Mens sana in corpore sano - Taberna Medica Decima

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    Der Mann schien schlagartig wach zu werden und sah sich Leander kurz an, als sähe er ihn erst jetzt. Und dann fragte er auch schon nach seinem Namen. Kurz stutze der Grieche, hatte er ja nicht geglaubt, dass der Medicus ihn kennen würde, wo er ihn doch im Gegenzug nicht kannte. “ Ja, der bin ich, aber... hey? Hey! Was...?“
    Verschwand der Kerl einfach wieder! Leander war versucht, ihm hinterherzugehen und ihn mitzuziehen, aber da hörte er es auch schon räumen und verstauen. Ungeduldig tippte er leicht mit einem Fuß und besah sich noch einmal die nachtdunklen Straßen um sich herum. Hier direkt am Markt war noch relativ viel Verkehr mit den ganzen Gespannen und damit auch viele Leute unterwegs. Eine Tatsache, die ihm im Moment gar nicht passen wollte, sah er doch in jedem der Männer einen potentiellen Angreifer. Oh, Leander war nicht feige, das ganz sicher nicht, aber er war nunmal kein Kämpfer und hatte auch keine Veranlagung dazu.
    Endlich kam Crios wieder, eine gepackte Tasche umgehängt, und fragte nach dem Weg. Endlich! Hatte ja lange genug gedauert.
    “Hier lang. Und wir sollten uns beeilen, es geht meiner Herrin wirklich sehr schlecht.“ Manche Ärzte trödelten ja gerne, um ihre Wichtigkeit zu unterstreichen und ihre Würde, diesem Berufsstand anzugehören. Aber heute nicht, heute würde Leander alle Hebel in Bewegung setzen, dass dieser Arzt möglichst schnell in der Casa Iunia ankam.



    LEIBSKLAVE - IUNIA AXILLA

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    Ein Tag war vergangen. Ein Tag. Und eine Nacht. Crios wartete im Grunde nur darauf, dass Leander ihn noch mal holte. Er hoffte darauf. Er wollte etwas tun, er wollte helfen – die vorige Nacht war er die ganze Zeit bei der Iunia geblieben. Gegangen war er erst, kurz bevor sich im Haus die ersten geregt hatten. Zu dem Zeitpunkt hatte Axilla geschlafen, aber Leander hatte er gesagt, dass er ihn jederzeit holen konnte, wenn etwas war, oder vorbei kommen, wenn sie etwas brauchten. Wenn zum Beispiel die Kräutermischung zu Ende war, die er noch angefertigt hatte und aus der sie regelmäßig einen Aufguss machen sollten für Axilla, damit sie ihn trinken konnte. Aber zumindest bisher war noch keiner erschienen.


    So ganz konzentrieren konnte Crios sich nicht. Im Augenblick hatte er gerade einen älteren Mann vor sich, der ihm irgendetwas von irgendwelchen Problemen erzählte, davon, dass er – hier hustete er – nun ja, dass er – ein erneutes Husten – also – Räuspern – und hier schaltete Crios irgendwann ab und ließ sein Gehirn im Leerlauf vor sich hindümpeln, weil ihm die Probleme dieses Mannes so… lächerlich vorkamen. Er konnte sich schon vorstellen, was war. Vermutlich stand sein kleiner Kerl nicht mehr so, wie er es sollte. Irgendwas in der Richtung. Er wünschte sich, Iaret wäre hier und könnte übernehmen. Der ließ ihn augenblicklich dankenswerterweise in Ruhe, auch wenn Crios argwöhnte, dass das nicht ewig so bleiben würde – aber im Moment war es so, und er tat nichts, was daran etwas ändern könnte. Insofern war wenigstens das also weit angenehmer, als er es erwartet hätte, denn Iaret konnte fies werden, wenn er wollte. Aber sein Lehrmeister war nicht hier und konnte nicht übernehmen, und so zwang Crios sich wieder in die Gegenwart zurück, wo der Mann gerade etwas von Problemen beim Wasserlassen erzählte.




  • Ein griechischer Halsbschneider direkt bei den Trajansmärkten. Caius hatte auf seinem Weg drei Leute gefragt und einer hatte eine Medizintaverne gewusst, in der ein Grieche arbeitete. Allerdings war Caius da schon zum ersten Mal stutzig geworden. Die Adresse konnte nicht stimmen. Hingegangen war er trotzdem. Und in geschwungenen Lettern stand da "taberna medica decima". Das hatte seiner zielgerichteten Wut zugegebenermaßen doch einen kleinen Dämpfer verpasst, hielt ihn jedoch nicht davon ab, hineinzugehen und Stunk zu machen. Er musste eben überzeugend sein, das war alles. Und dann würde Seiana, die inzwischen Eigentümerin des Ladens war, den er selbst eigentlich geerbt hatte, auch nichts davon erfahren.


    Caius öffnete die Tür und eine kleine Glocke verkündete, dass Kundschaft da war. Er kam sich zwischen dem ganzen Grünzeug vor wie in einem Urwald. Miesepetrig schlug er einen Farn aus seinem Weg, während er sich selbigen bahnte. Ein milchgesichtiger Kerl behandelte gerade einen hustenden Opa. Aber das war ihm egal.


    »Du da«, sagte Caius und zeigte auf den Alten.
    »Verschwinde, aber dalli!« Und um seine Aufforderung zu unterstrechen, zerrte er am Arm des Patienten, der zunächst widerwillig, dann aber höchst folgsam die Flucht ergriff und für sein Alter doch recht zügig aus dem Laden türmte. Wieder ging diese lächerlicher Türglocke, und das regte Caius echt auf.
    »Bist du der griechische Halsabschneider, der vorgestern Nacht in der domus Iunia eine Iunia Axilla behandelt hat?« wollte er wissen. Die Mühe, höflich zu sein, machte er sich schon gar nicht mehr. Er war einfach nur noch sauer, und das war er, weil er Angst hatte. Und zwar um Axilla. Aber er bemühte sich schon, neutral zu klingen, und das gelang ihm schon, wie er fand.

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    Als plötzlich jemand den Laden betrat und die Glocke dies bezeugte, sah Crios kurz auf, als die schwelende Hoffnung wieder Nahrung bekam und kurz aufloderte. Aber es war nicht Leander, oder gar Axilla selbst, die wundersamerweise über Nacht vollständig genesen war, sondern ein Fremder. Und so wandte er sich zunächst wieder seinem Patienten zu. Das hieß, er wollte es. Aber da war der Neuankömmling plötzlich schon heran und schnauzte den Patienten an, er solle verschwinden, was er gleich darauf auch mit einem Handgriff unterstrich. „Hey, Moment mal!“ Crios sprang ebenfalls auf, aber da hatte der ältere Mann, etwas eingeschüchtert, schon beschlossen das Weite zu suchen. Crios sah ihm kurz hinterher, dann wandte er sich an den anderen, aufgebracht wegen der Störung – und, obwohl er das weder zugegeben hätte noch sich anmerken ließ, ein klitzekleines bisschen auch erleichtert. Noch hatte der Gute ja auch nicht die geringste Ahnung, worum es hier ging.


    „Was-“ setzte Crios gerade dazu an, und hätte er die Frage zu Ende sprechen können, hätte er wohl etwas in der Richtung gesagt wie, was bei Hades den Fremden dazu getrieben hatte, sich hier so aufzuführen, oder warum er Kundschaft vertrieb, oder woher er glaubte das Recht zu haben so etwas zu tun, aber er wurde – nicht unbedingt kunstvoll, aber dafür äußerst effektiv – abgewürgt. Griechischer Halsabschneider, das war schon mal der erste Punkt, bei dem Crios schlucken musste. Aber er kam nicht dazu, sich darüber auch noch, und diesmal richtig und vollständig und ohne jede Erleichterung aufzuregen. Der Kerl sprach weiter, und Crios wurde blass. Es musste etwas passiert sein. Sie hatte nicht überlebt. Und das hier war ein Verwandter. Oh du… Götter. Ihr Götter. Crios rief das gesamte Pantheon an in diesem einen winzigen Augenblick. Helft mir. Helft ihr. Lasst sie nicht tot sein. Crios war sich in diesem Augenblick allerdings völlig sicher, dass seine Gebete umsonst waren. Warum sonst wohl sollte dieser Mann denn hier sein und diese Frage stellen? Er versuchte etwas zu sagen, aber seine Stimme versagte ihm zunächst den Dienst, und er musste sich räuspern und noch mal ansetzen, bevor etwas herauskam. „Ja“, antwortete er schlicht – und hätte sich im nächsten Augenblick selbst dafür ohrfeigen können. Leugnen, leugnen, Himmel noch mal, wie sollten sie ihm denn an den Kragen, wenn ihm keiner nachweisen konnte, dass er es war? Leander war immerhin nur ein Sklave, und… Nein. Iunia Serrana war auch dabei gewesen. Crios wurde, wenn möglich, noch eine Nuance bleicher. Und dann beschloss er, zunächst das zu tun, was ihm immer half – er konzentrierte sich auf das, was er war. Er war Arzt. Und tatsächlich half es, zumindest insofern, als dass er nun wusste, was er als nächstes sagen sollte. „Was ist los? Braucht sie wieder Hilfe?“




  • Caius ließ sich nicht beirren und wartete stur darauf, dass der Kerl ihm sagte, dass er derjenige war, der an Axilla herumgepfuscht hatte. Er wirkte ziemlich durcheinander auf einmal, dann aber bestätigte er Caius' irr abgeschossene Vermutung und im Gesicht des Aeliers blitzte kurz etwas wie Triumph auf. Er holte schon tief Luft, um ihm eine Verwünschung entgegen zu schleudern, da fragte das Milchgesicht etwas, das Caius die Augen zusammenkneifen ließ. Erst war er skeptisch, dann nur noch wütender. Eigentlich war das ganz schön gemein, denn dieser Arzt konnte ja nicht mal wirklich was dafür. Trotzdem, irgendwo musste die Wut ja hin, die eigentlich Angst war, und die eigentlich nicht dem Kerl sondern wem anders galt.


    »Deine ganz sicherlich nicht mehr, du abgespackter nequam!« Und präzise landete eine schnelle aelische Faust in der Magengrube des kleineren Mannes. Caius war sauer. Aber genauso überrascht war er von sich, dass er es wirklich getan hatte. Erstaunt sah er seine Knöchel an, die in Reih und glied entlang der geballten Hand lagen. Dann sah er den Medicus an, runzelte die Stirn und überschüttete ihn mit einer neuen Welle an Flüchen.
    »Wie kannst du es nur wagen, ihr so weh zu tun, du milchgesichtiger pupillus! Wehe dir, wenn ich dich noch einmal erwische, du nequissimus, dann kannst du was erleben das sag ich dir!« Caius polterte ganz schon drauf los, aber wenigstens beschränkte er sich nun darauf, nur zu drohen, statt zu schlagen. Das war ja eigentlich ganz schön unter seinem Niveau. Eigentlich.
    »Wenn ich dich Scharlatan noch einmal erwische, wie du ihr irgendwas gibst, das sie krank macht, dann kannst du deine Knochen einzeln vom forum boarium zusammensuchen, hast du mich verstanden, du impudicus?!«

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    Was auch immer Crios erwartet hätte, welche Ängste er innerlich auch durchstand, das hätte er trotz allem dann doch nicht erwartet. Beschimpfungen, oh ja. Eine Faust im Magen? Nein. Der Schlag kam viel zu schnell für ihn, als dass er irgendetwas hätte tun können, und mit einem erstickten Laut taumelte er einen Schritt zurück und krümmte sich vornüber, als sich die Faust punktgenau in seinen Magen grub. Für einen Augenblick sah Crios funkelnde Sterne vor den Augen, während es Schimpfwörter nur so hagelte. Die Worte brauchten, bis sie in sein Bewusstsein vordrangen, brauchten ein wenig länger als normalerweise, aber es hätte ohnehin keinen Unterschied gemacht, weil der andere ihn wohl kaum zu Wort hätte kommen lassen. Und als er dann aber kapierte, was gesagt wurde, dauerte es noch mal ein bisschen, bis wirklich alle Teilchen an ihren Platz fielen, so dass es wirklich, also wirklich, einen Sinn machte. Vor allem anderen hieß das, was der andere sagte, nein, brüllte: die Iunia war noch nicht tot. Sonst würde er nicht darüber lamentieren, dass ihr jemand nur weh getan hatte. Und schon gar nicht mit Prügel drohen, wenn er das noch mal tat. Dann allerdings rüttelte sich das Bild wieder ein wenig durcheinander, und als die Teilchen zum Ruhen kamen, sah es noch einmal ein wenig anders aus. Axilla war nicht tot, das blieb auch weiterhin so. Aber warum war er jetzt auf einmal der, der ihr weh getan hatte? Gut, er war es ja, er hatte ihr den Trank gegeben, aber er hatte ihr dabei doch nichts vorgemacht, und vor allem: sie hatte ihn doch unbedingt gewollt.


    „Moment mal“, keuchte er erneut, als der Namenlose dann mit der schlimmsten Beleidigung aufwartete. Die anderen gingen ja noch, aber das letzte griff ihn als Arzt an, und das machte Crios wütend – war das doch das einzige, was er tatsächlich ernst nahm, was ihm wirklich etwas bedeutete, was seinem Leben einen Sinn gab. „Was heißt hier impudicus? Ich bin Arzt, ich hab ihr geholfen! Was hältst du von mir?“ Er dachte nicht mehr allzu sehr nach, aber immerhin noch genug, um nun nicht mehr über Axilla zu sagen, als vielleicht gut war. Sie hatte nicht gewollt, dass etwas bekannt wurde von ihrer Schwangerschaft, und daran würde er sich halten, wenigstens solange der andere nicht deutlich machte, dass er Bescheid wusste. Dass der Besucher einen knappen Kopf größer war als er, interessierte ihn im Augenblick hingegen weniger. „Was fällt dir überhaupt ein, hier reinzukommen, mit Beleidigungen um dich zu werfen und Rabatz zu machen? Wer bist du?“




  • Zufrieden bemerkte Caius, dass der Schlag gesessen hatte. Wenigstens das. Ein wenig hämisch grinste er. Das war jedoch schnell wieder vorbei, als das Milchgesicht sich verteidigte. Wie bitte? Arzt? Caius konnte da nur müde lachen, aber danach war ihm gerade so gar nicht zumute. Er schnaubte viel lieber wie ein zorniger Stier.
    »Dass ich nicht lache! Ein Arzt hätte ihr geholfen und sie nicht krank gemacht und dann alleine gelassen!« grollte er und schüttelte unauffällig seine Hand aus. Zum Glück (für Crios) hatte Caius nicht so lange gewartet, bis Katander ihm von all dem Blut erzählen konnte, von dem Leander berichtet hatte. Sonst wär das hier wer weiß wie ausgegangen.
    »Mir fällt ein«, regte sich Caius nun wieder mehr auf, »dass du der Mörder meines ungeborenen Kindes bist! Mir fällt ein, dass du ihr das, was auch immer du ihr gegeben oder mit ihr gemacht hast, nicht hättest machen dürfen! Und mir fällt ein, dass ich dich, wenn ich dich noch einmal auch nur in ihrer Nähe sehe oder davon höre, den Fischen im Tiber zum Fraß vorwerfe!« Caius sagte das betont freundlich und gezwungen ruhig. Erst am Ende spie er dem Doktor fast ins Gesicht. Allmählich hatte er sich wieder im Griff. Er entwickelte langsam eine Sicht für das, was er gerade tat. Irgendwo zwischen den Pflanzen stand ein Mädchen und lugte vorsichtig durch die Blätter. Und er selber stand wie ein Racheengel des Dispiter persönlich vor dem Arzt und bedrohte ihn. Caius straffte sich und räusperte sich dann. Die Frage nach seiner Identität überging er dezent. Vermutlich würde er morgen eh sein Gesicht auf einem Steckbrief finden, weil er hitzköpfig eine Praxis gestürmt hatte.
    »Also. Ich hoffe, dass dir dein Leben lieb ist. Ich bin nämlich kein Mörder. Das heißt aber nicht, dass ich nicht zu einem werden kann, verstanden?!« schnauzte er den iatros noch einmal an, ehe er sich umwandte und aus der taberna medica stolzierte. Hoffentlich bekam Seiana keinen Wind davon. Das könnte böse Folgen haben. Nicht nur für den Medicus...

  • Nachdem sie eine kleine Ewigkeit vor der Taberna Medica Decima auf und ab gelaufen war und immer wieder ein paar Schritte auf die Tür zu und dann wieder zurück gemacht hatte, betrat Serrana schließlich doch die Räumlichkeiten, blieb jedoch direkt im Eingangsbereich stehen und sah sich unschlüssig um. Nach Crios' letztem Kontrollbesuch bei Axilla hatte sie Adula heimlich hinter dem Medicus hergeschickt, um seine Adresse herauszubekommen und sich bereits im selben Moment geschämt, dass sie nicht genug Mut gehabt hatte, ihn einfach danach zu fragen. Aber was hätte sie Crios sagen sollen, wenn er nach dem Grund gefragt hätte? Und was sollte sie im sagen, falls er heute im Laden war? Und was, wenn er gar nicht da war, sondern jemand anders?
    Wie schon so oft in Serranas Leben, war die Versuchung, einfach unerkannt wieder wegzulaufen im Augenblick ziemlich groß, aber trotzdem hielt irgendetwas sie in diesen so angenehm nach Pflanzen und Kräutern riechenden Räumen zurück. Und ausserdem....wer sollte ihr sonst helfen, wenn nicht er? Zumindest würde sie ihm nicht ganz so viel erklären müssen wie einem fremden Medicus, zu dem sie sich vermutlich ohnehin niemals hintrauen würde.
    Serrana atmete ein paarmal tief ein und aus, um ihre innere Anspannung ein wenig nieder zu kämpfen. Ein kleinen Augenblick würde sie warten, falls dann niemand kam, konnte sie immer noch wieder nach hause gehen.

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    Wie so häufig – wie eigentlich die meiste Zeit – genoss Iaret die Freiheiten, die es ihm bot, ein Meister zu sein. Er pickte sich die interessanten Fälle heraus und war unterwegs, um sie zu besuchen, während Crios, mal wieder, den Dienst in der Taberna schieben durfte. Er hatte einen Stapel Papyri herumliegen und versuchte sich gerade, ebenfalls mal wieder, auf den Verwaltungskram zu konzentrieren, als die Tür aufging und jemand hereinkam. Crios zeichnete ein paar Rechnungen ab, dann richtete er sich auf, kam aus seiner Nische hervor und ging in den vorderen Teil – wo er überrascht stehen blieb. „Iunia.“ Er schaffte es nicht ganz, seine Verblüffung aus seiner Stimme herauszuhalten, geschweige denn aus seinem Blick, aber im nächsten Moment lächelte er schon. „Salve. Wie kann ich dir helfen? Braucht Axilla noch etwas?“




  • Mit jeder Sekunde, die sie in der Taberna verbrachte, wuchs Serranas Nervosität und sie hatte bereits einen kleinen Schritt zurück Richtung Tür gemacht, als sie ein Rascheln hörte und die vertraute Gestalt von Axillas Medicus hereinkam und sie ansprach. Komisch eigentlich, aber schon bei seinem Anblick wurde sie ein wenig ruhiger. Allerdings hatte er auch ihrer Cousine das Leben gerettet, kein Wunder also, dass er ihr ein Gefühl der Sicherheit vemittelte.


    "Salve, Crios." antwortete sie ihm viel zu leise und räusperte sich dann, um ein bisschen von ihrer Verlegenheit loszuwerden.
    "Nein,....ähm....um Axilla geht es nicht....ich...ich bin meinetwegen hier." Oh Götter, war das schwer, wie drückte sie sich denn jetzt nur am besten aus?
    Der Drang, beim Sprechen auf den Boden vor ihren Füßen zu starren, wurde immer größer, aber es gelang ihr doch, den Blick nicht von dem jungen Griechen abzuwenden und ihm weiter in die Augen zu sehen.
    "Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll, aber ich wollte dich fragen, ob du mir vielleicht noch mal etwas von dem Trank geben könntest. Du weißt schon.....von dem, den die Sklaven und ich getrunken haben als...also in jener Nacht." Serranas Blick nahm kurz einen hoffnungsvollen Ausdruck an, dann senkte sie ihn doch noch und begann, wie üblich, wenn sie nervös war, an ihrem Armreifen herumzuspielen. Immerhin hatte sie es über die Lippen bekommen, jetzt konnte sie nur noch seine Reaktion abwarten.

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    Crios musterte die Iunia. Unsicher wirkte sie, nervös, aber das war kein Hinweis darauf, ob sie nun schüchtern war oder nicht. Viele, die hier hereinkamen, reagierten so, und obwohl Crios immer wieder dachte, dass es keinen Grund dafür gab, weil er da war, um zu helfen, wusste er doch, dass sich das kaum ändern würde. Die meisten hatten einfach Schwierigkeiten damit, andere, Fremde noch dazu, um Hilfe zu bitten, gerade wenn es sich um Probleme handelte, über die sie nicht gern redeten, oder die sie selbst nicht beeinflussen konnten. Also ignorierte er ihr Stottern und lächelte nur weiterhin freundlich. Er hatte Erfahrung damit, wie er mit solchen Menschen umgehen musste, das kam zwangsläufig, wenn man länger als Arzt oder auch nur Gehilfe eines Arztes arbeitete. „Komm doch mit.“ Mit einer Kopfbewegung deutete er in den hinteren Teil des Raums und führte die Iunia zu einem der Tische. „Du kannst sicher noch etwas von dem Trank haben. Allerdings habe ich den recht schnell zusammengemischt. Das war auch in Ordnung in der Situation, weil es einmalig war. Aber bevor du jetzt wieder einen bekommst, würde ich gern kurz mit dir reden, wenn es dir recht ist. Damit ich weiß, worum es geht, und ihn extra für dich ansetzen kann.“ Er musterte sie einen Augenblick lang. „Brauchst du den Trank zum Schlafen oder weil du tagsüber zu unruhig bist?“ Letzteres war eine nette Umschreibung für verschiedene Variationen an Nervenflattern bis hin zu Panikattacken, die manche Menschen manchmal hatten.




  • Kaum hatte Crios zugestimmt, ihr noch einmal etwas von seinem Trank zu geben, da stieß Serrana geräuschvoll den Atem aus, den sie automatisch angehalten hatte, nachdem sie ihre Frage gestellt hatte und folgte ihm nickend hinüber zu den Tischen. Er würde ihr also tatsächlich helfen...was für eine wundervolle Vorstellung. Und selbst wenn ihr das nur zu zwei oder drei ruhigen Nächten verhelfen würde, dann hatte es sich schon gelohnt hierher zu kommen.
    Da sie wusste, dass dieser auf rein medizinischem Interesse beruhte, hielt sie seinem musternden Blick stand und suchte dabei nach den passenden Worten.


    "Also...eigentlich ist es beides." begann sie ein wenig zögerlich. "Ich habe seit einiger Zeit immer wieder furchtbare Albträume. Am Anfang konnte ich nur danach nicht wieder einschlafen, aber mittlerweile hab ich solche Angst davor, dass sie wiederkommen, dass ich mich stundenlang in meinem Bett herumwälze und versuche, die Augen aufzuhalten." Serrana biss sich kurz auf die Unterlippe, als ihre Stimme für einen Moment arg wacklig wurde, und sprach weiter, nachdem sie sich wieder gefasst hatte.
    "Naja, und tagsüber bin ich auf der einen Seite entsetzlich müde und kann mich kaum auf meine Arbeit im Tempel konzentrieren. Aber zwischendurch muss ich immer an diese Träume denken, und dann wird mir ganz schlecht vor Angst, ganz egal, wo ich gerade bin." So nett und freundlich Crios auch zu ihr war, im Moment fühlte die Iunia nur ein unglaubliches Gefühl der Scham. Was hatte ihr ihre Großmutter tag und nacht gepredigt: um keinen Preis die Haltung verlieren, ganz egal in welcher Situation! Wenn Laevina sie hier sehen könnte, würde sie sich vermutlich mit Verachtung abwenden, weil ihre schwache Enkelin wegen ein paar Schlafstörungen Hilfe bei einem Wildfremden suchte.

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    „Beides…“ Crios legte die Fingerspitzen aneinander und legte beide Zeigefinger an seine Lippen, während seine Daumen unter seinem Kinn in schnellem Rhythmus aneinander stießen. Albträume also. Noch dazu derart schlimme, dass sie die Iuna nicht nur in ihrem Schlaf störten, sondern sie mit Angst vor dem Schlaf erfüllten. Derart schlimm, dass sie sie sogar bis in den Tag hinein verfolgten. Er registrierte, dass es der Iunia peinlich zu sein, darüber zu reden, aber Crios ignorierte das gekonnt. Ernst, aber dennoch freundlich sah er sie an. „Das Einschlafen an sich ist also kein Problem, dafür brauchst du den Trank nicht“, stellte er fest und überlegte kurz. „Ich kann dir sicher einen Trank mischen, der dir helfen wird. Du dürftest einen stärkeren brauchen, denke ich.“ Er machte sich ein paar Notizen, schrieb einige Kräuter auf, die er verwenden würde, und kritzelte bereits an einem möglichen Mischverhältnis herum. Dann sah er wieder auf. „Hör zu. Nach dem, was du gerade erzählt hast, gehe ich davon aus, dass deine Probleme wieder kommen werden, wenn du aufhörst ihn zu nehmen. Spätestens, wenn du wieder eine Stresssituation kommst. Es wäre besser, wenn du dir jemanden suchst, mit dem du darüber reden kannst.“ Was nicht notwendigerweise er sein musste, aber dennoch schloss er gleich die nächste Frage an. Wenigstens den Anfang konnte er ja machen. „Darf ich fragen, um was es sich bei deinen Albträumen handelt?“




  • Serrana nickte eifrig, als Crios erwähnte, sie würde einen etwas stärkeren Trank brauchen. Allerdings war sie mittlerweile so verzweifelt, dass sie von ihm auch alles andere mit Kusshand entgegen genommen hätte, solange ihr dies nur Hoffnung auf Linderung versprach. Im Moment dachte sie eigentlich nur bis zu dem Moment, an dem sie ihre Ängste zumindest für ein paar Stunden würde vergessen können,und vielleicht hatte sie ja auch Glück, und die Träume waren danach verschwunden...
    Einen kurzen Augenblick sonnte sich Serrana in dieser tröstlichen Vorstellung, aber schon kurz darauf wurde diese Illusion wieder zerstört. Es konnte jederzeit wiederkommen, wenn sie den Trank nicht mehr nahm? Nein, alles, nur das nicht...
    Sie hätte selbst nicht erklären können warum, aber aus irgendeinem Grund flößte ihr dieser junge Medicus mehr Vertrauen ein, als sie es bei einem relativ unbekannten Menschen und noch dazu einem Mann jemals für möglich gehalten hätte, und so entschied sich Serrana nach kurzem Ringen dazu, ihm die ganze Wahrheit zu erzählen.


    "Es ist ein wenig schwierig, das zu erklären..." begann sie und malte mit dem Finger kleine Muster auf den Tisch, während sie nach den richtigen Worten suchte. "Am Anfang hab ich immer vom Tod meiner Mutter geträumt." Mit einiger Anstrengung drängte sie die wie immer bei diesem Thema automatisch aufsteigenden Tränen zurück und bemühte sich, so ruhig wie irgend möglich weiter zu sprechen. "Meine Mutter ist vor zehn Jahren bei der Geburt meines Bruders verblutet, und ich war bei ihr in ihrem Zimmer, als es geschah. In meinen Träumen gehe ich wieder und wieder zu ihr ins Cubiculum und sehe sie da liegen sehen, und überall ist Blut..." Serrana räusperte sich. "Und danach sehe ich immer meinen toten Bruder, und er ist ganz klein und blau und bewegt sich nicht." Sie schauderte kurz und warf Crios kurz einen prüfenden Blick zu, aber da dieser keine Anstalten machte sie zu unterbrechen, räusperte sie sich erneut und sprach dann weiter. Gleichgültig, ob der Medicus sie danach für hysterisch oder gar schwachsinnig halten würde, es erleichterte sie irgendwie darüber zu reden, und daher nahm sie auch eine spätere Missbilligung oder gar Verachtung von seiner Seite in Kauf. Zumal der schwerste Teil noch kam...
    "Seit einigen Nächten ist noch etwas anderes dazugekommen." fuhr sie mit leicht zittriger Stimme fort. "Ich hab das Gefühl, aus dem Traum aufzuwachen und freue mich, dass es vorbei ist, und dann sehe ich, dass mein eigenes Bett voller Blut ist, und es ist mein Blut...und meistens schreie ich dann und wache auf, aber es dauert immer furchtbar lange, bis mir klar ist, dass wirklich alles in Ordnung ist." So, jetzt war es raus. Sollte Crios sie ruhig auslachen oder verachten, solange er ihr nur genug von diesem Trank mitgab.

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    Die Iunia schien aufmerksam zuzuhören, als er erklärte, und es kamen keine Widersprüche. Im Gegenteil, beinahe wirkte es so, als ob sie es kaum erwarten könne, was Crios wiederum einen Hinweis darauf gab, wie sehr sie unter ihren Schlafproblemen wohl zu leiden hatte. Er machte noch ein paar gekritzelte Notizen, überlegte und strich herum, und ein weiteres Mal, als er sah, wie ihr Gesicht in sich zusammenfiel bei der Bemerkung, dass der Trank ihre Probleme kaum dauerhaft lösen konnte. Weniger stark, dafür aber so, dass sie ihn über einen längeren Zeitraum würde nehmen können, ohne dass sich negative Wirkungen zeigten, beschloss er.


    Dass sie auf seine nächste Frage dann tatsächlich antwortete, überraschte Crios ein wenig. Natürlich erzählten ihm die Menschen von ihren Problemen, dafür war er ja da, dafür arbeitete er hier, aber gerade bei solchen Besuchern, die deren akute Beschwerden nur Ausdruck irgendetwas tiefer Liegendem waren, kam es häufiger vor, dass sie es vorzogen nur das momentane Problem zu schildern und nicht mehr. Und, mehr unwillkürlich denn bewusst, hatte er die Iunia genauso eingeschätzt. Er lehnte sich etwas zurück und lauschte ihr schweigend, wie sie erzählte, woher ihre Albträumen kamen. Und worum es in ihnen ging. Crios beachtete die kleinen Gesten nicht, die zeigten, wie schwer es ihr fiel – wie beispielsweise der Finger, der auf dem Tisch Muster zog –, er unterbrach auch nicht, sondern hörte ihr zunächst einfach nur zu. Ihre Mutter war also gestorben, bei einer Fehlgeburt. Crios schätzte Serrana auf nicht älter als siebzehn, vielleicht achtzehn Jahre, was hieß, dass sie damals alt genug gewesen war, um alles auch zu begreifen – aber wohl noch lange nicht alt genug, um damit fertig zu werden. Dass sie miterlebt hatte, was mit Axilla geschehen war, musste alles nur wieder aufgewühlt haben.


    Erst als Crios das Gefühl hatte, dass sie tatsächlich zu Ende gesprochen hatte, wenigstens für den Moment, rührte er sich. „Kein Wunder, dass dich das verfolgt. Gibt es jemanden, mit dem du darüber reden kannst? Jemanden, dem du dich anvertrauen kannst, wenn du in der Nacht aufwachst, oder wenn es dich tagsüber einholt?“ Seine Finger spielten wieder mit dem Stylus. Schwierig. Das klang schwierig, und sie würde damit nicht einfach so fertig werden. „Was könnte der Grund dafür sein, dass es in letzter Zeit du selbst bist, die in deinen Träumen verblutet? Hast du eine Vermutung?“ Dann räusperte er sich. „Vielleicht hilft es dir auch, wenn du versuchst, bewusst an die schönen Zeiten mit deiner Mutter zu denken – es trainierst, sozusagen. Damit es dir dann leichter fällt, deine Gedanken dahin zu lenken, wenn dich wieder einholt was passiert ist. An was kannst du dich noch erinnern?“




  • Es hatte in den letzten Tagen und vor allem Nächten etliche Augenblicke gegeben, in denen Serrana an sich selbst, ihrem Verstand und vor allem an ihrer Belastbarkeit gezweifelt hatte, und so wurde ihr bei Crios' erster Bemerkung vor Erleichterung fast schlecht. Er nahm ihr Problema also ernst und war nicht der Auffassung, dass sie ihren elenden Zustand nur ihrer eigenen Schwäche zu verdanken hatte? Sie blinzelte kurz, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken die ihr bereits in den Augen brannten und dachte dann auch zu ihrer eigenen Ablenkung über seine Frage nach, bevor sie schließlich den Kopf schüttelte. "Ich wüsste nicht, mit wem ich darüber reden sollte. Zumindest nachts nicht. Meine Sklavin ist bei mir im Zimmer, und ohne sie wäre es sicher noch viel schlimmer, aber wirklich mit ihr reden kann ich über solche Dinge nicht. Und mit Axilla auch nicht, nicht nach dem, was mit ihr passiert ist, du weisst schon..." Serrana seufzte kurz auf und überlegte dann laut weiter. "Aber ich habe eine sehr gute Freundin, mit der kann ich zumindest tagsüber sprechen, das ist schon gut zu wissen..."
    Über seine nächste Frage hatte Serrana sich schon selbst Gedanken gemacht, aber die einzige mögliche Erklärung, die ihr bislang eingefallen war zugleich auch die am wenigsten willkommene, denn sie zerstörte einen nicht geringen Teil ihrer bislang makellosen Vorfreude auf die nächsten Monate.


    "Eigentlich wüsste ich keinen Grund, eigentlich ist mein Leben genauso wie immer. Naja, bis auf...ich..ähm..werde heiraten, bald sogar, im Frühling..." erzählte sie fast widerwillig, um dann schnell hinzuzufügen:"Aber damit hat es sicher nichts zu tun, ich freue mich nämlich sehr auf die Hochzeit, warum sollte ich also deshalb Albträume kriegen?"Nein, ihre bevorstehende Hochzeit war derzeit ihr kleines unantastbares Heiligtum, das sollte nicht durch irgendwelche dunklen Geschichten verschmutzt werden. Lieber beschäftigte Serrana wieder mit ihrer verstorbenen Mutter, auch wenn das ausgesprochen schmerzhafte Erinnerungen mit sich brachte, auf die sie lieber verzichtet hätte.


    "So einen ähnlichen Rat hat mir meine Freundin auch gegeben. Ich kann mich noch an ein Lied erinnern, das meine Mutter mir immer vorgesungen hat, das summe ich jetzt immer vor mich hin." Ein verlegenes Lächeln glitt kurz über ihr Gesicht, das sich bei der Erinnerung an die altvertraute Melodie unbewusst entspannte und weicher wurde. "Tagsüber hilft das auch ganz gut, aber nachts ist es schwieriger, weil ich immer furchtbare Angst habe, wenn ich aufwache. Naja, und sonst kann ich mich eigentlich nur noch an Kleinigkeiten erinnern, bestimmte Bewegungen und Gesten und manchmal höre ich eine Stimme, die sich so anhört wie ihre. Nur das Bild aus meinem Traum, das ist vollkommen klar, und das ist so furchtbar gemein...." Serrana, die vor hilfloser Wut die Hände zu Fäusten geballt hatte, ließ diese nach einem Blick auf Crios schuldbewusst wieder locker. Was sollte er nur von ihr denken, wenn sie weiterhin daher redete wie ein kleines Kind?

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    Crios war sich nicht ganz sicher, ob er nun richtig reagiert hatte. Ging es der Iunia nun gerade schlechter oder besser? Aber sie fing bereits wieder an zu sprechen, und Crios schob erst mal den Gedanken fort, ob er nun gerade das Richtige sagte oder nicht. Wieder spielten seine Finger mit dem Stylus. „Nun… es wäre ganz gut, wenn du auch nachts jemanden hättest, zu dem du gehen könntest. Gerade dann scheint es ja am schlimmsten zu sein.“ Allerdings konnte er verstehen, dass sie nicht unbedingt zu Axilla wollte. Nachdem sie die fehlgeschlagene Abtreibung mitbekommen hatte, weckte der Anblick der anderen Iunia sicher unangenehme Erinnerungen. „Heiraten wirst du?“ Crios lächelte flüchtig. „Dann herzlichen Glückwunsch.“ Einen Augenblick schwieg er, ließ den Stylus hin und her wippen und kritzelte dann etwas. Und beschloss dann, offen zu sagen, was er dachte – auch wenn die Iunia genau das ausgeschlossen hatte gerade eben. „Kann es nicht doch sein, dass es daran liegt, dass die Albträume so massiv werden in letzter Zeit? Versteh mich nicht falsch, ich will nicht an deiner Freude zweifeln darüber. Aber… eine Hochzeit bedeutet doch letztlich, dass bald eine Schwangerschaft auf dich zukommen wird. Vorausgesetzt es läuft wie geplant.“ Frauen, verheiratete Frauen, hatten nun mal vorrangig diese Aufgabe: Kinder zu gebären. Erben für den Ehemann. „Hast du dir darüber schon mal Gedanken gemacht? Dass du vielleicht Angst davor hast, was passiert, wenn du schwanger bist?“


    Bei Serranas nächsten Worten runzelte Crios leicht die Stirn. „Du solltest dir wirklich jemanden suchen, der dir nachts helfen kann. Wenn deine jetzige Sklavin nicht geeignet ist, dann versuch eine andere zu finden, die deine Vertraute werden kann. Und schreib auf, an was du dich erinnerst. Die positiven Dinge, meine ich. Vielleicht erinnerst du dich noch an mehr dann, und der Vorteil daran ist, dass du es nachts dann einfach lesen kannst und nicht abhängig bist davon, wie groß deine Angst ist. Einen Trank mische ich dir gerne, gerade für die erste Zeit kann er dir helfen. Aber längerfristig… solltest du versuchen, deine Angst irgendwie zu bekämpfen.“




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    Nachdem Crios Axilla endlich hergeschafft hatte, brachte er sie ohne Umschweife durch den Hauptraum, durch die Tür in den hinteren Teil und dort in einen der Behandlungsräume, wo er sie vorsichtig auf eine Liege legte. Sie hatte das Bewusstsein verloren – und sie verlor nach wie vor Blut. Crios knirschte mit den Zähnen und wünschte sich, Iaret wäre hier. Er hätte besser gewusst, was zu tun war, hätte gewusst ob er die Blutung stoppen oder erst einmal der Natur ihren Lauf lassen sollte… Dass das Kind nun noch eine Chance hatte, glaubte Crios nicht. Und es musste abgehen, wenn es nicht den Körper der Mutter vergiften sollte. Aber zu viel Blut durfte Axilla auch nicht verlieren…


    Für einen Augenblick verschwand er im Nebenraum und holte Kräuter, Zutaten, kam dann so schnell wie möglich wieder zurück zu seiner Patientin, flößte ihr zunächst Opium ein, bevor er mit flinken Fingern weiteres zusammenmischte und zu den Göttern betete, das richtige Verhältnis zu treffen. Der Abgang musste unterstützt werden, aber die Blutung durfte dabei nicht zu stark werden. Langsam führte er ein Stück Stoff ein, getränkt mit der Flüssigkeit, nutzte allerdings kein festgedrehtes. Danach entzündete er Kohlebecken, damit der Raum warm war, zog ihr die Tunika aus, wusch sie vorsichtig und hüllte ihren Oberkörper in eine Decke ein. Und wartete. Das war das Schlimmste. Das Warten.




  • Süßes, schwarzes Nichts, vergessen und verloren, treibend auf einem Meer von Taubheit. So umfing Axilla die gnädige Ohnmacht irgendwo zwischen der Subura und der Taberna, und für einen kurzen Moment war so die Wahrheit ausgesperrt. Davon, dass sie auf eine Liege gelegt wurde, bekam sie nichts mit, auch nicht davon, dass ihr Körper weiterhin die Abstoßung des Kindes vorantrieb, ebenso wenig von Crios Bemühungen, ihr dabei zu helfen.


    Doch nicht lange währte dieser Segen, viel zu bald entschied ihr Körper, dass das ohne Zutun des Geistes nicht ging. Erst war es nur ein ziehen am Rand ihres Bewusstseins, doch schnell wurde es zu einem Brennen in ihrem Leib, und Axilla wurde aus der samtenen Schwärze wieder zurück in ihren Körper katapultiert, um jedes Quäntchen Schmerz mitzuerleben. Mit einem langgezogenen Stöhnen erwachte sie, ihre Augenlider flackerten erst, ehe sie sie nur halb aufschlug. Noch immer waren sie verklebt von getrockneten Tränen, denen sich gleich wieder neue hinzugesellten.
    Es war weniger der Schmerz, der ihren Körper erfasst. Ihr Bauch krampfte zwar und sie rollte sich instinktiv auf die Seite, zog schützend die Beine etwas an. Dass man sie ausgezogen hatte, merkte sie nicht, und es war ihr auch egal. Was wirklich schmerzte und sich wie Hammerschläge in ihr Bewusstsein einbrachte war die Erinnerung an Leanders Augen. Wie er sie angesehen hatte, als das Leben aus seinen Augen gewichen war. Sie sah es, wenn sie die Augen öffnete, und auch, wenn sie sie schloss. Und das, dieses Wissen, schmerzte weit mehr als der krampfende Körper.
    Sie keuchte und legte ihre Hände auf den Bauch. Die Bauchdecke fühlte sich steinhart an. Sie fühlte, dass irgendwas zwischen ihren Schenkeln klebte, und ohne auf Crios Widerspruch zu achten, tastete sie danach und entfernte es. Wieder floss ein wenig Blut, aber nur sehr mäßig und langsam, und ihr Körper schüttelte sich leicht in rhythmischen Krämpfen. Immer wieder hatte Axilla das Gefühl, pressen zu müssen, und jedes Mal keuchte sie, gefolgt von einem tiefen Schluchzen und Weinen. Sie wusste, was passierte, wenngleich ihre Gedanken andernorts waren, sie wusste es.
    Wieder fing ihr Körper an, zu krampfen, diesmal stärker, und sie versuchte, sich aufzusetzen, wenigstens ein bisschen. Auf der Seite liegend ging das nicht. Aber es fehlte ihr schlicht die Kraft, es durchzuführen.

  • [Blockierte Grafik: http://img210.imageshack.us/img210/4457/crios.jpg~Crios~


    Crios fühlte sich hilflos. Axilla war aufgewacht, aber deswegen wurde nichts besser. Im Gegenteil. Ihr Körper verkrampfte, und obwohl Crios wusste was geschah, wusste er nicht so recht, was er tun konnte, um ihr zu helfen. Das hier war Frauensache. Er konnte ihr etwas geben gegen die Schmerzen, gegen die Blutung, für die Blutung, aber er wusste nicht so wirklich was er, abgesehen davon, tun konnte um sie zu unterstützen. Es war einfach Frauensache. Und bisher, wenn Iaret und er bei Schwangeren, Gebärenden oder Fehlgebärenden waren, dann hatte es immer Frauen gegeben, die in diesen Augenblicken das Kommando übernommen hatten, die sie weggeschickt hatten, kaum dass sie getan hatten, was sie hatten tun können, was auch gut so war, denn: es war nun mal Frauensache. Er wollte ihr einfach nur helfen. Am liebsten hätte er ihr etwas Krampflösendes eingeflößt, aber sogar ihm war klar, dass das nicht sonderlich intelligent gewesen wäre, weil der Körper krampfen musste, um das Kind abzustoßen. Gerade das störte ihn aber gerade so sehr und ließ ihn sich noch hilfloser fühlen. Er wollte etwas tun. Aber er konnte hier nichts tun. Nicht das Geringste. Das war eine Sache, die Axilla, ihr Körper, alleine durchmachen musste.


    Als sie versuchte sich aufzurichten und dann wieder zurücksank, sprang Crios herbei und hielt sie, stützte ihren Oberkörper, so dass sie sich so hinsetzen konnte, wie sie wollte, und umfasste eine ihrer Hände, so dass sie sich an ihm festklammern konnte. Und wünschte sich ein ums andere Mal, Iaret wäre hier. Und mit ihm eine der heilkundigen Frauen, die sich mit Geburten wirklich auskannten.




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