"Litatio! Mars ist mit uns!"
Die Hände noch tief vergraben in den blutigen Eingeweiden, blickte ich in die Gesichter der Soldaten. Erleichterung stand darin geschrieben, und Jubel erhob sich.
"Mars mit uns! Keine Gnade!"
Der Schlachtruf des Präfekten erschallte aus fünftausend Kehlen, dröhnte über die Wüste. Aber irgendetwas stimmte nicht...
Da war Bewegung unter meinen Händen. Maden krabbelten, Würmer wanden sich um meine Finger. Verwesung stieg mir süßlich in die Nase, und da bemerkte ich, dass die Eingeweide des Stiers ganz schwarz und verrottet waren. Panisch zuckte ich zurück, zog meine Hände aus der wimmelnden Fäulnis. Und dann wurde mir auch klar, was mit den Soldaten nicht stimmte... alle schrien sie den Schlachtruf, alle hatten sie die Klingen gen Himmel gereckt... aber zwischen den lebenden, von der Hitze und der Aufregung geröteten Gesichtern, erblickte ich hier und dort welche, die bleich und knochig waren. Leere Augenhöhlen, zum Wüstenhimmel gerichtet, Skeletthände, die die Gladii hochielten...
Meine Kehle wurde eng und enger... sie schienen es gar nicht zu bemerken. Also, dass sie schon tot waren. Ich wollte den Blick senken... mich vergewissern, dass mit meinen Händen alles stimmte... aber da war die grauenvolle Ahnung, dass auch meine Hände.... betroffen waren.
Nicht nach unten sehen......
NICHT, auf keinen Fall....
nach unten sehen...!!
Ich erwachte mit jagendem Puls, und ganz verschwitzt. Unwillkürlich hob ich sofort meine Hände vors Gesicht – es war alles in Ordnung mit ihnen. Aber der Albtraum ließ sich nicht so leicht abschütteln. Ich schlug die Decke zurück, rollte mich auf die Seite. Durch die Nähte des Zeltes schimmerte schwach der Schein der Lagerfeuer, und an meine Ohren drangen Wortfetzen, Becherklirren, das Knacken von Holz in der Glut. Alles ganz lebendige Geräusche. Ich war früh zu Bett gegangen heute, am Abend nach dem Marsopfer, und daraus, dass es offenbar noch vor dem Zapfenstreich war, schloß ich, dass ich nur ganz kurz geschlafen hatte. Schwerfällig setzte ich mich auf. Mein Bett war so leer... Und einen schlechten Geschmack hatte ich im Mund, und mein Nacken war steif. Ich massierte ihn mit den Fingerspitzen. Blöder Albtraum. Ich fühlte mich elend, hatte Angst mich wieder hinzulegen und wieder zu träumen, nicht viel anders als früher, als ich ein kleiner Junge war. Wie jämmerlich, Faustus. Ein schöner Tribun bist du... Ich verzog das Gesicht, fröstelte in der Kälte der Wüstennacht. Damals, früher, hatte ich in solchen Fällen eine sichere Zuflucht im Bett meiner großen Schwester finden können. Das ging heute allerdings nicht mehr.
Ich beschloss einen Gang durchs Lager zu machen, um auf andere Gedanken zu kommen. Entzündete mir eine Öllampe, kleidete mich an und rüstete mich, legte die Gürtel um, zog mir meine alte Paenula über. Die besaß ich schon seit meinem Eintritt in die Legion. Sie war aus dicker, verfilzter Wolle, alles andere als repräsentativ, aber dafür viel wärmer als meine schicken Offiziersmäntel.
Steifbeinig trat ich vors Zelt, atmete tief die frische Nachtluft. Ein unglaublicher Sternenhimmel wölbte sich über dem Lager. Ich legte den Kopf in den Nacken und betrachtete staunend die verschwenderische Pracht da oben am Firmament. Dann schlang ich die Paenula enger um mich, zog die Kapuze über den Kopf, so dass ich in der Dunkelheit, jedenfalls auf den ersten Blick, so gut wie incognito war, und ging langsam weiter, vorüber an einem großen Lagerfeuer, an dem eine Gruppe von Soldaten zusammensaß. Einer wandte mir das Gesicht zu – und einen Moment lang glaubte ich, einen Totenschädel zu sehen... Ich zuckte zusammen, mir stockte der Atem! Aber es war nur das Schattenspiel der Flammen, das die Konturen seines Gesichtes so merkwürdig verfremdet hatte. Das, und meine überspannte Phantasie! Verdammt. Ich beschleunigte meine Schritte.
Ein paar Feuer weiter erblickte ich meinen Sklaven. Er saß auf einem umgedrehten Eimer und erzählte gerade irgendetwas, mit weitausholenden Gesten und lebhafter Stimme. Eine Handvoll Soldaten und Trossleute hatten sich um ihn gescharrt und lauschten aufmerksam. Auf der Suche nach Ablenkung, und auch etwas neugierig worum es da wohl ging, trat ich ganz still und leise näher.