Examen Tertium zu dritt

  • Wieder einmal war es so weit und es hatten sich genug Teilnehmer für ein Examen Tertium gefunden, mit denen sich zumindest ein kleines Kolloquium füllen lassen konnte. Ursprünglich hatte er sogar nur mit zwei Teilnehmern geplant gehabt, aber da sich dann doch noch ein dritter Teilnehmer gefunden hatte, hatte er das geplante Thema des Prüfungsgesprächs schnell noch etwas erweitert.


    Macer hatte die Prüfungskandidaten für die dritte Stunde des Tages in die Academia bestellen lassen und war selber daher gleich nach der morgentlichen Salutatio hierher gekommen.

  • Ein wenig nervös war Brutus schon, als er das Gebäude betreten hatte, der schriftliche Teil war gut gelaufen, nun stand noch das Kolloquium an.
    Er betrat den ihm zugewiesenen Prüfungsraum und grüßte den Kommandanten der Academia, der heute die Prüfung abnehmen würde. "Salve, ich bin Publius Iunius Brutus und scheinbar ein wenig zu früh," meinte er, als er sonst niemanden mehr im Raum sah.

  • Ursus betrat die Räumlichkeiten der Academia durchaus mit einer gehörigen Portion Nervosität. Zwar hatte er sich gründlich vorbereitet, wie er meinte, aber gerade bei mündlichen Prüfungen konnte man nie wissen, ob man nicht doch völlig auf dem falschen Fuß erwischt wurde. Wer seine Mitstreiter waren, wußte er nicht. Ebenso wenig, wer auf der Prüferseite noch teilnehmen würde.


    Als er den Prüfungsraum betrat, waren erst zwei Personen anwesend. Der Praetor und ein ihm völlig Unbekannter. "Salvete", grüßte Ursus, als er eintrat. "Praetor Purgitius", nickte er dem Kommandanten der Academia zu und stellte sich dann dem anderen Mann vor, den er zunächst einmal für einen Prüfling hielt, wie er selbst einer war. "Titus Aurelius Ursus ist mein Name." Wenn sie schon Seite an Seite schwitzen sollten, dann war es sicher angebracht, auch gegenseitig die Namen zu kennen.

  • Zeitig trat ich in den Prüfungsraum. Natürlich war ich aufgeregt, und letzte Nacht hatte ich sogar geträumt, ich hätte die Prüfung verschlafen. Aber meine Erscheinung war tadellos, kein Stäubchen auf der Tunika, das Cingulum militare blitzblank.
    "Salve Kommandeur Purgitius!", grüßte ich militärisch den Leiter der Akademie. Also, ich ging davon aus, dass er es war. Wie so oft in dieser Stadt, kam mir sein Gesicht irgendwie bekannt vor, obgleich ich mich nicht erinnern konnte, dem Senator jemals persönlich begegnet zu sein. (In den Thermen? Nein. In der Akademia? Auch nicht. Irgendwo anders...? Nicht dass ich wüsste. Wahrscheinlich hatte ich ihn mal auf der Rostra oder beim Vorbeigehen in der Castra gesehen.)
    "Centurio Decimus Serapio von den Cohortes Urbanae meldet sich zum Examen Tertiam."
    Den anderen Prüflingen nickte ich grüssend zu. "Salvete." Der eine fiel vor allem durch seine hohe Statur auf, den anderen kannte ich vom Cursus Continuus über Tiberius, das war Aurelius Ursus, damals Quaestor. Und natürlich auch der Princeps der Aurata, in meinen Augen eines der bedeutendsten Ämter Roms.

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  • In kurzer Folge nacheinander trafen die drei Prüflinge ein und da Macer bisher nur einen von ihnen persönlich kannte, kam es ihm ganz gelegen, dass die anderen beiden sich auch namentlich vorstellten, wie sich das gehörte. Darüber hinaus schienen alle drei aber ein wenig nervös zu sein, denn zumindest sprachen sie nicht viel.


    "Dann sind wir also komplett", stellte er fest, nachdem er den letzten Prüfling genauso wie die beiden vorherigen begrüßt hatte. "Macht es euch bequem." Dann stellte er kurz noch den Mann vor, der das Protokoll der Prüfung abfassen würde, der aber ansonsten eher unwichtig zu sein schien.


    "Die Kaiser und das Militär sind unser Prüfungsthema. Decimus Serapio und Aurelius Ursus, ihr hattet in eurer Einladung zum Kolloquium sicher den Hinweis gefunden, dass ihr euch auf die Lebensläufe zweier bestimmter Kaiser besonders vorbereiten solltet. Iunius Brutus, bei dir hatte die Kurzfristigkeit deiner Einladung diesen Hinweis nicht mehr ermöglicht, dir entsteht aber kein Nachteil daraus", erläuterte er zunächst noch einmal die Vorgeschichte.


    "Wenn ihr euch an den schriftlichen Teil erinnert, wurde dort vor allem Faktenwissen abgefragt. Welcher Kaiser erlebte dies oder das, was veranlasste dieser oder jener Kaiser und so weiter. Im Kolloquium möchte ich nun vor allem hören, ob ihr in der Lage seid, diese Fakten zu beurteilen und daraus Lehren zu ziehen, denn schließlich sollt ihr hier als Offiziere ausgebildet werden, die für die Zukunft handeln und nicht für die Vergangenheit. Damit wir das ganze etwas spielerischer hinbekommen, verteile ich an euch jetzt drei Rollen", eröffnete er dann den Teilnehmern.


    "Aurelius Ursus, du übernimmst die Position eines Mannes, der den Lebenslauf des Kaisers Tiberius oder ähnliche für vorteilhaft hält, also umfassende militärische Erfahrungen vor der Erlangung der Kaiserwürde und eine bewusste Abgabe von Kontrolle an die Militärs nach der Erlangung der Kaiserwürde. Decimus Serapio, du wirst den gegenteiligen Entwurf vertreten, so wie wir ihn beispielsweise von Kaiser Domitianus kennen, also keine expliziten militärischen Vorerfahrungen, dafür diverse persönlich geleitete militärische Operationen als Kaiser selbst. Iunius Brutus, du wirst die Seite des Militärs vertreten und kannst dir aussuchen, ob du lieber einen militärisch erfahrenen Kaiser bevorzugst, der seine Macht abgibt oder einen unerfahrenen, der seine Truppen persönlich leitet. Du solltest deine Meinung allerdings begründen können. Ist allen soweit klar, wie ihre Rolle aussieht und wie ich mir die Prüfungsdiskussion vorstelle?" fragte er abschließend in die Runde, bevor er die gespielte Konfrontation der Meinungen frei gab.

  • Ich setzte mich und lauschte angespannt den Erklärungen des Kommandeurs. Das klang interessant, aber ich würde echt umdenken müssen, um für das 'Modell Domitian' zu argumentieren.
    "Eine Frage - soll es eine freie Diskussion sein, oder wirst du Fragen stellen, anhand der wir dann unsere Positionen vertreten?"

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  • "Je mehr freie Diskussion zustande kommt, umso besser", gab Macer zur Antwort. "Aber ich habe natürlich auch einige Fragen vorbereitet und werde mich zu Wort melden und mich einmischen, wenn ihr zu Schweigen beginnt."

  • Das war eine sehr ungewöhnliche Herangehensweise, wie Ursus fand. Aber auch nicht uninteressant. Sicher würde es schwer sein, einen Anfang zu finden. Und er war sich nicht sicher, ob er sich so schnell in die Rolle würde einfinden können. Sicher, gerade mit Tiberius hatte er sich eingehend befaßt, doch war seine persönliche Meinung, daß dieser zwar ein vergleichsweise guter Kaiser gewesen war, aber dennoch nicht die Idealbesetzung. Eigentlich war er seiner Meinung nach eine geborene Nummer zwei gewesen. Aber das stand hier ja so im Einzelnen nicht zur Debatte.


    Er nickte also. "Es ist soweit klar und ich habe keine Fragen."

  • Ein wenig erleichtert konnte Brutus die Anweisungen von Macer aufnehmen, die Seite des Militärs kannte er zur Genüge. Er erwog kurz das für und wieder der beiden Positionen, die ihm zur Auswahl gegeben wurden und legte sich seine Argumente zurecht. Dann nickte er den Versammelten zu.
    "Keine Fragen, von mir aus können wir anfangen."

  • "Nun, dann legt los", lächelte Macer in die Runde. "Wenn euch ein Einstiegspunkt fehlt, dann schaut euch den Sohn unseres aktuellen Kaisers an. Wir sind hier unter uns und es braucht jeder nur die Meinung seiner Rolle vertreten und nicht seine persönliche Meinung, also nur Mut."

  • Brutus sah nach links und rechts zu seinen Mitkandidaten. Als keiner von beiden Anstalten machte, sich als erstes zu äußern, räusperte er sich und hob die Stimme.
    "Nun, von Seiten des Militärs ist ein Kaiser gerne gesehen, der nach Möglichkeit schon militärische Erfahrungen mitbringt. Ihr wisst wahrscheinlich recht gut, wie der einfache Soldat zu seinen Vorgesetzten steht, die gemeinsam mit ihm in Schweiß und Staub marschiert sind und gekämpft haben. Die Männer fühlen sich verstanden und sind solchen Männern gehorsam bis in den Tod. Was in diesem Maße für einen Offizier gilt, sollte idealerweise auch für den Kaiser gelten. Ich persönlich würde sogar beides befürworten: Erfahrung sammeln vor Antritt des Amtes und auch selbstgeleitete Feldzüge mit den Männern...." Er nahm einen Schluck Wasser aus einem Becher, dann fuhr er fort:
    "Im Bezug auf den Sohn unseres Kaisers wäre es gut, wenn er so viel Zeit wie möglich mit den Truppen verbringt, sie sind es schließlich, die ihm später die Macht sichern. Und nichts ist schlimmer als rebellierende Legionen, wie uns die Vergangenheit lehrte. Außerdem wäre er dann weniger den Ränken der Höflinge und der Praetorianer ausgeliefert und noch von keiner Seite korumpiert. In dieser Zeit sollte er sich mit anderen Feldherren und Legaten anfreunden, um nach seinem Amtsantritt einen fähigen Stab von Offizieren zu haben, die in seinem Namen an den Brennpunkten eingesetzt werden können und als Praefecti Praetorii. So hätte er höchst mögliche Kontrolle über das Militär und die Männer würden ihm trotzdem vertrauen."Damit war die Runde eröffnet und gespannt nahm er noch einen Schluck Wasser, in Erwartung der Eröffnungen seiner beiden Kameraden.

  • Was der Iunier sagte, paßte ganz gut zu Ursus' Rolle und so nickte er zustimmend, um dann aber noch näher auszuführen und die Gewichtung etwas anders zu legen. Trotzdem waren die beiden Ausführungen sich im Moment noch recht ähnlich. "Einige Jahre als Kommandant beim Militär nach der Ämterlaufbahn des Cursus Honorum sind völlig unerläßlich für einen angehenden Kaiser. Die Soldaten sind es, die das römische Reich so groß gemacht haben, wie es ist. Und sie sind es, die es für den Kaiser und das Volk sichern. Sie sind es, auf die ein Kaiser sich stützen können muß. Ein Kaiser sollte die Probleme der Soldaten und die der Offiziere aus eigener Erfahrung kennen, damit er später einzuschätzen weiß, was möglich oder unmöglich ist. Gleichzeitig lernt er, wie auch Iunius schon ausführte, andere Feldherren und hohe Offiziere persönlich kennen und kann sie somit auch später besser einschätzen. Nicht zuletzt stehen die Soldaten weitaus treuer zu einem Kaiser, von dem sie wissen, daß er ihre Strapazen geteilt und tapfer mit ihnen gekämpft hat. Später, wenn er schließlich Kaiser ist, hebt es zwar gewiß die Moral der Männer, wenn er persönlich einen Feldzug anführt, jedoch ist es eigentlich wichtiger, daß er das Reich als Ganzes im Auge behält, selbst an der Schaltstelle der Macht bleibt und die Verantwortung für Feldzüge an seine erfahrenen Offiziere abgibt. Denn ganau dafür hat er sie schließlich. Seine eigenen Erfahrungen werden ihm helfen, die Lage richtig einzuschätzen und so die Kontrolle zu behalten." Das war jetzt auch einfach mal so in den Raum gestellt.

  • Anfangs ging es wohl darum, erst mal die Gebiete abzustecken. Konzentriert hörte ich den beiden anderen zu, dabei kritzelte ich mit einem Stylus auf einer Wachstafel herum und notierte mir die Stichpunkte meiner Argumente und die Schlagworte der anderen beiden, bei denen ich anderer Meinung war und einhaken wollte – beziehungsweise bei denen ich die Gegenmeinung zu vertreten hatte auch wenn es mir eigentlich gegen den Strich ging.


    "Zur Vorbereitung auf die Herrschaft ist es wichtig, dass der künftige Kaiser eine möglichst umfassende Ausbildung erhält. Als zentrale Figur unseres Reiches wird er später nicht nur über militärische Fragen, sondern sowohl über die Politik innerhalb des Imperiums als auch über die gegenüber dem Ausland entscheiden, auch die Verwaltung des Reiches und die Finanzen des Staates obliegen seiner Aufmerksamkeit, zudem ist es als Pontifex maximus seine heilige Pflicht, den Frieden des römischen Volkes mit den Göttern zu wahren. Sicherlich ist auch der militärische Teil seiner Ausbildung in keinster Weise zu vernachlässigen, doch ich muss meinen Vorrednern insofern widersprechen, als dieser nicht auf Kosten anderer, ebenso essenzieller Inhalte, die ihn auf seine zahlreichen Aufgaben vorbereiten, überbetont werden darf.
    Gerade die von Dir, Iunius, für den jungen Sohn des Kaisers geforderte Zeit bei den Truppen, die eine lange Abwesenheit aus Rom mit sich brächte, halte ich für sehr unvorteilhaft, sogar für gefährlich. In so jungen Jahren gilt es, das Kind erst einmal die Grundlagen an Wissen, Bildung, Rhetorik und vor allem die römischen Tugenden zu lehren. Ich möchte dabei das Beispiel Caligulas nennen, der in den Heerlagern seines Vaters aufwuchs, was ihn keineswegs vor der Korruption schützte, nein, er zeigte sich ja später als ihr eifrigster Vertreter. Es ist gut möglich, dass die übermässige Verehrung, die die Soldaten an der Rheinfront ihm als Sohn des Germanicus erwiesen, verderblich auf seinen reifenden Geist wirkte und zu seinem späteren Wahn beitrug."


    Ich machte eine Kunstpause, und dachte so bei mir, dass dies gar nicht viel anders war, als dem Dionysos eine Lobrede zu halten. Dann wandte ich mich den Ausführungen des Aureliers zu.
    "Was ein eigenes Kommando vor der Machtübernahme angeht, so kann dies dem angehenden Kaiser und dem Reich ganz empfindlich zum Nachteil gereichen. Ein junger "Prinz" aus kaiserlichem Hause wird immer eifrig darauf bedacht sein, sich mit Ruhm zu bedecken. In den seltensten Fällen ist die Nachfolge auf den Thron im Vorneherein sicher, und nichts gewinnt schneller die Herzen der Römer als militärische Erfolge – kein Wunder also, dass die Verlockung überwältigend sein mag, sein Prestige durch Vorstöße zu beflügeln, die ein erfahrener General unterlassen würde, das Leben der Soldaten für riskante Strategien zu vergeuden und sich in unsinnige militärische Aktionen zu verstricken, die dem Reich mehr schaden als nutzen. Und natürlich gefähren solche Aktionen auch das Leben des kaiserlichen Sprosses selbst – so ist ja zum Beispiel Nero Claudius Drusus, der Bruder des Tiberius, umgekommen als er den tiefsten Vorstoß, der je ins wilde Germanien unternommen wurde, anführte. Solche Verluste kann das Reich sich nicht leisten.
    Auch die langjährige Abwesenheit von Rom, dem Zentrum der Macht, ist für einen designierten Thronfolger sehr problematisch. In einem Feldlager an der Grenze des Imperiums sind die Belange des Reiches weit entfernt, allzu leicht entfremdet der Thronfolger sich von den einflußreichen senatorischen und ritterlichen Gentes, auf deren Unterstützung er bei seiner Machtübernahme nicht verzichten kann. Nein, diese Nachteile sind zu bei weitem zu gravierend als dass man einem Kaisersohn ein bedeutendes Kommando übertragen sollte."
    , erklärte ich entschlossen, und nahm nach dieser langen Rede einen Schluck Wasser, um im Anschluss meine Position auszuführen.


    "Sobald die Kaiserwürde übernommen und die Herrschaft gefestigt ist, stellt sich die Sache anders dar. Von einer stabilen Machtbasis aus, untermauert durch die Unterstützung von Volk und Senat, ist es nicht nur möglich, dass der Kaiser die Ewige Stadt von Zeit zu Zeit verlässt, um wichtige Feldzüge in persona anzuführen – es ist sogar eine seiner edelsten Pflichten!
    Die Wirkung, die das Erscheinen des Kaisers beim Heer hat, lässt sich mit "Hebung der Moral" nur unzureichend umschreiben. Es ist der Kaiser, auf den die Milites ihren Eid schwören, in seinem Namen geben sie klaglos ihr Leben auf dem Schlachtfeld, alles wofür die Soldaten kämpfen und bluten verkörpert sich in der Person des Kaisers. Den Kaiser einmal mit eigenen Augen zu sehen ist da bereits ein großes Erlebnis, und die Bedeutung, die sein persönliches Erscheinen an der Front für den einfachen Soldaten hat, kann gar nicht überschätzt werden."

    Hier sprach ich nun wirklich aus feuriger Überzeugung, ich erinnerte mich lebhaft an den Morgen der Schlacht um Edessa, als ich den Kaiser selbst das Opfer an die Götter hatte zelebrieren sehen, und daran, wie ungeheuer mich das damals beeindruckt hatte.
    "Der Mut, den der Kaiser damit bezeugt, ist eine Inspiration für jeden Miles, und nichts verkörpert besser das Ideal soldatischer Kameradschaft, als wenn der sonst so ferne Kaiser sich zu seinen Truppen begibt, in der Adlocutio zu ihnen spricht, sie selbst in die Schlacht führt - und das nicht nur in der Rolle des Imperators, auch als ein Commilitio. Die Ehre, die er dem Heer damit erweist, begeistert die Männer, lässt sie über sich selbst hinauswachsen, unmenschliche Strapazen ertragen und in der Schlacht mit maximaler Disziplin und Schlagkraft für ihn kämpfen. Ja, die Anwesenheit des Kaisers vermag sehr wohl über Sieg oder Niederlage zu entscheiden.
    Selbstverständlich kann der Kaiser dabei nicht auf erfahrene Generäle verzichten, die ihm mit ihrem Rat beistehen. Über die langfristige Strategie an einer Grenze, einer Front, wird der Kaiser entscheiden, aber wenn es um die Taktik in der Schlacht, um Kommandomissionen und die alltägliche Kriegsführung geht, werden seine Feldherren ihn mit ihrer langjährigen Praxis unterstützen.
    Domitianus ist das beste Beispiel dafür, wie auf diese Weise militärische Erfolge errungen werden. Obgleich er über keine militärische Vorerfahrung verfügte, war er im Felde ungeheuer erfolgreich: er besiegte die Chatten und befriedete die Rheingrenze, er triumphierte über die Daker, verteidigte die Donaugrenze gegen Sarmaten und Iazygen und zerschmetterte innerhalb von kürzester Zeit die Rebellion des Saturninus. Diese Siege sprechen für sich. Sie bezeugen, dass ein römischer Kaiser, selbst wenn er nicht über militärische Erfahrung von vor seiner Machtübernahme verfügt, die wichtigen Feldzüge des Reiches, wann immer das möglich ist, selbst anführen sollte."

  • Macer folgte den Ausführungen der drei Männer schweigend und freute sich sehr, dass alle drei Beiträge nicht zu knapp ausfielen und gleich zahlreiche Aspekte in Betracht zogen. Der Militärvertreter in der Runde wollte sich offenbar auf die Seite derjenigen stellen, die eine militärische Ausbildung vor dem Amtsantritt bevorzugten, womit er es Aurelius Ursus einfacher machte. Die Antwort der Gegnseite fiel in Macers Augen allerdings problemlos so umfangreich aus, dass sie es auch mit zwei Gegenspielern aufnehmen konnte.


    Gespannt schaute er daher in Richtung von Aurelius Ursus und Iunius Brutus, wie sie die vorgebrachten Argumente mit dem gelernten Wissen aus dem Kurs zu widerlegen gedachten. Selber sagte er erst einmal nichts.

  • Aufmerksam lauschte Ursus den Ausführungen Serapios. Er hatte seine Argumentation sehr gut dargelegt und mit Beispielen untermauert. Es war nicht leicht, darauf angemessen zu erwidern. Ursus wartete noch eine Weile ab. Zum einen, weil er seine Antwort nicht unüberlegt vorbringen wollte, zum anderen, um Iunius Brutus nicht vorwegzugreifen. Doch da dieser sich noch vornehm zurückhielt und Purgitius Macer auch ihm schon auffordernde Blicke zuwarf, ergriff Ursus nun doch das Wort.


    "Du sagst es selbst: Eine umfassende Ausbildung braucht ein Kaiser, keine einseitige. Weder einseitig militärisch, noch einseitig politisch. Denn beides ist in meinen Augen gleichermaßen schädlich, muß ein Kaiser doch alle Bereiche gleichermaßen kennen und zu berücksichtigen verstehen, wobei auch der Cultus nicht vernachlässigt werden darf. Vielleicht war es im Falle des Tiberius sogar ein Glück, dass er zunächst eigentlich nicht als Thronfolger vorgesehen war. So erhielt er nach einer umfassenden Grundbildung die Möglichkeit, sich politisch zu engagieren und hat auch schon früh sowohl an diplomatischen als auch an militärischen Operationen des Augustus seinen Anteil gehabt und konnte auf diese Weise wertvolle Erfahrungen sammeln. Hätte er gleich als zukünftiger Kaiser gegolten, wer weiß, vielleicht wäre er dann genau so übertrieben geschützt worden wie Du es forderst. Oder wäre so ruhmsüchtig gewesen, wie Du es im Falle eines frühen Kommandos darstellst. Beides war bei ihm nicht der Fall. Und letzteres bei seinem Erben zu verhindern, sollte die Aufgabe des gerade regierenden Kaisers sein. Meiner Meinung nach ist es weit riskanter, wenn ein militärisch unerfahrener Kaiser sich an die Spitze seiner Männer setzt und in die Schlacht zieht, als wenn ein militärisch gründlich ausgebildeter Thronfolger ein Kommando übernimmt. Zum einen weil die fehlende Ausbildung und Erfahrung den Kaiser Gefahren zu spät erkennen lässt, zum anderen weil ein inthronisierter Kaiser weit schwerer zu ersetzen ist als ein Thronfolger. Denn es entsteht augenblicklich ein Machtvakuum, das zu füllen auf die Schnelle sehr schwer werden kann."


    Er machte eine kleine Pause, um seine Gedanken neu zu ordnen. Denn zum Ende hin war er seiner Meinung nach zu schnell zwischen den einzelnen Gedanken gewechselt. Aber so im Gespräch war das eben nicht so einfach, wie wenn man etwas schriftlich niederlegen und über jeden Satz lange nachdenken konnte. Vor allem war es schwer, beim eigentlichen Thema zu bleiben, zu vieles spielte in die Überlegungen mit hinein, führte hier aber vermutlich zu weit. "Sicher, Domitian hat gezeigt, dass auch ein militärisch unerfahrener Kaiser an der Spitze eines Heeres erfolgreich sein kann. Doch er ist damit wohl eher die Ausnahme und eine ordentliche Portion Glück und vermutlich auch Götterwohlwollen halfen ihm garantiert auch dabei. Im Grunde war er ausgesprochen leichtsinnig, sich selbst derartig in Gefahr zu bringen. Hätte es nicht auch genügt, mit den Soldaten zu sprechen, sie durch persönliche Besuche zu motivieren und ansonsten fähigen Feldherren die Angelegenheit zu überlassen? Ein Kaiser gehört nie sich selbst, er gehört immer dem ganzen Volk, dem ganzen Reich. Diese Verantwortung sollte sein Handeln leiten und ihn davon abhalten, sein Leben leichtsinnig in Gefahr zu bringen. Lieber sollte er sein Augenmerk auf die Offiziere richten, deren Macht er dabei natürlich nicht unterschätzen darf. Ihrer Treue muß er sich immer wieder versichern. Dabei wieder hilft es ihm, wenn er als junger Mann die Gelegenheit hatte, eben diese Offiziere persönlich kennenzulernen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Diese sind es, die den Kaiser an der Spitze des Heeres ersetzen müssen. Sie sind es, die den Männern klarmachen müssen, dass sie ihm folgen, indem sie ihnen folgen. Wenn sie dieser Aufgabe gewachsen sind, ist die persönliche Anwesenheit des Kaisers bei einem Feldzug völlig überflüssig und er ist nicht gezwungen, Rom allzu lange den Rücken zu kehren oder gar sein Leben zu riskieren."


    Einen Moment lang sah es so aus, als wollte er noch etwas hinzusetzen, aber dann entschied er sich offensichtlich dazu, doch erst einmal wieder zu schweigen und den anderen wieder das Feld zu überlassen. Seine weiteren Gedankengänge konnte er sich zu einem späteren Zeitpunkt noch anbringen.

  • Brutus hatte den Ausführungen von Serapio und Ursus aufmerksam gelauscht, die Fülle von Material war beeindruckend, die Argumente durchaus stichhaltig. Er notierte einige Dinge auf einer Tabula, dann kaute er nachdenklich am Ende seines Stilus. Dann versuchte er, sich die Argumente für seinen Part zu verdeutlichen.


    Er räusperte sich noch einmal und nahm einen Schluck Wasser. Er blickte seine beiden anderen Prüflinge an. "Ich kann mich meinem Vorredner Ursus nur anschließen, was die Ausbildung des Thronfolgers angeht. Zu deiner Ausführung, Serapio, dass der junge Caligula wegen seiner Beliebtheit bei der Armee großenwahnsinnig wurde, muss ich sagen, dass dieser Umstand mit nichten Auslöser für seine Gewaltherrschaft war. Welcher Knabe würde nicht krank im Geiste werden, wenn sein Leben schon von Kindesbeinen an in Gefahr ist? Wäre er, wie du empfiehlst, in Rom geblieben und hätte seine Ausbildung genossen, wie leicht wäre er da dem Seianus zum Opfer gefallen? Das zeigt ganz deutlich: Es ist besser für einen Thronfolger, nicht zusehr in die Intrigen bei Hofe involviert zu sein, er könnte seinen Amtantritt nicht mehr erleben. Zudem hat Caligula zwar seine Kindheit bei den Truppen verbracht, jedoch nicht viel an militärischer Ausbildung erfahren. Einerlei, es konnte ihn nicht vor den Schwertern der Prätorianer schützen. Zu diesem Punkt werde ich gleich noch einmal zu sprechen kommen.
    Zunächst einmal möchte ich betonen, dass es der Virtus ist, die Tugend und die Tapferkeit, nach der ein jeder Römer streben sollte. Meine Herren, welche Eigenschaft ist höher zu preisen als die Tapferkeit? Die Frömmigkeit den Göttern gegenüber? Vielleicht, doch die Götter helfen den Mutigen und geben ihnen Weisheit. Ist es vielleicht die Gerechtigkeit? Nun, gerecht sein kann ein Mann nur, wenn er stark und tapfer ist und sich nicht vor den Konsequenzen seiner Handlungen zu fürchten braucht. Oder ist es am Ende gar die Temperantia, die Mäßigung, die die höchste aller Tugenden ist? Nur wer tapfer ist, kann sich sich die Mäßigung erlauben, sollte sie sich sogar erlauben, zum Wohle des Volkes.
    Woher aber soll der Thronfolger seinen Virtus nehmen, Serapio, wenn nicht erworben durch den Kampf und das Führen der Männer? Was ist ehrenwerter, als gute römische Bürger in den Kampf zu führen? So wurde unser Reich groß, nicht durch Mäßigung und Weisheit, sondern durch den starken Arm unserer Bürger, die ihr Leben gewagt haben für einen Traum, den Traum von Rom. Warum sollten die Männer einem Mann folgen, der keine militärische Erfahrung vorzuweisen hat? Wieso regierte der Kaiser Otho nur drei Monate? Ich will es euch sagen: Er hatte keine Erfahrung im Führen einer Armee. Seine Offiziere nützen ihm garnichts, er war zum Untergang verdammt, weil er den Männern Versprechungen gemacht hatte und sie nicht einhielt. Der Kaiser muss seine Männer verstehen, ihre Bedürfnisse kennen und ihnen seine Anerkennung zeigen, sei es durch Donativa oder Auszeichnungen, denn jeder von ihnen ist im Zweifelsfalle bereit, sein Leben für Rom und den Kaiser zu opfern. Welcher Kaiser oder designierte Nachfolger würde also auf seine militärische Ausbildung verzichten? Die Geschichte zeigt uns, dass Vitellius der bessere Feldherr war und deshalb triumphieren konnte.
    "


    Er machte eine kurze Pause, um einen Schluck Wasser zu trinken. Seine Ausführungen hatten ihn erhitzt, seine Wangen waren leicht gerötet. Dann holte er noch einmal Luft und griff den Faden erneut auf: "Was den Einfluss der Senatoren und Ritter angeht, so sehe ich diese Tatsache ein wenig anders als du, Serapio. Zwar haben die Patres Conscripti durchaus ihre Aufgaben, nämlich den Kaiser zu unterstützen, doch wer ernennt die Senatoren? Seht euch die Gentes der senatorischen Familien an, die meisten erhielten diese Ehre vom Kaiser. Damit gehört es auch zu den Aufgaben eines inthronisierten Kaisers, sich die Loyalität der Senatoren zu sichern, indem er fähige Männer einsetzt, die für statt gegen ihn arbeiten. Gleiches gilt für die Ritter. Besonders die ritterlichen Ämter sollte der Kaiser dabei im Auge behalten, was uns zum höchsten derselben führt: Die Besetzung der Ämter der Praefecti Praetorii, der beiden Prätorianerpräfekten.
    Seien wir ehrlich, die Schwarzen sind zu einer Macht erwachsen, die vielleicht mehr Einfluss auf einen Kaiser haben können als manche Senatoren. Sie sind rund um die Uhr in der Nähe des Kaisers!!!!! Die Geschichte zeigte, dass mehr als ein Kaiser ihren Verschwörungen zum Opfer fiel. Damit möchte ich auf den aufgeschobenen Punkt kommen, den ich vorhin erwähnte: Die Sicherung der Macht. Nur ein Kaiser, der seine Soldaten kennt, kann aus ihren Reihen die fähigsten zum Dienst in seiner Leibwache rufen, diese Männer müssen ihm treu ergeben sein. Umso mehr müssen ihre Anführer ausgesuchte Männer sein, loyal dem Kaiser gegenüber. Ihr seht, es ist wie Ursus gesagt hat, ein militärisch unerfahrener Kaiser hat größere Schwierigkeiten, sich zu behaupten als ein erfahrener."


    Damit lehnte er sich zurück und blickte noch einmal auf seine Aufzeichnungen. Er hatte wohl nichts vergessen, dafür war sein Mund schon wieder trocken.

  • Die Beiträge der Männer schienen eher länger als kürzer zu werden, als wenn sie sich gerade erst warmlaufen würden. So sachlich und umfassend wie dabei argumentiert wurde, hatte Macer auch keinen Grund, mit Zwischenfragen steuernd einzugreifen, zumal die Prüflinge schon selber das Problem von allen denkbaren Seiten beleuchteten und keinen Aspekt vergassen. Auch wenn es am Ende nicht darauf ankommen sollte, wer wen überzeugt hatte, war Macer nun wieder gespannt auf die Antwort des Serapio, nachdem die anderen beiden Kandidaten dessen Argumente fein säuberlich untersucht und diskutiert hatten.

  • "Ja, ein Kaiser gehört immer dem ganzen Reich.", wiederholte ich eine der Aussagen des Aurelius Ursus, "Diesen Gedanken möchte ich aufgreifen."
    Mein Blick heftete sich auf die mit Notizen ganz vollgekritzelte Wachstafel vor mir, und ich furchte die Stirn vor Konzentration. So langsam wurde es zu einer echten Herausforderung, all die Argumente meiner beiden Gegen-Diskuttanten zu überblicken. Wobei es mir durchaus Spass machte, die Worte mit dem scharfsinnigen Aurelier zu kreuzen.
    "Denn weil das so ist, gerade weil sich in der Person des Kaisers der Geist unseres römischen Reiches, all das, wofür unser Imperium steht, verkörpert, gerade darum muss der Kaiser den Bürgern die Virtutes auch vorleben. Und zu den höchsten und edelsten Virtutes romanae gehört, da stimme ich dir zu, Iunius, die Tapferkeit.
    In den Augen der Welt ist der Kaiser Rom. - Rom ist tapfer, Rom stellt sich jeder Herausforderung, Rom ist siegreich. Da macht ein Kaiser, der den Kampf scheut, der sich hinter Palastmauern vor dem Krieg versteckt, nicht nur persönlich eine schlechte Figur – er wirft auch ein denkbar schlechtes Licht auf die Stärke unseres Imperiums."

    Ich hoffte, verdeutlicht zu haben was ich meinte... der Kaiser war eben nicht nur ein Mann an der Spitze des Staates, und auch viel mehr als ein Symbol, er war auch auf eine sakrale, ja, mystische Weise verbunden mit dem Heil des Reiches. Dann wandte ich mich wieder den konkreteren Aspekten des Themas zu. Über Tiberius konnte man ja wunderbar herziehen, und Aurelius Ursus selbst hatte mich freundlicherweise in seinem Cursus mit den Mängeln dieses Mannes vertraut gemacht. ;)


    "Was deine positive Einschätzung des Tiberius angeht, Aurelius, – ich kann sie nicht teilen. Ganz im Gegenteil, ich halte ihn für eine Paradebeispiel dafür, wie fatal sich das von euch geforderte Übergewicht des Militärischen in der Ausbildung des Thronfolgers erweisen kann", begann ich vergnügt.
    "Seine lange Abwesenheit von Rom während der Kampagnen, die er für Augustus führte, haben ihn dem politischen Betrieb doch vollkommen entfremdet. Ohne Frage war er ein tüchtiger Feldherr, doch ein Imperium muss anders beherrscht werden als eine Legion kommandiert! Und Tiberius hatte nicht gelernt, ein Herrscher zu sein, er wusste sich auf dem politischen Parkett nicht zu behaupten und ist dort ausgeglitten. Den Senat und das Volk machte er sich durch die grausamen Majestätsprozesse zum Feind. Selbst die Truppen, die, eurer beider Argumentation nach, ja besonders treu zu diesem verdienten Feldherren hätten stehen müssen, waren ihm keine verlässliche Unterstützung – direkt nach seiner Machtübernahme meuterten bereits die Legionen an Donau und Rhein.
    Letztendlich entzog er sich seinen Pflichten, als er Rom verließ, und sich lieber in seine privaten Ausschweifungen stürzte, als das Reich zu regieren. Bekanntlicherweise erinnert man sich an ihn als einen Tyrann, bei dessen Tod die aufgebrachten Bürger forderten: 'Tiberium in Tiberim'. "

    Ich wusste wohl, dass diese Einschätzung nicht sehr differenziert war, aber es war ja nicht meine Aufgabe den Tiberius zu loben. Aber – Upps! - hoffentlich wurde mir die Kritik am Rückzug aus Rom nicht als Kritik an unserem aktuellen Kaiser ausgelegt... Die Situation, das fiel mir zum wiederholten Male auf, hatte schon die ein oder andere Parallele. Aber der entscheidende Unterschied bei der Sache war natürlich, dass Vescularius Salinator, den ich als Kommandant wirklich zu respektieren gelernt hatte, ein fähiger und integrer Stellvertreter war.


    "Die beeindruckenden militärischen Erfolge des Domitian als pures Glück zu bezeichnen, damit macht man es sich doch ein wenig zu leicht. Die lange Reihe seiner Siege habe ich ja bereits aufgezählt – Fortuna ist viel zu wankelmütig, als das man sie allesamt ihrer Gunst zuschreiben könnte. Ganze zweiundzwanzig Mal wurde er für seine Siege mit der Acclamatio zum Imperator geehrt. Bei Tiberius waren es dagegen insgesamt nur acht Mal.
    Zudem war Domitian nicht der einzige Kaiser, der, ohne als Thronfolger ein Kommando innegabt zu haben, entscheidende Siege errang. Ich möchte an Claudius erinnern, der sich selbst nach Britannien begab, und dort die Expansion des Reiches so erfolgreich vorantrieb, dass er mit einem Triumph geehrt wurde. Selbstverständlich stützte er sich dort auf die Erfahrung seiner altgedienten Offiziere, von denen Plautius der bekannteste ist.
    Es steht ja, wie ich bereits sagte, ausser Frage, dass ein kluger, doch militärisch unerfahrener Herrscher an der Front, sich für die Fragen der Taktik auf seine verlässlichen Generäle stützen wird. Die Anwesenheit des Kaisers schmälert dann keineswegs die Rolle seiner Offiziere - nein, an der Seite des Kaisers selbst eine Schlacht zu schlagen, kann einen jeden Soldaten, sei er Miles gregarius oder Legatus legionis nur mit Stolz erfüllen und über sich selbst hinauswachsen lassen.
    Dein Vorschlag, Aurelius, dass der Kaiser sich auf Truppenbesuche in möglichst sicherem Rahmen beschränken und bei den Schlachten durch Abwesenheit glänzen soll, das wäre dagegen ein ganz falsches Signal an die Soldaten... nämlich, dass unser oberster Befehlshaber, der, für den wir geschworen haben, ohne Zögern unser Leben zu geben, dass dieser Mann seine Soldaten genau dann im Stich lässt wenn es darauf ankommt. Wenn es gefährlich wird."


    Nachdem ich mir den Mund schon so fusselig geredet hatte, griff ich mir aus den deutlich polemischeren Worten des Iunius Brutus nur noch den ein oder anderen Punkt heraus.
    "Hm... Du überträgst da die Verhältnisse aus der früheren Zeit des Prinzipats, als die Herrschaft und die Nachfolge noch viel weniger gefestigt und die Verhältnisse bei Hofe viel ungeordneter waren, einfach auf die heutige Zeit. Die logische Konsequenz deiner Befürchtungen im Bezug auf Intrigen und Prätorianer wäre wohl tatsächlich, den Thronfolger irgendwo bei den Truppen, völlig isoliert von der Stadt Rom und ihren möglicherweise verderblichen Einflüssen aufwachsen zu lassen – doch Rom ist das Herz des Imperiums, und später, wenn er von dort aus regieren muss, wird der stets wohlbehütete und damit gänzlich unerfahrene Herrscher sich um so weniger gegen diese Einflüsse behaupten können.
    Zu den Ereignissen im Vierkaiserjahr – Otho unterlag in der ersten Schlacht von Bedriacum vor allem deshalb, weil die Truppen des Vitellius ihm zahlenmäßig zwei zu eins überlegen waren. Und Vitellius blieb ja auch nur unwesentlich länger an der Macht, schon sechs Monate später unterlag er seinerseits Vespasian...
    Was du über die Senatoren sagst, dass sie vom Kaiser berufen werden – ähm... sicher, aber ich sehe da nicht so recht den Zusammenhang? Ein Kaiser, der neu die Macht übernimmt, wird ja immer einen in seiner Besetzung bereits bestehenden Senat vorfinden. Meinst du etwa, er solle dann umgehend die Senatoren austauschen, um ihm loyale Männer dort sitzen zu haben? So ein Schritt wird ohne Proskriptionen schwerlich möglich sein. Und damit würde jener Kaiser sich doch eher unbeliebt machen."
    Jetzt war ich auch polemisch.
    "Immerhin ist der Senat eine altehrwürdige Institution, mit auf Lebenszeit berufenen Mitgliedern. Ritterliche Posten lassen sich da tatsächlich leichter neu besetzen, aber die Unterstützung der senatorischen Aristokratie lässt sich wohl kaum durch Personalwechsel gewinnen."


    Was auf jeden Fall klar wurde, war dass mein Gegenüber die Prätorianer nicht mochte. Ich rieb mir das Kinn, und zeigte ein nachdenkliches Gesicht.
    "Hm... ich höre hier immer wieder, ein Kaiser brauche bei seinem Machtantritt militärische Erfahrung, um seine Vertrauten gut zu wählen. Du betonst vor allem, wie wichtig dies bei der Wahl des Prätorianerpräfekten sei. Doch die Vergangenheit unseres Reiches führt das ad absurdum – denn sie zeigt uns, dass genau der Kaiser, der bei Machtantritt die meisten Feldzüge hinter sich hatte, in der Hinsicht den schlimmstmöglichen Fehlgriff tat: Tiberius, der den Seianus als Stellvertreter wählte, und damit das Reich einer Schreckensherrschaft sondergleichen auslieferte."
    Ich ließ das so im Raum stehen, gespannt, wie die beiden das kontern wollten, und gönnte mir einen wohlverdienten großen Schluck Wassser.

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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Ursus nickte zu den Ausführungen des Iuniers bezüglich Caligula. Das sah er ganz ähnlich. Ihn als Beispiel heranzuziehen, fand er doch sehr gewagt, aber er konnte nicht umhin, Serapio Respekt zu zollen für die geschickte Platzierung seiner Argumente. Auch Brutus war ein gewandter Redner und wusste seine Meinung gründlich zu untermauern. Seinen Argumenten war von seiner Seite kaum etwas hinzuzufügen, er war so ziemlich seiner Meinung.


    Serapio hingegen ging in die Offensive und machte es den beiden anderen alles andere als leicht, eine gut untermauerte Erwiderung vorzubringen. Ursus furchte die Stirn, versuchte, seine Worte gründlich zu durchdenken. So gut es eben in der kurzen Zeit ging. "Ja, da stimme ich euch beiden zu: Die Tapferkeit ist eine wichtige Tugend und ein Kaiser muß seinem Volk, vor allem seinen Soldaten zeigen, dass er diese Tugend besitzt. Doch die rechte Zeit dafür ist vor der Erhebung zum Kaiser. Das ist die Zeit, in der er persönlich die Armeen anführen und selbst in den Krieg ziehen sollte. Das ist die Zeit, in der er sein Leben auch mal riskieren und seine Tapferkeit beweisen darf. Der plötzliche Tod eines Kaisers ist eine weit größere Katastrophe, noch dazu für das ganze Reich, als eine verlorene Schlacht, so wichtig sie auch sein mag. Der plötzliche Tod des Thronfolgers ist zwar schlimm genug, stürzt aber nicht gleich das ganze Reich in Instabilität. Niemand kann annehmen, dass ein bisher tapferer Mann plötzlich feige geworden ist, nur weil er als Kaiser nicht mehr selbst an der Spitze des Heeres reitet und sich den Pfeilen der Feinde darbietet. Dieser Platz gebührt dem Thronfolger, der den Kaiser direkt vertreten sollte, sofern er das richtige Alter schon erreicht hat. Ihm sollen die Soldaten folgen, in ihm den zukünftigen Kaiser erkennen und durch seine Gegenwart über sich hinauswachsen."


    Nach einer kleinen Pause fuhr er dann fort und griff das Beispiel des Tiberius gleich auf. "Du hast vollkommen Recht, wenn Du auf die immensen Fehler des Tiberius hinweist. Doch diese sind keineswegs auf seine Ausbildung zurückzuführen. Nicht seine Militärkarriere machte ihn zu einem verbitterten, einsamen und zutiefst misstrauischen Mann. Dies haben all die Menschen aus ihm gemacht, die ihn benutzten und immer wieder enttäuschten. Du wirst Dich erinnern, dass seine besonders großen Fehler in die spätere Zeit seiner Herrschaft fielen. In Seianus glaubte er, endlich einen wahren Freund gefunden zu haben. Wie schändlich hat dieser sein Vertrauen missbraucht! Wenden wir uns lieber den Punkten zu, die für Tiberius sprechen und sehr wohl auf seine Ausbildung zurückzuführen sind. Er hat erfolgreich die Grenzen des Reiches gesichert und Stabilität für das gesamte Reich geschaffen. Du sagst, seine Militärerfolge sind eher minimal? Ich sage, sie sind sogar großartig. Er wusste genau, dass nach all den Neueroberungen des Augustus das Erreichte erst gesichert werden musste, wenn er die neuen Gebiete dauerhaft dem Reich angliedern wollte. Und genau das tat er! Mit deutlich erkennbarem Erfolg! Aber nicht nur militärisch war er erfolgreich, sondern auch im Bereich der allgemeinen Verwaltung des Reiches. Zum Beispiel gab es nie eine stabilere Finanzverwaltung als unter ihm."


    Wieder machte Ursus eine kleine Pause, bevor er fortfuhr. "Wir sprechen hier ja nicht darüber, wer der beste Kaiser war. Dies zu beurteilen, dürfte uns allen auch schwer fallen, da wir uns auf Berichte stützen müssen, die natürlich von der persönlichen Meinung des Verfassers geprägt sind. Wir sprechen hier darüber, was die bestmögliche Ausbildung für einen Kaiser wäre, um ihm damit die Mittel an die Hand zu geben, ein in jeder Hinsicht fähiger Kaiser zu sein, der das Reich zu weiterem Ruhm führt. Die Ausbildung allein formt aber keinen Menschen, sein persönliches Umfeld ist von mindestens ebenso großer Bedeutung. Ich bin weiterhin der Meinung, dass Tiberius eine hervorragende Ausbildung genossen hat. Er hat auch seine Offiziere, seine Feldherren klug gewählt, was ganz sicher seiner militärischen Erfahrung zu verdanken ist. Sein großer Fehlgriff war Seianus, den er wohl vor allem als guten Freund gewählt hatte und weniger aus militärischen Gesichtspunkten. Er hatte geglaubt, ihm blind vertrauen zu können. Ein fataler Irrtum, der aber nichts mit der militärischen Karriere vor seiner Erhebung zum Kaiser zu tun hatte. Umso mehr sollte ein Kaiser lernen, niemandem blind zu vertrauen, sondern immer eine Absicherung zu haben und die Kontrolle niemals vollkommen aus der Hand zu geben." Oh, hoffentlich hatte er da nicht zuviel gesagt. Er hatte Valerianus nicht so direkt kritisieren wollen. Aber er hielt überhaupt nichts davon, dass dieser Salinator so vollständig vertraute. Natürlich gab es da noch Quarto, der ja auch das Vertrauen seines Bruders zu haben schien. Zum Glück gab es ihn!

  • Und noch immer ging es weiter mit ausführlichen Redebeiträgen, in denen sich die Männer die Argumente und Beispiele leidenschaftlich um die Ohren schlugen. Der Protokollant der Prüfung hatte ohnehin immer nur Stichworte verzeichnet, fürchtete aber dennoch inzwischen, dass seine Wachstafeln nicht ausreichen würden, wenn das so weiter ging.


    Die Wachstafeln waren zwar nicht Macers größte Sorge, aber auch er sah den Zeitpunkt gekommen, das Kolloquium langsam einem Ende entgegen zu führen. "Ich unterbreche die spannende Diskussion ja nur ungerne, aber für eine Prüfung muss ich mich auch zumindest halbwegs an gewisse Zeiten halten, wie lange sie dauern darf." Er lächelte entschuldigend in die Runde und verkniff sich den Kommentar, dass die Männer das Thema ja durchaus nach der Prüfung noch weiter in den Thermen debattieren konnten. "So vielfältig, wie eure Argumente waren, habe ich auch keinen Grund, selber nochmal neue Aspekte in die Runde zu werfen. Möchte von euch noch jemand einen gänzlich neuen Aspekt einbringen?" Fragend blickte er sich um, wäre aber doch recht überrascht gewesen, wenn einer der Männer tatsächlich noch immer neue Punkte auf Lager gehabt hätte.

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