Domus Aeliana - Cubiculum Axilla

  • Als Caius an diesem Nachmittag endlich aus seinem officium kam (drei Stunden später als er Axilla gesagt hatte), hatte er einen Brief in der einen Hand, und mit der anderen machte er die Tür zu Axillas Zimmer auf. Noch lag hier kein Mosaik, Scamander musste erstmal die anfallenden Aufträge abarbeiten. Caius war ein wenig geknickt.
    »Hallo, Liebes«, sagte er zu Axilla, ging zu ihr und küsste sie kurz auf die Stirn. Dann ließ er sich matt in einen Sessel fallen.
    »Wie war dein Tag«, fragte er ohne großen Elan. Seiner war beschissen gewesen (im wahrsten Sinne des Wortes, denn das war der Tag der gefallenen Wachstafel). Dabei knüllte er ein wenig das Pergament in seiner Hand zusammen und sah Axilla unter seinen Stirnrunzeln an, ließ dann einen Blick durchs Zimmer wandern. Axilla hatte sich das Zimmer schön gemacht, auch wenn sie nachts eigentlich noch nie hier geschlafen hatte.

  • Jetzt war der Großteil der Dinge, die Axilla aus der Casa Iunia mitnehmen wollte, endlich auch hier seinen Platz gefunden. Zwar längst nicht alles, aber doch das meiste. Und so weit war die Casa ja nun auch nicht entfernt, als dass sie zur Not nicht eben hin könnte und etwas holen.
    Nicht minder chaotisch wie Archias hätte es eigentlich ein heilloses Durcheinander sein müssen, aber anders als ihr Mann ließ Axilla mehr mit sich reden und hörte auf die Sklaven, was diese auch schon mitbekommen hatten. So hatte sie sich beraten lassen, wo was am Besten Platz finden sollte, so dass es alles in allem sehr ordentlich war.
    Einzig bei einer Sache hatte Axilla nicht mit sich reden lassen, nicht einmal im Ansatz: Die Truhe mit den Sachen ihres Vaters. Diese stand in der Nähe ihres Bettes, und daneben der Rüstungsständer, wenngleich das dort noch so fehl am Platze wirken mochte. Aber da hatte Axilla jede Diskussion im Keim erstickt.


    Als Archias nun nicht gekommen war, hatte Axilla damit angefangen, die Rüstung eben aufzubauen und zu pflegen. Das war noch ein Punkt, bei dem sie nicht mit sich reden ließ. Wehe dem Sklaven, der versuchen wollte, ihr dabei zu helfen. Das machte sie allein, und zwar ganz allein.
    Aber irgendwann war die Rüstung schön aufgebaut, sämtliche Teile neu gefettet und saubergemacht, und Archias war noch immer nicht da. Ein wenig grummelig wurde Axilla da schon, denn hier im Palast traute sie sich noch nicht so recht, allein herumzustreunen und einfach eine Beschäftigung zu suchen. Und so war ihr im Moment vergleichsweise langweilig.


    Als Archias dann endlich kam, saß sie gerade auf dem Bett und starrte Löcher in die Luft. Anstatt einer Erklärung bekam sie nur einen kurzen Kuss auf die Stirn, während er sich in den nächsten Sessel fallen ließ und sich nach ihrem Tag erkundigte.
    “Kurz zusammengefasst: Langweilig. Oh, Caius, ich weiß gar nicht wo hin mit der ganzen Zeit! Ich brauch ganz dringend Arbeit, also, so richtige Arbeit. Was zu tun, eine Aufgabe...“
    Axilla ließ sich nach hinten fallen und reckte die Arme nach oben, um weiter wild gestikulieren zu können, während sie ihr den halben Tag aufgestautes Redebedürfnis erstmal befriedigte. “Gibt es hier eigentlich auch eine Bibliothek? Und dr Garten, darf ich da einfach so rein, oder ist der nur zum Angucken, wenn jemand den Kaiser sehen will? Überhaupt, ich hab gar keine Ahnung, was ich hier darf und was ich nicht darf, ich meine... gnaaaAAA! Ich komm mir hier wie ein Eindringling vor. Das ist alles so groß und so... so.... kaiserlich! Und ich, ich bin....“
    Mit einem resignierendem Schnauben drehte sich Axilla auf die Seite und stützte ihren Kopf mit der Hand einfach ab, sah so zu Archias hinüber. “Ich komm mir so erdrückt vor.“
    Sie sah etwas wehleidig zu ihrem Mann, als sie merkte, dass irgendwas nicht in Ordnung war. Er hatte da einen zerknüllten Brief in der Hand und sah aus, als wär ihm eine gewaltig große Laus über die Leber getanzt. “Was ist denn los? Probleme?“ Sie nickte nur leicht in Richtung des Briefes in seiner Hand und schaute besorgt drein. Irgendwas hatte er doch!

  • Caius legte den Brief auf den Tisch, seufzte und klopfte dann auf seinen rechten Oberschenkel. Das war für Axilla eine Aufforderung, rüber zu kommen, und er wartete einfach so lange, bis sie da war. Dann legte er ihr die Hand an die Wange.
    »Groß ja, kaiserlich nur ein bisschen. Und du darfst überall hingehen, wo du möchtest. Nur Quartos Zimmer solltest du besser meiden. Nicht dass sowas noch mal passiert äh, du weißt schon...« Caius hatte das letzte Mal noch gut in Erinnerung, dass Axilla einfach bei Quarto reingeschneit war und sich zu ihm ins Bett gelegt hatte, weil sie dachte, das wär er.
    »Erdrückt?« fragte er sie dann. Alles war zu groß, dann müsste sie sich doch eher verloren fühlen? Aber Caius verstand vielleicht auch einfach nur die weibliche Logik nicht. Er legte Axilla die Hand auf den Rücken und fuhr langsam darauf auf und ab, während sie sich unterhielten.


    »Hm, naja. Probleme...könnte man so sagen, ja. Einer meiner Scribas hat eine Anfrage von einem Senator ins Klo geschmissen. Aus Versehen halt, aber das ist trotzdem bescheiden. Ich hab Firas hingeschickt, also, zu diesem Senator, damit er sich noch mal diktieren lässt, was der eigentlich wollte. Das Ärgerliche ist, dass das schon vor Wochen passiert ist. Hmpf.« Caius seufzte frustriert und zuckte dann mit den Schultern.
    »Fällt natürlich auf mich zurück. Ob das für eine Beföderung dann so toll ist, weiß ich nicht. Und das hier...« Er hob den Brief auf und hielt ihn Axilla hin.
    »Piso hat geschrieben, er war nicht begeistert wegen der Verlobung. Also, weil ich nichts gesagt hab. Und ich glaub, er wird echt mächtig sauer sein, wenn er Montag zum Essen herkommt und wir ihm sagen, dass wir geheiratet haben.« Das wurmte Caius im Nachhinein doch sehr, auch wenn er vorher gar nicht wirklich drüber nachgedacht hatte. Jetzt betrachtete er die aufgebaute Rüstung.
    »Und das mit dem Reden hört sich so an, als wär's ne Drohung. Meinst du, er ist sehr sauer?« fragte er Axilla dann und sah sie treudoof an.

  • Axilla lag eine kleine, gemeine Bemerkung auf der Zunge, dass sie doch kein Hund war, den man zu sich rief, aber sie ließ es bleiben. Sie wusste, das dachte sie nur, weil sie grade auf Krawall gebürstet war, und im Grunde wollte sie ja zu ihm und kuscheln. War nur ein wenig der Effekt, den wohl jeder Katzenbesitzer nachfühlen konnte: Man holte eine Katze nicht zum Kuscheln, sie kam zum Kuscheln.
    Nun, sei es wie es sei, Axilla saß schließlich auf Archis Schoß und ließ sich den Rücken kraulen, während sie ihm zuhörte.
    “Ja, erdrückt“, ließ sie sich resignierend gegen ihn sinken. “Als ob der Palast und das alles mich erschlagen wollte mit seiner Pracht. Ich weiß, es klingt albern, aber es ist so.... so.... ordentlich einfach hier. Ach, ich kann's nicht besser erklären.“ Wie sollte sie das auch erklären können, dass sie sich nach Chaos und Freiheit sehnte? Sie war ja im Grunde frei. Und im Grunde hatte sie ja auch noch Chaos. Nur eben war sie jetzt eine verheiratete Frau, noch dazu eine mit einem Eques verheiratete Frau. Über dies eine, die nun mit dem Kaiser über 5 Ecken verschwägert war. Da hatte die Gesellschaft wohl einfach Erwartungen, und Axilla wollte diese gar nicht erfüllen. Sie wusste, dass sie das nicht hinbekommen würde, und dieses Wissen erdrückte sie einfach.


    Und endlich rückte auch Archias damit raus, welche Laus ihm über die Leber gelaufen war. Dass die Laus aber Flavier war und sich Piso nannte, das war dann doch überraschend. Da schien der Ärger mit der Tafel – und Axilla musste wirklich kurz heimlich schmunzeln bei der Vorstellung, dass die in die Latrine gefallen war – fast schon nebensächlich.
    “Ach, zeig mal her“ nahm sie ihm den Brief ab und las selber, was Piso so schrieb. Noch immer hatte sie etwas Bauchschmerzen, was den Flavier anging. Sie könnte sich selbst ohrfeigen, dass sie an dem Morgen, nachdem er sie abgefüllt hatte, nochmal mit ihm geschlafen hatte. Sie hätte das nicht tun sollen. Dann hätte sie sich rausreden können, dass es nur der Alkohol war. Dann hätte sie ihn sogar anzeigen können, wegen stuprum. Aber das hatte sie nicht, sie hatte ihn am Morgen geküsst und auf sich gezogen und nochmal mit ihm geschlafen, und dafür könnte sie sich wirklich ohrfeigen.
    Daher hatte Axilla auch immernoch ein wenig Angst, wenn es um den Flavier ging. So las sie fast schon ängstlich den Brief, aber konnte zum Glück nichts wirkliches finden. Sie atmete einmal erleichtert durch und knuffte dann Archias leicht in die Seite.
    “Ich denke, er wird schon etwas böse sein, wenn er hört, dass wir schon geheiratet haben. Aber vermutlich wird er das nicht so zeigen, wenn die anderen auch da sind, oder? Ich weiß nicht, du kennst ihn besser als ich.“ Wobei Axilla ihn ja auch besser kannte, als ihr lieb gewesen wäre.

  • Ihr war es zu ordentlich? Caius ließ einen prüfenden Blick durch Axillas Zimmer schweifen und musste dann grinsen. Da konnte man auch was gegen unternehmen, nur dann würde sie wohl rummaulen, dass es ihr zu unordentlich war.
    »Du könntest mit in mein Zimmer kommen. Da ist es nicht so ordentlich«, sagte er zu ihr und grinste. Wieder blieb sein Blick bei der Rüstung hängen, die sauer und akkurat auf ihrem Ständer hing. Daneben stand ein Tiegel mit Rüstfett. Das war es also, was so ein bisschen seltsam roch hier im Raum.


    Caius ließ Axilla den Brief lesen und sah ihr dabei zu. Irgendwie wirkte sie ziemlich angespannt. Sie sollten wirklich bald mal in die Hufe kommen und das machen, was Caius eigentlich schon für direkt nach der Hochzeit geplant hatte. Dann konnte sie bestimmt auch etwas abschalten. Leander fehlte ihr. Das sah man auch. Caius zog einen Mundwinkel hoch und lächelte schief bei ihrem Knuff.
    »Weiß ich nicht.« Vielleicht war Piso schon zu sehr Patrizier und Politikschnösel, dass er das einfach überspielen und die cena aushalten würde. Und dann ging, um ihn mit dem Hintern nicht mehr anzusehen. Caius seufzte. Und er versuchte, nicht an Piso und Axilla zu denken. Das gelang erstaunlich gut, im Verdrängen war er einfach gut.
    »Ich hab ihn aber schon für früher eingeladen. Also, wenn er will.« Imerhin hatte Caius sich schon gedacht, dass Piso das sicher nicht toll finden würde. Ganz so schmerzfrei war er da ja nu nicht. Trotzdem hatte er ein schrecklich schlechtes Gewissen deswegen.
    »Hast du eigentlich schon mit dem Koch geredet? Was es zu essen geben soll und so?« Hatte eben auch seine Vorteile, eine Frau zu haben!

  • “Na, was meinst du denn, warum ich so oft bei dir drüben bin, hm? Bei soviel Ordnung kann doch kein Mensch schlafen“, entgegnete sie ebenso frech und so, als wäre das auch wirklich der einzige Grund, warum sie bislang noch keine Nacht in ihrem Cubiculum verbracht hatte. Auch wenn beide wussten, dass der offensichtliche Grund auch nicht der Hauptgrund dafür war. Axilla war nur nachts nicht gern allein, so dass sie nicht nur zu Archias geschlichen kam, um Zärtlichkeiten auszutauschen, sondern auch, um einfach nur an ihn geschmiegt zu schlafen.
    Sie bemerkte den Blick von Archias, und einen Moment fühlte sie sich ertappt. Bestimmt konnte Archias das merken an der Art, wie sie ihn beinahe los ließ und etwas unsicher zu der Rüstung schaute. Axilla hatte ihm ja schon desöfteren erzählt, wie wichtig ihr Vater ihr war. Aber das hier war wahrscheinlich das erste Mal, dass er davon so ein eindrückliches Zeugnis vorgeführt bekam. “Ähm, das Rüstungsfett muss noch wieder ein wenig eintrocknen, dann pack ich sie wieder ein. Ich will nur nicht, dass sie kaputt geht“, erklärte sie kurz, ohne dass Archias sie danach eigentlich gefragt hätte.


    Da kam der Brief als Ablenkung ganz recht, da musste sie nichts erklären. Sie hoffte zumindest, dass sie nichts erklären musste, denn eigentlich hatten sie das Thema mit Piso unter den Tisch fallen lassen. Was Axilla auch alles andere als unrecht war. Sie musste nicht unbedingt mit Archias darüber reden, mit wem sie aus welchem Grund auch immer geschlafen hatte. Umgekehrt wollte sie es von ihm ja auch nicht wissen. Gut, grade bei Piso war das nicht so einfach, da er und Archias Freunde waren, aber das Prinzip blieb dasselbe. Axilla wollte über gar keinen ihrer Liebhaber reden. Nicht, wenn es nicht unbedingt sein musste.
    “Oh, achso. Dann... nur du und er, oder soll ich da auch dabei sein?“ Axilla wusste ja nicht, wie Archias das geplant hatte. Und sie wusste auch nicht, ob sie unbedingt so im kleinen Kreis auf Piso treffen wollte. Wer wusste, was dabei auf den Tisch kommen würde? Wo er doch schon so wenig begeistert in dem Brief klang.
    Gut, dass die Frage nach dem Essen ablenkte. “Naja, nur so ein wenig. Ich wollte ja gerne so Hühnchen wie in Alexandria, du weißt schon, die in der Honig-Pfeffer-Kruste mit dem roten Zeugs drumrum, was so ein wenig scharf ist. Aber das kennt der Koch hier nicht. Er wollte nun zur Vorspeise Eier machen mit irgendwelchen Soßen und danach wollte er Singvögel braten, aber da weiß ich nicht so recht. Die sind doch so klein, da ist so wenig dran. Vielleicht lieber ein Ferkel? Milchlamm hat er auch noch vorgeschlagen, aber ich finde, das schmeckt so streng nach Schaf. Und zum Nachtisch eben Obst und Honig. Was meinst du?“

  • »Da bin ich aber betroffen«, bemerkte Caius trocken und zog eine Flunsch. Pah. Dann würde er demnächst erst recht aufräumen! Er seufzte leise und folgte dann noch mal Axillas Blick hin zu der Rüstung ihres Vaters. Caius runzelte die Stirn. Er hatte doch gar nichts gesagt? Natürlich war' schon etwas seltsam, dass Axilla nach all den Jahren die Rüstung immer noch in Schuss hielt. Trotzdem zuckte er mit den Schultern.
    »Macht doch nichts. Ist eigentlich auch ganz hübsch, so eine Rüstung. Zumindest hübscher als so eine Legionärsrüstung. Ich glaub, mir wär sowas zu eng.« Caius grinste Axilla kurz an und patschte sich dann zweimal viel sagend auf den kleinen Waschbärbauch.
    »Gut, dass ich keine brauch. Das wär glatt eine Sonderspezialanfertigung für ein breites Kreuz und Wohlstandsbäuchlein«, sagte er grinsend zu ihr, ohne zu ahnen, was er damit vielleicht heraufbeschworen hatte.


    »Hmh? Naja, natürlich bist du dabei. Piso kommt bestimmt nur etwas früher, vor den anderen. Hab ihn nicht extra eingeladen oder sowas. Dann können wir es ihm zumindest als erstem sagen. Wenn er schon nicht dabei war, mein ich.« Caius sah jetzt wieder zerknirscht aus.
    »Ohje, ich glaub, der wird total sauer sein«, seufzte er. Axillas Aufzählung zum Essen ließ ihm da schon das Wasser im Mund zusammenlaufen. Er musste die Spucke wegschlucken, die seinen Mund wässerte.
    »Och, echt? Dann müssen wir das Rezept mal organisieren. Da hätt ich wirklich mal Lust drauf. Kennst du denn hier einen Buchladen, bei dem man sowas bestellen kann?« fragte er Axilla. Ihm selber fiel nur einer ein (und zwar nicht, weil er jemals mal einen betreten hätte, sondern weil der Seiana gehörte), aber der war ja in Ägypten. Wobei das ja eigentlich praktisch war, immerhin wollte man ein ägyptisches Rezept!
    »Aber der Rest klingt gut. Nur eben gewöhnlich. Ich nehm an, bis zur cena kriegen wir das Rezept auch nicht. Ist zu kurzfristig.« Caius zuckte mit den Achseln.
    »Und Ferkel fänd ich besser als Schaf oder Vögel.«

  • Als Archias meinte, ihm wäre die Rüstung zu eng, musste Axilla einfach auch zu seinem Bauch gucken. Selbst wenn er nicht betonend drauf geklatscht hätte, hätte sie wohl hingeguckt. Und ja, in die Rüstung ihres Vaters würde er wohl nicht reinpassen. Axillas Vater war zwar wohl auch nicht größer gewesen als er – auch wenn er in ihrer Erinnerung ein Riese war – aber er war doch bedeutend schlanker gewesen. Und durchtrainierter. Mehr wie Vala, nur mit etwas breiterem Kreuz und ein bisschen mehr Muskeln.
    Axilla kam sich bei diesem Gedanken wirklich ertappt vor, und sie schaute schnell wieder zu der Rüstung. “Naja, die meisten, die es sich leisten können, lassen sich eine Rüstung machen und anpassen, grade die Offiziere. Nur weil man eine Rüstung kriegt, heißt das ja nicht, dass man die nehmen muss. Und gibt ja viele, die.... also, nicht so... also, ich meine, die...“ Axilla suchte eine freundliche Umschreibung, fand aber keine, also entschied sie sich für eine freche. “... ihren Wohlstand sichtbar vor sich her tragen.“ Dabei giekste sie ihm einmal schelmisch grinsend in den Bauch, gab ihm aber gleich darauf als Wiedergutmachung einen Kuss. “Aber du könntest dir ja trotzdem mal eine machen lachen. Sollte doch jeder Mann haben, nicht?“ Zumindest in Axillas Vorstellung sollte jeder Mann für seine Familie auch kämpfen können, und das nicht nur mit Worten.


    Axilla zuckte aber nur leicht die Schultern, für sie war das so selbstverständlich, dass sie nicht glaubte, da müsse man darüber großartig reden. Wenn er keine Rüstung bislang hatte, war das ganz klar, dass er eine brauchte. Daher ging sie auch anstandslos zum Thema Essen über, das viel näher lag.
    “Meinst du, hier kriegt man irgendwo Bücher mit ägyptischen Rezepten? Keine Ahnung, in Alexandria hätte ich gesagt, in der Nähe des Museions. Da gab es ja jede Menge Schriftrollenhändler, die Abschriften für das Museion verkauft haben. Aber hier...“ Axilla zuckte die Schultern. Er war doch der Urrömer, sie war aus Tarraco. Und selbst dort hätte sie keinen Buchladen für sowas gekannt.
    “Gut, dann sag ich dem Koch, er soll das Ferkel schlachten. Hmmm, scharf ist doch in Ordnung, oder? Ich mag scharf, aber nicht, dass deine Freunde sich dann beschweren? Wobei, hier kriegt man sowieso nicht so scharfe Gewürze...“
    Axilla redete fast mehr mit sich als mit Archias, während sie schon grübelte und rätselte. Immerhin war das dann ihre erste Cena als Ehefrau, und sie wollte wenigstens versuchen, einen guten Eindruck zu hinterlassen, wenngleich sie schon wusste, dass sie es nicht würde perfekt können. Dennoch war sie jetzt schon leicht aufgeregt deswegen.
    “Und meinst du deine anderen Freunde... also... meinst du, die werden mich mögen?“ Eigentlich war die Frage vollkommen aus der Luft gegriffen, aber jetzt, wo Axilla so über die ganze Cena nachdachte, war das doch durchaus etwas, was sie mehr beschäftigte als das Essen.

  • Caius, der eben noch gegrinst hatte, machte ein bestürzt-beleidigtes Gesicht, als Axilla so um den Brei redete wegen dem Bauch. Er sah an sich runter und seufzte.
    »Also, so...wohlständig find ich das jetzt gar nicht«, sagte er entrüstet und sah Axilla dann wieder an.
    »Findest du mich zu dick?« fragte er sie ernsthaft. Caius hatte zwar einen Wachbärbauch, aber wirklich dick fand er sich nicht. Gut, er hatte eben keinen Amphorensechser vorn, aber wer wollte das schon? War eh immer die Tunika drüber, und Caius war ja nu kein Gladiator.
    Auf den Piekser reagierte er nicht, aber bei dem Kuss grummelte er mürrisch vor sich hin.
    »Wozu?« fragte er sie. Er war doch kein Soldat, warum sollte er dann eine Rüstung machen lassen? Die würde ja nur unterm Bett vergammeln. Allerdiings, die Vorstellung, dass Axilla seine Rüstung so polierte, hatte schon was.


    »Du könntest Merula bitten, dir eins zu schicken, wenn er wieder unten ist«, schlug Caius mit seltener Gewitztheit vor.
    »Oder Anthimos Bantotakis. Das war doch ein bekannter von dir?« Zumindest hatte er das bei der Hochzeit aufgeschnappt, glaubte er.
    »Und wieso eigentlich meine Freunde?« Caius sah Axilla empört an.
    »Meine Freunde sind auch deine Freunde. Naja, sofern du sie nicht Feuer spucken lässt... Also stell das Scharfzeugs nur dazu, damit sie selbst entscheiden können, ob's einmal oder zweimal brennt...« Caius grinste bei der Vorstellung, dass Piso den halben Abend aufm locus hockte. Nicht, dass er ihm das wünschte. Und Caius hatte das immer schon mal sagen wollen, meins ist auch deins.


    »Was?« Caius blinzelte verständnislos.
    »Aber Schatz. Klar. Die Hälfte kennst du doch schon. Ach, fast alle sogar! Und Centho bringt seine Frau mit, da bist du auch nicht alleine. Ahala wird dich bestimmt mögen.«

  • Oh, oh, oh, da hatte sie wohl einen Nerv getroffen. Axilla tat es gleich wieder leid, so frech geworden zu sein, aber Archias hatte nunmal ein Bäuchlein. Kein schlimmes, aber das war eben nicht nur Muskel. Anders als bei... nein, sie sollte so nicht denken. Ganz und gar nicht. Sie liebte Archias ja, genau so wie er war. Sie wollte ihn ja gar nicht anders.
    “Nein, natürlich nicht. Ich will dich doch nur ärgern“, meinte sie ordentlich geknirscht und gab ihm gleich nochmal einen Kuss, diesmal mit unterstreichender Leidenschaft, während ihre Hand auch über seine Brust fuhr. Eine Berührung an eben jenem Bauch vermied sie gekommen, um ihn nicht auf falsche Gedanken kommen zu lassen.
    Seine Frage mit dem 'wozu' aber verwirrte Axilla doch sehr. “Wozu was? Eine Rüstung?“ Sie blinzelte ihn etwas perplex an, weil ihr die Worte fehlten. Wollte Archias sie auf den Arm nehmen? “Na, na... wenn du keine hast, dann brauchst du doch eine. Und ein Schwert. Ich meine... du, du musst doch dein Heim verteidigen können. Nicht?“ Irgendwie erwischte Archias sie damit grade ziemlich kalt. Die Frage war für sie so abwegig, dass sie noch nichtmal ansatzweise darüber nachgedacht hatte, Archias könne mit sowas gar nichts anzufangen wissen. Weil er war für Axilla ihr großer, starker Beschützer, und da war es ein natürliches Attribut, dass er auch über die entsprechenden Fähigkeiten einfach verfügen musste.


    Da war die Cena dann schon wieder fast nebensächlich. Und auch Archias Worte schafften es nicht, ihre Verwirrung gänzlich hinwegzufegen. “Ähm, ja, könnte ich machen. Wenn du meinst, dein Koch würde sowas dann mal kochen...“ Ihrer stimme war immernoch anzuhören, dass sie eigentlich in Gedanken grade ganz wo anders war.
    “Na, aber... ich meine... ich hab sie mal gesehen, aber ein Freund ist doch nochmal was anderes. Und... also, ich möchte doch, dass sie mich gern haben. Ich meine, das sind ja deine Freunde, und, und, und... also, ich meine, ich bin ja dann Gastgeberin, und ich will es doch dann richtig machen. Ich meine, das hier ist ja auch der Palast, und wir sind jetzt verheiratet, und....“
    Und wieder fühlte sich Axilla ganz erschlagen von der ganzen Pracht und der ganzen Verantwortung innerhalb dieser Mauern und merkte, wie klein und fehl am Platze sie doch eigentlich war. Und am liebsten wäre sie jetzt einfach nach draußen gerannt, über die Felder zum nächsten Wald, bis ihre Lunge und jeder Muskel gebrannt hätte, nur um von all dieser Verantwortung und Anspannung wegzukommen.

  • Gut, sie tat so, als sei sie zerknirscht, aber dafür war sie viel zu schnell wieder fröhlich unterwegs. Caius glaubte ihr kein Wort, auch wenn der Kuss wirklich nicht schlecht war und ihn fast vergessen ließ, dass er eigentlich beleidigt war wegen der Bauchbemerkung. Er erinnerte sich gerade noch rechtzeitig, um Axilla nicht näher zu sich zu ziehen. Und dann war das eh alles vergessen, weil sie wieder von der Rüstung redete. Caius seufzte.
    »Aber Schatz«, sagte er, als wär sie drei Jahre alt und hätte mit dem Hund aus einem Napf gegessen.
    »Hier wimmelt es vor Prätorianern. Ich brauch keine Rüstung. Und ein Schwert eigentlich auch nicht.« Heim verteidigen, hier in Rom, na sowas. Wozu liefen denn hier so viele Schwarzröcke rum, wenn nicht dafür, im Ernstfall parat zu sein? Und dann gab's ja auch noch die Urbaner. Nein, da sah sich Caius ganz und gar nicht genötigt, einen Haufen Knete für zwei Maßanfertigungen auszugeben, die eh nur vertaubten, bis er nicht mehr reinpasste. Wenigstens war es zu offensichtlich, dass er nicht in die Rüstung da drüben in der Ecke passte. Sonst hätte Axilla ihn vermutlich noch reingezwängt, bis er sich fühlte wie eine Ölsardine im Fass.


    »Unser Koch«, betonte Caius.
    »Also, unser Koch koch sowas bestimmt, wenn du das gern möchtest.« Caius maß Axilla mit seinem Blick und lächelte.
    »Also, wer dich nicht gern hat, bekommt es mit mir zu tun«, behauptete er (entgegen der vorher gesagten Worte zur Wehrhaftigkeit).
    »Du wirst das schon gut machen, jetzt macht dich da mal nicht verrückt. Imperiosus hätte dich nicht eingeladen, wenn er dich nicht mögen würde. Und Piso...« Caius hüstelte.
    »...naja der...ach egal. Jedenfalls glaub ich nicht, dass dich irgendwer schrecklich findet oder so, nur weil ich dich weggeheiratet hab.«

  • Was guckte er sie denn jetzt so an, als wäre sie diejenige, die unsinniges Zeug redete? Archias hatte natürlich recht, dass der Palast bewacht wurde, aber was hieß das schon? “Ja, aber du weißt genauso gut wie ich, dass die sich auch anders entscheiden können. Die Götter mögen es verhindern, aber es ist nicht erst eine kaiserliche Familie von den Schwarzröcken beiseite geschafft worden.“ Axilla war weit davon entfernt, vor den Prätorianern Angst zu haben, aber es war ein ihrer Meinung nach unwiderlegbares Argument. Die Prätorianer hatten auch schon Kaiser getötet. Selbst wenn diese grausame Scheusale gewesen sein mochten, das bewies dennoch, dass die Garde weitaus mehr Macht hatte, als so mancher glauben mochte.
    “Und das tut doch auch gar nichts zur Sache! Ich meine, die Legiones beschützen auch Roms Grenzen. Und die Straßen werden auch von den Cohortes bewacht. Aber das heißt doch nicht, dass alles immer und überall sicher ist. Und ein Mann ist doch dazu da, um seine Familie zu beschützen.“
    Kaum hatte Axilla ausgesprochen, merkte sie, dass ihre Worte vielleicht ein wenig hart waren. Aber sie konnte sie auch nicht zurücknehmen. Es war ja ihre tiefste Überzeugung, dass ein Mann wehrhaft zu sein hatte. Es war ganz tief in Axilla verwurzelt, so tief, dass es daneben gar keine andere Möglichkeit für sie gab. Ein echter Kerl war auch Soldat. Das war so. Punkt. Und als solcher brauchte er auch das richtige Werkzeug. Punkt. Sie konnte das nicht abschwächen oder gar zurücknehmen. Das war so!


    Aber ablenken mochte gehen, und so kam sie auf das andere Thema wieder zu sprechen.
    “Aber Imperiosus hat mich nur eingeladen, weil ich bei ihm mitgefahren bin, glaube ich. Oh, da fällt mir ein, ich wollte ihn noch Decimus Livianus vorstellen...ich glaube, das Wort kann ich nicht halten...“ Axilla bezweifelte, dass der Senator sie jemals wieder in seinem Haus empfangen würde, nachdem sie seiner Nichte den Mann ausgespannt hatte. Sie konnte es ihm nichtmal verdenken...

  • Caius' Mund klappte erst auf und dann wieder zu. Klar, die Prätorianer wussten eben, wie man mit dem Schwert umging. Für manche Kaiser war es eben auch gar nicht ungefährlich (gewesen), so eng zusammen mit denen zu sein. Aber Caius dachte an die vielen Gesichter in der Garde, die er kannte, und an die Zeit, in der sie lebten. Und wenn überhaupt, dann würden sie doch den praefectus urbi um die Ecke bringen und nicht Valerian. Ganz abgesehen davon, dass sie dafür dann eh direkt nach Misenum reiten müssten. Trotzdem: Ein Mann war dazu da, seine Familie zu beschützen. Das klingelte ihm in den Ohren.
    »Tu ich!« sagte er.
    »Aber ich überlass das denen, die sich damit auskennen. Ist das falsch?« Klar hatte Caius ein Holzgladius gehabt. Er hatte auch schon mal ein echtes Schwert in der Hand gehabt. Aber wirklich kämpfen konnte er damit eben nicht. Automatisch dachte Caius an das, was Serrana gesagt hatte im Peristyl. Er sah Axilla grübelnd an und gab sich dann einen Ruck.


    »Du sag mal... Ich hab, ähm...gehört, dass du einen Soldaten gehabt hast? Vor mir?« sagte er und verschwieg, woher er das gehört hatte.
    »War das Silanus? Also, ich meine...bist du nicht nur in ihn verliebt gewesen? Und...äh, das mit Vala....« Caius sah Axilla jetzt nicht mehr an räusperte dem Boden entgegen.
    »Du warst mal verliebt in...den Und der Rest fiel einfach unkommentiert unter den Tisch.

  • War es falsch? Es war schlicht nicht richtig. Nicht in Axillas Vorstellung. “Aber... wenn keiner da ist... du kannst dich doch nicht nur auf die anderen verlassen, oder? Ich meine...was ist denn so falsch daran, es selber auch zu können, wenigstens so ein bisschen? Und eine Rüstung zu haben und ein Schwert?“ Axilla verstand die Welt nicht mehr. Archias war doch auch groß und stark und er liebte sie. Wieso wollte er da überhaupt nicht kämpfen? Das ging einfach in Axillas Kopf nicht hinein.


    Und dann kam auch schon der nächste Hammer von Archias. Silanus. Und Vala. Axilla öffnete den Mund und holte Luft, aber sie konnte nichts sagen. Blass wurde sie auch in einem Maße, dass Archias es wohl sehen musste. Wer hatte ihm denn DAS gesagt? Gut, das mit Silanus hatte sie ihm schonmal gesagt. Naja, versucht. So halb. Aber Vala? War das so auffällig gewesen bei der Hochzeit?
    Axilla stand auf und ging ein paar Schritte auf und ab, wie einer der Löwen in den Käfigen des Colloseums. Sie konnte jetzt nicht ruhig an ihn geschmust dasitzen, das ging nicht. Dafür war die Unruhe zu groß.
    “Serrana hat dir das erzählt mit dem Soldaten, nicht?“ Sonst hatte Axilla es niemandem gesagt, gar niemandem. Er konnte es nur von ihr haben. Diese elende Tratsche! Jetzt bereute Axilla, auf ihrer Hochzeit gewesen zu sein und nicht nach außen hin deutlich ihre Ablehnung dieser ganzen Inszenierung festzumachen. Aber im Moment fühlte sie sich auch sehr verraten.
    “Und, ja, das war Silanus. Und es ist sehr lange her und hat auch überhaupt nichts mit dem jetzt zu tun. Und überhaupt, was fragst du mich sowas? Ich hab doch dich geheiratet. Reicht dir das nicht als Antwort?“
    Vala ließ Axilla geflissentlich ganz außen vor. Das wollte sie jetzt nicht bereden.
    “Ich frag dich doch auch nicht, wen du schon vor mir alles gehabt hast.“

  • Wie, wenn keiner da war? Caius runzelte extremst die Stirn. Darauf wusste er nichts zu sagen. Obwohl, er hatte sich ja auch schon mal mit Seianas Bruder geschlagen.
    »Ich brauch kein Schwert. Nehm ich halt die Fäuste«, nörgelte er also leise.
    »Ich mein, wenn ich mir sowas anschaff, dann heißt das ja nicht, dass ich damit rumfuchteln kann.« Und überhaupt. Aber Caius gelangte langsam zu dem Schluss, dass Axilla wirklich eigentlich lieber einen Soldaten haben wollte. Und das frustrierte mindestens genauso sehr, wie dass sie jetzt aufstand und herumtigerte.


    »Ja«, sagte er gleich. Brachte ja auch gar nichts, da jetzt zu flunkern.
    »Als sie die Einladung für die Hochzeit gebracht hat. Und da hab ich halt gedacht...« Aber Axilla überfuhr ihn einfach und schnappte, dass es Silanus war. Ach du...
    »Bona Dea. Moment, du hast, das war...Ach du schande«, murmelte Caius vor sich hin. Auch wenn er selber kein Waisenknabe war, also, Inzest wär für ihn nie, niemals in Frage gekommen (abgesehen davon, dass Vespa die einzige ansehnliche Aelia war außer Caenis, die er kannte, denn Paulina konnte man nicht wirklich als heiße Braut bezeichnen, mehr als Schlickschrumpf oder sowas). Caius sah Axilla zu, wie sie hin und her ging. Und sie verstand ihn total falsch.
    »Ich würd's dir aber sagen«, verteidigte er sich, wobei er die Namen eh nicht mehr zusammen bekommen würde. Und er beharrte strickt auf Vala, denn dass der Kerl gefährlich war, lag doch auf der Hand nach dieser Drohung! Caius' treudoofe Augen sahen Axilla an, als Caius die Schultern hängen ließ.
    »Und du hast nichts zu dem Germane gesagt«, bemerkte er leise und vorwurfsvoll.

  • Ja, ein Schwert zu haben und es benutzen zu können waren zwei verschiedene Dinge. Aber wenn man eines hatte, dann lernte man doch auch, es zu gebrauchen, oder nicht? Dass Archias das bislang gar nicht konnte, wurde ihr erst jetzt präsent, und sie wusste gar nicht, was sie dazu sagen sollte.
    Aber er ließ ihr ja auch gar keine Zeit, da er ja gleich nach Silanus fragte. Und auch wieder nach Vala, was Axilla nur hilflos die Hände ballen und noch weiter auf und ab laufen ließ.
    “Ja, das war Silanus. Ich hab's dir schonmal sagen wollen, als Urgulania gestorben war. Aber... Ist das denn so wichtig? Ich war einsam, und verliebt, und er war eben da und hat mir Geborgenheit gegeben. Und... ich meine, ich wünschte mir ja, ich hätte es nicht getan. Ganz ehrlich, ich wünschte mir, ich hätte es nicht getan. Aber das hab ich nunmal. Und deshalb ist er auch so kalt zu mir, eben weil ich gesehen habe, dass es ein Fehler war.“
    Bei dem letzten Satz war Axilla stehen geblieben und hatte eine Hand über ihre Augen gelegt. Sie hatte Kopfschmerzen, ganz derbe Kopfschmerzen. Die ganze Verantwortung und das, wie ihr Leben nach außen hin wirken mochte, ihre Fehler und Unzulänglichkeiten erdrückten sie wieder und brachten ihren Kopf beinahe zum Platzen. Und sie wollte am liebsten heulen und auf der anderen Seite wieder doch nicht. Sie wollte keine schwäche zeigen und sicher kein Mitleid heischen.
    “Und was interessiert dich so an Vala? Ich hab nicht mit ihm geschlafen, falls es das ist. Er hat noch nicht einmal versucht, mich ins Bett zu bekommen, er war immer freundlich und höflich und zuvorkommend. Reicht dir das?“ Der Satz war geschnappt, aber deshalb, weil Archias sie zwang, darüber zu reden. Wobei sie auch jetzt so gut es ging auswich. Sie wollte nicht an Vala denken, wenn sie bei Archias war. Erst recht nicht darüber, was sie für ihn fühlte oder auch nicht. Das hatte hier nichts zu suchen, und sie wollte sich damit nicht auseinandersetzen. Und erst recht nicht ihrem Mann gegenüber.
    “Und ich will auch gar nicht wissen, mit wem du schon alles... oder mit wem du noch wirst. Ich will es nicht wissen.“ Jetzt heulte sie doch, aber aus Trotz und Wut, und ärgerlich wischte sie die Tränen beiseite und drehte sich von Archias weg, starrte die Rüstung ihres Vaters an.

  • Ich war einsam und verliebt? Caius sah nicht gerade so aus, als wär das für ihn Erklärung genug. Natürlich änderte das nichts zwischen ihnen beiden. Abgesehen davon, dass Caius inzwischen echt Schiss hatte, dass Axilla irgendwann anders mal einsam war, wenn er gerade nicht in der Nähe rumlungerte. Und dann... Er dachte an Piso und wurde noch stiller. Er konnte dazu nichts sagen. Außer dem schleimigen Klumpen in seinem Hals hätte er nämlich auch nicht gewusst, was er dazu groß sagen sollte. Wie dämlich das gewesen war, hatte sie wohl schon selber gemerkt. Langsam erschloss sich eine richtige Landschaft vor Caius. Ihm wurde auch bewusst, dass Axilla wohl genau deshalb sui iuris war.


    Dass Axilla herumstand und sich die Augen zudeckte, bekam Caius gar nicht mit. Er starrte auf den Boden vor ihrem Bett und schwieg. Erst als sie Vala so sehr verteidigte, sah er sie wieder an. Sie war ritzerot im Gesicht und die Augen schon ziemlich wässrig. Caius gab sich Mühe, da nicht so drauf zu achten. Er wurde immer ganz weich, wenn Axilla weinte. Aber er wollte jetzt nicht weich sein. Er wollte wissen, was das war, mit Vala, eben weil er ihr Mann war!


    »Nein«, sagte er deswegen.
    »Ich mein, ich bin vielleicht nicht so ein toller Redner oder..keine Ahnung, nicht so erfolgreich wie andere oder was weiß ich. Aber ich bin nicht dumm, Axilla. Ich hab auch gesehen, wie du ihn angeguckt hast. Und Serrana hat gesagt, dass du in ihn verliebt warst. Aber so wie du hier von ihm redest, glaub ich, dass du das immer noch bist. Du...also, du hättest doch nicht ja sagen müssen, wenn....« Caius schluckte und sah wieder weg. Es war ein Graus mit diesen Tränen!
    »Ich bin mir sicher, dass er das war mit Leander. Ich weiß das einfach. Aber du glaubst mir nicht, obwohl er mir gedroht hat mit dir. Ich will dich ja beschützen, weißt du, auch ohne Schwert. Aber wenn ich Angst haben muss, dass du...vielleicht einsam bist, oder verliebt, oder sogar beides, dann geht das nicht.« Den Rest registrierte er zwar, aber er sagte nichts dazu. Ihm reichte Axilla voll und ganz, und es gab auch gar keinen Grund, auf wen anders auszuweichen. Zumindest für ihn nicht. Caius saß da wie ein Schluck Wasser und starrte auf den Boden.

  • Wie sie ihn angeschaut hatte... Bewahre dich, Freundin, vor Eifersucht, dem grüngeäugten Scheusal, das besudelt die Speise, die es nährt. Axilla erinnerte sich an die poetisch klingenden Worte eben jenes Germanen, den Archias scheinbar so sehr hasste, nur weil Axilla ihn angehimmelt hatte. Sie sah beiseite und wischte sich nochmal die Tränen weg, wandte Archias damit vollständig den Rücken zu. Ihre Erklärung reichte ihm nicht, und wieder kam er mit dieser abstrusen Anschuldigung.
    “Wenn was? Ich hätte nicht ja sagen müssen, wenn was? Wenn ich einen anderen will?“ Jetzt warf sie doch noch einen verletzten Blick über ihre Schulter zu dem Häuflein Elend auf dem Sessel in ihrer Nähe. Aber nur kurz, ehe sie sich wütend wieder abwandte. “Denkst du das von mir? Wirklich? Dass ich so eine Frau bin? Ja? Dass ich dich nach all dem, was war, nur geheiratet habe wegen deinem Namen? Ich hab dir gesagt, was ich für dich fühle. Ich dachte, das reicht dir.“
    Die anderen Anschuldigungen an sie – denn nicht anders konnte Axilla das sehen – waren noch viel gemeiner. Wenn er Angst haben musste, dass sie einsam und verliebt war. Wenn sie ihn betrog, das wollte er sagen. Wenn er auch nicht diese Worte benutzte, Axilla verstand es sehr wohl. Und dass er das von ihr glaubte, tat unendlich weh. Sie waren noch nicht einmal zwei Wochen verheiratet, und er glaubte bereits, sie würde ihn betrügen. Mit Vala.
    “Ich habe nicht mit ihm geschlafen Axilla betonte jedes dieser Worte einzeln. Es tat ihr weh, dass Archias sowas auch nur annehmen konnte. Vielleicht war es ihre eigene Schuld, weil sie eben auch mit ihm geschlafen hatte, ohne verheiratet zu sein. Weil sie mit Piso geschlafen hatte, wenngleich er sie dafür betrunken gemacht hatte. Weil sie ihm auch das mit Silanus gesagt hatte. Vielleicht war es ihre Schuld, dass er so über sie dachte. Dennoch tat es weh.
    “Und Vala hat mit dem Überfall nichts zu tun. Vielleicht hat er dir gedroht, weil er wütend auf dich war wegen der Schüssel. Ich meine... du hast ihn vor allen lächerlich gemacht. Sicher war er wütend. Aber er würde mir nie, nie, nie etwas tun. Versteh das doch! Vor ihm brauchst du mich nicht zu beschützen. Und du könntest mir auch sonst in Bezug auf ihn vertrauen.“
    Noch immer tat es weh, dass er glaubte, sie würde ihm untreu sein mit Vala. Sie hatte gar nichts verwerfliches getan! Gar nichts! Und dennoch unterstellte er ihr so schreckliche Sachen, für die er sie erschlagen dürfte, würde er sie inflagranti erwischen.
    “Und mit Schutz meinst du die fünf Custos, die mich auf jeden schritt bewachen. Überwachen. Wie meinst du, könnte ich dir jemals untreu überhaupt sein, wenn ich keinen Schritt vor die Tür machen kann, ohne so eingekesselt zu sein, hm? Ich kann ja noch nichtmal auf die Märkte gehen ohne diesen bewaffneten Schwarm um mich herum.“ Das war etwas, das Axilla wirklich mittlerweile ärgerte. Anfangs war es ja ganz gut gewesen, um Selbstvertrauen zu fassen, aber mittlerweile regte es sie nur noch auf.
    “Vertraust du mir denn gar nicht? Du sperrst mich ein, und merkst es noch nicht einmal.“

  • »Ja«, sagte Caius ernst auf ihre Frage. Und was danach kam, verletzte ihn mindestens genauso sehr wie sie sich schon fühlte. Er hatte doch gar nicht gesagt, dass sie ihn nur wegen dem Namen genommen hatte! Caius zog eine Grimasse. Nur nicht aufregen, nicht aufregen... Er atmete tief durch. Er wollte doch gar nicht streiten mit ihr. Nur das mit dem Germanen, dass sie so blind war, das regte ihn echt auf. Über alles andere konnte er vielleicht nich hinwegsehe. Auch wenn das ganz schön schwierig war, mit Piso und Vala und überhaupt. Caius sah seine Frau betrübt an. Und dass sie ein Weinproblem hatte, wussten sie ja auch beide.


    Schon wieder nahm sie ihn in Schutz! Caius wackelte mit den Oberschenkeln auf und ab, und dann hielt es ihn einfach nicht mehr auf dem Stuhl. Als ob er ihr nicht vertrauen würde! Mit einem Satz war er aufgestanden, mit noch einem bei Axilla, und dann drehte er sie rum, dass sie ihn anschauen musste.
    »Ich vertrau dir. Dass du das nicht hinter meinem Rücken machst. Dich mit ihm treffen. Das ist es doch auch gar nicht. Ich mein, ich weiß das mit Piso, ich weiß das mit Silanus, und weißt du was, es ist mir total egal! Aber... Wenn er wütend auf mich ist, warum droht er dann damit, dir was anzutun? Und deswegen will ich einfach nicht, dass du irgendwo alleine hingehst. Ja und? Darf ich keine Angst haben, dass dir was passiert? Ich will dich ja nicht überwachen!« Caius sah Axilla mit vielen Stirnrunzeln an und machte dann ein trauriges Gesicht.
    »Klar vertrau ich dir«, sagte er.
    »Aber dem nicht!«

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