Domus Aeliana - Cubiculum Archias

  • Caius sah Axilla einen Moment an, zuckte aber dann mit den Schultern. War ja irre, wie lange sich so eine Seekrankheit hielt. Iuppiter sei Dank war das bei ihm nach drei Tagen erledigt gewesen. Trotzdem nahm er ein bunt bemaltes Schälchen, dessen Inhalt er Axilla aufdrängen wollte.
    »Sicher? Hab auch an Oliven gedacht«, versuchte er, ihr selbige schmackhaft zu machen. Während er die Schale schwenkte, rollten die Oliven darin leicht hin und her. Er stellte sie kurzerhand vor Axilla aufs Bett und besah sich dann die Krümel, die er auf dem durchschwitzten Laken hinterlassen hatte. Egal, er musste ja nicht sauer machen.


    Caius grinste kurz, als Axilla sich an ihn schmiegte. Irgendwie waren sie ja schon beide kaputt. Er verlobt, Axilla solo, und beide konnten sie nicht die Finger vom anderen lassen. Er versuchte, nicht daran zu denken.
    »Die kommt nur auf Bestellung. Hier wohnen ja keine Mädels, und bei uns ist das einfach. Kämmen und fertig. Mit dem Barbier kannst du vermutlich weniger anfangen. Obwohl...wär mal interessant zu sehen, wie das ausschaut«, meinte er und zog Axilla sachte an den langen Haaren.
    »Aber nen Kamm kann ich die schon organisieren. Kamm und Kleid. Sonst noch was?« fragte er, nicht aus Zuvorkommenheit, sondern weil er nicht zweimal laufen wollte.

  • Er schwenkte die Oliven so direkt unter ihrer Nase, und der Heißhunger auf diese kleinen Dinger kam wieder. Axilla schaute zwar einmal streng zu Archias rüber, dann aber nahm sie doch eine mit einem Grinsen im Gesicht. Er konnte ja so süß sein, wenn er wollte. Sie sah ihn einen Augenblick lang an und war sich selber nicht so ganz im klaren, was sie eigentlich dachte und wollte. Sie schnappte sich noch eine weitere Olive und auch ein bisschen Brot. Wenn man einmal mit Essen angefangen hatte, ging es irgendwie leichter.


    Zum Thema Barbier zog Axilla gespielt kritisch eine Augenbraue nach oben. “Achja? Ich weiß nicht, ich mag meine langen Haare. Aber wenn du meinst, dass mir ein Männerschnitt stehen würde...“ So leidenschaftlich, wie er ihr vor nichtmal einer Stunde mit den Händen in die Haare gefahren war, konnte Axilla sich nicht vorstellen, dass er es wirklich mögen würde, wenn sie sie sich ganz kurz abschneiden würde. Also ärgerte sie ihn ein wenig.
    “Naja, vielleicht sollte ich mich auch waschen. Hast du hier irgendwo einen Waschtisch oder so?“ Ihr Blick glitt über das Chaos, aber irgendwelche Waschutensilien konnte sie nicht ausmachen. “Ist zwar nicht ganz so dringen, aber... naja...“
    Im Moment roch Axillas Haut noch nach Liebe und Archias. Sie fand den Geruch herrlich, aber man musste sich ja nicht auf diese Art und Weise verraten. Und bevor sie den Senator treffen würde, sollte sie vielleicht lieber nach Wasser und Seife duften als nach frühmorgentlicher Bettgymnastik.

  • Caius maß sie mit einem skeptischen Blick, schüttelte dann aber doch den Kopf.
    »Na, das ist schon in Ordnung so«, bemerkte er und nickte. Mit langen Haaren gefiel sie ihm besser als sie das mit kurzen Haaren tun würde, glaubte er. Dann sah sie ja aus wie ein Kerl!
    »Ja, da drüben«, antwortete er auf ihre Frage und deutete auf eine Kommode an der Längsseite des Zimemrs. Man konnte es Axilla nicht verübeln, dass sie die Schüssel nicht sah, denn auf dem Schränkchen türmten sich getragene Tuniken und ein Handtuch. Irgendwo fand sich auch ein Stück Seife, glaubte er. Nur wo, wusste Caius nicht. Irgendwo da halt.
    »Naja gut, dann wasch dich mal. Oh... Warte.« Caius hatte jetzt selbst hingesehen, stand auf und räumte die Dreckwäsche weg, wobei das Wegräumen darin bestand, dass er die Klamotten einen Meter weiter auf den Schreibtisch wuchtete, was einige der Dokumente verknitterte, die Axilla am gestrigen Abend noch sortiert hatte.
    »Bitte sehr. Wasser ist noch drin«, sagte er und deutete auf den Krug.
    »Ich hol dir mal dein Zeugs.« Sprach's und verschwand draußen.

  • Nachdem Archias den Waschtisch 'ausgegraben' hatte, war er auch schon gleich wieder verschwunden und Axilla saß allein im Zimmer. Sie schaute sich einmal noch um, ihr Blick traf etwas wehmütig das zerwühlte Bett, und sie seufzte. Jetzt musste sie wohl wirklich aufstehen, jetzt war die leichte Zeit, in der man nicht nachdenken musste, vorbei. Auch wenn es unglaublich schwer fiel.
    Etwas missmutig krabbelte Axilla aus dem Bett und streckte sich erst einmal ausgiebigst, bis ihr Rücken einmal leise knackte. Danach tapste sie hinüber zu dem Waschtisch und goss das Wasser, auf dem eine hauchdünne Staubschicht schwamm, in die Waschschüssel. Naja, es war abgestanden, aber es war noch gut, und Axilla wollte mal nicht allzu empfindlich sein. Nach ein wenig suchen fand sie sogar sowas wie ein Handtuch, das frisch roch und nun kurzerhand als Waschlappen herhalten musste. Und unter einem Buch zog Axilla mit Nachdruck sogar ein Stück Seife hervor. Damit konnte man doch etwas anfangen. Sie schäumte also die Seife auf und begann, sich zu waschen. Das Wasser war ganz schön kalt und entlockte ihr anfangs einige “Uuuäääh“'s und “Brrr“'s. Nachdem ihre Arme und ihr Oberkörper zu ihrer zufriedenheit abgeseift und sauber waren, kümmerte sich Axilla um das Gestrüpp auf ihrem Kopf. Durch diverse Aktivitäten in der letzten Stunde standen ihre Haare wild in alle möglichen Richtungen und waren recht verschwitzt, so dass sie sich kurzerhand nach vorne beugte und sie einfach komplett in die Waschschüssel tauchte, um sie durchzuwaschen. Eine andere Möglichkeit blieb ja auch kaum. Das war zwar verflixt kalt, aber was sollte sie sonst schon machen? Sie fluchte immer wieder leise, vor allem, da sie überall Knoten in den Haaren hatte, sie gleich beim rauskämmen schön ziepen würden, aber man wollte ja nicht aussehen wie ein keulenschwingender Barbar.
    Schließlich war auch das erledigt und Axilla wickelte ihre Haare in Ermangelung eines weiteren Handtuches kurzerhand in eine von Archias saubere Tuniken zum trocknen. Ihr war kalt, der Morgne war doch recht frisch, und so krabbelte sie wieder aufs Bett und schlang sich die Decke um den Körper. Durch die Tunika auf dem Kopf tropfte ihr Haar langsam und beständig noch auf ihre Schulter, aber das würde sich gleich ausgetröpfelt haben. Jetzt musste nur noch Archias wiederkommen.

  • Und der kam. Nachdem er unterwegs Nakthi getroffen und sich erkundigt hatte, ob Quarto schon aufgestanden war. Quartos Sklave hatte gesehen, wie er verstohlen aus dem Gästezimmer geflutscht war. Caius spekulierte jetzt drauf, dass Nakthi soweit auf den Kopf gefallen war, dass er sich nicht allzu viel dabei dachte.


    Er öffente die Tür, schlüpfte durch und warf Axilla ihr Kleid zu. Den Kamm gab er ihr lieber in die Hand.
    »So, da. Was besseres hab ich nicht gefunden auf die Schnelle.« Und das, obwohl es doch in dem anderen Zimmer aufgeräumt war. Caius taxierte prüfend Axillas Turban.
    »Öhm, ist das meine?« fragte er sie, denn irgendwie kam ihm die Tunika bekannt vor. Prüfend hob er einen Arm und roch an seiner Achsel. Ging noch, fand er. Er würde nachher einfach bei den Thermen vorbeischauen. Allerdings musste er sich noch irgendwie rasieren lassen. Er stand nicht so auf den Dreitagebartlook, wie manch andere Leute in Rom. Er fand, dass ihn das verrucht wirken ließ, und das passte ja nu wirklich nicht zu ihm. Dann warf er einen Blick auf das Bett und suchte das Olivenschälchen. Bis ihm klar wurde, dass er auf irgendwas drauf saß.


    »Scheiße.« Und er stand auf und hatte einen kreisrunden, nassen Flecken auf der Tunika, genau mittig am Hintern. Ungeniert zog er sich den Stoff über den Kopf, was ihm etwas die Haare zerstrubbelte, dann suchte er sich irgendwas Neues zum Anziehen raus. Blassblau mit gewebter Borte, das ging. Er zog sich die zerknitterte Errungenschaft über den Kopf und ging dann zum Waschtisch, um in dem (gebrauchten) Wasser aus der Schüssel zu rühren und sich dann wenigstens mal das Gesicht zu waschen.


    »So. Wenn du soweit bist, können wir gehen. Hab eben rausgefunden, dass Quarto schon wach ist und auf die ersten Klienten wartet. Wenn wir Glück haben, sind wir schneller«, sagte er zu Axilla.

  • Geschickt fing Axilla ihr Kleid aus der Luft. Es hatte noch immer den dekorativen Fleck aus schwarzer Tinte an der Seite, aber das fiel hoffentlich nicht zu schlimm auf. Axilla also entwickelte ihren Turban, um es sich über den Kopf ziehen zu können, als Archias sie darauf auch schon ansprach. “wenn du keine fremden Tuniken in deinem Zimmer lagerst, dann ja. Ich hab so schnell kein Handtuch gefunden“, meinte sie ein wenig frech und breitete den nassen Stoff zum Trocknen vorsichtig auf der nächsten Stuhllehne aus. Danach zog sie sich an und versuchte, alles so zu richten, dass es halbwegs vernünftig aussah.
    Dass Archias sich auf die restlichen Oliven gesetzt hatte, bemerkte Axilla erst, als er fluchte und sich dann auszog. Als er sich die Tunika über den Kopf zog, schnurrte sie ihm einmal gespielt nach und griff dann nach dem Kamm. Das würde nun wohl etwas unangenehm werden... Aber es nützte nichts, sie musste da durch. Während Archias sich also umzog und sich wusch, versuchte sie, ihren Haaren Herr zu werden. Dies ging allerdings nicht, ohne einige mehrfarbige Flüche dabei hervorzuzischen. Verdammt, wie machte Leander das nur sonst immer, dass es dabei nicht so verdammt ziepte? Sie brauchte ewig, und sie hatte das Gefühl, gleich müsse sie eine Glatze haben, soviele Haare, wie sie sich dabei ausrupfte mit diesem vermaledeiten Kamm!


    “Ja, ich... drecksmistverfluchter, willst du wohl!... bin gleich soweit. Ich... Aaaaaaaaahhhh! muss nur noch hier ein wenig... Auauauauauauau aber ich habs gleich!“
    Sie brauchte noch gut und gerne zehn Minuten, bis die Haare wirklich durchgekämmt und halbwegs trocken waren. Jetzt fielen sie ihr offen über den Rücken, aber frisieren konnte Axilla sie nicht allein. Höchstens einen Zopf könnte sie flechten, aber das sah ja auch nach nichts aus, da konnte sie sie gleich offen lassen. “Meinst du, ich kann mich so zeigen?“ fragte sie nochmal nach. Sie wollte ja keinen schlechten Eindruck hinterlassen, wenn sie Quarto das – vermeintlich – erste Mal traf.

  • Caius hatte nichtmal gewusst, dass er auch nur ein einziges Handtuch im Zimmer hatte. Also konnte er Axilla auch nicht verübeln, dass sie einfach was anderes benutzt hatte. Er zuckte mit den Schultern, knüllte seine getragene Tunika mit dem Olivenwasserölfleck zusammen und (was wohl?) warf sie in eine Ecke.


    Während Axilla sich kämmte und dabei mit Flüchen um sich warf, auf die wohl selbst Pluto stolz gewesen wäre, musste Caius immer wieder breit grinsen. Schließlich lehnte er mit verschränkten Armen an der Wand dicht bei der Tür, überschlug im Stehen die Beine und wartete amüsiert, dass Axilla sich entknotet hatte.
    »Siehste, das würde dir nach einem ordentlichen Haarschnitt nicht passieren«, bemerkte er wenig hilfreich und schadenfroh und bereitete sich dann schon mal vorsorglich darauf vor, vor einem fliegenden Kamm in Deckung zu gehen. Bei Axillas Frage deutete natürlich auch Caius eine Art Schnurren an, wobei das bei ihm eher wie ein verunglücktes Knurren klang.
    »Klar. Du siehst umwerfend aus. Die nassen Haare wirken extremst kleidsam, besonders zusammenm mit dem schwarzen Fleck da«, bemerkte er fies grinsend und öffnete dann die Tür.
    »Komm schnell, ehe die Klienten Quarto vereinnahmen.« Und Caius ging voraus.

  • Zwei Wege sinds. Sie führen keinen hin.
    Doch manchmal, in Gedanken, läßt der eine
    dich weitergehn. Es ist, als gingst du fehl…



    Was zögerst du ganz wie zum ersten Mal
    erwartungsvoll auf diesem Ulmenplatz,
    der feucht und dunkel ist und niebetreten?

    Und was verlockt dich für ein Gegensatz,
    etwas zu suchen in den sonnigen Beeten,
    als wärs der Name eines Rosenstocks?

    Was stehst du oft? Was hören deine Ohren?
    Und warum siehst du schließlich, wie verloren,
    die Falter flimmern um den hohen Phlox.


    In einem fremden Park – Rainer Maria Rilke



    Es war Nachmittag, als Seiana sich auf den Weg gemacht hatte zum Palast. Die Wachen ließen sie inzwischen anstandslos durch, weil bekannt war, dass sie Caius’ Verlobte war. Über eine Woche war es nun her, dass sie sich das letzte Mal gesehen hatten… Und sie wusste nicht, was sie davon zu halten hatte. In Alexandria hatten sie sich fast jeden Tag gesehen. Und wenn es nur kurz am Abend war, auf einen Becher Wein… Und hier, in Rom? Seiana wusste nicht, was sich geändert hatte. Sicher, sie wohnten jetzt nicht so nah beieinander, und Rom war einfach anders als Alexandria, aber sie hatte nie, niemals, geglaubt, dass das so einen Einfluss hätte haben können auf sie. Sie wusste nur zu gut, was Caius störte, er war ja niemand, der ein Blatt vor den Mund nahm. Nur, war es denn so schlimm, zu warten bis sie verheiratet waren? Nicht nur was… das Bett anging, sondern ganz allgemein? Konnte er nicht begreifen, dass es einfach ein Unterschied war, ob sie zuhause war und sich benehmen konnte, wie sie wollte, weil jeder, der es bemerkte, sich nicht daran störte – oder irgendwo unterwegs, in der Öffentlichkeit oder bei Menschen, die eben keine Familie oder enge Freunde waren? Nein, das schien er nicht zu begreifen. Und Seiana war offenbar niemand, die ihm das so sagen konnte, dass es ihm klar wurde. Sie sagte es einmal, vielleicht zweimal, aber wenn es dann nicht deutlich war, dann ließ sie es, sondern zog nur ihre Konsequenzen. In diesem Fall hatte sie noch mehr von Caius’ Avancen, welcher Art auch immer, abgeblockt als sie es davor schon getan hatte. Caius wiederum war ihr vermehrt aus dem Weg gegangen, so schien es ihr. Wann hatten sie sich eigentlich das letzte Mal allein gesehen – mit dem einzigen Anlass, sich eben zu treffen, Zeit miteinander zu verbringen? Sie schien sich nicht mehr daran erinnern zu können. Die letzten Wochen schienen voll gewesen zu sein mit Terminen bei irgendwelchen Menschen, die sie kaum kannte, aber sie beide, allein?


    Seiana unterdrückte ein Seufzen, als ein Sklave sie zu Caius’ Zimmer brachte. Ihre Reaktion auf Caius’ zunehmend merkwürdiges Verhalten war gewesen, dass sie sich in Arbeit stürzte. Arbeit, Arbeit, und wieder Arbeit. Sie hatte sich für zwei Kurse an der Schola eingetragen, der Musikkurs einer Lehrmeisterin des Museions, und darüber hinaus studierte sie dort nun Wirtschaft. Ihre Geschäfte liefen gut, aber bisher hatte sie keine gesicherte Grundlage an Wissen, worauf sie ihre Entscheidungen basieren konnte – sie hatte sich selbst einiges angelesen und angelernt, aber das war etwas anderes, fand sie, als sich an der Schola damit zu beschäftigen, wo sie es professionell lernte. Und es konnte ganz sicher nicht schaden, ihren Geschäften nicht und ihr nicht. Nein, sie hatte ein feines Gespür für Stimmungen, dafür, wenn etwas nicht in Ordnung war, und etwas war nicht in Ordnung zwischen Caius und ihr – nur konnte sie nicht sagen was. Sie meinte, dass es ihre Schuld war, ihre Schuld sein musste. Was sie bei den Pompeiern gesehen hatte, blendete sie, eher unbewusst, aus – sie redete sich ein, dass daran nichts Ungewöhnliches gewesen wäre. Lag es an ihrem Verhalten? Oder war auch ein Grund, dass Faustus sich immer noch gegen diese Bindung sperrte? Das war ihr eigentlicher Grund, warum sie hier war – es konnte so nicht weiter gehen mit ihrer Familie, Caius musste einfach endlich vorbei kommen und mit ihnen reden, ganz normal, nicht auf irgendeinem Sandplatz, wo er wohl mit dem nächsten ihrer Verwandten prügeln würde. Sie hätte eigentlich schon vor Tagen kommen können, kommen müssen, um das endlich in Gang zu bringen, aber sie hatte es aufgeschoben. Sie war eigentlich niemand, der eine Konfrontation scheute, aber wenn sie nicht wusste, woran sie war… wenn sie einfach nur ein ungutes Gefühl hatte, ohne es wirklich zuordnen zu können, ohne zu wissen, woran es lag und was sie dagegen tun konnte… dann vermied sie eine Konfrontation lieber. Sie war gerne vorbereitet, hatte es gern, wenn sie Chancen und Risiken einschätzen konnte. Sie hatte es gern, wenn sie wusste, was sie sagen sollte. Und bei Caius wusste sie im Augenblick nichts davon. Sie fühlte sich merkwürdig unsicher, so unsicher, wie sie sich in seiner Gegenwart, was ihn betraf, schon lang nicht mehr gefühlt hatte.


    Inzwischen hatten der Sklave und sie Caius’ Cubiculum erreicht, er klopfte und ließ sie eintreten, was sie auch tat. Etwas verwundert bemerkte sie, wie sauber sein Zimmer zu sein schien. In Alexandria war das selten so ordentlich gewesen, erinnerte sie sich. „Hey“, sagte sie zu ihm, und dann sagte sie erst mal nichts mehr, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte.

  • Caius hasste es, aufzuräumen. Andererseits wollte er auch niemanden an seine Sachen lassen, der das für ihn machte. Und das hieß in logischer Konsequenz, dass er es selber machen musste. Wie viele Jahrzehnte er nun schon dabei war, in mühevoller Kleinarbeit seinen Mist zu sortieren und wegzupacken, wusste er nicht, aber es waren gefühlte fünfzig Jahre. Das Schlimmste war dabei nicht mal, dass hinterher alles so ordentlich war, dass es unbewohnt wirkte, sondern dass er zu viel Zeit hatte, um nachzudenken (abgesehen davon, dass er die Zeit auch lieber anders genutzt hätte). Gerade kniete er auf dem Boden und sammelte die Muscheln wieder ein, die zwischen dem Sand lagen. Ziemlich viele davon waren einfach kaputt geknackt, als er selber oder Axilla draufgetreten war. Beim Gedanken an die zwei Tage musste er grinsen, obwohl das ja eigentlich nichts zum Grinsen war, wenn jemand starb. Aber die Tage an sich hatten ihm schon ganz gut gefallen. Und dann klopfte es, und als Caius hoch schaute, stand Seiana da und sah sich anerkennend im Zimmer um.


    Sie weiß es! schoss es Caius sofort durch den Kopf, als er sie erschrocken anstarrte. Das nächste, was er sich fragte, war Was bei Iunos auslandender Oberweite tut sie hier? Er hatte sie eigentlich fragen wollen, ob sie heute Abend mit ihm was essen wollte, aber irgendwie war es nur bei dem Gedanken geblieben. Bei dem, den Axilla vorgeschlagen hatte. Caius hatte sich dann dagegen entschieden, sich aber selber erst eingeredet, es vergessen zu haben und dann, dass es zu spät sei, um sie für denselben Abend noch einzuladen. Und jetzt stand sie da und sah ihn an, als hätte sie's gewusst!
    »Oh, äh... Hallo«, sagte er, und seine Ohren bekamen einen leichten Hauch von Röte. Dann fiel ihm auf, dass er immer noch auf dem Boden hockte und den Muschelsucher spielte. Er ließ die gesammeltenMuscheln fallen, rappelte sich schnell auf und klopfte sich den Sand von den Knien.
    »Hab gar nicht mit dir gerechnet...«

  • Caius wirkte irgendwie… ertappt. So sah er immer aus, wenn sie ihn bei etwas überrascht hatte, von dem er nicht wollte, dass sie es sah, oder was ihm peinlich war, oder von dem er dachte dass sie es peinlich finden könnte, oder… Allerdings sammelte er gerade nur Muscheln ein, die mit einer Menge Sand über den Boden verteilt waren, und kurz fragte Seiana sich, was um alles in der Welt er wohl angestellt hatte, dass da jetzt Sand und Muscheln am Boden lagen. Im nächsten Moment lagen wieder alle Muscheln auf dem Boden, auch die, die Caius schon eingesammelt hatte, weil er sie wieder fallen ließ. Was Seianas Eindruck, dass er sich ertappt fühlte, nur verstärkte. „Ich… entschuldige. Stör ich dich gerade? Ich meine…“ Sie verbiss sich die weiteren Worte, die ihr auf der Zunge lagen. Nein, sie würde nicht sagen, dass sie später wieder kommen könnte, oder morgen, oder sonst wann. Sie war jetzt hier. „War eine spontane Idee. Ich wollte ohnehin mit dir reden, und heute Nachmittag hatte ich nichts zu tun, daher…“

  • »Äh... Nein?« Das klang eher wie ein Ja, also schob Caius gleich mal ein unbestimmtes Grinsen hinterher. Bona Dea, er hätte sich lieber auf so ein Gespräch vorbereiten sollten! Jetzt hatte er den Salat.
    »Oh. Ist wirklich nicht schlimm. Möchtest du dich setzen?« Schande, sein Bett war noch gar nicht gemacht... Caius deutete auf den Schreibtischstuhl. Der war schon frei. Auf dem Schreibtisch lagen akkurat alle unnützen und nützlichen Dinge geordnet. Keine schmutzigen Klamotten lagen rum, alle Kisten waren weitestgehend ausgepackt und eigentlich war alles in Ordnung soweit. Bis auf das Bett. Und die Muscheln, den Sand und die Suppenreste. Caius war das verdammt peinlich. So peinlich, wie es ihm gegenüber Caenis gewesen wäre, seiner Mutter. Und er stellte gleichzeitig fest, dass ihm das bei Axilla nicht die Spur peinlich gewesen wär.


    »Ich wollt eigentlich die Tage mal bei dir rumkommen. Fragen, ob du vor der caristia noch mal Abendessen möchtest oder sowas.« Caius zuckte mit den Schultern, bog aber irgendwie ein fast echtes Lächeln hin. Bona Dea, er war total nervös!

  • Dass ihm der Zustand seines Zimmers so peinlich sein könnte, kam Seiana nicht in den Sinn. Immerhin war ihm das in Alexandria auch nicht peinlich gewesen, wenn sie seine Unordnung gesehen hatte, warum also sollte sich ausgerechnet das geändert haben? Es war der private Bereich, den keiner zu sehen bekamen, der einem nicht nahe stand. Sicher, am Anfang hatte sie schon etwas geguckt in Alexandria, aber inzwischen war sie seine Unordnung einfach gewöhnt. Es war eher überraschend, dass er mal aufräumte. „Äh“, machte sie, fast als ob sie sein Echo wäre. Er klang, als ob sie doch störte. Aber sie hatte nicht vor jetzt wieder zu gehen. Allerdings, setzen wollte sie sich eigentlich auch nicht. Sie blieb lieber stehen, da fühlte sie sich irgendwie… sicherer. „Danke, ja“, lautete hingegen ihre Antwort, und kaum ausgesprochen, ließ sie sich auf dem Stuhl nieder, auf den Caius deutete. Sie hoffte nur, er würde sich auch setzen.


    „Wolltest du?“ Ein erfreutes Lächeln flog über ihr Gesicht. Vielleicht war er ihr doch nicht aus dem Weg gegangen, vielleicht hatte er einfach nur viel zu tun gehabt, immerhin hatte er doch gerade erst seinen neuen Posten angetreten. „Einfach nur so? Das ist lieb von dir.“ Einen Moment lang blieb ihr Lächeln noch bestehen, aber dann, langsam, wie eine Kerzenflamme, deren Docht herunter gebrannt ist, flackerte und erlosch es. Ihr fiel auf, dass er sie nicht geküsst hatte zur Begrüßung, was er sonst eigentlich immer tat, vor allem dann, wenn sie allein waren. Seiana räusperte sich. „Ehm, nun ja… wir können ja nachher dann zusammen essen. Wenn du willst“, beeilte sie sich hinzuzufügen. „Essen ist ein gutes Stichwort, übrigens. Ich… wollte fragen, wann du mal zu mir kommst. Ich meine, in die Casa Decima, um… mit meinem Onkel und meinem Bruder zu reden. Ich dachte an ein gemeinsames Abendessen, vielleicht… bringt das was…“ Eigentlich hatte Seiana das von ihm einfordern wollen. Aber die ganze seltsame Atmosphäre führte dazu, dass ihre Stimme eher unsicher und zögerlich klang, und als sei das noch nicht genug, setzte ihr Mund noch eins oben drauf, bevor ihr Verstand eingreifen konnte: „Was meinst du?“

  • Seiana setzte sich und Caius machte sich dran, sein Bett zu machen. Dann setzte er sich auf die Fußkante und sah Seiana an.
    »Ja«, sagte er und fühlte sich ganz schlecht. Und dann sagte sie auch noch, dass sie das lieb von ihm fand. Dabei war er selber ja nicht mal wirklich auf die Idee gekommen... Aber Caius lächelte nur wie festgetackert. Auch darauf, sie jetzt noch zu küssen, kam er gar nicht. Er hatte genug damit zu tun, sich irgendwie so zu verhalten, dass Seiana nicht gleich merkte, welcher Orkan in ihm wehte.


    »Ja, wenn du Zeit hast?« meinte er auf ihren Vorschlag hin und nickte. Zu Axilla würde er ja heute eh nicht mehr gehen können, immerhin aß sie mit ihrer Familie und dann sähe es doof aus, wenn er da hereinspazierte. Dann kniff er die Augen leicht zusammen, als Seiana fragte, wann er denn mal vorbei käme.
    »Deinem Bruder hab ich eigentlich nichts mehr zu sagen«, meinte er kurz angebunden und reckte das Kinn nach vorn. Zusätzlich verschränkte er in einer Abwehrhaltung die Arme vor der Brust. Dieser Handwurst Serapio und er würden sich wohl niemals grün werden, so sehr Seiana das auch versuchte. Und Caius hatte daran überhaupt gar kein Interesse mehr. Wenn es nach ihm ginge, dann war die Hochzeit auch für Serapio gelaufen, aber leider ging es da nicht nur nach ihm. Er seufzte leise.
    »Und dein Onkel? Ist der denn jetzt wieder in Rom?« automatisch ging Caius davon aus, dass Seiana Meridius meinte.

  • Er setzte sich. Seiana war erleichtert. Hätte er sich nicht gesetzt, sie wäre vermutlich gleich wieder aufgesprungen. Irgendwie war es ihr wichtig, dass sie sich auf der gleichen Ebene unterhielten, wichtig genug, dass etwas so simples wie ein Höhenunterschied, ausgelöst durch Sitzen oder Stehen, eine Rolle spielte für sie. „Ja, Zeit hab ich.“ Sie nickte, und noch einmal zeigte sich der Anflug eines Lächelns. Selbst wenn sie keine Zeit gehabt hätte, dann hätte sie sich eben welche genommen. Hätte sie in diesem Moment auch nur ansatzweise geahnt, was er dachte – dass er quasi nur Zeit für sie hatte, weil er ohnehin nicht zu Axilla konnte –, sie hätte ihm vermutlich irgendetwas um die Ohren geschlagen. So aber saß sie nur da und lächelte leicht, weil ein Teil von ihr glaubte, glauben wollte, dass doch alles in Ordnung war. Dass sie sich alles nur eingebildet hatte. Dass alles gut werden würde.


    Dann allerdings kam die Sprache auf ihren Bruder, und Seiana seufzte. „Ich weiß. Ich kann’s irgendwo auch verstehen. Aber bei den Göttern, warum musstest du ihn ausgerechnet zu einem Ringkampf herausfordern? Er ist Soldat, was glaubst du wie er das auffasst?“ Sie presste die Lippen kurz aufeinander. Das Thema hatten sie schon gehabt, und sowohl Faustus als auch Caius hatten von ihr etwas abgekriegt für diese in ihren Augen unglaublich dämliche Aktion. Es regte sie eigentlich immer noch auf, aber es brachte nichts, das jetzt wieder auszubreiten. Es war passiert, fertig. „Ich weiß“, wiederholte sie noch einmal, ruhiger. „Aber er ist mein Bruder. Du musst ihn nicht… nicht mögen…“ Es fiel ihr schwer genug, dieses Zugeständnis zu machen, aber dass dieses Kind in den Brunnen gefallen war, war inzwischen auch ihr klar geworden. „Aber bitte, Caius, er… er gehört zu meinem Leben, er ist der einzige, der noch lebt von meiner engsten Familie. Ich will, dass er dich so sieht wie ich, und nicht wie er dich sehen will. Und ich will, dass er nichts mehr gegen die Hochzeit hat. Aber dafür braucht es einfach diesen einen Anstandsbesuch, danach hat er keine Ausrede mehr, weißt du?“ Sie holte kurz Atem und nickte dann. „Ja, ist er. Aber schon länger, schon bevor ich aus Alexandria zurückgekommen bin.“

  • Caius rollte mit den Augen.
    »Oh Mann Seiana«, nörgelte er.
    »Ich hab's dir doch schon mal gesagt: Ich hab ihn nicht wirklich rausgefordert! Ich wollte ihn kennenlernen verteidigte sich Caius und stand jetzt doch wieder auf. Er ging zum Fenster. Da konnte man jetzt endlich wieder hingehen, ohne irgendwas drüber zu steigen. Auch wenn der Boden davor irgendwie klebrig war und seine Sandalen lustige Geräusche beim Gehen machten. Irgendwie war er ein bisschen froh darüber, dass er sich jetzt wieder auf sicherem Terrain bewegen konnte. Das Theman hatten sie ja schon mal gehabt, und Caius wusste, wie Seiana dazu stand. Das war allemal besser, als es nicht zu wissen und blind loszureden.


    Finster grollend stand er vor dem Fenster und hatte hier auch wieder die Arme verschränkt. Eitler Pfau. Dann war er eben Soldat, na und? Das hieß noch lange nicht, dass er mehr Grips hatte oder toller war als Caius.
    »Ja, ich weiß das«, zischte er.
    »Ich hab's doch versucht, aber centurio Oberschlau wollte ja nicht reden, der wollte sich lieber prügeln. Und jetzt soll ich schon wieder hingehen und mit ihm reden? Soll er mir wieder eine runterhauen?« Caius hatte sich inzwischen zu Seiana gedreht und gestikulierte wild herum.
    »Ich bin vielleicht nicht so überlegt wie andere, aber ich bin auch nicht total bescheuert. Das mit dem Wangehinhalten ist die Sache von Christianern, nicht von Römern.« Caius' Stirn hatte sich tief in Falten gelegt, Ein wenig konnte er Seiana ja verstehen. Aber das wollte er eigentlich gar nicht. Zumindest nicht, wenn es dabei um ihren Bruder ging, den centurio Mordswichtig.


    »Anstandsbesuch?« fragte er dann argwöhnisch.
    »Wie meinst du das nun wieder?«

  • Warum war sie jetzt auf einmal wieder in der Situation, sich verteidigen zu müssen? Schon wieder, um es genauer zu sagen? Manchmal hatte Seiana das Gefühl, dass sie nichts, aber auch gar nichts anderes tat – bei ihrer Familie musste sie ihren Verlobten und ihre Entscheidung verteidigen, bei Caius musste sie ihre Familie und ihre Haltung verteidigen. Und sie war dazwischen, saß zwischen allen Stühlen und hatte das Gefühl, auf Dauer zerrissen zu werden. Langsam reichte es ihr. „Ich weiß, was du wolltest! Aber er ist halt nicht wie du!“ Jetzt fing sie doch an, sich wieder darüber aufzuregen, obwohl sie es eigentlich nicht wollte – und auch sie erhob sich wieder, gestikulierend, nicht weil er aufgestanden war, sondern weil sie nicht sitzen bleiben konnte. „Du weißt doch, wie Soldaten sind! Und wenn du dann noch einen vor dir hast, der meint seine Schwester verteidigen zu müssen, ist doch klar dass er so was als Herausforderung sieht. Himmel, Caius, du hast seinen Brief doch genauso gelesen wie ich, und als du angekommen bist in Rom, haben wir noch mal darüber geredet, du wusstest doch wie er gerade drauf ist! Hast du ernsthaft gedacht, er würde während eines Ringkampfs mit dir reden?“ Seiana unterdrückte ein Seufzen und presste stattdessen Daumen und Zeigefinger auf ihre Augen, so fest, dass sie für einen Moment Sterne sah. Sie war es so leid, sich deswegen zu streiten, ob nun mit Caius oder Faustus. „Er wird dir keine mehr runterhauen. Und du ihm genauso wenig. Eher geh ich dazwischen, dann könnt ihr auf mich einprügeln.“ Immerhin war es ja sie, die das Ganze verbockt hatte. Es war ihre Familie, und sie war sui iuris. Es wäre ihre Verantwortung gewesen, dafür zu sorgen, dass von vornherein alles glatt lief. „Ja, Anstandsbesuch. Du weißt schon. Dass du offiziell meiner Familie vorgestellt wirst. Caius, ich war mit dir bei Quarto, ich bin mit dir nach Ravenna gereist zu deinen Eltern, ich war bei Vespa, ich war sogar bei Pompeius, um deine Freunde zu treffen! Ist es denn zu viel verlangt, dass du meine Familie auch kennen lernst?“

  • Caius schnappte nach Luft, um automatisch zu widersprechen, da pflichtete Seiana ihm bei und er sah sie nur verdutzt an, dabei die Luft wieder rauslassend. Und dann kam der lange Sermon. Caius hasste lange Sermone, und Seiana war verdammt gut darin. Bei seiner Mutter hieß es dann immer nur: Augen zu und durch. Also handhabte das Caius hier genauso und hörte sich an, was Seiana so vorbrachte.
    »Ja!« warf Caius ein, als Seiana mal kurz Luft holte. Nicht nur, weil er gedacht hatte, dass es sich um einen Scherz handelte, sondern auch, weil er natürlich widersprechen musste. Das ging gar nicht anders. Dann schwieg er wieder und ließ sie weiter blubbern. Wie ein Vulkan kurz vor der Eruption, und Caius konnte sich nicht mal in Sicherheit bringen. Obwohl er in seinem eigenen Zimmer stand!


    »Ich kenn deinen Onkel doch schon«, brachte er dann ein, vollkommen verwirrt. Er war ihn hier schon mal besuchen gewesen, hier in Rom. Und Seiana hatte ihn dann in Alexandrien getroffen. Caius runzelte verärgert die Stirn.
    »Meine Freunde, ja? Wieso nur meine, hm? Sind die dir nicht gut genug? Dann tut's mir leid, dass ich dich mitgeschleppt hab. Was soll ich denn noch machen, ich hab versucht mit deinem Bruder zu reden, ich hab mit deinem Onkel gesprochen. Soll ich deinem Urgroßvater vielleicht noch die Füße massieren und deinem Großcousin den Bart zupfen?« Caius sah Seiana miesepetrig an. Er war ja nicht wirklich sauer, es war nur irgendwie so, dass keiner ihn wirklich verstand. Glaubte er.

  • Einen Augenblick starrte Seiana ihn nur an. Das konnte nicht sein Ernst sein. Das konnte. Einfach. Nicht. Sein Ernst sein! Jetzt war es um ihre Selbstbeherrschung endgültig geschehen. „Es sind nun mal deine Freunde! Das hat nichts damit zu tun, dass sie mir nicht gut genug sind, ganz im Gegenteil! Ich hab mich ja auch nicht beschwert oder sonst was! Das einzige was ich möchte ist, dass du mit meiner Familie auch mal zu Abend isst! Wie bist du denn mit Vespa verwandt, das ist doch irgendeine Großcousine von dir, um mehrere Ecken! Du sollst auch gar nicht mehr mit meinem Bruder reden, du sollst einfach nur dafür sorgen, dass er keinen Grund mehr hat gegen die Hochzeit zu sein! Und du kennst meinen Onkel nicht!“

  • Ein Sklave steckte die Tür rein, wollte augenscheinlich was fragen, stockte dann aber und verschwand ziemlich schnell wieder. Caius hatte das gar nicht bemerkt, er stand mit dem Rücken zur Tür, aber Seiana musste es gesehen haben.


    »Du meinst nicht Meridius?« fragte Caius ruhig. Das war der einzige Onkel, den er kannte. Und der hatte auch nichts gegen eine Verbindung gehabt. Später zumindest.
    »Moment mal. Soll ich jetzt wirklich zu jedem hindackeln, der vielleicht irgendwann mal darüber entscheiden könnte, ob eine Ehe mit dem Kaiserhaus gut genug für die Decimer sind?« fragte Caius dann bewusst provozierend. Seiana wusste, dass er sich nicht wirklich auf seine Verwandtschaft berief, sondern wert darauf legte, selbst was zu leisten. Aber irgendwie fand er das doch schon ziemlich komisch. Die Sache war mit Meridius schließlich schon abgeklärt worden, mit Seianas Bruder hatte er es versucht. Sollte er jeden männlichen Verwandten nun darum bitten?


    Caius setzte sich wieder aufs Bett.
    »Ich weiß einfach nicht«, sagte er und hob die Schultern.

  • Langsam begann Seiana zu glauben, Caius machte das mit Absicht. Mit purer, fast schon böser Absicht. Hatte sie je verlangt, er solle zu jedem hindackeln? Nein! Sie redete doch die ganze Zeit nur davon, dass er sie einfach nur kennen lernen sollte! Warum verdrehte er ihr denn jedes einzelne Wort im Mund? Und mit seinem Kommentar über das Kaiserhaus und die Decimer traf er sie noch mehr, damit traf er sie tief. Und er kannte sie. Er musste einfach wissen, dass sie das treffen würde. „Nein. Auf einmal war auch sie ruhig. Den Sklaven, der vorhin kurz hereingeschaut hatte, hatte sie völlig ignoriert. „Ich meine Livianus. Den Bruder meines Vaters.“ Seiana starrte Caius an, während dieser sich wieder setzte. Sie selbst blieb stehen. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, und doch versuchte sie es. „Soll ich dir noch mal aufzählen, wen ich von deiner Seite bereits alles kennen gelernt habe? Denn es geht hier nur ums kennen lernen, nicht ums Erlaubnis fragen oder sonst was. Meridius hat seine Zustimmung gegeben, ja, und das steht und bleibt so. Aber ich sehe nicht ein, warum ich deine Großcousine wasweißichwievielten Grades kennen lernen soll, wenn du es umgekehrt fertig bringst, mit meiner Familie zu Abend zu essen. Sie ebenfalls vor der Hochzeit wenigstens mal gesehen zu haben.“ Ihre Stimme blieb ruhig, zitterte auch nicht, obwohl der Stich mit dem Kaiserhaus immer noch schmerzte. Nur etwas leiser wurde sie, jetzt. „Aber wer weiß, vielleicht sind ja die Decimer nicht gut genug fürs Kaiserhaus.“

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