Wie es üblich war, führten die beiden amtierenden Consuln abwechselnd die Sitzungen des Senates und deshalb war es heute Macers Kollege, der die Versammlung eröffnet hatte. Wie immer arbeitete er sich nach und nach durch die Tagesordnung, auf der auch Macer als Redner stand. Als amtierender Consul sogar ziemlich weit vorne.
"Senatoren, ich möchte heute auf ein Thema zu sprechen kommen, welches bei einigen von euch vielleicht schon in Vergessenheit geraten ist", hob er an, als ihm das Wort erteilt wurde. "Vor nunmehr geraumer Zeit, noch unter dem Consulat des Tiberius Durus, wurde eine Inquisitio Senatus unter meiner Leitung eingesetzt, welche sich mit den zu dieser Zeit gehäuft auftretenden Klagen aus verschiedenen Provinzen befassen sollte. Es galt die Frage zu klären, ob die Provinzreform des Iulianus mit der Schaffung der Großprovinzen Nachteile in der Verwaltung der Provinzen erzeugt hat, die sich nun durch eine Überlastung der Statthalter bemerkbar machen." Er machte eine kurze Pause, damit sich alle an diesen Sachverhalt erinnern konnten. "Gemeinsam mit Germanicus Avarus und Annaeus Modestus stellte ich mich diesem Auftrag und erstattete nach Ende der gesetzten Frist einen vorläufigen Bericht. Meiner damals gestellten Bitte nach einer Verlängerung der Frist wurde nicht stattgegeben - genaugenommen wurde sie nicht einmal zur Abstimmung gestellt. Wir ließen die Arbeit daher zunächst einmal ruhen." Erneut machte er eine Pause, damit sich der eine oder andere vielleicht auch an den Zwischenbericht erinnern konnte.
"Nun ist es jedoch nicht meine Art, offene Fragen gänzlich unbeantwortet zu lassen. Ich habe mir daher etwas Zeit genommen, die Frage der Provinzgrößen im Rahmen meines Consulats etwas genauer zu betrachten. In unserem damaligen Zwischenbericht hatte ich nämlich als ersten Punkt erwähnt, dass rechnerisch zu klären ist, ob sich Großprovinzen überhaupt lohnen. Ich erklärte damals, dass ein abschließendes Urteil daran scheitere, dass uns nicht die nötigen Zahlen vorlägen. Nun bin ich als Consul in der glücklichen Lage, etwas mehr Einblick in verschiedene Dinge zu nehmen, als wir es damals allesamt als einfache Senatoren waren. Ich behaupte daher nun, dass die Großprovinzen uns keinerlei nennenswerte finanzielle Entlastung gewähren. Den geringeren Ausgaben für die Entsendung von nur wenigen Statthaltern stehen gewaltige Mehrausgaben für Reisen eben jener Statthalter durch die Provinz entgegen. Ferner Ausnahmeausfälle, da in manchen Dingen über große Distanz und daher nur langsam entschieden werden kann. Ich habe nicht genug Zeit und genug Zahlen gehabt, um alles im Detail durchzurechnen oder auch nur musterhaft für eine Provinz. Es mag sein, dass wir durch den jetzigen Provinzzuschnitt hier und da in der Summe tatsächlich einige hundertausend Sesterze sparen, aber es ist wenig im Verhältnis zu dem, was insgesamt umgesetzt wird. Bekämen wir diese Ersparnis geschenkt, sollten wir sie natürlich trotzdem annehmen." Gespartes Geld war schließlich immer gut. "Wir bekommen sie aber nicht geschenkt. Wir bezahlen sie mit Statthaltern, die vor Aufgaben stehen, die zu groß sind. Nicht überall, aber an manchen Orten. Nehmen wir als Beispiel Asia. Eine Provinz, die alleine schon in ihrer Größe jene von Italia um ein vielfaches übersteigt. Und trotzdem wird sie einem einzelnen Legatus Augusti pro Praetore anvertraut, der nicht einmal Consul gewesen sein muss! Es ist erfreulich, dass der Kaiser seinen Senatoren so viel Vertrauen entgegen bringt, aber es ist ein Risiko und eine Aufgabe, an der die meisten nur scheitern können! Darüber hinaus ist es nicht nur eine Frage der Größe, der Verwaltung und der Steuereintreibung, sondern auch eine des Militärs. Fünf oder sechs Legionen in einer Provinz, unter dem Kommando eines einzigen Mannes - es gab Kaiser, die habe sich bewusst gegen eine solche Konstellation gestellt." Dass so etwas gerade in Zeiten eines schwachen Kaisers ein Risiko war, ließ er unausgesprochen.
"In meiner Eigenschaft als Consul und ehemaligem Leiter der Inquisitio Senatus rege ich daher an, dass wir, der Senat der Stadt Rom, dem Kaiser eine teilweise Rücknahme der Provinzreform empfehlen. Ich betone, dass eine teilweise Rücknahme völlig ausreichend ist. Nicht in allen Bereichen ist der Zuschnitt schlecht." Er blickte auf eine Notiztafel, die vor ihm lag. "Britannia, Dacia, Aeyptus können so bleiben wie sie sind. Hier sind weder Klagen bekannt noch gibt es sonstige Probleme. Für Mauretania und Africa Proconsularis sollte eine simple Teilung in je einen östlichen und einen westlichen Teil reichen, um die elendig langen Reisestrecken zu kürzen. Für Syria und Thracia gilt dasselbe bei einer nördlichen und südlichen Teilung. Bei Gallia, Hispania und Achaia spreche ich mich aufgrund ihrer Größe und des teilweise unwegsameren Geländes für eine Teilung in je drei Teile aus, so wie sie vor der Provinzreform Bestand hatten und noch heute in den Regiones zu finden ist. Bei Achaia ist es selbstverständlich definitiv die Gebirgigkeit des Geländes und nicht die Größe, ferner aber auch der Respekt vor einem Land, aus dem so viele gebildete Männer kommen und das viele von uns gerne für ihre Bildungsreisen nutzen. Bleiben Germania, das Illyricum und Asia, die Größe und militärisches Potenzial vereinen. Hier sehe ich eine Teilung in vier bis sechs Teile, ebenfalls sehr ähnlich den bisherigen Regiones. Über den tatsächlichen Zuschnitt der Grenzen wäre sicher mit den bisherigen Statthaltern nach örtlichen Gegebenheiten zu entscheiden. Ohne Kenntnis des Landes lässt sich dies keineswegs vom Schreibtisch in Rom entscheiden." Zumal Macer für eine solch gründliche Studie die Zeit fehlte. Außerdem standen ohnehin die meisten Provinzen unter kaiserlicher Verwaltung, also konnte sich auch dessen Kanzlei Gedanken über den Zuschnitt machen.
"Ich bitte um eure Meinungen, ob wir diesen Vorschlag als Ratschlag des Senates dem Kaiser unterbreiten sollen."