cubiculum Siv | Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen...

  • Siv stand da, nachdem sie die Bibliothek verlassen und spätestens in diesem Moment hätte sie wohl doch angefangen zu argumentieren, sich dagegen zu wehren, dass einfach so über ihren Kopf hinweg bestimmt wurde, als der Schmerz sich wieder seinen Weg bahnte durch ihren Unterleib. Sie streckte die Hand aus und tastete nach der Wand, stützte sich ab und hielt mit der anderen ihren Bauch. "In Ordnung", keuchte sie. "Ich glaub du hast recht." Was für ein Eingeständnis das für sie war, davon hatte Penelope wohl nicht die geringste Ahnung.


    Als der Schmerz jedoch nachließ – der noch nicht wirklich lange andauerte – und Siv wieder aufsah, stand außer Penelope noch jemand vor ihr. Sofia. Siv glaubte sie traf der Schlag. "Siv? Siiiv?"
    Siv verdrehte die Augen. "Sofia. Was willst du?" Soffchen starrte sie an. "Das… du… Es kommt? Das Baby kommt?"
    Die Germanin knirschte mit den Zähnen. "Sofia-", versuchte sie einzuhaken, aber das Soffchen plapperte gleich weiter: "Das ist doch großartig, oh Siv, da müssen wir ja was vorbereiten, es kommt tatsächlich?!?"
    "SOFIA!" fuhr Siv auf.
    Große Augen starrten sie an. "Ja?"
    "Geh. In Ordnung? Geh einfach!"
    Sofia starrte sie einen Moment lang an, perplex, fast erschrocken, dann strahlte sie schon wieder los. "Oh das ist so aufregend, so schrecklich aufregend, ich werd gleich den anderen Bescheid geben!" Und mit diesen Worten verschwand das Soffchen. Siv sah ihr, immer noch zähneknirschend, hinterher, bevor sie sich in Bewegung setzte und gleichzeitig zu Penelope meinte: "So viel zu den Frauen hier. Es gibt keine Hebamme. Und ich hab keine Schwestern. … Oder sonst Verwandte, nicht hier", fügte sie etwas verspätet hinzu. "Und, also… ich dachte… das geht doch, allein. Also nicht ganz, aber viele brauch ich doch nicht. Und… du hast Sofia erlebt. Ich glaub die haben eh alle keine Erfahrung. Weniger als ich, jedenfalls. Ich hab früher geholfen. Ich weiß wie das geht", erklärte Siv, etwas unbedarft, während sie nun bei ihrem Zimmer angekommen waren.

  • Resolut hatte Penelope die Germanin weiter geführt. Als fast zu Beginn noch einmal eine Wehe kam, hatte sie ihr einfach nur ein wenig Stütze gegeben und gewartet, bis es vorbei war. Viel tun konnte man da ohnehin nicht. Es dauerte, so lange es dauerte, und keine macht der Welt konnte daran was ändern. Und kaum war es vorbei, stand doch eine andere Frau da und plapperte völlig aufgeregt und kindisch vor sich hin. Penelope schaute sie nur an, als würde die gerade deklarieren, der Mond bestünde aus grünem Käse oder ähnlich wirres Zeug. Und dann verschwand sie auch schon, um die anderen auf Sivs Zustand aufmerksam zu machen.
    Als Siv dann auch noch erklärte, dass DAS so ungefähr die beste Hilfe wäre, die sie in den folgenden Stunden zu erwarten hatte, schloss Penelope die Augen. “Oh Artemis, hilf...“ betete sie ein kurzes Stoßgebet und musste dann nochmal grinsen, als Siv meinte, sie könne das allein.
    “Nun, ich bin zwar keine Hebamme, aber glaub mir, du kannst das nicht allein. Nicht beim ersten Kind. Wer soll es denn auffangen, wenn es raus kommt, hm? Und Waschen, wenn du nach mehreren Stunden keine Kraft mehr hast, aufzustehen? Nein, nein, das mit dem allein sein vergiss mal gleich wieder.“
    Penelope half Siv, die mit ihrem großen Bauch nur kleine Watschelschritte machen konnte, langsam aber stetig in ihr Zimmer. Dort angekommen sah Penelope sich erst einmal skeptisch um. Besonders viel, was sie benötigen würden, war ja nicht hier. Nunja, zur Not ging es sicher, zur Not reichte auch der kleinste Platz. Das Kind würde so oder so kommen. Dennoch zog Penelope skeptisch die Stirn kraus.
    “Leg dich am besten auf die Seite und spar deine Kräfte, so gut es geht“ kommandierte die Griechin, und als sie sah, dass Siv den Mund aufmachte, schnitt sie ihr gleich mit einer Geste das Wort ab. “Sofort!“ In Momenten wie diesen war Penelope froh, sowohl mit einer Stimme gesegnet zu sein, die so laut und tragend sein konnte, wie sie es wünschte, und auf der anderen Seite dank ihrer eigenen Mutterschaft genug Erfahrung im erteilen von strengen Befehlen zu sein.
    Sicherheitshalber setzte sich Penelope zu Siv aufs Bett und fühlte ihr nochmal den Bauch. Erst dabei wurde ihr strenger Gesichtsausdruck etwas milder, während sie vorsichtig auf der großen Kugel herumdrückte, um zu fühlen, wie das Kind denn lag. “Sehr gut, dein Kind hat sich gedreht und gesenkt. Hier ist der Kopf“ sie nahm Sivs Hand und legte sie ihr auf die entsprechende Stelle kurz über dem Schambein und drückte ganz leicht, damit sie es fühlen konnte. Wenn sie schon bei Geburten geholfen hatte, würde sie wissen, dass es gut war.
    “Und hier im Haus hat sonst niemand Ahnung davon?“ Penelope gehörte nicht zu den Menschen, die sich in fremde Angelegenheiten einzumischen pflegte. Sie war hier Gast, und wollte mehr auch gar nicht sein. Das hier war nicht ihr Haus, sie war nicht Herrin über das Oikos. Aber sie konnte diese Frau hier auch nicht sich selbst überlassen. So hartherzig war nicht einmal sie. Im Grunde genommen war das Mädchen ihr herzlich egal. Ob sie überlebte oder starb war nichts, was ihr schlaflose Nächte bereiten würde. Aber dennoch empfand sie so etwas wie Mitleid mit dieser Person, die hier so ahnungslos und hilflos neben ihr lag und offenbar herzlich wenig Ahnung hatte, was sie denn demnächst erwartete. Und wenn sich sonst niemand fand, dann würde sie ihr wohl helfen, ihr Kind zur Welt zu bringen.

  • Siv wusste nicht so recht, was sie darauf sagen sollte. Wer das Kind auffangen sollte? Oder waschen? Moment, was hieß das, dass sie keine Kraft mehr haben würde aufzustehen? Beim besten Willen, sie war kein verweichlichtes Weibchen wie manche ihrer Schwägerinnen… Aber sie erinnerte sich an den Schmerz von gerade eben, und sie beschloss, jetzt nichts zu sagen, was ihr in ein paar Stunden vielleicht unglaublich dumm vorkommen würde. Und, Fakt war, sie hatte sich ja tatsächlich keine Gedanken darüber gemacht, was nach der Geburt zu tun war. Wie ihr Baby versorgt werden musste. Es war nun mal kein Fohlen, das nicht lange nach der Geburt schon auf eigenen Beinen stehen konnte… Widersprechen wollte sie dann allerdings, als Penelope in ihrem Zimmer ihr befahl, sich hinzulegen. Hinlegen! Also bitte, musste das denn sein? War es nicht genug, dass sie hier war? Aber sie schaffte es kaum, den Mund aufzumachen, da fiel Penelope ihr schon ins Wort, und ein scharfes Sofort klingelte in Sivs Ohren. Mit dem Befehlston einer Mutter hatte sie nun gar keine Erfahrung. Väter redeten anders mit einem, Brüder sowieso. Vielleicht war das der Grund, dass etwas geschah, was selten passierte: Siv gehorchte widerspruchslos. Sie legte sich hin, auf die Seite, wie Penelope angeordnet hatte, legte einen Arm unter ihren Kopf ab als Stütze und sah zu der Griechin auf, als diese sich zu ihr setzte. Als sie ihre Hand nahm und über ihren Bauch führte, flog ein Lächeln über Sivs Gesicht. "Ja", antwortete sie. Dass das Kind sich gesenkt und gedreht hatte, hatte sie in den letzten Tagen mehrmals überprüft. Sie war etwas unbedarft, was die Geburt anging, oder besser: leichtsinnig, konnte man es vielleicht nennen. Sie machte sich nicht allzu viele Gedanken darüber. Natürlich wusste sie, dass eine Geburt gefährlich war, dass nicht wenige Kinder starben, dass auch die Mütter manchmal starben oder bleibenden Schaden davon trugen. Aber was geschah, das lag in der Hand der Götter, war Sivs Meinung. Wenn es den Göttern gefiel, lebten sie und ihr Kind. Wenn nicht, dann nicht. Sie wollte nicht sterben, und sie wollte schon gar nicht ihr Kind verlieren, aber solche Dinge passierten, und sie konnte nichts dagegen tun – und Siv hegte schlicht ein großes Vertrauen in die Götter und das Leben.


    "Ich glaube nicht. Aber…" Siv überlegte kurz. Cadhla und Fhionn hatten sicher schon Geburten miterlebt, ebenso wie sie, aber beide waren nicht mehr hier. "Sofia ist nicht zu gebrauchen. Dina… auch nicht. Niki schon, das ist die Köchin." Sie lachte leise. "Die schlachtet auch gern, die hat kein Problem damit. Ehm… dann sind da noch Saba und Arsinoe… Arsinoe geht. Saba… Ich glaub da ist Dina besser. Charis… Und Caelyn ist wieder da." Es gab noch ein paar mehr Sklavinnen, die herum liefen, aber diese verrichteten die einfachsten Arbeiten, denen traute Siv noch weniger zu als den aufgezählten. Und sie hatte mit ihnen noch weniger zu tun. Sie hätte sogar lieber Sofia um sich in diesem Moment als jemanden, mit dem sie kaum etwas zu tun hatte. Im nächsten Augenblick krampfte sich ihr Körper wieder zusammen, als die nächste Wehe kam, aber sie hatte das Gefühl, dass es ein wenig besser war als zuvor, als sie noch gestanden war, und auch schneller wieder vorbei. Im Bett liegen hatte doch seine Vorteile.



    ~ Ein paar Stunden später ~


    Im Bett liegen hatte eindeutig seine Vorteile. Diesmal dachte Siv es zähneknirschend, als die nächste Wehe über ihren Körper zu rollen begann. Es war leichter im Liegen, aber das änderte nichts daran, dass die Abstände zwischen den Wehen kontinuierlich kürzer geworden waren – und die Wehen selbst stärker, wenn auch nicht ganz so kontinuierlich, sondern eher in Schüben. Sie wusste nicht, wie spät in der Nacht es mittlerweile war. Es war ihr auch so ziemlich egal. Inzwischen waren die Schmerzen stark genug, dass sie einfach nur wollte, dass dieses Kind endlich herauskam – und dabei hatten die Presswehen noch nicht angefangen. "Bei Garms stinkendem Atem, wann ist das endlich vorbei?!?" fluchte sie lautstark, kurz bevor die Wehe ihren Höhepunkt erreicht hatte, und dann ging das Fluchen in einen Aufschrei über, bevor sie ihn zurückbeißen konnte. Siv hatte in den letzten Stunden viel und schillernd geflucht, hauptsächlich auf Germanisch, aber auch auf Latein, und sogar griechische Flüche waren dabei gewesen, die sie gelernt hatte. Flüche und Schimpfwörter, das war das, was Siv sich in einer fremden Sprache zuerst merken konnte, und in diesen Stunden machte sie von ihrem Wissen reichhaltigen Gebrauch. Je stärker die Wehen wurden, desto mehr wurden jedoch die Flüche von Stöhnen oder Schreien abgelöst, weil Siv nun während der Wehen mehr und mehr den notwendigen Denkzustand verlor, auch noch Worte zu formulieren, um dem Schmerz Luft zu machen.

  • Also war keine Hilfe zu erwarten. Penelopes Mundwinkel zuckten einmal, dann tätschelte sie Siv kurz die Hand. “Dann helf ich dir. Keine Sorge, so schwer ist es nicht.“ Immerhin blieb einer Frau auch kaum eine andere Wahl als zu tun, was auch immer die Natur ihr in diesem Moment aufgab. Man konnte nicht versuchen, es anzuhalten oder zu beschleunigen. Es passierte einfach, und man konnte nur hoffen, dass man fähige Helferinnen um sich hatte und die Götter einem gewogen waren.


    Um eben jene Götter sorgte Sich Penelope zuerst. Siv war noch nicht so weit, dass sie wirklich Hilfe brauchte, also war jetzt auch die beste Zeit, um diesen Beistand zu erflehen. Penelope war also kurz auf den Gang getreten und hatte die erstbeste Person angehalten und herumkommandiert. Sie brauchte Weihrauch, sofort. Und in der Küche sollte man dieser Niki Bescheid geben, damit sie Wasser aufsetzte. Und Arsinoe werde gebraucht. Und zwar zackig!
    So sehr Penelope sich auch eigentlich hatte zurückhalten wollen, sie konnte gerade nicht anders, als diese Räumlichkeiten zum Gynaikon zu deklarieren und folglich das Regime hierüber an sich zu reißen, solange die Geburt andauerte. Sollte doch ein Mann wagen, ihre Autorität hier anzuzweifeln! Das hier war ein heiliger Akt, bei dem Männer nichts zu suchen hatten, und Penelope würde sicher nicht zulassen, dass diese die Artemis erzürnten, indem sie sich einmischten. Als der Sklave mit dem Weihrauch kam und bestätigte, dass alles ausgerichtet war, scheuchte sie ihn sogleich auch von dannen und gab ihm nur noch auf, dass für ihre eigene Tochter wohl den restlichen Tag gesorgt werden müsse, da sie so schnell wohl nicht hier wegkäme.


    Drinnen war es noch nicht wirklich weiter vorangeschritten, und so hatte Penelope damit begonnen, den Weihrauch in einer Schale zu entzünden und damit den Raum zu weihen. Leise sang sie zu Artemis, archaisch und fast monoton, und doch hell und ruhig, nicht wie bei ihrer eigenen Geburt. “Große Göttin der Dreifalt. Jungfrau, Mond und Jägerin. Herrin über Mensch und Tier, Göttin der Frauen, geschickte Bogenschützin, Hekate, Selene! Du, die du wohnst in den Bergen, komm her zu uns in die Stadt, wo ein Weib gequält von schmerzenden Wehen deine Hilfe erfleht!“
    Penelope achtete darauf, dass der Rauch rund um das Bett mit Siv einmal waberte und so den Raum von bösen Geistern oder fauligem Dunst reinigte. Je gereinigter ein Ort war, umso geringer war die Gefahr, dass Mutter und Kind verstarben, soviel war bekannt. Wenngleich die Gründe dazu im Dunkeln lagen.
    “Gütige Göttin, die du deinen eigenen Bruder entbunden, hilf uns in dieser Zeit. Schütze das Leben von Mutter und Kind, lass sie deine Stärke haben, deine Kraft der ewigwährenden Jugend! Große Artemis, sei bei uns, richte deine wachsamen Augen auf Siv und ihr Kind. Und wenn du entscheidest, sie mit dir zu nehmen, richte deinen schärfsten Pfeil auf sie, auf dass sie nicht leide. Große Artemis, Göttin der Dreiheit! Jungfrau, Mond und Jägerin! Selene! Hekate!“


    Erst danach, als der Weihrauch nur noch sachte vor sich hinqualmte, widmete sie wieder mehr Aufmerksamkeit der werdenden Mutter. Die Stunden gingen dahin, und immer wieder kamen heftigere Wehen. Penelope unterstützte Siv, hielt ihr mit kräftigem Druck die Hand, so dass sie ihren Schmerz fokussieren konnte, und rieb ihr mit starken, kreisenden Bewegungen den Rücken. Sie wusste noch, wie entspannend dies bei ihr gewirkt hatte, und wie das das Gefühl, außeinanderzureißen, zu mildern vermocht hatte.
    “Ich werde dir, wenn es schlimmer wird, etwas heißes Wasser über diene Scham leeren. Dazu musst du dich aber aufsetzen, Siv. Es wird dich entspannen, du wirst sehen. Heißes Wasser wird dir helfen. Aber versuch, es erst noch ein wenig wegzuatmen. So.“ Penelope zeigte ihr, wie man den Schmerz weghechelte. Auch wenn es furchtbar albern aussah, es half.


    Auf die Flüche hörte Penelope indes gar nicht. Bis auf die paar Griechischen verstand sie sie ohnehin nicht, und das war auch gar nicht nötig. Jede Frau reagierte anders bei der Geburt, aber zu schimpfen und so dem Schmerz ein Ventil zu geben taten viele.

  • An sich hatte Cimon nichts zu tun in diesem Moment, da er sich eine Aufgabe suchte. Vieleicht konnte er irgendjemandem aushelfen. Aus der Küche war er grade rausgeflogen, da die Köchin meinte, der Nubier solle sich ruhig mal Ruhe gönnen, wenn sein Herr dies verordnete. Außerdem war es bereits sehr spät und alle Aufräumarbeiten waren erledigt gewesen. Doch mit der Ruhe kamen Gedanken, kamen Bilder. Noch war nicht die Zeit gekommen, da der Sklave seine Zeit für sich würde nutzen können. So ging er noch ein wenig umher und dachte über die Aufgaben nach, die Sein Herr ihm gestellt hatte. Heute war etwas besonders kniffliges dabei gewesen. Es ging um eine fremde Sprache die er nicht konnte. Nicht leicht ...


    Gerade wollte er zu den Sklavenunterkünften, als er auf dem Weg dahin etwas hörte. War das Schmerz? War es?...Cimon konnte nicht erkennen was dort vor sich ging...doch er würde nicht einfach weitergehen. So leiteten ihn die Geräusche immer schneller bis zu Sivs Zimmer. Je näher er kam, umso eher glaubte er, das da jemand dringend Hilfe brauchte.


    Also entschied er sich dazu die Tür einfach zu öffnen und war bereit jede Gefahr auszuschalten die Siv solche Schmerzen bereitete. Erst nach einigen entschlossenen Schritten sah er, das er sehr falsch lag. Und... er sah rasch zu Boden und wollte am liebsten in einem Loch versenkt werden.


    "Verzeiht,.... Kann ich helfen Herrin?.... Was?..."


    Weiter kam er nicht, denn er wollte nicht offen zugeben, wie sehr ihn die Situation grade übervorderte.

  • ~ Tagsüber


    Nur wenige Tage nach ihrer Hochzeit, war Septima zusammen mit ihrer Sklavin Frija in der Villa der Aurelia unterwegs, um einen Überblick über das Gebäude zu erhalten. Im Gegensatz zur Villa der Tiberia war diese nicht so verwinkelt und somit konnte sich Septima die Lage der einzelnen Familienbereiche, sowie der Sklavenunterkünfte und Wirtschaftsräume gut einprägen.


    Gerade waren sie im Bereich der Gästezimmer unterwegs, als eine drahtige Frau mit schwarzen Haaren aus einem der Zimmer trat, einen Sklaven herbei zitierte und ihm hastig ein paar Aufträge erteilte. Weihrauch, Niki solle Wasser heiß machen und eine Arsin solle kommen? Das waren die groben Worte, welche Septima aufschnappte, ehe die Person wieder im Zimmer verschwand. Noch bevor der Sklave mit den Aufträgen davon eilen konnte, hielt ihn Septima zurück. „Halt!“ rief sie in harschem Ton und trat näher an den Sklaven heran. „Wer war das eben?“ wollte sie ohne Umschweife wissen.


    Der Sklave hatte in seiner Drehung inne gehalten und stand nun mit demütig gesenktem Haupt vor Septima. „Dies war Penelope Bantotakis, eine griechische Gelehrte.“ antwortete er. „Und wozu braucht sie die ganzen Dinge, die sie dir aufgetragen hat?“ fragte Septima weiter und tippte dabei ungeduldig mit ihrer Schuhspitze auf dem Boden. Mußte man hier den Skalven alles aus der Nase ziehen? „Dies ist Siv's Zimmer, Herrin, sie... sie bekommt wohl ihr Kind. Bitte Herrin, es klang sehr dringlich. Darf ich...“


    „Ja, ja, schon gut. Sieh zu das du fort kommst.“ entließ Septima den Sklaven, der daraufhin seine Beine in die Hand nahm und schnellstens in die Küche entschwand.


    „Siv... Wer bitte schön ist diese Siv? Und was macht eine griechische Gelehrte hier?“ Fragend schaute Septima ihre Serva an. Frija zuckte nur mit den Schultern. Sie hatte noch nicht alle Sklaven in diesem Haushalt kennen gelernt, so dass sie ihrer Domina keine klare Auskunft erteilen konnte. Septima überlegte. Sollte sie an der Tür klopfen? Aber was wenn beide Gäste der Aurelier waren? Nein, sie würde sich nicht die Blöse geben und ihrer Neugier nachgeben. Mit grazielen Schritten ging Septima an der Tür zu Siv's Zimmer vorbei und setzte ihren Rundgang durch die Villa fort.

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    Frija


    Es ließ Frija keine Ruhe. Seit der Begegnung mit dem Sklaven bei den Gästezimmern, machte sie sich Gedanken über die Germanin, die an diesem Tag wohl ihr Kind zur Welt bringen sollte. Nachdem sie von Siv, über den anderen Sklaven erfahren hatten, war Frija, sobald es ihr die Herrin erlaubte, in die Küche gelaufen, um mehr über diese Person namens Siv in Erfahrung zu bringen. Als sie erfuhr, dass es sich bei der Schwangeren um eine Landsfrau, also ebenfalls um eine Germanin handelte, und dann auch noch von den Chatten, war Frija sehr unruhig geworden. Sie selbst stammte von den Marsern, aber diese waren, zumindest zum Teil, mit einem Teil der Chatten verbündet und somit konnte Frija die arme Siv doch nicht im Stich lassen.


    Doch es war ihr nicht vergönnt, sich vor der Schlafenszeit ihrer Herrin davon zu stehen, so dass es schon später Abend, wenn nicht sogar schon mitten in der Nacht war, als die Germanin vor der Tür zu Siv's Zimmer ankam. Frija hatte saubere Tücher über dem Arm und einen Krug voll heißem Wasser, in welchen ein Leinenbeutel mit Kräutern hing. Bereits von weitem konnte sie den Schrei hören, denn die Gepeinigte von sich gab und ihre Schritte wurden immer schneller. Frija klopfte an die Tür. Ob sie drinnen gehört worden war? Mit klopfenden Herzen und viel Mut und Willen zu helfen, stand sie da und wartete einen Moment. Würde ihr keiner die Tür öffnen, so würde sie nach einer angemessenen Wartezeit von selbst öffnen und eintreten.



  • Siv versuchte zu tun, was Penelope ihr sagte, versuchte auf diese Art zu atmen, und war jedes Mal dankbar, wenn sie ihr den Rücken rieb und so einen Teil des Schmerzes weg zu massieren schien. Überhaupt musste sie sich – in den Pausen zwischen den Wehen – nun eingestehen, dass sie froh war, jemanden hier zu haben. Jemanden, der sich auszukennen schien. Dem sie nicht sagen musste, was zu tun war. Sogar die Götter hatte sie angerufen, zwar eine griechische – wie sie ihr erklärt hatte, nachdem Siv gefragt hatte, sobald der griechische Gesang beendet war –, aber immerhin. Sie hoffte, dass Frigg und Iuno das reichte, dass sie sich damit begnügten, dass Siv sie nur stumm um Beistand anflehen konnte, oder wahlweise in einem Schrei oder Fluch. Genauso wie Hel, ihre persönliche Schutzgöttin. Dafür hatte sie in der Ruhezeit zwischen den Wehen noch weiter gefragt, was genau sie gesungen hatte. Erstaunt hatte sie festgestellt, dass sie Artemis’ Beistand erfleht hatte. Dass Artemis die Göttin der Jagd war, das wusste Siv. Dass sie auch für die Geburten zuständig war, war ihr hingegen neu. Und es gefiel ihr. Es gefiel ihr, dass sie, Siv, den Beistand einer Jagdgöttin bekommen würde. Es gefiel ihr sogar ausgesprochen gut. Es passte zu ihr, fand sie.


    Und dann kam wieder die nächste Wehe, und Siv konzentrierte sich nur darauf, sie zu überstehen, atmete und fluchte und atmete wieder und drückte dabei Penelopes Hand, die sie ihr gereicht hatte, während ihre andere sich in das Laken krallte. Dass Cimon plötzlich hereinplatzte, bemerkte sie gar nicht, und auch das Klopfen nahm sie nicht wahr. Und auch als die Wehe vorbei war, brauchte sie einen Moment, bis sie realisierte, dass jemand da war. "Cimon", murmelte sie, ein wenig überrascht. Sie wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte, dass der Nubier da war. Nicht, dass sie ein Problem damit hatte, aber Männer hatten bei einer Geburt eigentlich nichts zu suchen, auch in Germanien nicht. Andererseits war es ja nicht so, als ob ihr Leben sonderlich normal wäre. Sie war das einzige Mädchen in einem reinen Männerhaushalt gewesen und hatte eine entsprechende Erziehung genossen, war verwöhnt gewesen und hatte weit mehr Freiheiten gehabt als andere Mädchen, bis hin zu dem Punkt, dass sie erst später hatte heiraten müssen als die meisten anderen. Sie war eine Germanin, eine ehemalige Sklavin, sie lebte in Rom, liebte einen Römer und trug sein Kind in sich, das gerade mit großer Energie danach verlangte, in den nächsten Stunden geboren zu werden. Sie hatte Iuno geopfert für die Gesundheit ihres Kindes, obwohl sie überzeugt davon war, dass die germanischen Götter letztlich die stärkeren waren, und jetzt lag sie hier und hatte sogar Artemis mit eingeschlossen in den Kreis der Göttinnen, die sie um Beistand bat. Ernsthaft: was war schon normal bei ihr? Sie lächelte ihm erschöpft zu und strich sich das verschwitzte Haare aus der Stirn. "Oh Hel, bei Pferden ist das doch auch nicht so schlimm…"

  • Natürlich hatte Penelope die Frage nach Artemis beantwortet. Beinahe erstaunt war sie sogar gewesen, dass die Germanin noch nie etwas von ihr gehört hatte, immerhin war die Göttin durch alle Länder gestreift. Und sie hatte bisher auch noch in jedem Volk eine Entsprechung für sie gefunden, wenngleich in anderer Gestalt. Die Ägypter kannten sie sowohl als sanftmütige Bastet, wie auch als löwenköpfige Sekmeth, sogar Isis sei mit ihr identisch, meinten viele. In den Ländern des Ostens war sie die wilde Ishtar, die Herrin des Krieges, die auch Fruchtbarkeit brachte. Die nördlichen Völker kannte Penelope nicht, daher konnte sie nichts von von der Großen Göttin der Kelten wissen, von Frigg und Freya bei den Germanen. Aber der Kult um Artemis war wohl älter als die Geschichten um die jungfräuliche Jägerin, der kein Mann Herr war, und bei allen Frauen der Welt bekannt. Selbst das beginnende Christentum betete seine Maria an als große Mutter.


    Penelope hatte einfach nur bei Siv gesessen und ihr das Gebet übersetzt und zufrieden festgestellt, dass keine Einwände kamen. Aber das war nun wohl ohnehin obsolet, gab es durchaus wichtigeres.
    Penelope hatte kein Anhaltspunkt, wie spät es wohl war. Die Sonne war untergegangen, aber das musste ja noch nichts heißen. Vermutlich würde das hier bis in die frühen Mogenstunden gehen. Ein Glück, dass sie es gewohnt war, auch mal eine ganze Nacht durchzuarbeiten, wenngleich das Komponieren von Musik körperlich nicht gar so kraftraubend war. Doch mit einem Mal ging die Tür auf, und ein Mann betrat das Zimmer. Es dauerte einen Moment, bis Penelope überhaupt Cimon erkannte. Was bei allen Göttern machte er hier?! Er hatte Glück, dass sie als Dienerin des Museions Priesterin des Apollo war und nicht seiner göttlichen Zwillingsschwester, sonst hätte sie sich genötigt gesehen, sein Blut hier zu vergießen. So bekam er nur einen wütenden Blick zu fühlen, während Siv ihn erkannte und ansprach.
    “Sie bekommt ihr Kind, und du bist ein Mann!“ brauste die kleine Griechin auf, die noch immer Sivs Hand hielt. Kurz – und wesentlich milder – drehte sie sich noch zu der Germanin um. “Pferde haben auch einen viel größeren Körper, Siv. Aber du machst das gut. Es dauert nicht mehr lange.“ Sie tätschelte ihr kurz die Hand, ehe sie sich zu dem Nubier umdrehte. Auch wenn es wohl lächerlich aussah, wie eine Frau, die gut und gerne einen ganzen Kopf kleiner war als er, sich vor ihm aufbaute wie Ker persönlich, stemmte Penelope die Hände in die Hüften und sah ihn an. “Du hast doch wohl nicht etwa meine Tochter hierher mitgebracht?“ Sie schaute kurz an ihm vorbei zu der Tür, an der es klopfte, und etwas ungeduldig riss sie diese auf. Davor stand aber nicht die Tochter, sondern eine andere Blondine mit Tüchern und einem Krug, aus dem es leicht dampfte. Na endlich jemand, der mitdachte! Mit einer etwas ungeduldigen Handbewegung wies Penelope die Frau an, alles reinzubringen und schloss dann wieder den Raum, damit kein böser Geist hereinkam. Dann machte sie sich daran, den Nubier weiter in den Senkel zu stellen. Vermutlich war es ungerecht, immerhin hatte er es gut gemeint, aber er war ein Mann und sie hatte diese Räumlichkeiten der Göttin geweiht.
    “Wo ist Panthea? Passt du nicht auf sie auf?“ Penelope warf beinahe theatralisch die Hände hoch und sah Cimon an, als wisse sie nicht, was sie nur mit ihm machen solle. In gewisser Weise wusste sie es auch nicht. Nur eines war sicher, als Mann schied er als Geburtshelfer kategorisch aus, wenngleich sie durchaus seine starken arme gebrauchen könnte.
    “Wenn du schon hier bist, mach dich wenigstens nützlich. In der Küche sollte noch heißes Wasser sein. Heiß, nicht kochend, ja? Und eine große Schüssel. Oder zwei. Oder soviele du kriegen kannst. Und wir brauchen mehr Tücher. Na hopp!“
    Irgendwie tat es gut, jemanden in der Gegend rumzuscheuchen. Das hier war nicht nur für die werdende Mutter belastend, auch Penelope war müde und angespannt und musste konzentriert bleiben. Da kurz die Wut an jemandem herauszulassen tat ganz gut. Außerdem brauchte sie das ganze Zeug ja wirklich.


    Penelope wandte sich wieder der anderen Frau zu und besah sich das mitgebrachte. Was die Kräuter in dem Krug zu tun hatten, verstand sie aber nicht. “Wofür ist der Sud?“ fragte sie also, noch immer etwas unwirsch, nach, rieb sich direkt darauf die Stirn, als hätte sie plötzlich Kopfschmerzen, und atmete einmal durch. Sie hasste es, die Stoa so zu verlieren.

  • Siv schien ihn zu erkennen und nannte seinen Namen. Irgendwie beruhigte ihn dies schon ungemein. Aber allein schon der Blick der Griechin ließ Cimon etwas zucken. Was sie sagte, sorgte für ein energisches Kopfschütteln. Doch noch war der Mund zu trocken und er war nicht wirklich in der Lage zu reden. Dann kam Frija rein und sein Kopf senkte sich noch mehr.


    Rasch sah er auf, nickte und deutete etwas unsicher um sich. Seine Gedanken brauchten etwas, ebenso wie sein Körper. Dann aber ging ein Ruck durch ihn, als Domina Bantotakis ihn anfuhr.


    "Siv...ich ...nein Herrin...Panthea, sie schläft. Und .... ja, Herrin...ich eile."


    Damit machte er sich daran sich umgehend umzudrehen und in die Küche zu rennen.


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    Natürlich hatte er gesehen, das Frija schon einiges dabei hatte. Doch um die Bewegung war er sehr dankbar. Untypisch für den Nubier rannte er tatsächlich die Gänge entlang und wurde in der culina sogar recht hektisch.
    Er sammelte fünf Schalen ein, die er stapelte. Sie waren nahezu gleich groß und die oberste füllte er gut mit warmen, nicht heißem Wasser. So viele Tücher wie ihm begegneten warf er sich über die Schulter. Am Ende musste er auch die zweite Schulter nutzen, da er befürchten musste, das alle auf einer zu rutschen beginnen könnten.


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    Etwas später kam er zurückgeeilt, Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Die Schüsseln sorgten dafür das er die Tür mit dem Bein hatte öffnen müssen. Jetzt versuchte er das Gleichgewicht zu halten und sah Domina Bantotakis mit fragenden, fast bittenden Augen an. Sein Mund war inzwischen staubtrocken geworden, aber das störte ihn nur minder. Hauptsache Siv würde es bald besser gehen...jetzt erst kam der Gedanke zu ihm durch...sie bekam ihr Kind ... Cimon starrte nun zwischen den anwesenden Frauen umher.

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    Frija


    Ein weiterer, markerschütternder Schrei ertönte und Frija war hin und her gerissen zwischen dem Aufreißen der Tür und weiter zu warten, ob jemand ihr Klopfen bemerkt hatte. Dann ging ein Gezeter im Zimmer los und kurz darauf wurde die Tür aufgerissen. Vor ihr stand die Frau, die heute Mittag schon Anweisungen weiter gegeben hatte. Frija wurde mit einer Handbewegung herein gewunken und sie folgte dieser mit schnellen Schritten.


    Überrascht bemerkte Frija den Nubier. Cimon? Was machte der denn hier? Ein Mann im Zimmer einer Schwangeren... mhm... ob er... womöglich der Vater des Kindes war? Ein großes Fragezeichen stand im Gesicht der Germanin geschrieben als sie an Cimon vorbei, der Schimpftriade der Griechin lauschend, an den beiden vorbei auf das Bett der schwangeren Siv zutrat.


    „Heilsa, Siv.“ grüßte sie diese kurz auf germanisch mit einem freundlich mitfühlenden Lächeln und wechselte dann wieder ins Latein, weil sie nicht unhöflich den anderen Gegenüber sein wollte. „Mein Name ist Frija. Ich bin die Leibsklavin von Domina Septima. Mein Mann und ich sind mit in ihren neuen Haushalt gewechselt.“ Frija stellte den Krug mit dem dampfenden Sud neben Siv's Bett auf einem kleinen Tischchen ab und legte auch die Tücher daneben. Aus der Rocktasche zauberte sie einen Becher und füllte gerade den selbigen, als Penelope sie auf den Sud ansprach.


    „Der Sud ist Schmerz- und entzündungslindernd. Eine Mischung aus Weidenrinde, Geissbart, Beinwell Wurzel und noch ein paar anderen Zutaten.“ Abwartend hielt Frija den Becher in der Hand, bereit, der werdenden Mutter ein wenig davon zu geben, wenn die Griechin zustimmen würde. „Wir können auch die Tücher damit tränken, dann sollte sie besser verheilen, wenn es so weit ist.“ schlug die Germanin weiter vor.




    Serva - Tiberia Septima

  • "Und was ist mit Hunden?" Irgendwie fand Siv, dass das Argument mit der Größe nicht so ganz passte. Pferde waren größer, ja, aber Hunde zum Beispiel waren kleiner. Und die litten auch nicht solche Schmerzen, sonst würden Hündinnen ganz anders reagieren, wenn sie warfen. Und wenn Hündinnen warfen, dann in der Regel mehr als nur einen einzigen Welpen. Warum also war das bei Menschen so – denn dass es eben doch nicht daran lag, dass alle anderen einfach verweichlichter waren als sie, diese Ansicht konnte Siv einfach nicht mehr aufrecht erhalten. Sie tendierte zwar nach wie vor dazu zu denken, dass andere weniger aushielten als sie, aber so sehr von sich eingenommen war sie dann doch nicht, dass sie sich einbildete, die Schmerzen wären bei ihr stärker als bei anderen Frauen. War das, weil Menschen auf zwei Beinen gingen? Oder hing das mit dem Fell zusammen? Siv hatte keine Ahnung, nur das mit der Größe erschien ihr nicht schlüssig. Aber sie war inzwischen zu erschöpft, um wirklich zu argumentieren, und so blieb es bei der eher matten Nachfrage, die sie nicht weiter ausführte. Sie fand es nur ein wenig unfair von den Göttern, dass sie das so verteilt hatten.


    Es dauert nicht mehr lang. Siv schloss für einen Moment die Augen und hoffte, dass die Griechin recht hatte, während sie die Ruhephase nutzte, um wieder Kraft zu sammeln. Gleichzeitig musste sie grinsen, als sie hörte, wie Penelope aufbrauste und Cimon herumscheuchte. Der Nubier tat ihr ein wenig leid, aber Penelope so zu hören, fand Siv witzig. Hel hatte es gut mit ihr gemeint, als sie dafür gesorgt hatte, dass sie der Griechin über den Weg lief. Die Schimpferei hörte sich so normal an, fand sie. Als wäre überhaupt nichts, nichts besonderes jedenfalls. Es klang wie etwas, was man jeden Tag hören konnte. Es war so viel besser, als aufgeregtes Herumgewusel. Und dann, plötzlich, drangen vertraute Laute an ihr Ohr. Mit einem Ruck hob sie ihren Oberkörper an und stützte sich mit den Armen auf dem Bett ab, und für einen Moment sprachlos starrte sie die andere Germanin an. "Heilsa", antwortete sie dann, und im Gegensatz zu der anderen sprach sie aufgeregt auf Germanisch weiter: "Du stammst auch aus Germanien? Aus welcher Sippe? Hast du Brix schon kennen gelernt, er ist au-uuuuuuuh-aaaaaaaaaaaargh", ging die angefangene Frage in einen Schrei über, als die nächste Wehe kam und sich in ihren Unterleib zu krallen schien. Diesmal krampfte Siv, die gerade halb aufgerichtet war, sich vornüber und ein wenig schräg zur Seite vor Schmerz.

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    Frija


    Ein strahlendes Lächeln, voll ehrlicher Zuneigung breitete sich auf Frija's Gesicht aus. Sie schaute fast schon liebevoll auf Siv herab, obwohl sie sie gerade erst kennen lernte, und lächlete sie ob der Begeisterung in ihrer Stimme einfach nur an. Dann kam die nächste Wehe und Frija stellte schnell den Becher bei Seite um sich zu Siv aufs Bett zu setzten und ihr, wie schon vorhin Penelope, den Rücken mit starken Bewegungen der Hand zu streicheln. „Schhhhh.... schön ruhig weiter atmen. Gib dem Schmerz keine Gelegenheit sich in deinem Körper fest zu setzen.“ Die Sklavin machte es ganz genau wie zuvor die Griechin. Sie atmete über den Mund kräftig ein und aus und forderte Siv somit auf, es ihr gleich zu tun. Dann erst ging sie auf die Frage der Schwangeren ein. „Brix? Ja, ich glaube mein Mann hat ihn bereits kennen gelernt. Ich selbst noch nicht. Die meiste Zeit verbringe ich bei meiner Herrin, so dass ich noch nicht viel Kontakt zu den anderen Sklaven hatte.“


    Ein erneuter, kurzer Blick zu der Gelehrten und Frija griff zu dem Becher neben Siv's Bett. „Hier, versuch ein wenig davon zu trinken. Es soll dir etwas Linderung bei den Schmerzen schenken. Aber Vorsicht, der Sud ist ein wenig bitter. Ich habe mich nicht getraut ihn mit Honig zu süßen.“ Sanft half sie Siv ein wenig auf, damit diese zumindest einen Schluck von dem Sud trinken konnte. Lange würde es auch nicht mehr dauern bis der nächste Schub von Schmerz über Siv kommen würde.


    Erst nach der nächsten Wehe, einem gemeinsamen weghecheln eines Teil der Schmerzen, ging Frija auf die andere Frage von Siv ein. „Mein Mann und ich stammen von den Marsern, genau genommen aus Alrichs Dorf.“ berichtete sie freimütig. „Du bist eine Chattin? Aus wessen Dorf?“




    Serva - Tiberia Septima

  • Mitternacht war schon lange vorbei, sicherlich eine, wenn nicht sogar zwei Stunden. Ich hatte versucht, mich hinzulegen, den Versuch aber recht bald wieder aufgegeben. Das würde sich spätestens bei der morgigen Senatssitzung räuchen, aber es war mir einfach nicht möglich, genügend Ruhe zu finden um einzuschlafen. Nach einer erfolglosen Stunde im Bett stand ich also wieder auf, um eine ganze Weile unruhig durch mein Zimmer zu tigern, wo niemand mich dabei beobachten konnte. Das alles erinnerte mich selbst an ein Huhn, dem man den Kopf abgeschlagen hatte. Hühner, die auf diese Weise getötet wurden, liefen noch eine Weile - wortwörtlich kopflos - weiter umher, bis sie mit zuckenden Gliedern strauchelten und dann reglos liegen blieben. Leider wollte sich bei mir die Reglosigkeit rein gar nicht einstellen.


    Ich hatte zunächst überlegt, ob ich nach Siv sehen sollte. Das war noch vor der cena gewesen. Allerdings hatte ich mich dagegen entschieden und stattdessen nur Brix aufgetragen, mich zu benachrichtigen, wenn das Kind auf der Welt war oder etwas Unvorhergesehenes passieren würde. Bis kurz vor Mitternacht hatte ich nichts von ihm gehört, und auch die Sklaven, die ich fragte, wussten nichts zu berichten. Deswegen war ich dann ins Bett gegangen, nachdem ich mich ein zweites Mal dagegen entschieden hatte, nach Siv zu sehen. Geburten waren eine Sache, welche die Frauen besser unter sich ausmachten. Das wusste ich, und im Grunde war es mir nur recht so. Als dann jedoch der Schlaf sich nicht einstellen wollte und die Gedanken immer wieder um die Situation kreisten, die in Sivs Zimmer vorgehen musste, dauerte es nicht lange, bis ich meine Meinung änderte. Wenn es derart lange dauerte, dann war etwas nicht so, wie es sein sollte. Oder nicht? Frauen bekamen ihr Kind, wenn es kam, und dann sollte alles wieder in Ordnung sein. Ich hatte angenommen, dass es sich um zwei, maximal drei Stunden handeln konnte, ehe Siv dann glücklich, schlank und zufrieden mit einem Kind im Arm bei mir auftauchen würde. Aber sie war nicht gekommen. Sie nicht und niemand sonst. Gut, vielleicht war sie zu müde. Aber dann hätte dennoch jemand mir bescheid geben müssen.


    Die Unruhe hatte mich fester im Griff als zuvor. Zunächst hatte ich überlegt, Celerina zu besuchen, das aber recht schnell verworfen. Ihr wäre die Nervosität sicherlich aufgefallen, und ich hätte nicht gewusst, was ich erklären sollte. Und jetzt war der Entschluss gefasst, nach dem Rechten zu sehen. Niemand konnte mir das verweigern, immerhin war es immer noch mein Haus. Ich hatte mich also wieder angekleidet - an Schlaf war nicht mehr zu denken - und war durch das dunkle Haus zielstrebig auf das Zimmer zugeschritten, das man Siv gegeben hatte. Ich hob eben die Hand, um zu klopfen, da erklang von drinnen ein Stöhnen, dicht gefolgt von einem herzzerreißenden Schrei. Ich klopfte gar nicht erst an, sondern stürmte direkt in den Raum hinein.


    Mit der Klinke in der Hand und einer sperrangelweit geöffneten Tür blieb ich dicht hinter der Schwelle stehen und betrachtete die Situation, die sich mir bot. Flammen flackerten in der plötzlich entstandenen Zugluft. Weißer Weihrauchqualm stieg in verwirbelten Schlieren zur Decke auf. Eine Menge Sklaven scharte sich um Siv und die Griechin, die Ursus' Gast war. Wir hatten uns zum Essen schon einige wenige Male gesehen, uns aber nur flüchtig unterhalten. Und Ursus' Sklave stand dort, als der einzige Mann im ganzen Raum. Ich sah ihn kurz finster an, dann glitt mein Blick zu Siv, die ziemlich verkrampft und in gewisser Weise verbogen dort kauerte und mit schmerzverzerrtem und gerötetem Gesicht keuchte. Das Haar klebte ihr feucht am Kopf. Ich starrte sie entsetzt an. "Was... Fehlt ihr was? Geht es dir gut?" stammelte ich, entsetzt über die Situation und nur wenig, eigentlich gar nicht souverän.

  • Was sollte mit Hunden denn sein? Penelope verstand den Sinn der Frage nicht so ganz, aber das war eigentlich im Grunde ohnehin obsolet. Jetzt gab es erstmal wichtigeres zu tun, als zu versuchen, die Welt zu erklären. “Denk nicht soviel nach. Es ist alles, wie es sein muss. Du machst das ganz toll“, beruhigte Penelope die Kreißende noch, ehe sie Cimon hinterher sah.
    Den komischen Trank von Frija betrachtete sie eher skeptisch. In Ägypten gab es keine Weiden, und von Geißblatt oder Beinwell hatte sie noch nie etwas auch nur gehört. Folglich passte es in ihre Weltanschauung auch nicht, dass diese Kräutermixtur wirklich hilfreich sein könnte, denn wenn sie das wäre, würden die Pflanzen sicher größere Bekanntheit wegen ihrer großen Heilkräfte besitzen. So allerdings war das hier nichts, was einem Iatros eingefallen wäre. Allerdings war sie gerade zu abgelenkt, um ihren Unmut über dieses ihrer Meinung nach barbarische Getränk in passende Worte zu kleiden. Sie war noch damit beschäftigt, Cimon herumzuscheuchen, und dann wurde Siv bereits von dem trank eingeflößt.
    Sie wird Pinkeln müssen wie ein Pferd..., dachte sich Penelope nur still und kam dann auch mit dazu. Von dem Gespräch der beiden Frauen verstand sie nichts, aber das war auch nicht nötig. Sie setzte sich einfach nur so lange auf den Rand des Bettes und ruhte sich selbst ein wenig aus, während die beiden in ihrer barbarischen Sprache sich unterhielten. Irgendwelche Tücher aber in diesen komischen Zaubertrank würde sie definitiv nicht tun. Sie hatte auch nicht vor, dass Siv sich bei dieser Geburt irgendwie verletzte, dass etwas abheilen würde müssen. Wenn Gefahr bestand, dass ihr Damm riss, würde Penelope einen sauberen Schnitt machen. Das heilte schnell und Siv würde es nichtmal bemerken. Da brauchte man keine komischen Tücher mit irgendwelchen Pflanzen, von denen sie noch nie im Leben etwas gehört hatte. Blutende Wunden heilte man mit einem Sud aus Zwiebel und Honig, wusste doch jeder (zumindest die Geburtshelfer in Ägypten).
    Cimon kam wieder und stand wie ein Packesel erstmal in der Tür. Am liebsten hätte Penelope ihn auch gleich wieder postwendend rausgeschmissen. Er war ein Mann, auch wenn er ein Sklave war und damit im eigentlichen Verständnis des Wortes nach damals gültiger Definition kein Mensch. Aber sie war sich nicht sicher, ob das die Göttin nicht dennoch stören könnte, und eine wütende Artemis wollte Penelope wahrlich nicht hier herinnen haben. “Gut, leg die Tücher dahin. Die Schüsseln nehme ich.“ Was sie auch gleich tat und sie neben dem Bett abstellte. Nunja, es waren ganz normale Schüsseln zum Bereiten von Speisen, aber etwas besseres hatte Penelope ja auch gar nicht erwartet. Sie würden ihren Zweck erfüllen und Wasser wie Blut auffangen, so dass man es nach draußen bringen und wegschütten konnte, ohne das ganze Zimmer hier einzusauen.
    Da kam auch schon die nächste Wehe, und Penelope musste Cimons Rausschmiss noch einmal ein paar Minuten verschieben. Sie hielt ihr die eine Hand, während sie Frija bedeutete, weiter den Rücken zu massieren. Der Schmerz ebbte ab, und Penelope saß wieder da und hechelte Siv vor, damit diese sich nicht so albern vorkam, wenn sie es nachmachte.
    Und dann flog auf einmal die Tür auf und ein weiterer Mann stand im Raum. Stand denn da draußen irgendwo ein Schild herum, auf dem groß und breit 'EMPROS' zu lesen war, dass hier jeder gleich reinstürmte? Vor allem dieses elende Mannsvolk!
    “Was ihr fehlt?“ brauste Penelope auf und stand jetzt auf. Das konnte doch alles nicht war sein! Wie barbarisch waren die Rhomäer bitteschön, dass sie nicht einmal die Grenzen, die Artemis ihnen gesetzt hatte, respektieren konnten? Dass sie den Frauen nicht einen eigenen Bereich im Haus zugestanden, der wie eine Festung zu verteidigen war, gut und schön, das lag wohl an ihrer Art. Aber das sie auch in diesen geschützten Bereich vordrangen, das ging wirklich zu weit.
    Nur am Rande erkannte Penelope den Hausherren. Viel zu tun hatte sie mit ihm nicht gehabt, und ihre Gespräche waren doch recht oberflächlich verlaufen. Allerdings hatte Penelope auch keinen Wert auf philosophisch tiefgreifendes Palaver gelegt und sich daher auch gar nicht so sehr darum bemüht, hier irgendjemandem im Hause näher kennenzulernen. Aber seine Stellung war im Grunde auch vollkommen gleichgültig, ging es hier doch um etwas gänzlich anderes.
    “Sie bekommt ein Kind, und ständig platzen irgendwelche ungebildeten Barbaren in einen der Artemis geweihten Raum! Wollt ihr nicht gleich noch ein paar Männer holen, ich glaube, ein paar waren noch nicht hier herinnen?“ fuhr sie Cimon und Corvinus gleichermaßen an. Sie war auch müde und angespannt, sie war nun schon seit etlichen Stunden wach. Und an Schlaf war in den nächsten Stunden wahrlich nicht zu denken. Und nun kamen hier einfach immer wieder irgendwelche Kerle ohne Grund hereingeschneit! Das war doch zum verrückt werden!
    “Was bei ihrem silbernen Bogen wollt ihr hier überhaupt?“ Dass die Frage eher rhetorisch war, konnte man an ihrer Stimmlage wohl sehr gut hören. Und auch jetzt war Penelope froh um die jahrelange Ausbildung, so dass sie genau so bissig klingen konnte, wie sie es wollte. Und das war im Moment ziemlich stark. “Denkt ihr, ihr könnt es besser machen als Frauen?“
    Ein aus den tiefsten Tiefen ihres Herzens kommendes “ANTRES!*“ schloss schließlich ihre Worte ab, und sie sah die beiden Männer nur an wie die Medusa höchst persönlich. Nur, dass die beiden sich nicht augenblicklich bei diesem Blick vor Schreck in Stein verwandelten.


    Sim-Off:

    *Männer!

  • Siv schickte Hel – und Iuno, sicherheitshalber – einen aus tiefstem Herzen kommenden Dank, dass nun auch eine Germanin anwesend war, eine, die wusste, wie die Gebräuche und Gepflogenheiten in ihrer Heimat waren. Und bei der Gelegenheit dankte sie gleich auch noch mal für Penelopes Anwesenheit. Die Griechin war einfach… großartig, fand Siv. Keine Germanin, aber wie sie auftrat, wie sie die anderen herumscheuchte und im Griff hatte und ihr, Siv, zwar Verständnis, aber kein Mitleid entgegen brachte, nicht meinte, sie irgendwie betuteln zu müssen wie eine Glucke ihre Küken… Sie nicht behandelte, als ob sie krank wäre und gar nichts könnte… Das tat Siv gut, das tat ihr sehr gut, und half ihr weit mehr, als wenn sie bei ihr gesessen und sie bemitleidet hätte. Die Stimmung im Raum war so, wie Siv fand, dass sie sein sollte. Und dann kam die nächste Wehe, und Siv vergaß die Stimmung und Penelope und Frija, klammerte sich nur an die Hand der Griechin und spürte den Druck von Frijas Hand in ihrem Rücken. Als sie vorbei war, trank sie einen Schluck von dem Sud – im Gegensatz zu Penelope wusste sie, was für Kräuter es waren – und sah dann wieder auf, als Cimon wieder hereinkam. Für ein Lächeln fehlte ihr in dem Moment allerdings die Kraft, stattdessen musterte sie Frija erneut. Alrichs Dorf… das sagte ihr nichts. "Sarolfs Dorf", murmelte sie und wollte mehr erzählen, wollte mehr fragen, zum Beispiel ob Frijas Mann auch Germane war, aber dann rollte die nächste Wehe über sie, und diesmal hatte Siv zum ersten Mal wirklich das Gefühl, als ob es sie innerlich zerriss. "THURSENverDAMMTEeiteeeeaaaaaargh", begann sie, und wieder zerflossen die Worte in einem unartikulierten Aufschrei. Glühendes Feuer schien in ihrem Leib zu wüten, und die Muskeln in ihrem Bauch zogen und verkrampften sich auf eine Art, dass Siv mehr den Eindruck hatte, sie glichen sich windenden Schlangen als etwas, worüber sie noch die Kontrolle hatte.


    Dass die Tür erneut aufgerissen wurde, bekam sie in diesem Augenblick nicht mit. Erst als die Wehe vorbei war, nahm sie wahr, wer da plötzlich mitten im Raum stand und sie entsetzt anstarrte. Verwirrt, verunsichert, völlig perplex starrte sie zurück. Sie hätte mit vielem gerechnet, aber nicht, dass Corvinus hier auftauchen würde. Und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Die ganzen letzten Tage, Wochen… seit er sie freigelassen hatte… sie hatten sich kaum gesehen. Seit er mit Celerina wieder gekommen war von ihrem Kurzurlaub, gar nicht mehr. Siv hatte geglaubt, er hätte kein Interesse mehr, weder an ihr noch an dem Kind, das seines war. Dass er jetzt hier war… Nein, sie wusste definitiv nicht, was sie davon halten sollte. Aber sie musste nichts sagen, denn Penelope ging plötzlich in die Luft wie Fafnir selbst. Siv betrachtete die Szene, sah von Corvinus zu Penelope und wieder zu Corvinus, inzwischen bereits völlig fertig von den Schmerzen – und sie begann zu lachen. Es war kein lautes Lachen, und es mochte sich wohl ein wenig seltsam anhören, weil es erschöpft klang und weil es wehtat, zu lachen, waren ihre Bauchmuskeln gerade doch strapaziert genug, aber sie konnte einfach nicht anders. Es war ein Bild für die Götter, wie die kleine Griechin da stand und auf die beiden Männer verbal einprügelte, Corvinus, der nicht gerade klein oder schwächlich wirkte, und Cimon, der noch weniger so wirkte. Sie hob eine Hand und strich sich die verschwitzten Haare aus der Stirn, während sie sich fragte, ob Corvinus so etwas wohl jemals passiert war. Sie sah ihn an und versuchte zu verdrängen, wie er sich verhalten hatte die letzten Male, als sie sich gesehen hatten. Er war jetzt hier. Das hieß doch, dass er wenigstens an dem Kind nicht so ganz uninteressiert war, wie sie sich selbst hatte glauben machen wollen. Auch wenn es vermutlich nichts änderte an der Situation, auch wenn das hier nur eine Kurzschlussreaktion von ihm war, war er doch hier. "Es passt schon", versicherte sie ihm.

  • Siv fing an zu lachen. Sie lachte! Ich blinzelte - eben noch entsetzte, nun absolut irritiert - und versuchte mit Blicken herauszufinden, warum sie lachte. Ehe ich jedoch noch etwas sagen konnte, wurde ich derart von der Griechin angefahren, dass ich sie im ersten Moment nur vollkommen irritiert anstarren konnte. Im nächsten schon zogen sich meine Brauen verärgert zusammen. Ungebildete Barbaren? Wenn hier jemand ein Barbar war, so war sie das, die nicht einmal den Anstand gehabt hatte, bei mir vorstellig zu werden, obwohl sie unter meinem Dach wohnte! Und was war das überhaupt für ein Unsinn mit Artemis? Siv brauchte genauso sehr den Beistand der Candelifera, der Carmenta, Deverra und der Decima! Nicht zu vergessen die Hilfe von Edgeria, Lucina, Ops, der Partula und erst recht nicht zu vergessen den Schutz der Iuno selbst! Ich wollte genau das scharf erwidern. Aber mir blieben die Worte ungesagt in der Kehle stecken, als sie fragte, was ich hier wollte und ob ich es besser konnte. Ob wir es besser konnten. Ich hatte da Gefühl, dass alle mich anstarrten, und was mich sonst nicht im Mindesten tangiert hätte, machte mich nun unsagbar verlegen.


    "Ehm. Nein", erwiderte ich nach einer gefühlten Ewigkeit in meinen Ohren beinahe kleinlaut. In Wirklichkeit kam es allerdings recht trocken heraus. Ich streifte noch kurz Siv, deren draller Körper sich unter der tunica so deutlich abzeichnete, als ob sie vollkommen nackt gewesen wäre, dann richtete ich meinen Blick auf Cimon. "Du. Komm mit." Ich fuhr auf dem Absatz herum, griff wieder nach der Klinke und wartete, bis Cimon aus dem Zimmer sein würde, um dann die Tür hinter ihm und mir zu schließen. Eine Widerrede würde ich in gar keinem Falle dulden. Er hatte nicht das Recht, Siv so zu sehen, hatte ich beschlossen. Erst recht nicht, wenn auch ich sie so nicht sehen durfte - was an sich schon kurios genug war, immerhin war die Griechin nur ein Gast und Siv bekam mein Kind, was außer ihr und mir jedoch nur Brix wusste. Bis jetzt, hieß das. Was die Zukunft brachte, war ungewiss.


    Mit Ursus' Sklaven hatte ich bisher kaum ein Wort gewechselt. Es mutete befremdlich an, dass nun ausgerechnet jetzt der Zeitpunkt gekommen schien, diesen Umstand zu ändern. Jedoch hatte er Informationen, die ich nicht hatte, und ganz nebenbei sollte er Siv nun einmal so nicht sehen. Meine Nervosität war inzwischen in Verärgerung umgeschlagen, auch wenn ich mit Mühe gab, mich selbst im Zaume zu halten. Ich schloss die Tür hinter dem Nubier und sah ihn erst einmal nur finster an.

  • Na, wenigstens besaß dieses Mannswesen eine gewisse Einsichtsfähigkeit. Er war nicht besser als die hier versammelten Frauen. Er war nicht geeignet, hier irgend etwas zu bestimmen. Er war ganz und gar fehl am Platz, und schien das auch zu merken. Zwar passte Penelope es ganz und gar nicht, dass er einfach ging, ohne von ihr hinausgeworfen zu werden – wenn frau schon einmal so schön in Fahrt war, dann wollte diese Energie auch genutzt sein – aber dennoch war auch ein Sieg durch Rückzug des Gegners ein Sieg. Wie sagte man doch so schön? Wenn ein Mann sich zurückzog, zog er sich zurück. Wenn eine Frau sich zurückzog, nahm sie Anlauf.
    Dennoch fühlte sich Penelope nicht wie nach einem Sieg, sondern grummelte. Nicht zuletzt, weil dieser Mann hier einfach darüber bestimmte, wer bleiben konnte und wer nicht. Natürlich hätte Penelope Cimon auch nach draußen geschickt – das hatten ihre Worte wohl auch klar gemacht – aber es oblag ihr, das zu tun, nicht ihm. Das wurde auch nicht durch Sivs Lachen abgemildert – was auch immer so erheiternd war. Dass es wohl komisch anmutete, wie eine kleine, recht zierliche Frau einen großen Patrizier und einen noch größeren und muskelbepackten Nubier in den Senkel stellte, und diese dann auch vor ihr kuschten als wäre sie Nemesis persönlich, daran dachte sie nicht einmal. Ihre Entrüstung speiste sich ja aus dem Gefühl, im Recht zu sein, und das hatte für sie keine Komik.
    So ging denn erst Cimon, dicht gefolgt von dem Hausherren. Bevor dieser allerdings die Tür von draußen zumachen konnte, musste Penelope doch noch etwas loswerden. Teils aus angestauter Anspannung, teils, weil es ja wirklich wichtig war. “Wenn ihr euch unbedingt nützlich machen wollt, dann besorgt mir eine Klinge aus Obsidian, oder etwas anderes aus Obsidian, das ich zerbrechen und als Messer benutzen kann. Na los“ Und mit einer unwirschen Handbewegung scheuchte sie noch die Reste der männlichen Anwesenheit hinaus, ehe sie sich wieder Siv zuwandte. Zum Glück war das Mannsvolk nun erst einmal vertrieben.
    “Männer! Man könnte meinen, in dem kleinen Ding zwischen ihren Beinen wäre alle Weisheit der Welt versammelt, dass sie so eitel daherreden“, grummelte sie noch kurz weiter, ehe sie sich vor Siv in die Hocke begab.
    “Du solltest einmal vorrutschen, hier an den Rand des Bettes. Frija, stütz sie bitte. Ich muss nachschauen, wie weit du geöffnet bist. Der Abstand zwischen den letzten beiden war ziemlich kurz. Ich denke, wir sollten mit dem Wasser anfangen, um es dir leichter zu machen.“
    Was Männern jahrhundertelang zu denken geben würde und wo sie sich ewig fragen würden, wofür Frauen bei Geburten diese Unmengen an heißem Wasser benötigten, hatte einen ganz unspektakulären wie simplen Grund: Es entspannte die Muskulatur. Was jeder Mensch mit Muskelkater in einem Badezuber fühlen konnte, genau dasselbe passierte auch bei der Geburt, wenn man über die verkrampften Unterleibsmuskeln einfach nur heißes Wasser laufen ließ. Das ließ das ganze weit weniger schmerzhaft sein, vom hygienischen Aspekt einmal ganz zu schweigen. Immerhin konnte eine Frau nicht einfach aufstehen und ihre Blase entleeren, wenn sie gerade in den Wehen lag. 5 oder mehr Stunden es anhalten ging ja aber auch nicht, und Katheter waren zwar schon bekannt, wurden aber bei Geburten normalerweise nicht gesetzt.


    Siv tat wie befohlen und Penelope saß also zwischen ihren gespreizten Beinen und schon ihre Tunika endgültig hoch. Irgendwelche Schamgefühle hatte sie nicht, zum einen hatte Siv nichts, was sie nicht auch hatte, und zum anderen waren die Griechen in punkto Nacktheit ohnehin nicht so zimperlich. Wo jede Sportart nackt ausgetragen wurde, gab es dafür keinen Grund.
    Unter Zuhilfenahme ihrer Finger sah und fühlte Penelope vorsichtig nach, wie weit Siv schon geöffnet war. Es würde nicht mehr lange dauern. Ein Wunder, dass die Fruchtblase noch nicht geplatzt war. “Du solltest hier vorne sitzen bleiben. Ich hole eben das Wasser.“ Im Aufstehen beugte sie sich zu Siv vor und flüsterte ihr noch zu: “Wenn du Pinkeln musst und es dir peinlich ist, ist das gleich eine gute Gelegenheit.“ Sie wusste ja nicht, wie die Germanin in Bezug auf diesen Aspekt der Geburt reagierte.
    Sie holte also die erste leere Schale und platzierte sie unter Siv. Kurz musste diese ihre Hüfte noch anheben, um eines der Tücher noch so zu drappieren, dass doch vorbeilaufende Flüssigkeit nicht das Heu der Matratze durchdringen würde, sondern nur dieses Tuch. Penelope nahm die volle Schüssel mit dem heißen Wasser und schöpfte mithilfe eines Bechers so nun langsam immer wieder Wasser, um es über Sivs angespannte Muskeln zu gießen und ihr so Erleichterung zu gewähren. Wenn die Männer endlich mit der Klinge auftauchten, konnten sie gleich noch mehr Wasser bringen und dieses hier wegleeren. So hatte es vielleicht doch etwas gutes, dass die beiden hereingeplatzt waren.

  • Sivs Lachen verklang schließlich, und sie atmete nur noch erschöpft, froh um die kleine Verschnaufpause. Dass Corvinus einfach so klein beigab, rang ihr noch einmal ein Lächeln ab, und hatte sie sich zuvor noch gefragt, ob ihm so etwas je passiert war, war sie sich jetzt sicher. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er sich jemals so hatte herumkommandieren lassen, nicht einmal als Kind. Und dann auch noch von einer Person, die ihm gerade mal bis zur Brust zu reichen schien. Plötzlich musste sie an eines ihrer ersten Treffen denken, damals, wie er sich die Hand verletzt und sie ihn verarztet hatte. Wie er herumgemotzt hatte, weil sie angeblich zu grob gewesen war. Wie sie herumgemotzt hatte, weil sie ganz und gar nicht grob gewesen war, sondern einfach nur nicht zimperlich, er dafür aber verweichlicht, jedenfalls hatte sie das gefunden. Vor allem dafür, dass er selbst schuld gewesen war. Und wie sie sich danach unterhalten hatten. Er war auf sie eingegangen… aber er hatte nicht klein beigegeben. Nicht so wie jetzt. Müde, aber mit einem Lächeln auf den Lippen, schloss sie die Augen, hatte aber nur einen Moment Ruhe, bis die Griechin schon wieder etwas von ihr wollte. "Was?" murmelte sie, aber in dem Moment griffen Frija und Penelope schon zu und halfen ihr, an den Rand des Betts zu kommen, wo die Griechin begann, sie zu untersuchen. "In Ordnung", antwortete sie auf den Vorschlag mit dem Wasser hin, auch wenn sie bezweifelte, dass es ein Vorschlag von der Sorte gewesen war, der ihr Einverständnis voraussetzte. Irgendwelche Schamgefühle bei der Untersuchung hatte auch Siv nicht. Es war nicht so, dass Sport bei ihnen nackt ausgeübt wurde – oder auch nur eine derart große Rolle spielte wie in Griechenland, beispielsweise –, aber sie stammte aus einer Kultur, in der die Familie teils auf engstem Raum beieinander lebte, und in der der erste Beischlaf in der Hochzeitsnacht im Beisein der Verwandten geschah. Schamgefühl war da einfach fehl am Platz.


    Sie fuhr sich erneut durch die feuchten Haare und rieb sich dann ihre Schulter. Die Tunika klebte inzwischen an ihrer verschwitzten Haut. Und dann musste sie wieder lächeln, als sie Penelopes Kommentar hörte. Nein, auch in dieser Hinsicht war Siv nicht übermäßig viel Schamgefühl gestraft. Bei einer Geburt ging es einfach nicht anders, das war völlig normal. Aber sie war Penelope trotzdem dankbar, dass sie daran dachte und ihr helfen wollte. "Ja… danke." Es dauerte nicht lange, bis die Griechin mit dem Wasser, den Schüsseln und den Tüchern wieder am Bett war, und Siv tat, was Penelope und Frija ihr auftrugen, versuchte mitzuhelfen, so gut es ging, und seufzte dann leise, als das warme Wasser über ihren Bauch zu fließen begann. Wie Penelope empfohlen hatte, nutzte sie diese Gelegenheit auch, um sich zu erleichtern – nicht dass es ihr sonst tatsächlich peinlich gewesen wäre, aber bei dem Geräusch des plätschernden Wassers konnte sie in diesem Moment gar nicht anders –, aber lange Gelegenheit, die entspannende Wirkung zu genießen, hatte sie nicht. Als Penelope das nächste Mal Wasser schöpfte, spürte Siv plötzlich, wie es trotzdem wieder feucht, nein, nass wurde, und für einen winzigen Augenblick wunderte sie sich, weil ihre Blase sich ganz sicher nicht schon wieder hatte leeren müssen. Dann, bevor sie tatsächlich begreifen konnte, dass gerade die Fruchtblase geplatzt war, verkrampften sich ihre Muskeln ein weiteres Mal, als die nächste Wehe mit ungeahnter Heftigkeit ihren Körper erschütterte, und wieder schrie sie auf, lauter und anhaltender diesmal als noch zuvor, schien der Schmerz doch immer schlimmer zu werden, während sie zwischendurch versuchte zu atmen und zu hecheln, wie die beiden Frauen es ihr vormachten.

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    Frija


    Frija fing den gar nicht begeisterten Blick der Griechin auf, zuckte jedoch nur mit den Schultern und gab Siv nach einer weiteren Wehe von dem Weidenrinden-Sud zu trinken. Sie sollte auch nicht gleich mehrere Becher von dem Kräutergetränk zu sich nehmen, so dass sie ununterbrochen zur Latrine müsste, aber ein paar Schlucke würden schon reichen, um der Schwangeren zumindest das Gefühl von Erleichterung zu geben. Vieles bei einer Geburt hing auch vom Glauben ab und Frija war sehr gläubig.


    Erschrocken ruckte der Kopf der Germanin hoch, als mitten in der Nacht die Tür zu Siv's Zimmer aufflog und plötzlich der Hausherr persönlich in selber stand. Sofort senkte die Sklaven demutsvoll ihren Blick und wand sich lieber wieder der Schwangeren zu. „Die Griechin hat Recht, du machst das ganz wunderbar, Siv.“ versuchte sie ebenfalls beruhigende Worte zu finden, allerdings schaute sie Siv völlig verständnislos an, als diese anfing zu lachen. Was bitte war an dieser Situation so komisch? Außer vielleicht, dass nun schon ein zweiter Mann in diesem Zimmer stand und Penelope gerade anfing diesen ordentlich anzukeifen. Frija mußte daraufhin ein Grinsen unterdrücken und als die nächste Wehe kam, hielt sie Siv die Hand hin, da die Griechin auf Corvinus zugegangen war. Anweisungen folgten. Sie sollten ihr ihrend etwas aus Obsidingsda bringen. Was das war, verstand die Germanin nicht, allerdings atmete sie erleichtert auf, als beide Männer vor die Tür gingen.


    Das, was Penelope daraufhin tat, nämlich nach zu schauen, wie weit Siv inzwischen geöffnet war, wäre auch Frijas nächste Tat gewesen, doch so half sie lediglich dabei, Siv dabei zu helfen, auf dem Bett weiter nach vorne zu helfen. Da der Abstand, zwischen Wand und Bett nun sehr groß war, hockte sich Frija kurzer Hand hinter Siv und stütze sie so gut sie konnte. Gleichzeitig konnte sie ihr weiter den Rücken massieren, obwohl ihre Hände langsam anfingen weh zu tun. Aber darauf nahm Frija nicht viel Rücksicht. Hauptsache sie konnte Siv die Geburt ein wenig erleichtern.


    „Wir könnten noch ein paar helfende Hände gebrauchen, die nicht gerade so ein kleines Ding zwischen den Beinen haben.“ meinte Frija und grinste die Griechin dabei an. Die kleine Frau hatte ihr imponiert, wie sie den Hausherren mit deutlichen Worten klar gemacht hatte, dass er hier nichts verloren hatte. „Und mehr heißes Wasser wäre auch gut. Wie sieht es aus...ähm...“ Jetzt erst fiel der Germanin auf, dass sie den Namen der gelehrten Griechin gar nicht kannte. „Ich bin übrigens Frija.“ stellte sie sich nun vor und hielt gleichzeitig Siv fest, als diese einer erneuten Wehe unterlag. „Das klang heftiger als zuvor. Es dürfte recht bald so weit sein.“ konnte sich die Germanin nicht verkneifen zu sagen. Dann verfiel sie wieder ins Germanisch und sprach ein Gebet zu Tanfana, der Schutzgöttin der Marser, dass sie ihre göttliche Hand zum Schutz über diese werdende Mutter und ihr Kind halten möge.




    Sklave - Tiberia Septima

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