Natürlich spielten die ersten Verse auf vergangenen Schmerz und Unglück an, hatte ja erst dieses die Verwandlung der unglücklichen Niobe in einen klagenden Felsen und der Prokne in eine flinke Schwalbe bewirkt. Und doch bildeten jene Verse lediglich den Auftakt, gleichsam das Intro für die Fülle an Bildern, die das restliche Gedicht ausmachten und in bunter Weise die schier unbeschreibliche Liebe eines Mannes zu einer Frau zu beschreiben suchte. Einige Momente lastete Stille im flavischen Garten, lediglich durchbrochen vom munteren Zwitschern eines einzelnen Vogels, während Axilla den Himmel betrachtete und Flaccus das Band der Kithara von seinem Handgelenk losmachte und das ihm so kostbare Instrument behutsam neben sich auf die Kline bettete. Dann wandte die junge Frau sich aber auch schon zu ihm um und Flaccus war einmal mehr verzaubert von ihren, in der Herbstsonne strahlenden, grünen Augen und den blitzenden silbernen Sternchen in ihrem Haar.
"Du hättest Triandafilos, den Sohn des Polykarpos aus Athen einmal singen hören sollen ... bei Herkules, er singt schöner als Orpheus!", war der bescheidene Einwand des Flaviers auf das Kompliment Axillas sein eigenes musisches Talent betreffend. Dann allerdings kam jene auf den Inhalt des kurzen Gedichts Anakreons zu sprechen, wenngleich eher auf den emotionalen Gehalt denn die tatsächliche Aussage. "Mag sein, ich empfinde es aber mehr als überwältigendes Bild einer unbeschreiblichen Liebe..." Interessiert blickte er Axilla an, um zu erfahren warum sie so dachte.