Durch die Wüste - der Weitermarsch der Legio XXII

  • Im Zelt:


    Jasim übersetzte und ein zufriedenes Lächeln durchzog das faltige Gesicht des Ältesten. Nun kamen sie doch noch zu dem Geschäft, weswegen sie überhaupt noch in dieser Gegend lagerten. Eilig schenkte er den Herren nach und rief dann nach den Frauen. Eine schickte er, die Liste anfertigen zu lassen, eine nach Abays Vater und eine, Dakai zu reichen, eine Art Hirsebier, um auf die erfolgreichen Verhandlungen zu trinken. Betrunken würden sie davon wohl nicht mehr, denn ihre Vorräte neigten sich langsam dem Ende zu. Aber betrinken wollten sie sich an diesem Tage ohnehin nicht.


    Nun ergriff auch der andere Römer das Wort. Er redete nicht viel, jedoch mit einer Leidenschaft, dass Sedath ungeduldig auf die Übersetzung wartete. Die Blemmyer alle vernichtet - keine Sorgen mehr um ihre Töchter und Söhne, nie wieder mit dieser Angst zu leben, davon konnten sie nur träumen. Im tiefsten Innern glaubte er nicht wirklich daran, doch durch die unbedingte Überzeugung der Soldaten klammerte er sich an die Hoffnung, an das Versprechen und hob sein Glas. "So sei es. Mögen die Götter euch beistehen." Mit einem letzten, langen Zug war das Glas geleert und in diesem Moment kehrten auch die Frauen zurück. Eine trug einen großen Tonkrug bei sich, den sie in einer Ecke abstellte. Unterdessen trat auch Abays Vater ein und verbeugte sich leicht in die Runde. "Du hast mich rufen lassen? Was kann ich für euch tun?" Dabei musterte er einen nach dem anderen neugierig. Wann bekam man schon einmal diese Römer in natura zu sehen. Sedath bat ihn, ebenfalls Platz zu nehmen und erklärte ihm dann seine Aufgabe. Abays Vater nickte nachdenklich, stimmte dann aber zu. Er kannte sich zwar nicht mit Karten aus, aber mit seinem Wissen und der Hilfe der Römer würden sie das sicher hinbekommen.


    Wieder war es an Sedath, zufrieden zu lächeln. "Gut, dann lasst uns darauf trinken. Die Liste werden wir in Kürze bekommen, nur die Karte wird längere Zeit in Anspruch nehmen. Wielange könnt ihr bleiben?" Die junge Frau, die sich bislang unscheinbar im Hintergrund hielt, brachte nun eine Schale gefüllt mit Dakai an den Tisch, die der Älteste an den Präfekten übergab, um ihm den ersten Schluck zu überlassen...


    Vor dem Zelt:


    Sie sah in erstaunte Augen, oder war da etwas anderes? Er zögerte, ihr Herz pochte. Was würde sie tun, würde er ihren Vorschlag zurückweisen? Sie wollte das Tuch um jeden Preis. Gut, vielleicht nicht jeden, aber zumindest würde sie sehr viel dafür geben. Dann endlich bewegte sich etwas, er nahm sein Tuch ab. Neriman wäre fast vor Freude aufgesprungen, ihr Herz tat es in diesem Moment auf jeden Fall. Ihre Hände zitterten leicht, so groß war die Erleichterung darüber. Für einen kurzen Augenblick nur, denn er gab es ihr nicht. Er malte etwas in den Sand, wie sie es oft tat. Neugierig verfolgte sie Strich um Streich. Ein Dolch? Ihr Dolch? Entgeistert starrte sie ihn an. Nun war es ihr Mund, der offen stand. In ihrem Kopf ratterte es. Der Dolch war etwas besonderes, er war nicht nur wertvoll, er war so etwas wie ein Erbstück und vor allem auch überlebenswichtig, hier in der Wüste. Andererseits, der Dolch war zu ersetzen, ihre Eltern lebten noch. Zögernd griff sie nach ihrem Gürtel und zog das gute Stück heraus. Sorgsam strich sie über den Griff, der reich verziert war mit buntem Glas und leuchtenden Steinen. Abay wird mich umbringen...


    Vorsichtig legte sie den Dolch auf das Tuch und beugte sich zu ihm, legte beides vor ihm in den Sand. Ihr Herz wurde schwer. Wenn sie ihm hätte er zählen können, wieso ihr das Tuch so wichtig war, vielleicht hätte er es ihr dann auch so gegeben. Wenn sie wenigstens die gleiche Sprache sprechen würden, dann könnte sie sicher auch mehr über ihn erfahren. Neriman sah zu ihm hoch, sah in seine tiefbraunen Augen. Nur schade, dass er seinen Helm nicht abnehmen durfte. Was darunter steckte, hatte ihr gefallen. Gerade, als sie sich wieder aufrichtete, kamen die Frauen aus dem Zelt und eilten in unterschiedliche Richtungen. Sie hielt eine am Arm fest, und auf ihren fragenden Blick schenkte die ihr ein Lächeln. "Es ist alles gut, sie sind sich einig und unsere Waren wollen sie auch." Ein wenig erleichtert und doch wehmütig folgte sie ihr noch mit ihrem Blick, bevor sie dem Römer wieder ihre volle Aufmerksamkeit schenken konnte. Manchmal wünschte sie, sie wäre ein Mann, andererseits, gerade jetzt... vielleicht doch nicht.

  • Tief im Innern schmunzelte Dragonum über die feurigen Worte Serapios und errinnerte sich spontan an sich selbst in diesem Alter, wobei er sich nicht wirklich sicher war ob er sich seither wirklich so verändert hatte ... schließlich dachte er genauso, nur das er es nicht aussprach, verdammte Politik ...


    Insgeheim hoffte Dragonum allerdings nur das Serapio nicht gerade zuviel versprochen hatte, schließlich war es unmöglich zu sagen wo sich diese Bande Feiglinge überall versteckte und man konnte ja auch nicht ewig durch die Wüste ziehen ...


    Als ihm dann die Schale gereicht wurde dachte Dragonum zuerst nicht an Alkohol, also nahm er sie dankbar an und trank einen vorsichtigen Schluck. Überrascht vom Inhalt versuchte er sich nichts anmerken zu lassen doch das war ganz und garnicht seine Geschmacksrichtung ... also reichte er sie an den Ältesten weiter, sicher war hierbei die Reihenfolge der Personen wichtig ...

  • Alles was ich für das Tuch gefordert hatte lag vor mir im Sand. Wieso griff ich nicht einfach zu und nahm es, gab ihr dafür das Tuch, was ich in der Hand hielt. Ich hatte sie bei allem was sie tat genau beobachtet. Zudem war mir, wie bei den Blemmyer’n aufgefallen, dass jeder einen Dolch trug. Keiner glich dem anderen. Ich hatte meine Siegestrophäe schweren Herzens Mars geopfert.
    Sie zögerte zu lange, das gute Stück zum Tuch zu legen. Eine Frau, die eine Waffe ungern herausgab? Ich stutzte, mir war nicht wohl bei der ganzen Sache. Ihren Dolch und ihr Tuch, gegen das Tuch was ich trug? Es war nichts Besonderes....


    Frauen eilten aus dem Zelt, unterbrachen meine Überlegungen. Nermina hielt eine fest. Sie lächelte und sagte etwas. Bei den Göttern! Konnten sie nicht ein Wort so sprechen, dass ich es auch verstand. Es war anzunehmen, dass man sich im Zelt einig geworden war. Ich sah um die Ecke. Der Praefect und der Tribun saßen auf ihren Plätzen, munter und bei bester Gesundheit. Sie machten keine Anstalten im nächsten Moment aufzustehen und das Zelt zu verlassen. Ich hatte also noch Zeit um den Handel perfekt zu machen.


    Das Tuch und den Dolch ließ ich unberührt, legte meins zusammen und legte es daneben. Der Handel konnte von statten gehen. Ich nahm das Tuch und den Dolch. Der Dolch war wunderbar. Ich drehte und wendete ihn, sah in mir genau an. Meine Finger glitten zärtlich über die Gravuren und Steine. Ich zog ihn aus dem Futteral, er lag gut in der Hand. Die Klinge war makellos. Ich hielt ihn in die Sonne, der Sonnenstrahl wurde abgelenkt und fiel direkt in Neriman’s Gesicht. Ich lachte und steckte ihn wieder zurück. Einen Moment hielt ich inne, sah auf den Dolch, ergriff mit der Linken, Nerimans rechte Hand drehte behutsam ihre Handfläche nach oben und legte den Dolch hinein. Mit meiner Hand schloss ich vorsichtig ihre Hand, dass sie den Dolch umfasste. Sie verstand was ich wollte, da war ich mir ganz sicher. " Ein Wort von dir würde mir als Ersatz genügen." sagte ich , wissend, das sie es nicht verstand. Ich nickte ihr lächelnd zu, dann nahm ich mein neues Tuch und legte es um meinen Hals.


    Es wurde Zeit, ich hatte meine Aufgabe sträflich vernachlässigt. Im Zelt war alles friedlich, ich stand wieder auf. Du bist ein lausiger Händler Massa. Hast dich von einer Frau einwickeln lassen. Sie klimpert mit den Augen und schon taugst du zu nichts mehr. Ich musste mir selber erst mal klar werden, wieso Neriman so eine Wirkung auf mich hatte. Bis zu unserer ersten Begegnung waren Frauen kein Thema. Geschwätzig, launisch, sich aufdrängend, einfach nur anstrengend und zu nichts zu gebrauchen. Sie war eben anders. Ich stand da und lächelte sie an, mehr konnte ich nicht tun. Die Unterschiedlichkeit unserer Sprachen und das sie nicht sprach verhinderte mehr.

  • Im Zelt:


    Der Älteste lächelte anerkennend, während der Präfekt trank. Die Schale, die der ihm dann zurückgab, reichte er sogleich an Serapio weiter. Zuerst die Gäste, dann er und dann die Ältesten, das war die richtige Reihenfolge. Was ihm nun noch fehlte, war eine Antwort auf die Frage, wielange seine Gäste bleiben würden. Es wäre ihm eine Freude, sie noch eine Weile zu bewirten, doch dann müssten Vorbereitungen getroffen werden. Ein Tier würde man zur Feier des Tages schlachten, oder auch zwei. In Gedanken war er schon am Organisieren und Einteilen.


    Abays Vater wandte sich unterdessen an den Dolmetscher. "Frag sie, wie das mit den Karten vonstattengehen soll." Er hoffte, dass sie das noch an Ort und Stelle erledigen konnten, er würde ungern seine Familie verlassen müssen.


    (nicht ganz zeitgleich) davor:



    Das Tuch... ihr Herz schlug vor Anspannung. Gleich, gleich würde es wieder ihr gehören. Dafür gab sie den Dolch gerne. Noch hielt sie sich zurück, beobachtete, wie sorgsam er den Dolch in Händen hielt, ihn bewundernd im Sonnenlicht drehte. Ein bunter Strahl traf sie ins Auge, sie musste blinzeln und von seinem Lachen angesteckt, lachte sie ebenfalls. Lautlos, wie alles, das von ihr kam, aber nicht weniger fröhlich.


    Er griff nach ihrer Hand, sie verstand nicht ganz, sah ihn fragend an. Kurz darauf lag ihr Dolch darin. Die Wärme, die von seiner Hand auf ihre überging, war mehr, als die Dankbarkeit, die sie in diesem Moment fühlte. Sie verstand sehr genau, was er ihr damit sagen wollte. Verwunderung sprach aus ihrem Blick, den sie nur schwer von ihm lösen konnte, ihn dann doch auf den Dolch in ihrer Hand richtete, noch immer gerührt von der Geste. Seine Worte verstand sie nicht, wohl aber den Klang. Manchmal waren Worte überflüssig...


    Vorsichtig befestigte sie den Dolch wieder an ihrem Gürtel und schenkte ihm dafür ein dankbares Lächeln. Erst dann holte sie sich ihr Tuch zurück. Als hätte sie ein Leben lang auf diesen Augenblick gewartet, legte sie es an ihre Wange, fühlte den Stoff, sog sehnsüchtig den Geruch in sich auf. Es war schon lange nicht mehr der Duft, den es einst zierte, dafür war es zu lange her. Heute war er wieder anders, denn es war jetzt sein Geruch. Sorgsam schlang sie sich das Tuch wieder übers Haar und um den Hals. Das Gesicht ließ sie frei, in ihrem Stamm ein Zeichen von Vertrauen. Und genau das hatte er sich wirklich verdient.


    Er war längst wieder aufgestanden. Natürlich, er durfte seine Aufgabe nicht vernachlässigen. Neriman wischte ein Stück Boden glatt und schrieb mit dem Finger etwas in den Sand. Sein "Danke", möglicherweise nicht richtig geschrieben, denn sie kannte nur die Aussprache. Dann stand auch sie auf. Nach kurzem Zögern trat sie an ihn heran und umarmte ihn kurz. Wie sollte es auch anders sein, kamen in diesem Augenblick die Frauen zurück, unter ihnen ihr Vater. "Neri!" Erschrocken fuhr sie herum und wurde knallrot. Schnell senkte sie den Kopf, zog sich ihr Tuch über die Nase und rannte davon. Ihr Vater warf noch einen bedenklichen Blick auf den Römer, bevor er den Frauen ins Zelt folgte.

  • Das Tuch gefiel ihr. Sie ging damit um, als ob sie es seit Tagen vermisst und nur auf seine Rückkehr gewartet hatte. Ich sah ihr zu, wie genau sie es über ihr Haar und um den Hals legte, war darauf gefasst, dass ihr Gesicht wieder dahinter verschwand. Meine Befürchtungen wurden zerstreut. Ihr Lächeln blieb mir erhalten. Hunderte Frauen werden dich in nicht so ferner Zukunft anlächeln, was willst du immer mit ihr? Sie ist nur eine Wilde. Römisches Denken. Siehst du, da hast du es. Es ist so einfach. Bei Jupiter !! Ich bin in Achaia aufgewachsen! Ich stelle Rom nicht in Frage, aber die Denkweise ist mir manchmal zu wider.


    Als Junge war ich jeden Tag am Hafen. Dort habe ich mehr über fremde Menschen und Völker gelernt, mehr als in der Philosophenschule. Sie forderte meine Aufmerksamkeit. Was schrieb sie mit dem Finger in den Sand? Ich machte Anstalten es mir anzusehen. Weit kam ich nicht. Neriman stand plötzlich vor mir und umarmte mich. Ich erstarrte zur Salzsäule. Die Umarmung war nur kurz, aber ich total verwirrt. Ich starrte die Gruppe Frauen und den älteren Mann, der ihren Namen gerufen hatte, entgeistert an. Zu keinem Wort war ich fähig. Das war nur ein Danke, mehr nicht. Wollte ich sagen. Es ging nicht. Und Neriman ? Fühlte sich mehr als ertappt, mit ihr verschwand das Lächeln hinter dem Tuch und irgendwo in einem der Zelte.


    Der Mann folgte der Gruppe Frauen, warf mir vorher noch einen Blick zu, von dem ich nicht wissen wollte was er bedeutete. Was hatte ich da angestellt. Ich schob meinen Casa grübelnd zu recht und fuhr mir mit der Handfläche übers Gesicht. Moment !! der Geruch!! Ich roch nochmal an meiner Handfläche. Das Tuch ! Ich roch an der Ecke von meinem getauschten Tuch. Das war der gleiche Geruch, eine Nuance stärker als...... Das bildest du dir nur ein Massa. Wie sollte sie dahin kommen. Sie rochen doch alle gleich. Aber warum hatte sie um alles in der Welt ausgerechnet dieses Tuch haben wollen? Es blieben Zweifel.

  • Die schützenden Zeltwände gaben Sicherheit, die fragenden Augen ihrer Familie, die nun auf sie gerichtet waren, nicht. Vielleicht hätte sie nicht rennen sollen. Abay war nicht da, also ging sie gleich wieder, die wütenden Rufe ihrer Großmutter ignorierend. Ihr nächster Weg führte sie zur Ziegenherde. Da saß er, ein kleines Zicklein auf dem Schoß, das sich scheinbar etwas eingetreten hatte. Schweigend setzte sie sich neben ihn, wartete, bis er fertig war und lehnte dann den Kopf an seine Schulter. Er kannte sie so gut, nahm sie einfach in den Arm und streichelte ihre Wange. Da bemerkte er auch das Tuch. "Du hast es wieder?" Ein kurzes Lächeln, während sie nickte, dann zupfte sie dem jungen Tier gedankenverloren ein paar Grashalme aus dem Fell. Abay stellte es wieder auf die Füße und schickte es zur Herde zurück, dann musterte er Neriman eindringlich. Sie müsste glücklich sein, für das Tuch hätte sie sich vor kurzem noch fast umgebracht, hätte er sie nicht zurückgehalten.


    "Was ist los? Du hast doch nichts Dummes angestellt, oder?" Neri zuckte mit den Schultern, dann erzählte sie ihm alles. In Abay keimte ein Verdacht, und als sie zum Schluß kam, musste er grinsen. Einzig die Tatsache, dass ihr Vater die Situation total missverstanden haben musste, daraus seine eigenen Schlüsse ziehen würde und Neriman dadurch mehr als Ärger bekommen würde, war die negative Seite der Geschichte. Es war aber auch zu komisch und er wäre gerne dabeigewesen. Immer noch grinsend, nahm er ihre Hände. "Du solltest froh sein, dass er so ehrenvoll war, den Dolch zurückzugeben. Kein Tuch ist so ein Opfer wert, auch dieses nicht. Ich weiß, was es dir bedeutet, aber du hast noch deine Erinnerung, die ist viel wertvoller... und die Hoffnung, das weißt du." Er nahm sie fest in den Arm, nicht nur, um sie zu trösten, auch sich selbst. "Und jetzt freu dich einfach. Vater wird sich sicher wieder von dir einwickeln lassen und was den Römer angeht... " Er ließ sie los und hielt sie an den Schultern. "Wenn du ihm unbedingt deine Dankbarkeit zeigen willst, dann schenke ihm doch etwas anderes." Wie zur Bestätigung blökte das Zicklein und hoppelte davon. Neriman mußte lachen, gab Abay einen Kuss auf die Wange und lief eilig davon.


    Er hatte recht, wie so oft. Von ihnen beiden war er eindeutig der Vernünftigere. Neri stürmte wieder ins Zelt, ignorierte erneut ihre Großmutter und verzog sich in den weiblichen Teil. Zum Glück waren alle beschäftigt und keiner hier. Aus einer kleinen Holzkiste nahm sie das Amulett mit dem Anhänger, den man mit etwas Geschick öffnen konnte. Noch war er verschlossen. Sie suchte Farbe, Pinsel, ein winziges Stück Leder, setzte sich und nahm die Holzkiste auf die Knie. Sie diente als Unterlage. Der hauchfeine Pinsel war wunderbar geeignet für ihr Werk. Ein winziges Schriftzeichen nach dem anderen füllte das gerade einmal daumennagelgroße Stück. Als das fertig war, bestreute sie das Ganze mit einem geheimnisvollen Pulver, pustete kurz darüber und rollte es ein. Der Anhänger war nur zu öffnen, wenn man wußte, wie. Vorsichtig geöffnet, legte sie das kleine Röllchen hinein und mit einem Klicken verschloss sie es für hoffentlich eine sehr lange Zeit.


    Es war ihr Kopf, der erst neugierig um die Ecke lugte, um zu sehen, ob auch niemand da war, abgesehen von dem Römer natürlich. Noch immer waren alle im Zelt beschäftigt. Was hatten die nur so lange zu bereden? Das war es aber nicht, weshalb sie zurückgekehrt war. Bevor sie ganz hervortrat, schob sie ihr Tuch wieder bis zum Kinn herunter. Ihr Gesicht zu sehen, würde ihm helfen, sie zu verstehen, so hoffte sie zumindest. Bevor er etwas sagen konnte, machte sie eine entschuldigende Geste. Es tat ihr ehrlich leid, dass sie ihn in eine solche Situation brachte. Betreten schob sie den Sand zu ihren Füßen beiseite. Sie hätte ihm zu gerne alles erklärt, aber er würde sie wohl nicht verstehen. Vielleicht hätte sie nicht noch einmal hierherkommen sollen.

  • Die Zeit schien still zu stehen, so wie ich hier vor dem Zelteingang. Ablenkung wurde kaum geboten. Alles hatte sich in die Zelte zurück gezogen. Es war heiß und langweilig. Meine Geduld wurde auf die Probe gestellt. Es war anstrengend hier zu stehen, wachsam zu sein. Das einzige was mir blieb, die Ausrüstung überprüfen und meinen Stand zu ändern.


    Eine Bewegung hinter dem Zelt. Ein Kopf ...Neriman! Was wollte sie denn noch. Sie brachte mich wieder in Erklärungsnot. Nicht nur vor dem Mann ihres Stammes, wie sollte ich es dem Praefecten erklären. Ich wollte etwas sagen, sie wegschicken. Da fing sie mit ihren Gesten an. Sie entschuldigte sich, das war auch nötig. Ich setzte wieder an, gab mich geschlagen und winkte sie heran. Mir war bewusst, dass sie mich nicht verstand. Ich konnte meine Gesten mit Sprache besser untermalen, oder anders herum. Egal, Sprache und Gesten sollten die gewünschte Wirkung haben. „ Was willst du hier? Du bringst dich und mich in Schwierigkeiten.“ Ich deutete auf das Zelt. Mein Gesichtsausdruck war nicht der glücklichste.

  • Im großen und ganzen hatten wir uns nun wohl mit den Wilden geeinigt. Ich bekam ebenfalls die Schale mit den undefinierbaren Gebräu gereicht, setzte sie vorsichtig an die Lippen. Scheußlich! Der Diplomatie wegen zwang ich mich zum Lächeln, aber ich brachte es beim besten Willen nicht über mich, den genommen Schluck runterzuschlucken! Wie Spülwasser mit komischen Gewürzen drin! Ich nickte freundlich, aber dabei zermarterte ich mir das Hirn, wie ich das Zeug unaufällig loswerden könnte. Zuerst mal reichte ich die Schale wieder dem alten Häuptling. Das Palaver ging weiter... keine Chance sich dezent für einen Augenblick zurückzuziehen. Ausserdem wollte ich etwas sagen. Verdammt... es musste sein. Ich presste die Lippen zusammen und dachte an Rom. Schluckte. Fürchterlich!!!
    "Ich schlage vor" ergriff ich dann mit etwas belegter Stimme das Wort, "dass wir gemeinsam bis zur nächsten Wasserstelle weiterziehen. Um dort, sobald das Lager errichtet ist, in aller Ruhe und Sicherheit unsere Waren und unser Wissen auszutauschen. Zudem wäre es uns eine Ehre und ein Bedürfnis, die uns hier erwiesene, so großzügige, ganz exquisite Gastfreundschaft angemessen zu erwidern. Findet das eure geneigte Zustimmung?"
    Ich vergewisserte mich erst einmal mit einem Blick zum Präfekten seiner 'geneigten Zustimmung', bevor ich den Sklaven anwies: "Übersetz das."
    Auf diese Weise würden die Nubier gleich mal zeigen können, dass sie sich wirklich so gut auskannten. Ausserdem müsste meine Kohorte dann nicht so lange untätig in der Wüste rumstehen und sich von der Sonne braten lassen.


    Etwas später, nachdem wir dann schließlich geklärt hatten, wie genau und wie in Detail es denn nun weitergehen sollte, ging diese Versammlung auf ihr Ende zu. Ich erhob mich, und nach einer blumigen Verabschiedung verließ ich rasch das Zelt. Ich brauchte dringend einen Schluck Posca!
    Massa war noch immer auf seinem Posten, unter dem Sonnenschutz. Ich grinste ihm verschwörerisch zu.
    "Alles gut gegangen."
    Dann stutzte ich... hatte er etwa schon wieder ein neues Halstuch? Das Mädchen von vorhin drückte sich in der Nähe herum, ihr Gesicht war nicht länger verhüllt, und... das war Massas Tuch, das sie da trug. Das, welches er am Morgen nach dem Überfall gefunden hatte. Ich hatte es im Zuge unserer Focale-Geschichte eingehend gemustert, und die Stickereien darauf waren markant. Mein Gesichtsausdruck gefror.
    "Du bist hier um Wache zu halten! Nicht um mit Negerweibern zu schäkern!" fuhr ich Massa an - nicht besonders laut aber ausgesprochen giftig.
    Mit zornig gestrafften Schultern schritt ich an ihm vorüber, würdigte auch das Mädchen keines Blickes mehr. Am Rande des Lagers blieb ich stehen – ich konnte mich ja nicht ohne den Präfekten auf den Rückweg machen – und trank einen Schluck aus meiner Feldflasche. Der essigsaure Geschmack verdrängte das schauerliche Aroma des nubischen Gebräus, aber saurer noch schmeckte mein Groll. Ich hatte gedacht, das würde schon irgendwie was bedeuten, dass er mir sein Focale überlassen hatte... und nun becircte er mit der selben Masche diese Barbarin. Pah! Und noch viel mehr ärgerte ich mich darüber, dass ich mich darüber so ärgerte!
    Grimmig in mich gekehrt wartete ich auf die anderen, um dann gemeinsam zur Kohorte zurückzukehren.

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  • Der Rest des Gesprächs glich eher einem Schachern als einem Diplomatischen Akt und wurde nur seitens des Dolmetschers noch in die Länge gezogen, wobei Dragonum dafür natürlich Verständnis hatte, wenngleich es ihn nun doch nach einem raschen Aufbruch gelüstete.
    Im Laufe der Zeit war es auch Serapio der das Ruder übernahm und das Gespräch einem Ende zuführte, worüber Dragonum selbstredend außerordentlich froh war, zumal der Junge wiedermal seine Fähigkeiten unter Beweis stellte und Dragonum sich geistig erneut auf die Schulter klopfte das er sich diesen Offizier gesichert hatte, ohne den er sicher schon das ein oder andere Mal etwas blöd aus der Wäsche geguckt hätte ...


    Als sich Serapio dann erhob um zu gehen wechselte Dragonum noch einige letzte Worte mit den Stammesführern wobei es lediglich darum ging wie sie ihnen am einfachsten folgen würden und wo sie neben dem Marschlager ihr eigenes aufschlagen sollten. Unterbrochen wurden diese letzten Worte nur von dem kurzen Ausbruch Serapios vor dem Zelt ... sofort ruhte Dragonums Hand auf der Schulter des Dolmetschers und die Handlung wurde als eine Diziplinarmaßnahme übersetzt, sicher wären die Ältesten nicht erfreut gewesen wäre Serapios Titulierung der jungen Frau wörtlich weitergegeben worden ... Nun verabschiedete sich auch Dragonum und verlies gemeinsam mit dem Dolmetscher das Zelt ...


    Zuerst ein zorniger Blick für den Legionär, besser er stellte nicht noch mehr Dummheiten an, sonst wäre er ganz schnell runter von der goldenen Welle auf die Dragonum ihn erst kürzlich gesetzt hatte ... dann einer für Serapio, gerade von ihm hätte Dragonum ein wenig mehr Selbstkontrolle erwartet ...


    "Tribun deine Ausschreitung gerade hätte uns unter anderen Umständen einiges Kosten können! Ich erwarte das alle meine Offiziere sich ihrer Position und der damit verbundenen Verantwortung gegenüber der Legion jeder Zeit vollstens bewusst sind! Du repräsentierst Rom und den Kaiser solange du diese Uniform trägst, verhalte dich entsprechend!


    Kaum das die Worte gesagt waren stapfte Dragonum an Serapio vorbei in Richtung seines Pferdes, repräsentative Verantwortung war das wichtigste für einen Offizier und Serapios kleine Ausschreitung hatte Dragonum schwer enttäuscht ...

  • Meine Erklärungsversuche fanden ein jähes Ende. Serapio trat vor das Zelt. Ich nahm Haltung an. Er sah mit einem Lächeln zu mir, es gefror plötzlich aus mir unerklärlichen Gründen. Seine Blicke hingen an meinem Tuch. In mir keimte ein Verdacht. Die Bestätigung kam auf dem Fuße. Seine Worte trafen mich. Jeder, ob Praefect , Tribun oder Centurio hätte es zum mir sagen können. Es hätte mich nicht gestört, wäre abgeperlt wie der Regen von meinem Cassis (Wie kam ich ausgerechnet in dieser Region der Welt auf Regen). Serapio ging zornig. Ich hatte keine Möglichkeit eine Meldung zu machen. Die Blicke des Praefecten, ließen meinen Versuch gleich im Ansatz sterben. Einen Augenblick wartete ich, dann schloss ich mich dem Zug an. Wie konnte ich dieses Missverständnis aus der Welt schaffen?


    Ich sah zurück zum Zelt. Neriman war noch da. Ich schickte ihr eine Geste des Bedauerns und marschierte dem Praefecten und Tribun hinterher.

  • Die Zurechtweisung traf mich tief... und noch tiefer die bittere Enttäuschung, die aus der Miene des Kommandanten sprach. Ich errötete, und murmelte beschämt eine Entschuldigung, doch er hatte sich schon abgewandt. Ich kannte diesen Ausdruck... Am Ende enttäuschte ich sie alle, alle die bereit gewesen waren an mich zu glauben, mir eine Chance zu geben, Livianus, Flavius Aristides, Octavius Dragonum....
    Du hast es mal wieder versaut, Faustus.
    Was war nur in mich gefahren?! Ich streifte Massa mit einem halb scheelen, halb verlegenen Blick - welches Recht hatte ich denn, eifersüchtig zu sein? Gar keins! Pah! Sollte er doch Liebespfänder austauschen soviel er wollte... - und stapfte, erbittert mit mir selbst hadernd, durch den heißen Sand.

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  • Im Zelt


    Es wurde noch bis ins kleinste Detail ausdiskutiert und geplant, wie es weitergehen sollte, dann verließ ein Römer nach dem anderen das Zelt. Der Saih war zufrieden mit dem, was ausgehandelt wurde und machte es sich auf dem Kissen bequem. Entspannt prostete er den anderen Männern zu. Was dort draussen geredet wurde, interessierte ihn kaum noch. Er verstand ohnehin kein Wort. Immerhin waren die Römer bereit, ihre Waren abzukaufen, was bedeutete, dass die Tiere um einiges weniger an Gewicht bis ins Dorf schleppen mussten. Ebenso die Herden, sie kamen mit weniger Tieren bedeutend schneller voran. Trotzdem blieb das Gefühl, die Römer trauten den Nomaden nicht zu, ihre Ortskenntnisse wahrheitsgemäß an sie weiterzugeben. Das sollte jedoch nicht sein Problem sein, da mussten die Soldaten ihnen schon vertrauen.


    Nun konnte es abend werden. Der Saih trug den Frauen auf, sich um das Essen zu kümmern. Heute sollte gefeiert werden und schon im Morgengrauen wollten sie die Zelte abbrechen und weiterziehen. Ihr Volk in Richtung Dorf und die Römer zur nächsten Wasserstelle. Nerimans Vater würde ihnen noch zeigen, wie sie sicher die Oase erreichen konnten. Er war sehr geschickt darin, kannte jeden Stein und wußte auch um die Gefahren. Es sollte also kein Problem darstellen, dass die Fremden den Weg auch alleine finden würden. Er wollte ungern einen seiner Männer mit ihnen schicken.


    Vor dem Zelt


    Der Ausbruch des jungen Soldaten war auch an ihr nicht spurlos vorübergegangen. Betroffen beobachtete sie die Szene, schob sich das Tuch über die Nase und wich bis zur Zeltwand zurück. Die Worte, die er Massa entgegenschleuderte, waren für sie nicht zu verstehen, alleine die Wut und die Enttäuschung konnte sie heraushören. Neriman verstand die Welt nicht mehr. Was war falsch? Er durfte doch etwas trinken. Und von der Wache abgelenkt, naja, vielleicht ein bisschen. Vorhin. Da waren aber alle noch im Zelt. Keiner konnte das mitbekommen haben und ihr Vater hatte sicher nichts gesagt. Umsomehr wunderte sie sich nun. Etwas später trat auch der Ältere vor das Zelt und wies seinerseits den Jüngeren zurecht. Wäre sie nicht in die ganze Geschichte mit eingebunden, sie hätte sich sicher köstlich darüber amüsiert. So aber wuchs in ihr nur der Wunsch, diese fremde Sprache zu verstehen. Es würde dieses Zusammentreffen um einiges erleichtern. Im Moment stand das aber wie eine Wand dazwischen, die fremde Sprache der Römer und ihre eigene. Ihre Welt war der anderen so nah, und doch gab es keine Möglichkeit, von einer auf die andere Seite zu gelangen. Ihr blieb nur die Rolle der stillen Beobachterin.


    Der kleine Trupp machte sich auf den Rückweg. Massa drehte sich noch einmal nach ihr um. Sie konnte nichts tun, als ihm ein entschuldigendes Lächelns zu schenken, das er nicht einmal sehen konnte. Da wurde sie sich des Amuletts in ihrer Hand bewußt, des eigentlichen Grundes ihrer Rückkehr. Ihre Finger hielten es noch immer krampfhaft umschlossen. Die Pferde, sie würden sie gleich erreichen. Neriman beeilte sich, schlich hinter den Vieren her. Niemand würde sie bemerken, das war etwas, das sie in all den Jahren gelernt hatte, es sei denn, einer der Männer würde sich überraschend umdrehen. Die andere Gefahr war, dass sie Massa zu Tode erschrecken würde, das war nicht zu vermeiden. Aber vielleicht war das die letzte Gelegenheit, es ihm zu geben. Sie erreichte ihn rechtzeitig, duckte sich halb hinter ihm und hielt ihn am Arm zurück. Einen Finger presste sie auf seine Lippen, damit er nur ja keinen Ton von sich gab und ihre Augen flehten ihn an. Auf der flachen Hand hielt sie ihm das Amulett entgegen. Irgendwann würde sie ihn vielleicht darüber aufklären können, jetzt war dafür definitiv keine Zeit. Sie wartete, bis er es nahm, dann verschwand sie ebenso schnell und ebenso leise, als wäre sie nie hiergewesen.

  • Es ging alles schnell und ohne einen Laut ab. Ich hatte sie nicht gehört. Ihre Hand brachte mich aus dem Konzept. Ich fuhr herum, ein Finger legte sich auf meine Lippen. Ihre Augen sagten alles. Kein Wort kam über meine Lippen. Ich sah auf ihre Hand, eine Kette, ein Amulett. Für mich? Für wen sonst. Ich nahm es. Mir blieb keine Zeit mich zu bedanken. Sie verschwand so leise, wie sie gekommen war. Das Amulett in der Hand, musste ich mich beeilen um den Anschluss an den Praefecten nicht zu verlieren.


    Zurück bei der Kohorte, nutzte ich die erste Pause um das Amulett umzuhängen. Gut verborgen unter der Tunika, sollte es mich beim bevorstehenden Kampf gegen die Blemmyer beschützen. Es war abzusehen, dass wir in den nächsten Tagen auf sie trafen. Welchen Grund hatte Neriman mir dieses kleine Schmuckstück zu schenken? Ich sollte nicht darüber grübeln und den Schutz dankbar annehmen. Mein Blick glitt über die Wüste. Da draußen war sie irgendwo. Ich fühlte den leichten Druck des Amuletts und schenkte der Wüste ein Lächeln.

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