Weg, sich zu überschlagen, in Unordnung zu geraten und der Konfusion Gracchus' darob Vorschub zu leisten. Mit jedem Quäntchen Konzentration und Mühe stieg ob dessen gleichsam die Frustration in seinem Innerstem, züngelte das unmäßige Flämmchen flavischen Zorns empor, wurde in seinem obliterierenden Tun nur darob unterbrochen, dass ein Sklave Unruhe im Raume verbreitete, als er in störender Lautstärke klopfte und hernach Sciurus aufgeregt Kund tat, weswegen er gesandt worden war. "Dein Vetter Piso bittet um eine Unterredung im Atrium" , gab schlussendlich Sciurus das neu gewonnene Wissen an seinen Herrn weiter. "Eine dringliche Angelegenheit wie es scheint, politischer Natur." Es gereichte diese Information nicht dazu, Gracchus' Braue emporsteigen zu lassen, denn schlussendlich gab es in diesem Hause stets nur dringliche Angelegenheiten politischer Natur - familiäre Belange wurden zumeist lange hinaus gezögert, persönliche ohnehin nicht besprochen -, zugleich schien es ihm jedoch, als hätten die letzten dringlichen Angelegenheiten in einer Ewigkeit zurück sich ereignet, einem anderen Leben gar, und als könne derzeitig nichts derart dringlich sein, ihn seiner persönlichen Problematiken zu berauben. Was tangierten ihn politische Fragestellungen, so er nicht einmal dazu war in der Lage, simple Sätze und Satzkonstrukte von einem Pergament abzulesen, geschweige denn sie darauf zu bannen, wenn doch seine Person gleichsam in der Suppe des politischen Weltgeschehens nicht einmal ein oben auf schwimmendes Fettauge war? Dennoch, entgegen allen Missmutes und Übellaunigkeit, konnte Gracchus nicht dem Kern seiner Persönlichkeit widerstehen, welcher stets jeglich geforderter Pflicht sich ergeben zu müssen glaubte, so dass er schlussendlich, gefolgt von Sciurus in seinem Schatten, das Atrium betrat. Sowohl seinem Neffen Furianus, welcher um einiges älter war als er selbst, als auch seinem Vetter Piso, welcher um einiges jünger war als er selbst, hatte bisherig er versucht aus dem Wege zu gehen, der familiären Pflichten wegen, welche im einen wie im anderen Falle mochten auf ihn zurück fallen. Nachdem Aristides die Villa hatte verlassen, blieb nach alter Tradition die Aufsicht über den Haushalt erneut an Gracchus hängen, gleichsam hatte er gehofft, Furianus würde solcherlei mit Freuden an sich nehmen, hatte jener doch viel größere Freude am Spiel der Macht als Gracchus dies jemals hatte in sich verspürt - doch der Nachkomme des Felix war nurmehr ein Geist, so wisperte es durch die Gänge der Villa, ein Schatten seiner selbst, welcher nur in Rom war, seine letzten Angelegenheiten zu regeln, und Gracchus fürchtete sich davor, dass dem tatsächlich so war, obgleich Furianus bisweilen sich im Senat zu zeigen schien - was er selbst bisher zumeist vermied. Piso dagegen war das aufstrebende Element der Familie, derzeitig wohl der einzige, welcher aktiv um politischen Einfluss sich bemühte, was gebot, ihm diesbezüglich so weit wie möglich nachzuhelfen - eine Aufgabe, vor welcher Gracchus nur allzu gerne derzeitig sich zu drücken suchte, würde sie gleichsam doch öffentliches Engagement bedingen, welches er nicht gewillt war, zu geben.
    "Salvete"
    , grüßte er seine beiden Verwandten nicht unfreundlich, doch ebenso wenig überschwänglich, und erfasste in wenigen Herzschlägen jenes Bild in sich, welches ihre Äußerlichkeit ihm gewährte. Vor Jahren noch war Gracchus beim Anblick seines Vetters, welcher eigentlich sein Neffe war, oftmals ein wenig durcheinander geraten, insbesondere wenn Furianus auf seine ganz eigene, erotisierende Art Austern hatte verzehrt - ein Anblick, welchen Gracchus lange Zeit nicht hatte aus seinen Sinnen vertreiben können -, doch er war älter geworden, reifer und ruhiger allfällig, zudem hatte er seinen Durst erst kürzlich ausreichend gestillt, und auch Furianus hatte einen Gutteil seiner Anziehungskraft für ihn verloren - nicht nur ob dessen, dass er seinem Vater Felix um einiges ähnlicher war geworden. Piso indes schien selbst dann wenn er nichts tat, beständig in Bewegung zu sein, als würde Gracchus ihn durch eine Flamme hindurch betrachten, welche seine scharfen Konturen verwischte und flackern ließ, was ihn selbst bisweilen ein wenig nervös machte, obgleich er den genauen Grund hierfür nicht konnte greifen. Ebenso wenig greifbar war für ihn auch die Art der Relation, welche zwischen Furianus und Piso herrschte - unbezweifelt war dies nicht ihre erste Begegnung, doch ob die Miene des Jüngeren eher fordernd oder abwartend, die Miene des Älteren dagegen zweifelnd oder erheitert war, dies war für ihn unmöglich zu entscheiden, ob dessen er selbst kein weiteres Wort mehr entrichtete, würde doch einer von beiden zweifelsohne erläutern, welch dringliche Angelegenheit ihn von seinen eigenen Belangen abzuhalten gereichte.

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  • Flavius Furianus, der bisweilen ruhig auf der Kline gelegen hatte und sich fragte, was der Abend noch Unerfreuliches für ihn bereit hielt, schaute kurz auf und begrüßte seinen Vetter, der eigentlich sein Onkel war, mit einem leicht erzwungenen Lächeln.
    "Salve, Gracchus."
    Anschließend war es wohl an ihm das Wort zu ergreifen und der Flavier tat dies nicht, bevor er hörbar seufzte, um seine Stimmung vorab jeglicher Deutung zu entziehen.
    "Du kommst zeitig, Vetter.", begann er in Gracchus´Richtung.
    "Der junge Piso offenbarte mir gerade, dass er ein Arrangement getroffen habe. Aelius Quarto wird bei uns speisen und die Ziele wurden von unserem jungen Verwandten auch schon abgesteckt - unter anderem die Aufhebung der Damnatio Memoriae des Domitianus für ein Bündnis mit unserer Familie."
    Die Missbilligung dieses Vorgehens konnte nicht deutlicher ausfallen. Im Grunde war dies eine hervorragende Gelegenheit, nur der Stolz des Flaviers entbehrte für diese Leistung ein Lob.
    Er wollte es sein, der im Alleingang die Einigung erzwang, eine Einigung, die schon lange überfällig ward. An eine Aufhebung der Damnatio hatte Furianus bisher nicht gedacht, obgleich ihm die Ehre der Familie, einschließlich der Ahnen, ein großes Anliegen war.
    Aber solch ein politischer Schritt würde nicht jedes Mitglied des Senates gut heißen - er konnte schon wieder die Welle der Einwände vor sich erwachsen sehen, die sich nicht nur aus dem Speichel eines gewissen Germanicus würde nähren können. Auch andere mochten einstimmen und dieser Umstand war kein ungefährlicher.

  • Hmm. Was für eine Reaktion hatte er sich nun von Furianus erwartet? Er würde nie herausfinden, was sie nun gewesen wäre, wäre nicht plötzlich Gracchus hereingetreten. Nicht unvermutet, war er doch erwartet worden, doch genau im richtigen Moment kam Gracchus, um höllische Strafen zu verhindern.
    Piso betrachtete ausführlich die furianische Mimik. Lächeln, das war schon einmal gut. Obwohl, bei ihm hatte das wenig zu bedeuten. Gleichsam wie Gracchus begrüßte Piso den Pontifex. „Salve, Manius Gracchus.“, brachte er hervor gegenüber dem zweiten Senator, der nun vor ihm stand. Gleichzeitig fühlte er sich intimidiert. Zwei hohe Senatoren, vor ihm, einen kleinen Beamten. In der Gens Flavia lernt man schnell, politisch zu denken. Dies war auch der Fall bei Piso, der genau wusste, dass er, unter den drei Männern, die im Atrium standen, den 3. Platz in der Rangordnung bekleidete. Er war ein Nichts, der es gewagt hatte, Familienpolitik zu betreiben. Und so waren die Worte des Furianus schon im Vorhinein klar, bevor sie ausgesprochen waren.
    Ironie troff von ihnen, und dem vorhin noch so hoffnungsfrohe junge Flavier begann es innerlich zu schütteln. Wenn auch noch Gracchus nein sagen würde, war er erledigt. Dann konnte er genausogut zu seinem Vetter Felix nach Sardinien gehen und ihm beim Rosen züchten unterstützen, unterdessen ihn mit Anekdoten aus der Geschichte seines Falles von nicht allzu weit oben erheitern.
    Allerdings fühlte er sich auch ungerecht behandelt. Er spielte Furianus eine unheimliche Chance in die Hände – und jener zollte ihm nciht eine Unze Respekt. Langsam war es zum an den Plafond springen. Hätte das Atrium einen Plafond gehabt, heißt das.
    Er blickte zu Gracchus hin. „Ich... wenn ihr dies nicht wollt... dann werde ich Aelius Quarto ein Entschuldigungsschreiben zukommen lassen. Mir würde schon etwas einfallen...“ Mehr als jene erhabene Großtat der Rhetorik brachte er nicht hervor. Ein direkter Blick traf den kürzlich aus Griechenland zurück Gekehrten. Bitte, bitte, Gracchus, sag nicht nein, schien der flackernde Blick in Pisos Augen zu sagen. Irgendjemand musste doch schätzen, was er für die Familie getan hatte!

  • Zuerst glaubte er, sich verhört zu haben, oder dass allfällig das Gesagte in seinem Geiste sich hatte verworren, doch für solcherlei waren die Worte zu deutlich, die Sätze zu verständlich, in zu nachvollziehbarer Syntax. In der Tat, dies war eine dringliche politische Angelegenheit! In Gracchus' Innerstem begann ein Vulkan zu brodeln, unaufhaltsam, so dass er die Kiefer aufeinander presste, um dem keine Gelegenheit zu bieten, aus ihm heraus zu brechen, sich auf eine der Klinen nieder ließ, um Zeit sich zu verschaffen, zur Ruhe zu kommen. Unterdessen jedoch, obgleich er nun auch noch die Lippen zusammen presste zogen sich seine Mundwinkel unaufhaltsam empor, und Pisos forschender, erwartungsvoller Blick raubte schlussendlich ihm jegliche Contenance, so dass die Erheiterung deutlich nun sich über sein Antlitz zog. Von Vetter zu Neffe wandte sich sein Blick, welchem offenbar Pisos Rolle in dieser Causa nicht sonderlich gefiel, unbezweifelt daher, dass jener, respektive Aelius Quarto damit seine eigenen Pläne durchkreuzte.
    "Was hast du getan, Furianus, dass die Aelier uns derart wieder für'hten?"
    Allfällig war dies alles nur eine Frace gewesen, die Gerüchte Furianus' labilen Gesundheitszustand betreffend, um Verdacht abzulenken von seinen Plänen, um seine Aktivitäten zu verschleiern - und da Aelius Quarto nun über derartige Zugeständnisse war bereit zu verhandeln, musste wahrlich ein grandioser Schachzug es gewesen sein. Selbstredend war solcherlei auch stets ein großes Wagnis, hätte Furianus die gesamte Familie damit in Gefahr bringen können, andererseits indes wäre er nicht der erste Flavier gewesen, welcher ob eines Fehltrittes offiziell von der Gens hätte distanziert werden können.
    "Ihr müsst entschuldigen, ich bin ein wenig unin..formiert die politische Situation betreffend. Ein Versäumnis allfällig, doch keines, wel'hes ich derzeit würde bedauern"
    , steuerte er sogleich jeglicher Gelegenheit zu Vorwürfen diesbezüglich entgegen.
    "Weshalb also haben die Aelier ein Interesse an sol'herlei, gerade Aelius Quarto?"
    Als der Name über seine Lippen drang, kam Gracchus eine weitere possible Konstellation in die Sinne, denn allfällig strebte der Consular nach der Kaiserwürde und brauchte dazu jede Unterstützung - auch jene der Patrizier, welche offensichtlich wäre ohne die Flavier nicht gar so einfach zu erringen, denn durch die in der Oberschicht noch überdurchschnittlich stark politisch motivierte Heiratspolitik und die starke Identifikation mit dem eigenen Stande war eine jede Familie in ein regelrechtes Patriziergeflecht eingebettet, welches überaus reagibel auf Anstöße von außen reagierte, im positiven wie im negativen Falle.

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  • Gracchus blickte zuerst einmal unbewegt auf die beiden Flavier. Dann, gleich nach den Beteuerungen des Piso, geschah etwas, womit der Flavier nie gerechnet hätte. Gracchus begann zu grinsen. Zuerst dachte Piso, er sähe nicht recht. Oder aber Gracchus zeigte das Grinsen eines Löwen, mit der die großen Raubkatzen ihre Beute einige Sekunden lang zu mustern pflegten (in der Phantasiewelt des Piso zumindest), bevor sie ihr Opfer mit Haut und Haar verschlangen. Nein, Piso fühlte sich gar nicht angenehm in seiner Haut. Am Liebsten wäre er einen Schritt zurückgegangen, um sich vor möglichen körperlichen Bestrafungen zu retten (zu tief nämlich noch waren ihm die Schläge, die sein Vater seinem Sohn verpasst hatte, in sein Gedächtnis eingekerbt) - wäre nicht hinter ihm das voll gefüllte Impluvium gewesen. Nass wollte er nicht werden. Und so trat er beiseite, zog eine Kline, welche im Atrium herumstanden, heran und setzte sich darauf, viel eher, als dass er sich hinlegte – zu einer solchen inherent gelassenen Position war er viel zu angespannt. Obwohl er mittlerweile des Umstandes gewahr war, dass Gracchus grinste, weil er die Angelegenheit, die Situation, einfach nur schlicht und ergreifend spassig fand.
    Gracchus machte eine wohl eher scherzhafte Bemekung zu Furianus hin, bevor er dazu überging, ihn NICHT zu schelten. Vielmehr stellte er einige allgemeine Fragen in den Raum (die Piso, innerlich, für qualifizierter befand als das gehässige Reden von Furianus). Er atmete tief durch, und begann dann, die Frage des Pontifex zu beantworten.
    „Aelius hat mir die Antwort quasi auf dem Serviertablett geliefert.“, sagte er. Er blickte nach links, und nach rechts, fast so, als würde er verborgene Lauscher wähnen. „Er erachtet Vescularius Salinator für eine Gefahr. Ich übrigens auch. Vescularius verachtet Patrizier. Aus diesem Grund verwehrte er mir jüngst mein berufliches Vorankommen. Ohne Zweifel hat er vor, die Macht der Patrizier zu beschneiden. Und die Macht des Kaisers. Natürlich nur solange, bis er selber Kaiser ist.“
    Piso blickte die beiden Senatoren ernst an. „Und so will Aelius mit uns einen Handel unterzeichnen. Keinen öffentlichen Handel, natürlich.“
    Er blickte nach oben, der Tag begann schon zu dämmern. Es hätte Nacht sein sollen, jene wäre eine perfekte Szenerie für solche Gespräche gewesen.
    „Ein Geheimbündnis gegen den Vescularier. Zum Schutz Roms.“
    Er räusperte sich. „Und er hat, wie schon gesagt, die Aufhebung der damnatio memoriae des Domitianus in Aussicht gestellt... wenn wir dafür bereit sind, eine öffentliche Entschuldigung abzugeben für das, was den Aeliern angetan wurde.“ Es war ein Tausch von symbolischen Gesten, welche aber solche Macht scheinends besaßen, dass beide Geschlechter krampfhaft daran festhielten.

  • Die Frage seines Vetters sah Flavius Furianus, gestellt mit einem eindeutigen Grinsen, mit einer gewissen Ironie behaftet. Auf so etwas würde er nicht antworten. Er lächelte freundlich, wobei ihm in diesem Moment nicht gerade danach war. Eigentlich hätte er den Vetter am liebsten angefahren, denn in diese Frage sah er wieder den Spott alter Tage, als der junge Flavius Furianus von einem unwürdigen Amt zum Nächsten sprang. Unterstellte ihm Gracchus nun gar Bedeutungslosigkeit gerade auf dem Feld, in welchem sich Senator Furianus so wohl fühlte und sich darauf auch, seiner Meinung nach, sehr gut verstand? Er würde es später anschneiden müssen.


    "Quarto steht mit dem Rücken zur Wand. Der labile Gesundheitszustand seines Bruders zwingt ihn zu handeln. Seine derzeitige Position ist jedoch mit keinerlei Raum zur Handlung ausgestattet - er ist nur Senator, hat kein wichtiges Amt inne. Das verwundert mich, wenn ich ehrlich bin, schließlich ist sein Bruder der designierte Kaiser und einen gewissen Vorteil oder einen gewissen Machtstrang hat der Kaiser seinem Bruder zu überlassen. Sehr verdächtig, dass seitens des Ulpiers nichts kommt.", fing er an sich wieder dem Wichtigen zu widmen und sprach in die Richtung seines Vetters. Piso übersah er, schließlich hatte der Jüngling seine Pläne, alleine mit Quarto solcherlei Verhandlungen zu führen, durchkreuzt.
    "Statt dessen kleidet der Kaiser einen Unbekannten, einen der frivolsten Homini Novi mit Macht ein. Und dieser Mann wird es auch sein, der versuchen wird den Kaiser selbst zu stürzen oder, nach dessen Ableben, nach seinem Amt zu greifen. Das sieht nun auch Quarto und ist gezwungen mit uns zu paktieren."


    Dann blickte er scharf zu Piso, der vor ihm mit seiner Zusammenfassung, welche wirklich kürzer war als die des Senators, geendet hatte.


    "Von was für einem Geheimbündnis sprichst du da?", fuhr ihn der Flavier etwas lauter an.
    Flavius Furianus würde dieses Gespräch dominieren, das wusste er, denn er war der wohl seiner Meinung nach einzige in diesem Raum, der sich über diese Materie die letzten Wochen den Kopf zerbrochen hatte.
    "Es kann überhaupt kein Geheimbündnis geben!, antwortete er selbst und lehnte sich zurück, um einen Schluck aus dem so eben gereichten Becher verdünnten Weines zu nehmen: "Wenn Quarto die Aufhebung der damnatio memoriae gegen Domitian in Aussicht stellt, dann weiß spätestens danach ganz Rom durch diesen symbolischen Akt um die Aussöhnung unserer Familien. Und jeder Senator wird um ein Bündniss wissen, wenn wir hingegen erklären uns öffentlich zu entschuldigen. Als erster der Praefectus Urbi selbst.
    Also wenn du schon von einem Geheimbündniss redest, dann rede nicht davon unter solch öffentlich wirksamen Bedingungen! Und wenn du von diesen Bedingungen reden willst, dann ist es nur töricht von einem Geheimbündnis zu sprechen!"

    Die letzten Sätze galten dem Jüngling und waren nicht nur gedacht dem jungen Flavier Grenzen aufzuzeigen, ihn zurecht zu weisen, sondern vielmehr dafür, damit dieser seinen Platz in diesem Raum und innerhalb der politisch agierenden Familienmitglieder, gut kannte.
    Flavius Furianus würde das Wort haben und daran würde dieser auch niemanden in diesem Raum zweifeln lassen. Die alte Energie schien wieder zurück zu kehren und falls, die Götter mochten ihn davor bewahren, die Krankheit wieder die Oberhand gewinnen würde, so wäre dies sein politisches Ende.
    Er blickte zu seinem Vetter.
    "Mir liegt nichts ferner als unsere Familienehre wieder vollends herzustellen, aber eine Aufhebung der damnatio memoriae ist mir politisch zu gewagt. Wir würden uns in ein fallendes Schwert stürzen, verbünden wir uns öffentlich mit den Aeliern. Nicht, dass ich den Zenit ihrer Machtentfaltung für erreicht erachte, keineswegs, doch dies würde uns Möglichkeiten und Chancen verwehren, wenn der Praefectus Urbi so bald nicht ersetzt wird. Der Jüngling hat es gerade erwähnt, Potitus würde seine latenten Hasstiraden gegen unseren Stand nicht nur erhöhen, er würde sie vor allem auf unsere Familie bündeln. Dies gilt es zu verhindern.", anschließend blickte der Flavier kurz gen Boden, um danach mit festem Blick die Augen seines Vetters zu fixieren.
    "Und eine öffentliche Entschuldigung kann ich nicht mit meinem Stolz vereinbaren. Dies würde bedeuten öffentlich von einem Fehler unserer Ahnen zu sprechen, einem Fehler unseres letzten Kaisers und damit über die Ahnen zu urteilen. Ich maße mir dies nicht an, ich wurde so nicht erzogen."

  • Pisos Erklärung gereichte schlussendlich doch noch dazu, Gracchus' Braue bezüglich der ganzen Angelegenheit empor wandern zu lassen, obgleich er ein wenig brauchte, die Informationen in sein Gedankengebäude einzufügen. Vescularius Salinator war für ihn nicht mehr als ein Name, ebenso wenig greifbar wie etwa Curtius Philo, der Proconsul Gallias, oder Genucius Aventinensis, der Legatus Augusti pro Praetore der Provinz Thracia - sie alle hatte Gracchus bereits im Senat gesehen, erlebt möglicherweise, doch keiner war ihm besonders in Erinnerung geblieben, allfällig auch wieder daraus heraus gefallen. Selbstredend war der Praefectus Urbi - als Amt, nicht als Person gesehen - kein Mann ohne Einflusss, in Abwesenheit des Imperators schlussendlich dessen Stellvertreter in Rom, doch Gracchus hatte bisherig nicht geglaubt, dass Ulpius derart absent war. Mehr noch als die ihm rätselhafte Umtriebigkeit des Vescularius war jedoch das Angebot des Aelius ihm suspekt, war ihm doch schleierhaft, weshalb der Consular ausgerechnet ein Bündnis mit den Flaviern suchte, welchen bisherig er stets wenig freundschaftlich hatte gegenüber gestanden, wenn ohnehin zu erwarten war, dass diese sich gegen den Praefectus Urbi würden stellen, so jener tatsächlich gegen die patrizischen Familien sich würde wenden.
    "Ich stimme Furianus zu, es kann keinen verbor..genen Handel im Zuge einer Aufhebung der damnatio memoriae und öffentli'hen Entschuldigung geben"
    , warf er vollkommen ruhig ein, die Emotionalität seines Vetters ein wenig missbilligend.
    "Ebenso bin auch ich ni'ht bereit, eine Entschuldi..gung im Namen unserer Familie abzugeben. Viel mehr würde es im Zuge der … Aufhebung der damnatio memoriae es einer öffentli'hen Richtigstellung der Historie und vollstän..digen Wiederherstellung der Reputation der flavischen Familie bedürfen! Domitianus war kein schle'hter Kaiser, er war ein überaus beliebter Mann, dessen Popu..larität noch weit über seinen Tod hinaus rei'hte, und der ob dessen von jenen wurde insultiert, wel'he diese Beliebtheit nicht selbst konnten erreichen. Mag sein, dass er seinen Einfluss zu seinem eigenen … Vorteile nutzte, doch welcher Kaiser hat dies ni'ht getan? Sollen auch die Iulier öffentli'h sich entschuldigen bei den Antoniern, da Augustus Marcus Antonius auf dem Gewissen hat? Sollen sie glei'hsam bei unzähligen aristokra..tischen Familien um Vergebung bitten dafür, dass Tiberius sich ni'ht weniger seiner Konkurrenten auf unrecht..mäßige Art und Weise entledigte?"
    Es war nur innerhalb der Familie möglich, solcherart über den sonstig verschwiegenen Imperator zu sprechen, doch innerhalb der Familie gab es ob dessen selten Streitigkeiten, prägte die flavische Erziehung diesbezüglich doch eine gänzlich eigene Historie.
    "Wenn Aelius Quarto ni'hts zu bieten hat denn die Aufhebung einer damnatio memoriae, wel'he ohnehin uns längstens nicht mehr tangiert, zudem nur Forde..rungen stellt, so sehe auch ich keinerlei Notwendigkeit, dieses Bündnis einzugehen, wel'hes uns mehr Schaden bringen wird denn Nutzen. Welche Mögli'hkeiten hat dieser Vescularier ernsthaft? Hat er eine Mehrheit im Senat hinter si'h? Was hat er bisherig getan - davon abgesehen, Piso ein Amt zu verwehren?"
    Eine Angelegenheit, welche zwar bedauerlich war, doch über die üblichen Wege anderweitiger Beziehungen sicherlich besser auszugleichen, als sich gleich gegen den Praefectus Urbi zu wenden und ein Bündnis einzugehen, welches letztlich auch nicht dafür würde Sorge tragen, dass Piso dorthin gelangte, wohin es ihn zog. Die politische Brisanz dieser Thematik wollte Gracchus noch immer nicht ganz einsichtig werden, denn ernsthafte Bedenklichkeiten bezüglich Vescularius wären zweifelsohne auch bis zu ihm hin durchgedrungen, so glaubte er.

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  • Piso hörte sich die Überlegungen des Furianus an und musste ihm innerlich Recht geben. Tatsächlich war Quarto alleine auf weiter Flur. Zwar war Vescularius Salinator unbeliebt, doch nicht so unbeliebt, dass der Hass auf ihn die Senatoren,und schon gar nicht die wichtigsten, einen konnte. Zwar wurde er mit Misstrauen benutzt – doch dies würde niemanden dazu verleiten, alte Angewohnheiten, ausgetretene Pfade, zu verlassen, und sich mit bisherigen Konkurrenten zusammen zu setzen.
    Genau dies musste Piso nun wieder sehen, als Furianus zwar von Vescularius mit Verachtung sprach, jedoch sich nicht so anhörte, als ob er ernsthafte Schritte unternehmen werden wollte, sich diesem miesen Charakter entgegen zu stellen. Vielmehr schien es so, als ob er seine miese Laune nun gleichsam an Gracchus – der es gewagt hatte, einen scherzhaften Kommentar, was Furianus anging, zu machen – und Piso – der die Frechheit besessen hatte, zu versuchen, etwas für die politische Involviertheit der Gens Flavia zu tun – auslassen wollte – an ersterem nur implizit, aber an Letzterem, der ja ganz unten in der flavischen Hackordnung stand, ganz offen und direkt. Als er dazu überging, schwieg Piso stoisch. Furianus hatte da etwas missverstanden, doch er wollte nicht noch mehr Unmut auf sich ziehen, indem er widersprach. Piso schaffte es, den Blick seines Vetters zu entgegnen (eine Aufgabe, die ihm noch immer sehr schwer fiel, obwohl er schon seit Jahren krampfhaft sich angewöhnen wollte, blicken nicht auszuweichen, wie er es jahreland getan hatte). Und dann – Jüngling. Das setzte dem ganzen die Krone auf. Als ob Piso namenlos wäre. Was wäre dann Furianus? Der Ältling? Piso hätte losgelacht, wäre ihm danach gewesen. Wenn er Geheimbund erwähnte, dann meinte er auch Geheimbund. Aber dies würde er erst erklären, wenn Gracchus fertig war mit seiner Rede.
    Er hörte ihm zu und war ziemlich glücklich darüber, dass er nichts zum Trinken zur Hand hatte. Er hätte sich unweigerlich verschluckt. Die damnatio memoria tangierte ihn gar nicht? Sie ließ ihn kalt? Dem Piso zog es die rechte Augenbraue hoch. Dies war eine ungewöhnliche Ansage. Und er hatte irgendwie ein sehr schlechtes Gefühl, diese im Raum stehen zu lassen.
    Er räusperte sich, bevor er sprach. „Ich verstehe eure Einwände, aber ich möchte etwas dazu sagen. Ihr redet, als ob ich schon ganz alleine mit Quarto kontraktiert hätte. Als ob ich euch, gewissermaßen, einen schon geschriebenen Vertrag unter die Nase halte. Das stimmt nicht. Haltet ihr mich für so verwegen, dass ich für die Familie vor Aelius zu sprechen wage? Das tue ich nicht. Worüber wir in der Kanzlei geredet haben, lässt sich so zusammen fassen.“ Er machte eine kurze Pause. „Wir haben über die politische Lage philosophiert, darüber geredet, wie womöglich der alte Konflikt gelöst werden könnte, und ich habe ihn eingeladen auf eine cena hier in der Villa.“ Er atmete aus. „Nichts mehr. Was ich im Prinzip getan habe, ist, eine Gesprächsbasis mit dem Aelier aufgemacht zu haben. Mit jener cena. Es muss gar nichts passieren, außer, dass Aelius in den Genuss der Kochkünste von unserem Koch kommt.“ Er blickte die beiden an. „Wieviele andere Möglichkeiten würdet ihr, Lucius Furianus, Manius Gracchus, sonst noch haben, mit Aelius Quarto hier, ungehört, geschützt, reden zu können? War eine Unterredung nicht immer euer Wunsch?“ Piso atmete tief ein. „Lasst mich Quarto einladen. Wenn nichts dabei heraus kommt, auch gut. Auf jeden Fall würde das euch die Gelegenheit bieten, mit ihm zu reden. Und dabei vielleicht etwas Konstruktives zu erreichen.“
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Was ich gesagt habe von verborgenen Händel, war nur eine Möglichkeit, die ich mit Aelius diskutiert habe. Wie auch die Aufhebung der damnatio memoriae. Er hat sie nur in Aussicht gestellt. Nicht als fixes Angebot präsentiert. Und zudem wäre es, wenn eine Einigung in der Richtung erzielt werden würde, natürlich so, dass man mit der Offenlegung eines solchen Handels wartet, bis das Ziel eines solchen Bündnisses erreicht werden würde.“ Und er wandte sich an Gracchus. „Apropos, Aelius Quarto war ziemlich explizit, was die Entschuldigung angehen würde – die leidige Sache mit Domitia Longina.“ Piso würde hoffentlich nicht ausführen müssen, was mit Longina, Laemia und Domitianus geschehen war. Jedes Kind kannte die Geschichte. „Und, Manius Gracchus... mich tangiert die damnatio memoriae. Ich fühle mich schuldig, dass ich, wenn ich mich ansehe, jemanden sehe, der es bisher zulassen hatte, dass seine Ahnen durch den Schmutz gezogen werden.“, setzte er leiser, bedrückter, hinten nach.

  • Der Senator ließ seinen Blick auf seinem Vetter ruhen, bis dieser schließlich geendet hatte. Was der junge Piso sagte, war ihm relativ gleichgültig, so dass er es sich auch anmerken, indem er einfach in seinen Becher nachdenkend blickte. Die beiden Senatoren schienen einer Meinung. Was Piso anbelangte, so zählte dessen Meinung in den Augen des Flavius Furianus keinen Deut. Er war nicht derjenige, der in diesem Raum die Familienpolitik bestritt - und so würde es auch die nächsten Jahre bleiben, solange nicht sämtliche männliche Flavier auf ominöse Art und Weise um´s Leben kommen sollten.
    Leicht massierte er sich den Nasenrücken, kniff die Augen zusammen und ergriff darauf hin das Wort an seinen Vetter gewandt.


    "Ich würde es mehr begrüßen, wenn die gens Flavia bis zum Ende dieser Konstellation neutral bleibt. Mir liegt nichts ferner, als diesen Novus zu dem neuen Kaiser zu proklamieren, aber politisch wäre es von Vorteil so lange wie nur möglich neutral zu bleiben und sich dann binnen Augenblicken vor der eigentlichen Schlacht für eine Seite zu entscheiden. Das erspart uns viel Arbeit und macht uns für beide Seiten attaktiver.
    Wenn ich die derzeitige Konstellation beurteilen würde, dann sähe ich bisweilen keinen ernsthaften Grund zur Sorge. Die Abneigung des Preafectus Urbi unserem Stand gegenüber ist zwar präsent, aber sie tangiert mich bis heute nicht in geringstem Maße - schließlich sind wir von diesem nicht abhängig. Jedoch besteht die Gefahr und wird stets größer, schließlich kann der Novus sehr leicht den Staatsapparat untergraben, da er de facto die Macht in seinen Händen hält. Die Beamten sind, wie wir wissen, als ehemalige Sklaven, sowieso nicht die loyalsten und drehen sich auch gerne nach dem Wind. Oder nach den Sesterzen.
    Eine Mehrheit im Senat hat dieser Potitus meiner Meinung nach noch nicht. Er bandelt jedoch, dies habe ich durch Nachforschungen erfahren, mit den Germanicern an. Diese werden auch direkt von ihm Begünstigt, wie ich meine. Wenn er noch weiterhin gegen uns, also unseren Stand hetzt, könnte er mir aber recht bald ein Dorn im Auge sein. Das muss ich zugeben. Man darf die allgemeine Stimmung im Senat nicht verharmlosen. Aus einem Wortgefecht kann leicht die alte Konstellation der Boni und Popularen entstehen und so etwas wäre unser Tod."


    Leicht fuhr sich der Flavier mit dem Zeigefinger über die rechte Augenbraue und nahm einen Schluck, um seine Erläuterung wieder aufzunehmen.


    "In meinen Augen hat Quarto uns jedoch gewiss was zu bieten, wenn wir mit ihm jetzt paktieren. Dies sollte jedoch unter keinen Umständen öffentlich passieren durch irgend welche Aufhebungen alter Unrechtmäßigkeiten.", damit war sein Standpunkt klar und da dieser sich mit dem seines Vetters schnitt, war der junge Flavius, welcher das Arrangement zur Sprache brachte, wohl überstimmt.
    "Ich weiß nicht so recht, ob du, Vetter, gedenkst die nächste Amtsperiode zu kandidieren, aber ich muss sagen, dass ich damit liebäugele. Und ich weiß, dass wenn dies bekannt wird, ich massiven Gegenwind aus einer gewissen Fraktion erhalten werde.
    So denke ich, wäre es von Vorteil, wenn Aelius Quarto mit mir kandidiert, falls dies in den nächsten Monaten noch zur Disposition steht.
    Außerdem würde ich verlangen, dass er sich von den Germanici distanziert. Wir müssen eine klar Linie bilden."

  • Je weiter das Gespräch voran schritt, desto mehr beschlich Gracchus das Gefühl, dass er nur den Ort seines Exils aus Achaia hatte nach Rom verlegt, dass er noch immer in einem Kokon war gefangen, dessen Membran undurchdringlich für weitreichende, offensichtliche Ereignisse war. Selbstredend hatte er Sciurus ausgeschickt, die derzeitige Situation zu ermitteln, Konstellationen ausfindig und ein Bild über die politische Gesamtlage des Imperium sich zu machen, und obgleich er sich dessen war sicher, dass der Vilicus all dies hatte getan, dass er - allfällig sogar täglich - ihm dies in komprimierter Form präsentierte, so konnte er doch nicht sich dessen entsinnen, wie die derzeitige Situation, die Konstellationen und die politische Gesamtlage des Imperium war - insbesondere schienen ihm die Schilderungen seiner Vettern ein Bild zu präsentieren, dass Rom - obgleich keine akute Gefahr bestand und auch noch nichts war geschehen - in einem instabilen Zustand innerpolitischen Chaos war gefangen, gar unausweichlichen vor einem Machtwechsel stand, dass bereits die Kontrahenten ihre Würfel hatten gesammelt und ihre Becher in Händen hielten, nurmehr darauf warteten, sie zu werfen und zu sehen, wer nicht nur die meisten Würfel, sondern gleichsam die höchste Zahl an Augen konnte vorweisen. Selbst wenn diese Umbrüche nicht publik stattfanden, selbst wenn Absprachen zwischen wenigen Männern hinter geschlossenen Türen wurden getroffen, hätte solcherlei gewichtiges Umtreiben nicht irgendwie in seine Aufmerksamkeit geraten, hätte nicht wenigstens eine Ahnung er ob dererlei in sich verspüren müssen? So sehr der Zukunft Roms, dem Wohle des Imperium Romanum stets seine Sorge hatte gegolten, desto nebensächlicher wurde dies in diesem Augenblicke der Erkenntnis. Was mochte noch alles ihm verlustig gehen, wessen mochte er noch alles nicht sich entsinnen, was mochte vor seinen Augen geschehen, ohne dass er es sah, wessen konnte er überhaupt noch sich sicher sein?
    "Ich werde ni'ht kandidieren ..."
    , warf er ein wenig abwesend ein, sprach gleichsam nicht nur von der kommenden Amtsperiode, sondern von jeder folgenden danach, ohne überhaupt sich dessen sicher zu sein, ob Furianus' Frage ihm hatte gegolten oder aber Piso, für welchen die Zeit durchaus wäre reif, den Weg des Cursus Honorum zu beschreiten. Gedankenversunken zog er die Unterlippe zwischen die Zähne und biss darauf herum, ehedem er den Blick zu Furianus hob.
    "Ist es wirkli'h so viel besser, Aelius Quarto die Macht in die Hände zu spielen? Er war immerhin bereits mehrmals Consul."
    Aelius Quarto - was wussten sie über diesem Mann schon? Ein Mann, welcher eine politisch motivierte Tat zum Vorwand nahm, Jahrzehnte danach noch gegen - damalig völlig unbeteiligte - Mitglieder dieser Familie zu taktieren, welcher jeden Vorschlag - gleich welcher Güte - nur ob dessen stets abzuschmettern suchte, da er aus dem Munde eines Flaviers war gekommen. Oder hatte er diesbezüglich ebenfalls ein falsches Bild, geprägt durch die eigene Sichtweise, allfällig gar durch Vergessen und kognitivem Verlust? Vor einem endgültigen Urteil würde Gracchus seine Gemahlin befragen müssen, so irgendjemand einen Überblick hatte, dem er blind die Zukunft seiner Familie würde anvertrauen, so war dies unbezweifelt Antonia. Ohnehin, wenn ein solches Bündnis langfristig sollte Gewicht haben, würde es zudem durch eine Ehe zu besiegeln sein müssen, denn nichts sonst konnte eine echte Garantie geben, allerdings wäre auch dies ein öffentliches Bekenntnis. Nachdenklich wanderte Gracchus' Blick zu Piso hin, in dieser Runde der einzige Kandidat, solcherlei Garant zu bieten - würde Gracchus seinen Sohn doch niemals für eine Aelia hergeben - gleichsam er dies nicht aussprach, war es für solcherlei Überlegungen doch in jedem Falle viel zu früh - zumindest glaubte er dies, obgleich er auch daran Zweifel hegte.

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  • So wie das Gespräch voranschritt, hatte Piso mehr und mehr das Gefühl, als ob es nun darin bestehen würde, dass Furianus Gracchus mit einem Schwall an Worten übergießen würde, wobei Gracchus nur lapidar hie und da Antworten gab und Piso lediglich einen Beobachterstatus hatte. Und das nur widerwillig, weil Piso jetzt schon hier war und es nicht zum guten Ton gehören würde, ihn wie einen Sklaven aus dem Zimmer zu schicken.
    Furianus war außerordentlich begabt darin, alles, was Piso sagte, zu ignorieren, und stattdessen seine eigenen Vermutungen zu verkünden. Piso blickte nicht sehr amüsiert zu seinem Neff... Vetter hin. War er ein Sklave, oder ein unmündiges Kind, dass seine Meinung so wenig zählte?
    Er seufzte und legte sich jetzt doch noch auf der Kline hin, wo er bisher nur gesessen, nicht jedoch gelegen hatte. Ein Satz erregte seine Aufmerksamkeit. „Das muss ich zugeben.“, sagte Furianus. Zugeben wem gegenüber? Wohl ihm selber. Gerade wollte Piso sich freuen, als sich eine Stimme in seinem Gehirn meldete. Wieso, Aulus, fragte sie, bist du froh über einen winzigen Krumen, der dir zufliegt? Und das stimmte ja auch. Was er bisher geleistet hatte, wurde zertreten und ausgelacht. Seine Bemühungen wurden belächelt, und machte er einmal etwas, um Schwung in die flavische Politik zu bringen, wurde er beschimpft. War dies wirklich Familienzusammenhalt?
    Er senkte seinen Blick, als ob er etwas am Boden suchte, in Wirklichkeit drückte der Frust seinen Nacken nach unten. Er erhob jedoch wieder seinen Blick, als Furianus urplötzlich einen Pakt mit Quarto aufs Tapet brachte. Als ob dies seine Idee gewesen wäre. Und nicht die seines Onk... Vetters.
    Erstaunt nur blickte er jenen an. Er wollte mit Aelius Quarto kandidieren? Er, der nicht Consul hatte werden wollen mit seinem Freund Durus?
    Er wartete brav das ab, was Gracchus sagte, und holte schon Luft, um zum Reden anzusetzen, da bemerkte er etwas. Den Blick des Gracchus, der auf ihm ruhte. Piso wandte seinem Kopf zu ihm hin und blickte zurück, mit einem leicht fragenden Gesichtsausdruck, sich allerdings mit Mühe eine direkte Frage, was den los wäre, verkneifend.
    Wie dem auch sei, Piso stellte seine Beobachtungen in den Raum. „Wenn du mich gemeint hast – ich kandidiere bei der nächsten Wahl. Ich sollte bis dahin den ordo senatrius haben, der mir bisher fehlte. Und zwar würde ich vor allem die Position der Tresviri capitalis interessant finden.“ Er blickte nun auf Furianus, genau so, wie er auf Gracchus gerade geblickt hatte. „Aber... eine Frage habe ich. Wieso willst du mit Quarto kandidieren, wo du doch nicht mit Tiberius Durus kandidiert hast?“, fragte er, ganz vorsichtig, als ob er mit einem Amokläufer verhandeln würde.
    Zu Gracchus wieder gewandt, legte er diesem seine unbedeutende Meinung vor. „Ich vertraue Aelius. Und es ist nicht so, als ob ich selber nicht den einen oder anderen guten Draht zu den Aeliern hätte.“, meinte er mit einem feinen Lächeln. „Er hat keinen krampfhaften Hass auf unseren Stand. Man kann ernsthaft mit ihm reden. Und... hast du nicht einst mir anvertraut, dass du ihn nicht als Feind sehen willst? Ich finde, er wäre als Freund nützlich. Aus diesem Grund denke ich, man sollte ihn einmal einladen in die Villa Flavia.“ Wiederholte er sich nicht? Nun, beim ersten Mal war er ignoriert worden. Er wendete seinen Kopf schnell zu Furianus hin. „Was denkst du?“ Er war mittlerweile schon an jenem Punkt angelangt, wo er die Entscheidung einfach an seine beiden Vetter devolvierte. Seine Stimme war sowieso nur, wie es schien, nicht einmal ein Zehntel wert von denen eines Gracchus oder Furianus. Er konnte höchstens als Zünglein an der Waage fungieren.

  • Erneut gereichten Pisos Worte dazu, Gracchus in Erstaunen zu versetzen, schien seine Frage doch zu implizieren, dass Furianus ein entsprechendes Angebot Durus' mit ihm gemeinsam zur Wahl des Konsulates anzutreten hatte ausgeschlagen, obgleich er diese Entscheidung durchaus würde nachvollziehen können, bot die doppelte Besetzung der obersten Magistratur mit Patriziern doch durchaus Gründe, den Unmut der homines novi zu schüren, die - unabhängig davon, ob dies gerechtfertigt war oder nicht - gerne lautstark lamentierten, sofern sie einen gefühlten Vorteil des patrizische Standes auch nur in weiter Ferne erblickten, und somit leicht bei jeder gemeinsamen Entscheidung der Konsulen hätten in Aufruhr geraten können.
    "Viele Männer mö'hte ich nicht als meine Feinde sehen, gleichsam ob dessen darob nicht glei'h als Freunde"
    , gab er Piso zur Antwort, noch immer nicht von dessen Enthusiasmus überzeugt, waren doch die Ressentiments der ihm vorangegangenen Generation gegen jene Familie noch zu präsent, hatte er selbst Aelius Quarto doch stets nur überaus reserviert, wenn nicht gar ablehnend den Flaviern gegenüber erlebt. Indes musste er ebenso sich eingestehen, bezüglich einer Einschätzung der derzeitigen Lage überfordert zu sein, gleichsam Piso von ihnen allen derzeit allfällig noch am besten hinsichtlich des Geschehens informiert war, glänzten doch weder Furianus noch Gracchus mit ihrer Anwesenheit im Senat - wie auch derartige Dinge ohnehin nicht offen in der Curia Iulia wurden besprochen -, gleichsam er durch sein Amt im Palast an einer der Quellen bezüglich der Machtstrukturen des Imperium Romanum saß. Während seine Vettern nun beide auf den Klinen lagen, saß Gracchus noch immer, den Körper in gleicher Anspannung wie sein Geist, suchte all das bisher Gesagte für sich einzuordnen und zu bewerten, dabei von der Spannung, dem Machtspiel zwischen Furianus und Piso kaum nur Notiz nehmend - weder Lautstärke, Nachdrücklichkeit, noch Emotionalität einer Rede konnten ihn beeindrucken - es sei denn dies stammte aus dem Munde einer Frau und war mit Tränen verbunden, denn solcherlei stand er wie so viele Männer regelrecht machtlos gegenüber.
    "Nun, wenn du ihm vertraust, bin ich mit einer Einladung einver..standen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass dies ein gänzli'h zwangloses Gespräch bleibt, ohne Zugeständnisse, und niemand dabei Aussagen im Namen der Flavia trifft, wel'he zuvor nicht akkordiert wurden, denn wenn eines dem Aelius wie jedem anderen zum Vorteile gerei'ht, so wäre dies Uneinig..keit innerhalb unseres Familienzweiges."
    Familienpolitik war Gracchus stets ein Gräuel gewesen, vorwiegend ob dessen, da er selbst zumeist nur als Figur über das Spielbrett des Lebens war geschoben worden, doch war es nun nichtmehr nur seine Person, welche würde bewegt werden, sondern gleichsam die seiner Gemahlin und insbesondere die seines Sohnes - was er niemandem würde unbedarft überlassen.

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  • Das Gespräch schien in eine Richtung abzudriften, die nun gar nicht nach des Flaviers Geschmacke war. Flavius Furianus räusperte sich.


    "Politik, junger Flavius, Politik.", entgegnete er Piso und nahm einen Schluck aus seinem Becher.
    "Was glaubst du wie viele Männer, die lautstark propagieren dem Plebs zugerichtet zu sein, uns wie Heuschrecken überfallen hätten. Eine politische Allianz zwischen meinem guten Freund Durus und mir wäre unser beider politischer Tod. Wir sind uns zu ähnlich, recht gleich, man wäre über uns wie Heuschrecken auf ein Weizenfeld hergefallen. Darum vermied ich dies.
    Mit Aelius Quarto zu koallieren würde eine ganz andere Situation hervor bringen. Er ist gemäßigter, volksnäher und zudem noch immer der Bruder des Kaisers. Man würde sich hüten unsere Allianz nicht zu wählen. Ich will nicht sagen, dass er mein Zugpferd spielen sollte, doch ich möchte mich auf jeden Fall absichern."
    , erläuterte er weiter und machte eine wegwerfende Handbewegung: "Aber dies soll nicht unsere einzige Forderung darstellen. Vergesse nicht, Vetter, dass Aelius Quartos Stimme Gewicht in den Gehörgängen des kaiserlichen Apparates, gar dem Kaiser selbst, haben sollte.", nun wandte er sich Gracchus zu.
    "Einen Flavius als Rex Sacrorum zu sehen wäre eine unvergleichliche Ehre, möchte ich meinen. Ich hoffe, Vetter, deine dahin gehenden Ambitionen sind noch vorhanden?"
    Politik, besonders die latente, die verborgene, war stets das Verlockendste. Ein solches Bündniss hätte eine Tragweite, die durchaus zu solchen Forderungen berechtigen würde und ein Flavius Furianus hätte auch niemals Skupel diese laut auszusprechen. Nein, er arbeitete sogar darauf hinaus, wenn es denn nicht anders möglich war.
    "Ihr seht, wir haben durchaus Möglichkeiten und Wege uns für solch ein Bündniss zu begeistern.", erklärte er dann mit einem leichten Lächeln und wandte sich an Piso: "Und besonders du, der die nächste politische Generation wird einläuten müssen."
    Ein einfacher Satz, der doch zum Ritterschlag führte. Damit machte der Flavier unumwunden klar, wo er die Zukunft sah, auch wenn sie noch ein wenig von der musischen hin zur politischen Bahn gelenkt werden musste. Diese ganze Geschichte mit der Lyra und nun dem neuen Hirngespinnst der Dichtung, das alles war ihm noch zu unsicher.

  • Es war nun ein wenig spannend, die Reaktion der beiden abzuwarten. Gracchus schien kurz zu überlegen, bevor er zu einer Entscheidung kam. Auch wenn er nicht unbedingt Aelius als Freund sehen musste – man sollte ihm eine Einladung zukommen lassen. Piso fiel ein Stein vom Herzen. Furianus schien überstimmt – und auch er war scheinends zufrieden damit, wie Pisos Frage ausgegangen war. Zuvor ließ er es sich aber wohl nicht nehmen, Piso etwas über Politik zu erklären.
    Piso hörte zu – und nickte. „Ich verstehe. Du hast Recht.“, gestand er. Auch wenn er von Natur aus ein Besserwisser war, waren Furianus‘ Argumente glasklar. „Außerdem bedeutet ein Jahr des Consulats von Tiberius Durus, und ein nachfolgendes Jahr deines Consulats, dass zwei Jahre lang wir, die patrizischen gentes, am Ruder sind, nicht nur ein einziges.“, drückte er es einmal salopp aus. Viel zu wenige Patrizier wurden diese Tage Consuln! Deshalb war auch Piso höchst glücklich, dass Furianus noch einmal den Stier an den Hörnern packen wollte. Dieser Mann würde es allen zeigen, da war er sich sicher, dachte er sich, seine Bewunderung für Furianus wieder in ihm rasant aufsteigen fühlend. „Aelius Quarto ist populär, und zieht sicher die Wählerschaft an, die dir fehlen mag.“ Ihm fiel eines auf: Furianus nannte ihn nun Vetter. Er nannte sogar seinen Namen. Vielleicht war dies endlich das Ende der Zeit der Bezeichnung als Jüngling.
    Stolz darüber, dass er wohl seine Bitte an den beiden vorbeigebracht hatte, blickte er in die Runde. „Dann werde ich alsbald Aelius Quarto eine allgemein gehaltene Einladung schreiben, wie ausgemacht.“ Hoffentlich traute ihm Furianus noch zu, dies zu machen, ohne die politischen Ziele der Flavier zu ruinieren.
    Und mitten in diese Satisfaktion trat ein Paukenschlag. Furianus, der ihm offiziell zur Zukunftshoffnung der Flavier machte.
    Vor Überraschung wäre Piso fast hintüber von der Kline gefallen, direkt in das eiskalte Wasser des impluviums hinein. Er war gerade zum Kronprinzen ernannt worden! Diese Erkenntnis war so unglaublich, dass er hastig zu einem Becher Wein griff und fast krampfhaft einen überproportional großen Schluck hinuntergurgelte, seinen Kopf nach hinten neigend, sodass hinter seiner Hand und dem Becher Furianus nicht seinen ganz ordentlich blöden Gesichtsausdruck sehen konnte.
    Er setzte den Becher ab und blickte zu Furianus hin, noch immer etwas ungläubig, aber glücklich. „Und dies werde ich auch machen.“ Ein Lächeln fiel auf Furianus, der in Pisos Anerkennung nun eine so hohe Stellung erreicht hatte wie noch nie, fast wie ein unerreichbares Idol. Und in diesem Moment wurde ihm klar, wie sehr er sich nach Furianus‘ Anerkennung sehnte. Dies war schon eine solche gewesen. Auf jeden Fall eine viel größere, als sein Vater sie ihm jemals vermittelt hatte. Er hatte immer wollen, dass sein Vater stolz auf ihn sein würde. Jetzt, wo er des Aetius als Vaterfigur verlustig gegangen war, füllte sein Unterbewusstsein diese Rolle mit seinem Vetter vor ihm auf, wiewohl jener vielleicht ein Spürchen zu jung war, um sein Vater zu sein.
    Er räusperte sich diskret und leerte seinen Becher, bevor er sich an Gracchus wandte. „Ich muss Lucius Furianus recht geben. Du als Rex Sacrorum wärst in einer idealen Position. Oder auch als Flamen Dialis. Vor allem, sofern du eine weitere politische Karriere in nächster Zeit nicht anstrebst.“ In nächster Zeit war ein Euphemismus für gar nicht mehr, denn dies vermutete Piso irgendwie.

  • Die Aussicht, Aelius Quarto ob eines Consulates mit Furianus wegen zu einer vierten Amtszeit zu bewegen, mochte Gracchus auch mit dem Beigeschmack, dass dadurch sein Neffe an Macht würde gewinnen, nicht recht gefallen. Im Zuge der Familienpolitik indes würde er - selbst dann wenn er dem ganzen seine Unterstützung würde verweigern - jedoch weder dagegen agieren, noch öffentlich dagegen argumentieren. Gleichsam schien Furianus bezüglich des Bündnisses nun doch seine Auffassung gewandelt zu haben, schien er selbst doch nicht mehr nur nicht abgeneigt, sondern geradezu begeistert. Noch ehedem die Verwunderung darüber Gracchus recht konnte bewusst werden, warf sein Vetter, welcher eigentlich sein Neffe war, darüberhinaus auch noch seinen Namen samt seines stagnierenden öffentlichen Vorankommens in die Runde, was ihn dazu bewegte, die linke Braue empor zu heben, durchaus überrumpelt von solcherlei Ambitionen, welchen Piso im Anschluss gleichwohl beipflichtete. Selbstredend war eines der oberen Ämter des Collegiums stets Gracchus' Ziel gewesen, mehr noch als selbst das Amt des Consuls zu besetzen, wiewohl er schon als Knabe davon hatte geträumt, eines Tages der oberste Priester des Iupiter sein zu dürfen. Doch selbst so der längstens jenseits jeglichen gesunden Alters weilende und ohnehin ständig kränklich wirkende Flamen Dialis den Weg für einen Jüngeren würde frei machen, selbst so das Collegium würde gewillt sein über Gracchus' Makel hinwegzusehen, selbst da keine Frau wäre geeigneter, das Amt der Flaminica Dialis auszufüllen denn die untadeligste aller - seine Gemahlin Antonia -, so würde doch Gracchus dieserzeiten ein solches Angebot ablehnen im Gedanken an seinen Sohn, welchen er nicht noch einmal wollte alleine lassen - und sei es nur, um ein Haus am Forum Romanum zu beziehen. Das Amt des Rex Sacrorum indes würde keinerlei solcher Auflagen mit sich bringen, gleichwohl wie auch jenes nicht zur Verfügung stand.
    "Menenius Lanatus erfüllt sein Amt ohne Beanstandung und erfreut si'h darüber hinaus bester Gesundheit"
    , stellte er darob den primärsten Hinderungsgrund heraus.
    "Und selbst so es anders sollte sein - ich verfüge derzeit kaum über die notwen..digen Voraussetzungen, dies Amt gebührend auszufüllen."

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  • Schlussendlich schien man seinen Ausführungen folgen zu können, befand der Flavier.
    Eigentlich, wenn man nur näher hinzusehen vermochte, hatte die Gens Flavia von einem Aelius Quarto sicherlich genug zu fordern - aber ob ein Aelius Quarto die Gens Flavia unbedingt brauchte, das war dahin gestellt. Jedenfalls sah es Lucius Flavius Furianus nicht anders, als unter den günstigsten Umständen - den günstigsten für ihn.
    Eine Allianz mit Quarto, ein darauf aufbauendes Consulat und eine etwaige Berufung seines Vetters, der eigentlich sein Onkel war, würde einen weiten Sprung auf der Leiter des patrizischen Stolzes bedeuten. Mehr Macht war damit ebenfalls einher gehend, so dass dies insbesondere für Furianus ein großer Anreiz war.


    "Aber wir können es heute Abend ruhig bei etwaigen Andeutungen belassen. Nichts Konkretes. Das kann man immer noch, vertraulich, bei einem Besuch in der aelischen Residenz vollziehen - natürlich nach eingehender Beratung.", sagte er schlussendlich aus seinen Gedanken gerissen. Außerdem war er, soweit er sich erinnern konnte, noch niemals in den privaten Gemächern der Aelier umher gewandert. Das sollte man ändern, wenn man schon einen politischen Bund schloss.


    Auf die Argumente seines Vetters, der eigentlich sein Onkel war (und damit meinte er ausschließlich den namnes Gracchus), erwiderte der Flavier nur ein nichtssagendes Nicken, befand aber einige Herzschläge später, dass dies durchaus wert war ausgeführt zu werden.


    "Der Götter Wille ist unergründlich, lieber Vetter. Sieh nur mich an, vor jüngst zwei Jahren war ich noch vollauf gesund und nun leide ich wie ein Gebrechlicher."
    Außerdem hatte die römische Gesellschaft weitaus hinreichende Erfahrungen mit Mitteln und Wegen gesammelt etwaige Konkurenten still udn heimlich aus dem Weg zu schaffen. Auch ein Furianus schreckte vor solcherlei niemals zurück.
    "Ob du oder sonstwer das Amt gebührend auszufüllen vermag, nun, dies kann man differenzierter betrachten. Und deine Ansicht mag Rom nicht teilen, Vetter. Wenn es dich braucht, du für der Götter Sprachohr befunden wirst, so wirst du dies mit Demut tragen, wie wir alle. Die Frage nach Besten stellt sich hierbei nicht."
    Und wenn er Gracchus dazu zwang. Aber dies vermied er zu sagen.
    Ein wenig stur schien der Vetter schon zu sein. Man schubste ihn und das einzige, was man nur erwarten konnte, war ein Schritt in die richtige Richtung. Doch eines sturen Esels gleich, bewegte sich ein Flavius Gracchus in keinerlei Himmelsrichtung. Und einen Flavius Furianus, der oft mit dem Wind ging, störte dies ungemein.

  • Gracchus glaubte bereits, das Thema seine Karriere betreffend hätte sich derart glimpflich für ihn erledigt, doch setzte Furianus - nicht unerwartet indes - noch einmal nach. Die Worte jedoch, welche er wählte, ließen Gracchus auflachen - freudlos allfällig, doch in einer offenen Art, wie er sich kaum je außerhalb der Villa dies gestattete und die darob durchaus einen gewissen Seltenheitswert besaß.
    "Wer mich derzeit zum Sprachrohr der Götter auserkürt, werter Vetter, der hat ni'hts anderes mehr im Sinne als den Untergang Roms - und wenn ein Kriterium existiert, einer Pflicht nicht nachzu..kommen, so muss dies das Wohl des Imperium Romanum sein, in diesem Falle noch vor jenem der Familie, denn ohne ersteres wird auch letztere ni'ht wohlbehalten existieren."
    Es drängte Gracchus danach, bei diesen Worten es zu belassen, doch er wusste sehr genau, dass Furianus nicht würde locker lassen, ehedem er nicht schlagkräftige Gegenargumente würde vernommen haben, gegenteilig andernfalls allfällig würde beginnen, im Hintergrund seine Fäden zu spinnen, was unausweichlich zu einer Katastrophe würde führen.
    "Du weißt, die Sprache des Cultus Deorum fordert syntak..tische, wie semantische Genauigkeit, juristisch korrekte Form, wie wohldefinierte Formeln, glei'hwohl die kultische Tat invariablen Regeln folgt. Mag ein Pontifex allzu gewissenhafter Akkuratesse entgehen können, indem sich seiner Ca..latores er bedient, Liktores, Popae und sonstiger Opferhelfer, um die Tat auszuführen, sowie Herolden, um die Formeln zu rezitieren, die archaischen Texte zu lesen - do'h der Rex Sacrorum ist nicht simpler Pontifex. Seine Pflicht ist weitaus essentieller, weitaus bedeutsamer, ihm gelten andere, strengere und viel ältere Regeln, sein Wirken folgt während vieler Riten uralten, unabänderli'hen Definitionen, wohl würde ich so weit gehen zu behaupten, dass der Rex Sacrorum dasjenige aller höheren kultischen Ämter ausfüllt, welchem die meiste persönli'h auszuführende Handlung zufällt."
    Gerade aus diesem Grunde war es eines der unpopulären Ämter, nicht gar so unpopulär wie das des Flamen Dialis, welches zudem noch zahlreiche Einschränkungen mit sich brachte, doch unbezweifelt lästig, so ein Mann sich lieber auf sein politisches Vorankommen konzentrierte. Für Gracchus indes schien es gerade ob dessen geradezu reizvoll - wären die Gegebenheiten andere.
    "Mögen auch die mir verlustig gehenden Bu'hstaben weniger werden, und Rom und die Götter gewillt sein, darüber hinweg zu hören, würde ich jede Handlung mit besonders großem Beda'ht ausführen, Missgriffe zu verhindern, so bleibt doch ... nun ..."
    Er wandte seinen Blick auf die Tischplatte hin, denn selbst vor seinen Vettern beschämte ihn dieser Makel, welcher sonstig sich so gut verbergen ließ, dass bisherig einzig Antonia darum wusste und dies nur daher, weil er selbst es ihr hatte gestanden.
    "Ich ... ich vermag nicht mehr, einen Text zu lesen. Ni'ht laut, nicht leise. Einzelne Worte, einen kurzen Satz - doch in Akkumulation entgleitet mir jedes Kon..strukt, zerfällt sein Inhalt zu sinnfreiem Gewirr. Es stellt sich also nicht die Frage, einer Pfli'ht mit Demut nachzukommen, Vetter, nicht einmal die nach persönli'hem Begehr."
    Dass ausgerechnet Furianus ihm implizit fehlendes Pflichtbewusstsein unterstellte, fasste Gracchus insgeheim als persönliche Beleidigung auf, doch war er geneigt, darüber hinweg zu sehen, gerade weil es Furianus war.
    "Sondern einzig die Pflicht, das Wohl der Familie zu hüten, wel'hem es kaum wäre dienlich, wenn diese Tatsache an die Öffentlich..keit würde gelangen, was in Verbindung mit einem der obersten Priesterämter wäre unvermeidbar, wenn nicht Pfli'htvergessenheit und Verantwortungslo..sigkeit als Ausflucht versäumter Obliegenheiten sollten gelten, was glei'hwohl ebenso wenig dem familiären Ansehen wäre dienlich."
    Wiewohl beides das irreversible Ende seiner politischen Karriere würde festsetzen, welcher andernfalls noch immer ein Funke Hoffnung blieb, eines späteren Tages voranzuschreiten. Ob der zahlreichen Worte griff Gracchus nun doch nach dem Becher verdünnten Weines, nicht nur die Trockenheit in seiner Kehle hinab zu spülen, sondern gleichsam den bitteren Nachgeschmack des Ausgesprochenen.

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