Legio XXII | Feldlager im Sand

  • Erleichterung kam in dem jungen Ägypter auf, als Ravdushara sich doch dazu entschloss ihm zu zeigen, was er zu tun hatte. Zuerst fiel Thabits Blick auf den Rüstungsständer, auf den der Sklave deutete. Den selbstherrlichen Tonfall überhörte er dabei. Das war also ein Paludamentum. Thabit hatte es zwar bereits das eine oder andere Mal gesehen, aber bisher nicht gewusst wie es hieß. Zusätzlich fragte er sich bei dieser Gelegenheit, ob es tatsächlich sinnvoll war, einen so herrlichen und kostbaren Umhang mit auf einen Feldzug zu schleppen. In Nikopolis wäre er sicher besser aufgehoben gewesen. Doch die Römer hatten einen Faible für derart pompöse Gewandungen, selbst wenn sie damit in den Krieg zogen. Soweit kannte sich Thabit mittlerweile aus. Als Ravdushara schließlich den Harnisch vom Ständer nahm, der vermutlich nicht minderkostbar war, und nach einem Kästchen griff, folgte der junge Ägypter ihm mit seinen Blicken, bis der Sklave sich schließlich zu ihm setzte. Aufmerksam hörte Thabit zu und beobachtete dabei jeden Handgriff des Skalven. Sand weg, Bimsstein darüber, Paste, Lappen, Öl notierte er sich gedanklich mit. Hoffentlich merkte er sich das auf die schnelle und in passender Reihenfolge. Für einen kurzen Moment wirkte das Verhältnis zwischen den beiden fast normal. Doch kaum war Ravdushara mit seinen kurzen Ausführungen fertig, sprang er auch schon wieder auf und herrschte Thabit an. Dieser entgegnete selbstverständlich trotzig "Natürlich! Nun geh schon deine ach so wichtigen Botengänge erledigen. Ich komme schon alleine zu recht" und klemmte währenddessen demonstrativ den Harnisch so gut es ging zwischen seine Beine. Bevor er mit der Arbeit begann, sah er jedoch noch einmal zu Ravdushara auf und meinte mit einem etwas überheblichen Unterton in der Stimme "Ist sonst noch etwas?" Eigentlich wollte er nie mit Ravdushara streiten, aber oft hatte er das Gefühl das der Sklave es nicht anders verstand. Und immerhin wollte er sich nicht dauernd wie der letzte Dummkopf behandeln lassen. Er musste lernen sich gegen den älteren Kraftprotz durchzusetzen.

  • Freie Zeit für einen Legionär im Feldlager, grausam. Schlafen, sich mit anderen unterhalten, Würfeln, Ringen. Zu all dem hatte ich keine Lust. Laufen, Diskus oder Speer werfen, ein Zweikampf mit Kopis und Rundschild, danach war mir eher der Sinn. An diesem Ort undenkbar, weniger der Ort, als die Gefahr, dass man uns wieder angriff.
    Die Abwechslung stellte sich von alleine ein. Eine Nachschubkarawane tauchte auf. Helfen beim Abladen brauchte ich nicht, man stritt sich regelrecht um die Arbeit. es ging vielen so wie mir. Kampfpausen waren gut, dauerten sie zu lange, hatte man alles gemacht, dann befiel einen die Langeweile.


    Bei mir war es nicht die Langeweile, die mich durchs Lager trieb. Ein Wortwechsel holte mich aus meinen Gedanken. Das war der Sklave von Serapio, was hatte der mit dem Kleinen da zu schaffen. Freundlich ging er nicht mit ihm um. Ich blieb an der Zeltecke stehen und beobachtete die beiden, sie schienen mich total zu ignorieren. Konnte mir nur recht sein. Es war Amüsant ihnen zu zuhören. Die Freude nahm ein jähes Ende als sie das Zelt Serapios betraten. War er da? Sicher war ich mir nicht. Ich ging näher. Nein. Dann könnte ich gleich nach meinem Focale fragen ohne ihn behelligen zu müssen. Wollte ich das? Hatte ich Angst vor... Was soll ich tun? Es auf mich zukommen lassen? Fragen auf die es nur unzureichend bis gar keine Antwort gab.


    Der Zelteingang wurde hastig zur Seite geschlagen. Serapios Sklave kam aus dem Zelt. Ich versteckte mich hinter der Ecke des nächsten Zeltes, bis er außer Sichtweite war.
    Der Junge war noch drin, die beste Gelegenheit. Ich betrat Serapios Zelt. Der Junge saß und versuchte den Harnisch zu polieren. "Salve..... Der Tribun ist nicht zufällig hier?" Er musste nicht unbedingt merken, dass ich sie beobachtet hatte und wusste, dass er nicht da ist. Ich sah im zu. " Die Lederriemen, behandle mit ein wenig Fett, damit sie nicht so austrocknen." Er gab sich alle Mühe. " Du bist neu hier. Wie heißt du ?" Warum sollte ich nicht, ich setzte mich einfach zu ihm. Wenn Serapio kam, ich hatte einen Grund hier zu sein.

  • [Blockierte Grafik: http://img337.imageshack.us/img337/1619/ravdushara.jpg] | Ravdushara


    "Pass nur auf du!" schnaubte der Nabatäer und blickte feindselig auf Thabit hinab. Sein rechter Fuß löste sich vom Boden, und er versetzte dem ganz unschuldigen Kasten mit dem Putzzeug einen wütenden Tritt. Dann wandte er sich ab, schlug den Zelteingang mit Ingrimm beiseite und rauschte hinaus. Ohne Decimus Massa zu bemerken, überhaupt ohne nach rechts oder nach links zu blicken, verschwand Ravdushara schnellen Schrittes zwischen den Zelten.




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  • Thabit zog hinter seinem Rücken eine Grimasse, als Ravdushara das Zelt wieder verließ und richtete den Putzzeugkasten, den der Skalve durch seinen Fußtritt verschoben hatte. Ein Gefühl der Genugtuung breitete sich in ihm aus, denn irgendwie kam es ihm schon so vor, als hätte er sich endlich einmal gegen den älteren Sklaven durchgesetzt. Ja, er fühlte sich wie der Gewinner dieses kleinen Disputs. Zweifellos ein wirklich angenehmes Gefühl! Doch dann wurde ihm wieder gewahr, welche Aufgabe Ravdushara ihm übertragen hatte. Ob er es nun gern machte oder nicht, letztendlich tat er es für den Decimer und nicht für seinen Skalven. Also machte er sich an die Arbeit, begann ganz nach Ravdusharas Anweisung damit den restlichen Sand zu entfernen und nahm schließlich den Bimsstein zur Hand. Kaum hatte er damit begonnen, den zwischen seinen Beinen eingeklemmten Harnisch damit zu bearbeiten, wurde Zelteingang erneut beiseite geschlagen. Hatte Ravdushara etwas vergessen oder hatte er etwa doch noch die Grimasse von vorhin aus dem Augenwinkel gesehen? Das könnte Ärger bedeuten! Aufgeschrocken wie eine junge Antilope sah der Ägypter hastig und mit großen Augen Richtung Eingang. Nein…. Innerlich atmete er vorerst durch. Es war nicht der Sklave, der eintrat sondern ein Legionär. Was er wohl wollte? Bestimmt war er auf der Suche nach Serapio. Kaum hatte Thabit diesen Gedanken zu Ende gedacht, wurde sie auch schon mit einer gleichlautenden Frage bestätigt. "Salve….." antwortete er zögerlich und bearbeitete weiter nervös den Harnisch. Natürlich hatte er sich mittlerweile an den Anblick der vielen Soldaten gewöhnt, doch im Castellum hatte ihn nie einer angesprochen. Vermutlich hielten ihn die meisten für einen Sklaven und hatten daher kein Interesse an einem Gespräch. Davor hatte er es eher vermieden einem Soldaten über den Weg zu laufen, schließlich waren sie meist nur auf der Suche nach ihm, wenn man ihn einmal mehr beim Klauen auf einen der Märkte erwischt hatte. In den meisten Fällen handelte es sich bei seinem erbeuteten Diebesgut lediglich um Essen, denn von irgendetwas musste er ja leben. Doch die Händler verstanden bei solchen Dingen keinen Spaß und die Legionäre wussten derartige Vergehen auch schmerzvoll zu vergelten.


    Dieser Legionär sprach ihn jedoch an und noch während Thabit überlegte, wie und was er antworten sollte, sprach er sogar weiter. Die Blicke des jungen Ägypters folgten denen des Legionärs auf den Harnisch zurück. Ein wenig Fett für die Lederriemen. Das hatte Ravdushara wohl vorhin bei seiner kurz ausgefallenen Erklärung vergessen. Und schon folgte die nächste Frage. Thabit spürte, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete, als ihn der Legionär nach seinem Namen fragte. Und als wäre das nicht genug Aufregung gewesen, setzte sich Typ, den er ungefähr in Ravdusharas Alter schätzte und der damit ebenfalls älter als Thabit war, auch noch neben ihn.


    Etwas erschrocken rückte Thabit samt Harnisch zwischen den Beinen ein Stück beiseite, seinen Blick nach wie vor nach unten auf diesen gerichtet. Warum um alles in der Welt setzte sich der Legionär zu ihm? Dies war doch das Zelt des Decimers, eines Tribuns. Oder hatte ihn dieser verdammte Sklave schon wieder reingelegt? Nein. Der Legionär hatte doch vorhin nach Serapio gefragt. Es musste also sein Zelt sein. Aber der Legionär hatte den jungen Ägypter noch nie hier gesehen. Vielleicht hielt er ihn für einen Dieb? Doch welcher Dieb würde die Dinge reinigen, bevor er sie stahl, beruhigte sich Thabit gleich wieder. Nein! Er durfte keine Angst mehr haben und musste sein altes Leben endlich hinter sich lassen. Früher jagten ihn die Legionäre vielleicht, doch heute arbeitete er für einen - noch dazu für einen Tribun. Thabit atmete also tief durch und sah wieder - immer noch etwas verschreckt wirkend - auf. Eigentlich sprach dieser Legionär in einem recht netten Tonfall und so antwortete auch er immer noch etwas zögerlich "Ich bin Thabit. Ich bin mit dem Nachschub gekommen und……. arbeite für den Tribun…… Aber er ist gerade nicht hier." Sehr intelligent Thabit, rügte er sich innerlich selbst. Das Serapio gerade nicht da war, sah der Legionär selbst. Er hatte schließlich auch Augen im Kopf. Nunja. Vielleicht wollte er ja nur das wissen und ging nun wieder.

  • In mich hinein lächelnd, nahm ich sein ängstliches Wegrücken zur Notiz. Lag es an mir oder hatte er keine guten Erfahrungen mit Legionären gemacht. Das Zweite war zu vermuten. Die eigentliche Frage für mich war, was machte ein Ägypter hier in der Wüste, bei einem Tribun. Er war mit dem Nachschub gekommen, Hmm, arbeiten. Gut, das hätte ich am wenigsten vermutet und das der Tribun nicht da war, auch gut. So richtig taute der Junge nicht auf. Bei den drei Worten, die er mit mir gewechselt hatte, unmöglich. Meine Frage stellte ich daher zurück. Von meinem Focale konnte er nichts wissen. So wichtig war es nun auch nicht.


    Das Marsopfer fand bald statt. Er sollte lieber Serapios Harnisch ordentlich polieren und nicht nach meinem Focale suchen. „ Dann will ich dich bei deiner Arbeit nicht stören. Hast du mal nichts zu tun, meine Lorica freut sich auch über ein bisschen Pflege. Wir sehen uns sicher bald wieder. Spätestens, wenn meine Lorica dreckig ist.“ Grinsend sagte ich ein. „Vale.“ Und verschwand aus dem Zelt.

  • Die Stabsbesprechung war vorüber, und ich machte mich auf, eilte hierhin und dorthin, von den Altar-Aufbauern zu den Schmieden, von den Stier-Schmückern zu den Grillbeauftragten, kreuz und quer durch die Castra, um sicherzugehen, dass die Vorbereitungen für die Opferzeremonie auch glatt liefen. Dann fiel mir ein, dass ich mich ja noch umziehen musste. Und meinen Text musste ich auch unbedingt nochmal durchgehen. Im Laufen blickte ich nervös auf die Tabula, wo ich mir das wichtigste notiert hatte, bewegte stumm die Lippen - und wäre beinahe über eine Zeltschnur gestolpert. Bona Dea, ich sollte mich nicht so konfus machen!


    Geistig schon ganz bei der bedeutsamen Aufgabe, die vor mir lag, und leise vor mich hin murmelnd "...gut, umziehen, rüsten, Anrufung einprägen... hmm... wer bringt eigentlich das Opfermesser mit...?", trat ich in mein Zelt.
    Wo ich auf einen unerwarteten Gast traf!
    "Thabit?!" rief ich bass erstaunt. "Du hier?!"
    Ihn hatte Collatinus also gemeint, nicht Pankratios. Aber Thabit war doch kein Sklave.
    "Mein Fortunabote..." Mit einem breiten Lächeln beugte ich mich zu ihm, wollte ihn eigentlich in die Arme schließen, was mir dann aber ein bisschen arg gefühlig vorkam, so dass ich es in ein herzliches Umfassen und Drücken und Klopfen der Schultern umwandelte. Ich hatte den Jungen einfach ins Herz geschlossen. Ich meine, wer würde das nicht, und dazu kam die schicksalshafte Weise auf die wir uns begegnet waren.
    Und jetzt saß er hier - und putzte meinen Harnisch? So fleißig! Dabei war das doch eigentlich Ravdusharas Aufgabe.
    "Was bin ich froh zu sehen, dass es dir wieder gut geht."
    Ich unterdrückte den Impuls, ihm durch Haar zu wuscheln – so klein war er ja nun auch nicht mehr. Genaugenommen war er so gut wie erwachsen, aber ich fand, dass er jünger wirkte.
    "Aber sag mal..." fragte ich dann, mit einem Anflug von Beklommenheit, "...hat Pontia das denn erlaubt?" Meine Haushälterin war streng, und es war nicht ratsam, sich ihren Unmut zuzuziehen.

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  • Nachdem der Legionär zu Thabits Erleichterung doch wieder gegangen war, hatte er eine ganze Weile am Harnisch des Tribuns gearbeitet, als erneut der Zelteingang beiseite geschlagen wurde. Wer es dieses Mal wohl wieder war fragte sich der junge Ägypter und blickte auf. Diesmal war es endlich Serapio. Welch ein Glück! Und zu Thabits Verwunderung wirkte er zwar überrascht, aber keineswegs Böse ihn hier in seinem Zelt anzutreffen. "Herr!!" Sofort ließ der junge Bursche den Harnisch Harnisch sein und hatte nur noch Augen für Serapio, der sich hinunter beugte und ihm auf die Schulter klopfte. Er war sogar froh Thabit zu sehen. Ach! Die Götter meinten es wohl gut mit ihm. Jegliche Schuldgefühle und selbst das schlechte Gewissen, das ihn den Weg hierher das eine oder andere Mal gequält hatte waren mit einem Schlag verflogen. Nur noch Euphorie war zu spüren. Bis zu dem Zeitpunkt, wo der Decimer die alte Pontia ansprach. Da verschwand Thabits breites und überschwängliches Grinsen wieder aus seinem Gesicht. "Pontia?!" fragte er ertappt nach und sah auch sofort Schuldbewusst zu Boden. "Nunja Herr…." Es half nichts. Er musste mit der Wahrheit herausrücken. Schließlich würde er auch irgendwann wieder zurück nach Nikopolis kommen und da war es gut den Decimer als Verbündeten zu haben, wenn Pontia ihn in die Finger bekam. "Die hat es mir eigentlich nicht erlaubt. Ich bin ausgerissen um dir zu folgen." Sein Kopf war weiter Richtung Boden geneigt, doch seine Augen blinzelten durch ein Büschel Haare hindurch wieder zu Serapio. "Aber ich habe ihr eine Nachricht hinterlassen, damit sie sich nicht sorgt" setzte er noch schnell entschuldigend nach. Ob das reichte? Er hoffte nur, dass er nun keinen Ärger bekam oder gar zurückgeschickt wurde. Wie gern wollte er hier bleiben und gemeinsam mit Serapio große Abenteuer erleben.

  • Ausgerissen.
    "Ach herrje."
    Das überforderte mich jetzt. Ich sank auf eine Kiste und betrachtete Thabit halb verärgert, halb amüsiert.
    "Thabit... das... das geht doch nicht! Auch mit Nachricht macht sie sich sicher viele Sorgen. - Und das hier... also ich weiß nicht wie du dir das vorstellst, aber das hier ist ein Feldzug. Da sterben Menschen."
    Nach der ersten Wiedersehensfreude, fühlte ich jetzt vor allem die Verantwortung, die ich für den Jungen trug. Es rührte mich, dass er so anhänglich war, und ich hatte ihn wirklich gern, aber ich wollte doch nicht dass ihm was passierte. So tollkühn wie er war.
    "Eigentlich... sollte ich dich auf der Stelle zurückschicken!!" sprach ich, um eine strenge Miene und einen autoritären Tonfall bemüht. Dieses schelmische Blinzeln war aber doch zu drollig, und ließ mich beinahe, aber nur beinahe, wieder schmunzeln. Überhaupt fiel mein Protest nicht sehr überzeugend aus, schließlich war ich selbst mit sechzehn von zu Hause ausgebüxt, und ich erinnerte mich noch gut daran wie extrem erwachsen ich mir zu diesem Zeitpunkt vorgekommen war. Aber ich war nach Rom gegangen, wohlgemerkt, und nicht in den Krieg. (Naja, jedenfalls nicht sofort. Aber bald darauf.)
    Ich seufzte ungnädig. Zurückschicken fiel sowieso aus, bei so einer Vexillatio, einsam in der Wüste, war es ja noch viel gefährlicher als hier beim Hauptheer. Somit hatte ich nicht wirklich eine Wahl.

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  • Schon nach den ersten paar Worten des Decimers zog Thabit leicht den Kopf ein. Die Wahrheit war nun raus und er musste mit den Konsequenzen leben – wie auch immer diese aussahen. Doch die waren dem jungen Ägypter allemal lieber, als er hätte Serapio deswegen angelogen. Das hatte dieser einfach nicht verdient und es hätte ihr bisher gutes Verhältnis zueinander bestimmt langhaltig beschädigt. Als Serapio gleich Anfangs erwähnte, dass Pontia sich trotz der Nachricht sorgen machen könnte, wollte Thabit schon vorschlagen, dass der Decimer einfach einen Brief nach Nikoplois schicken sollte. Dann würde sie sich bestimmt nicht mehr sorgen. Doch Serapio sprach gleich weiter und so lag es Thabit fern, ihn bei seiner Moralpredigt ins Wort zu fallen. Als dieser als nächstes erwähnte, dass auf diesem Feldzug Menschen starben, sah der junge Ägypter wieder auf. Meinte er das ernst, oder übertrieb er jetzt ein wenig, um Thabit Angst einzujagen. Natürlich war die Wüste nicht unbedingt ein friedfertiger Ort und auch das eine oder andere wilde Tier gab es hier draußen, vor dem man sich in Acht nehmen musste. Allerdings nur wenn man alleine war und das war bei diesem Auflauf an Soldaten nicht wirklich der Fall.


    Erst jetzt realisierte der Junge wieder, wie verwüstet das Lager aussah. Nach Ravdusharas aufgeflogenen Schauermärchen von kopflosen Reitern, hatte er das total verdrängt. Bisher hatte er sich auch keinerlei Gedanken gemacht, was die Soldaten überhaupt in dieser Gegend zu suchen hatten. Nun wurde ihm tatsächlich ein klein wenig mulmig zu Mute. Doch als schließlich das Wort „zurückschicken“ fiel, war er wieder ganz bei der Sache. Sofort ließ er den Harnisch los und warf sich vor Serapio auf den Boden "Nein! Bitte! Bitte lass mich hier Herr! Ich möchte hier bei dir bleiben" um im nächsten Augenblick auch schon wieder hochzuspringen und nach den Harnisch zu greifen. "Schau! Ich kann mich auch nützlich machen und dir helfen" deutete er auf den halbpolierten Brustpanzer. Mit den Worten "Ich werde auch vorsichtig sein und auf mich achtgeben. Ich werde dir bestimmt keine Last sein! Bitte lass mich hier!" endete die fast herzzerreißend wirkende Szene, bei der Thabit sein vollstes schauspielerisches Talent ausgeschöpft hatte, nur um Serpaio zu überzeugen. Zum Abschluss gab es auch noch große Augen und ein zuversichtliches Lächeln, dass noch als Draufgabe mit in die Waagschale geworfen wurde, die nun über bleiben oder zurückgehen entscheiden sollte.

  • Einen Moment lang war es mir, als hätten meine Worte tatsächlich Eindruck auf den Jungen gemacht. Aber dann! Was Elektra und Orest in Alexandria auf der Bühne an Drama aufgeboten hatten, war nichts gegen die Verzweiflung, die da zum Vorschein kam, als ich vom zurückschicken sprach. Ich blinzelte verblüfft, und unangenehm berührt, als er mir mit einem Mal zu Füßen lag. Sowas war mir ja noch nie passiert.
    "Aber..." wandte ich ganz schwach ein, "...aber..." Zum Glück sprang er gleich wieder auf. Ja, der Harnisch war blanker als ich ihn in Erinnerung hatte... und als er weiter so inständig flehte, wurde mir ganz anders. Ich hatte ja nicht ahnen können, dass meine strengen Worte den armen Junge so tief trafen. Das tat mir jetzt richtig leid! Erstmal sprachlos blickte ich in diese weit aufgerissenen Augen... kämpfte kurz noch um meine Strenge... aber vergeblich. Einer meiner Mundwinkel ließ mich zuerst im Stich, hob sich verstohlen, dann der andere. Wer hätte auch diesem hinreißenden, zart hoffnungsvollen Lächeln wiederstehen können.
    "... ja gut. Natürlich kannst du bleiben. Aber ich nehme dich beim Wort! Und du musst Pontia eine Nachricht schreiben, dass du gut hier angekommen bist."


    Das war geklärt. Ich lehnte mich etwas zurück, auf meine ausgestreckten Arme gestützt, und überlegte, mit welchen Aufgaben ich Thabit betrauen sollte.
    "Hm... dann würde ich sagen, du kümmerst dich ab jetzt für mich um Rüstung und Pferd. Und für Botengänge werde ich dich heranziehen, dein Latein ist ja wirklich gut mittlerweile. In Ordnung? - Und du bekommt ein Ta.... - wirst natürlich entlohnt."
    Mir fiel aber auch auf, dass Thabit ja vorhin erst angekommen war und sich, wie es aussah, gleich in die Arbeit gestürzt hatte.
    "Magst du erst mal was essen eigentlich? Hier müsste noch was sein..."
    Ich suchte und fand einen halben Leib Panis militaris, von Ravdushara gebacken und ziemlich hart. Irgendwie bekam er das mit dem Brot nie hin, ich selbst hätte es besser gekonnt, aber als Tribun wäre das ja leider unter meiner Würde gewesen. Auch Käse und Oliven waren noch da, und etwas von dem Setinerwein von gestern. Ich stellte alles auf die Matte, die den Boden bedeckt, schenkte Thabit und mir ein und füllte die Becher mit Wasser auf.

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  • Erleichtert atmete der junge Ägypter innerlich auf, als er die erlösenden Worte hörte. Er durfte also hier bleiben. Mit einem kräftigen zustimmenden Kopfnicken bestätigte er die damit verbundene Auflage des Decimers, der alten Pontia einen Brief zu schreiben. Noch am heutigen Abend wollte er sich hinsetzen und den Brief verfassen. Und es war schön zu sehen, dass auch das Lächeln wieder zurück in Serpaios Gesicht gefunden hatte.


    Dann ging es auch schon los. Der Tribun zählte auf, wofür Thabit von nun an zuständig war. Die Rüstung pflegen, das Pferd versorgen und Botengänge. Thabits Latein hatte sich in den letzten Wochen tatsächlich verbessert. Kein Wunder, redete doch kaum einer im Castellum in einer anderen Sprache. Und das beste an der ganzen Sache – er bekam ab sofort Lohn dafür. LOHN!! Das erste Mal in seinem jungen Leben, dass Thabit ehrliches Geld verdiente. Sein Grinsen wurde breiter und seine Brust schwellte etwas an bei diesem Gedanken. Im nächsten Moment erinnerte sich der junge Ägypter jedoch daran, dass Ravdushara vorhin erwähnt hatte, der schöne schwarze Hengst seines Herrn hätte die letzte Nacht nicht überlebt. Sein Grinsen verschwand daher wieder und er sah Serapio kurz fragend an. Hatte ihm der Sklave etwa auch hier ein Märchen aufgebunden? Wenn, dann war es ein sehr pietätloser Scherz gewesen. "Ravdushara hat vorhin erwähnt, dass dein Pferd die letzte Nacht nicht überlebt hat, Herr." fragte er daher etwas zögerlich nach, während Serapio etwas zu Essen auftischte. Essen! In der ganzen Aufregung hatte er überhaupt nicht gemerkt, dass sich sein Bauch das eine oder andere Mal schon lautstark bemerkbar gemacht hatte. Er hatte Tatsächlich einen mächtigen Hunger und ließ sich daher nicht zwei Mal bitten. Kaum standen Brot, Käse und Oliven vor seinen Füßen griff er auch schon zu und biss ab. Auf ein Danke hatte er ganz vergessen, dafür fiel ihm auf das dieses Brot etwas zäh war, doch zum stillen seines Hungers reichte es alle Mal. Während er das Essen gierig hinunterschlang, sah er wieder zu Serapio, der ihm noch eine Antwort auf seine Frage schuldig war.

  • Während Thabit kräftig zulangte, knabberte ich nur ein paar Oliven. Das lag an meinem Lampenfieber, das mir mal wieder auf den Magen schlug.
    "Ja, leider." bestätigte ich seufzend. Direkt nach dem Gefecht war ich nur wütend auf dieses irre Vieh gewesen, mittlerweile tat es mir wirklich leid um mein schönes Pferd.
    Ich erzählte Thabit die ganze Geschichte: "Er ist völlig durchgedreht. Naja, der Feind, also diese Kamelreiter, die sind auch mit voller Wucht auf unsere Schlachtreihe geprallt. Das gab schon... etwas Chaos, jedenfalls im ersten Moment, und da hat Noctifer die Nerven verloren und ist mir einfach durchgegangen... hat sozusagen die Flucht nach vorne angetreten. Hätte mich fast mit umgebracht, das verrückte Tier." Daran zurückzudenken ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Ich griff nach meinem Becher und leerte ihn in zwei tiefen Zügen. "Der Händler in Alexandria hat behauptet, der Hengst sei als Schlachtross ausgebildet, aber der hat mich wohl betrogen." Nie wieder würde ich mir ein Pferd nach der Farbe kaufen!! Nur weil ich, wie alle anderen Offiziere, auch einen schicken schwarzen Hengst hatte haben wollen, war ich in diese unnötige Gefahr geraten. Fortuna sei Dank war mir nichts passiert! Abwesend kratzte ich mir über den Schorf am Ellbogen, diese lächerliche Schramme war das einzige was ich davongetragen hatte, während andere ihr Leben verloren hatten.
    "Als Rennpferd wäre er sicher besser aufgehoben gewesen. Er war einfach zu feinnervig, viel zu sensibel für diese Umgebung hier....." schloß ich traurig.


    Und erst nach einer pietätvollen Pause fuhr ich fort: "Ich werde jetzt wohl eines der Legionspferde reiten. Sein Reiter ist letzte Nacht gefallen. Ein Fuchswallach ist es. Ich habe ihn aber selbst noch nicht in Augenschein genommen. Geh doch bitte nachher zu den Ställen und sieh ihn dir mal an, ob er was taugt. Ich geb dir auch eine Tabula mit für den Stallmeister... dass Du für mich arbeitest, und dass er dir Quartier bei den Pferdeburschen geben soll."
    Gesagt getan, ich kritzelte ein paar Zeilen auf eine Wachstafel, und reichte sie Thabit. Im Prinzip hätte er auch hier unterkommen können, das wäre vom Platz her schon noch gegangen, aber.... er wirkte so unschuldig (mir war schon klar, dass er ein alexandrinischer Gassenjunge gewesen war, aber wenn man ihn so sah, so voll glühendem Eifer eine anständige Arbeit anzutreten, wirkte er so rein und unverdorben)... Ich wollte ihn eben einfach von meinen nächtlichen Aktivitäten fernhalten.


    "Jetzt muss ich mich umkleiden. Gleich gibt es ein großes Marsopfer, dafür muß ich mich in Schale werfen." Ich erhob mich, suchte mir eine frische Tunika, löste den Knoten meines Focale, und begann meine Alltagsrüstung abzulegen.
    "Hilfst du mir mal bitte mit den Schnallen?"

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  • Mit langen Schritten ging ich durch die Zeltreihen unseres ramponierten Lagers. Der Anblick der Spuren, die die Feuer hier und da hinterlassen hatten – ausgebrannte Lücken, verkohlte Lederplanen, halb zusammengebrochene, unnütz gewordene Gestänge... schwarz unter der gleißenden Sonne - war nicht schön. Ein krasser Gegensatz zu der ausgeklügelten Ordnung, die den Aufbau unseres Lagers bestimmte. Nach meinem Empfinden, sogar ein verstörender Anblick. In diesem Barbarenland waren wir der Vorposten von Zivilisation und Richtigkeit, doch wie schnell bekam die Ordnung Sprünge, wich die abgezirkelte Disziplin dem verhängnisvollen Chaos... im Bezug auf Zeltreihen, genauso wie auf Schlachtlinien... und auf die Selbstdiziplin. Nur gut dass wir bald weiterkamen.
    Bei den Zelten der zweiten Centurie, zweite Cohorte machte ich Halt. "Wo finde ich Optio Septimius Palaemon?" erkundigte ich mich bei einem Soldaten, folgte dann seiner Weisung.

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