Atrium | Eine Perle Ewigkeit

  • Etwas schien anders an dieser Leber, allfällig war es die Musterung der Struktur, allfällig ihre Haptik, doch bei genauer Betrachtung zeigte sich auch hierin nichts, das eine Ablehnung des Opfers hätte angedeutet, so dass Gracchus das Organ schlussendlich mit einem leichten Stirnrunzeln zu den übrigen legte.
    "Litatio."
    Er schluckte und sog die Unterlippe zwischen die Zähne während er still - darauf bedacht, Minor keine Gelegenheit zu einer Zwischenfrage zu bieten - auf das letzte Lamm wartete, dessen Fellfarbe von tiefem Schwarz war, dass die dunklen, schwarzfarbenen Augen dazwischen zwei Abgründen in der Endlosigkeit glichen.
    "Dis Pater, Allzerstörer, dies Lamm für Dich, Dispiter, mir, Manius Flavius Gracchus, Dein Urteil kund zu tun über Zu..stimmung oder Rückweisung meiner Absi'ht zur Kandidatur zum Praetor des Imperium Romanum, … dass dies dem Imperium dienen mag!"
    Er wusste, dass die Furcht vor Pluto gänzlich irrational war, denn auch dieser war nur Teil des Lebens, wiewohl Gracchus weit weniger seinen eigenen Tod fürchtete denn jenen all der Menschen um ihn her - doch eben dies ließ ihn auch in diesem Augenblicke, da er dem letzen Lamm die Kehle durchschnitt, bangen. Während in einer kleinen Fontäne sich das Blut auf den Boden ergoss, sich vermengte mit dem dortigen Lebenssaft, welcher in Teilen allmählich zu gerinnen begann, nahm ein leichtes Zittern Besitz von Gracchus' Händen.

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  • Lediglich akustisch in das weitere Geschehen involviert, vernahm der Knabe die augenscheinlich niemals zu enden geneigte Reihe der Darbringungsoformeln im Konnex mit dem kurz darauf folgenden Wehklagen der zarten Lämmchen, das bisweilen ein Gefühl, einem eisigen Luftzug unterhalb seiner Tunica gleich, evozierte. Als Manius Maior indessen zu der letzten Gottheit gelangt war, deren Bedeutung für eine Kandidatur Manius Minor sich mitnichten erschloss, sie jedoch begründet durch sein Vertrauen in seinen Vater und dessen unermessliches Wissen betreffend aller Fragen der Pax Deorum und ihrer Erhaltung schlichtweg annahm, erschien ihm die Stimme desselben gar ein wenig zu zittern.
    Mochte dies ein neuerlicher Anfall seines mysteriösen Leidens sein? Von Neugier stärker bewegt als der Abscheu vor dem blutigen Schauspiel, das sich ihm darbot, hob der junge Flavius doch den Kopf und registrierte mit Schrecken, dass sein Vater gleich des Kontrollverlustes über seine linguale Potenz auch der koordinativen verlustig zu gehen schien. Dennoch ermahnte er sich zum klaglosen Schweigen, mochte doch jedwede Disturbation des Rituals eine Instauratio erfordern, was unweigerlich ein neuerliches Schlachten nach sich ziehen würde.

  • Sich zur Ruhe zwingend öffnete Gracchus den Bauchraum des schwarzen Lammes, schnitt die Leber daraus und wischte sorgsam das Blut von ihr. In Größe, wie auch in Art und Beschaffenheit glich sie jenen, welche bereits auf der Platte auf dem foculus lagen, dennoch betrachtete Gracchus das Organ mehr als ausgiebig, suchte geradezu nach einem Makel, welchen er nicht konnte finden.
    "Litatio"
    , flüsterte er schlussendlich, blickte erst Minor und hernach Sciurus an als erwarte er Widerspruch, um sodann ein wenig ungläubig, doch etwas mehr von dem Ergebnis überzeugt noch einmal lauter anzufügen.
    "Litatio!"
    Er legte die Leber zu den anderen und wandte sich seinem Vilicus zu.
    "Bringe sie in die Küche."
    Der Sklave tat wie geheißen, um die vitalia kurz zu kochen, ehedem sie für die Götter würden verbrannt werden. Noch immer ein leichtes Zittern in seinen Händen verspürend, ein Kribbeln in seinem Nacken hinzu, trat Gracchus aus der Blutlache heraus und einige Schritte zu einer nahen Kline hin, auf welche er sich sinken ließ, ungeachtet dessen, dass er damit auch auf deren Kissen blutige Flecken hinterließ. Nun gab es kein Zurück mehr. Zwar wusste kein Mensch außer Minor von seinem Vorhaben, doch hatte er es vor den Göttern ausgesprochen, womit es invariabel festgesetzt war, gleichwohl es ohne deren Ablehnung keinerlei Grund gab, die Entscheidung weiter aufzuzögern. Er blickte zu seinem Sohn auf und fragte sich, ob jener wohl konnte begreifen, was in diesem Augenblicke geschehen war, welch fundamentale Wendung sich vollzog, die auch auf seine Zukunft ihre Auswirkung würde haben, doch im Grunde konnte er selbst noch nicht gänzlich erfassen, welche Konsequenzen diese Entscheidung würde mit sich bringen, war doch der Entschluss zur Praetur nur ein Schritt auf diesem Weg. Er würde sich erheben aus den Tiefen, in welche die Larven ihn hatten hinab gezogen, dem Phoenix gleich aus der Asche, er würde sie nicht nur abschütteln und ihrer sich entledigen, sondern gleichsam dafür Sorge tragen wollen, dass auch sie ihre Ruhe fanden, nach welcher so begierig sie sich sehnten. Ein feines Lächeln umschmeichelte Gracchus' Lippen während er auf Sciurus' Rückkehr wartete, um den Anfang des Endes einzuleiten.

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  • Über den Köpfen von Vater und Sohn, oben am Rande des compluviums kauernd, die großen, feurig und zugleich dunkel erscheinenden Augen auf die Opfernden gerichtet und den Blick niemals abwendend, saß ein Käuzchen. Es hatte sich niedergelassen, kaum dass Gracchus Maior den Namen des Herrn von Unter- und Totenwelt gerufen hatte.
    War es derselbe Kauz, der sich im vorletzten Sommer in jenem Baum niedergelassen hatte, der, von einem Blitz gezeichnet, im flavischen Garten stand, nur wenige Schritte vom Atrium entfernt? Der also in dem Baum hauste, den Gracchus einst zum Arbor felix, zum „heiligen“ Baum erklärt hatte?
    Ruhig saß das Tier dort, wenn es denn nur Tier war. Ungewohnt zutraulich wirkte es, für ein solch scheues Geschöpf der Nacht, denn ein solches war es ohne Zweifel. Wenn auch fraglich sein mochte, welch Geist in seinem Inneren hauste.
    War es nicht Pluto, Dis pater, der sich dort höchstselbst eingefunden hatte? War nicht Äides, der Unsichtbare, hier durchaus sichtbar und höchstselbst erschienen und betrachtete er nicht mit Wohlwollen das Tun des alten und des jungen Flaviers?
    So war es wohl. Denn als der Vater zum zweiten mal "Litatio" rief, da flog der Kauz auf, kreiste zweimal um die Dachöffnung, erwiderte das Gerufene mit einem erstaunlich dunklem “hu hu uhuuu“ und entschwand dann ebenso lautlos wie er gekommen war.

  • Es dauerte nicht allzu lange, bis dass Sciurus aus der Küche zurückkehrte mit den gekochten vitalia der Lämmer, und Gracchus erhob sich bereits, als die Schritte des Sklaven im Flur zu vernehmen waren - welche ihm zweifelsohne vertrauter waren denn jene seiner Gemahlin etwa oder seines Sohnes. Der Duft gebratener Leber stieg in seine Nase und erinnerte seinen Gaumen daran, dass auf ihn selbst am Abend zarte Lammfilets würden warten, gebraten in einer Rosmarin-Kräutermarinade allfällig oder überzogen mit einer Honig-Feigen-Kruste - doch zuerst kamen die Götter an die Reihe. Im Vorbeigehen nickte er noch einmal seinem Sohn zu, dass auch dieser für den Abschluss des Ritus noch einmal in höchster Konzentration würde versinken, und wies Sciurus mit einem Wink dem Jungen die Platte mit den vitalia zu reichen, dass er sie seinem Vater würde anbieten können. Nachdem auch Minor bereit war und Sciurus die Kohlen im Feuerbecken hatte angefacht, erhob Gracchus noch einmal seine Stimme.
    "Götter unserer Ahnen, Götter unserer Gegenwart, Götter des Imperium Romanum!
    Ianus, aller Anfang und Ende!
    Iuppiter, Allgestalter!
    Iuno, Allgebärende!
    Minerva, Allwissende!
    Mars, Allstreiter!
    Apollo, Allschaffender!
    Dis Pater, Allzerstörer!
    Nehmt dieses Fleisch für Euch, Götter Roms, wie es Euch zu..steht, als mein Dank für Euer Wohlwollen!"

    Stück um Stück nahm er die Lebern mit einer ehernen Zange und legte sie auf die Kohlen, wo sie in Zischen und Knistern und reichlich graufarbenem Rauch allmählich verbrannten und endgültig die Grenze zum Reich der Göttlichen passierten. Andächtig sah Gracchus dem eine Weile zu, ehedem er sich umwandte und die abschließende symbolische Reinigung über Minor, sich selbst und seinem Sklaven vollzog. Während noch die letzten Reste des Götteropfers in dem Feuerbecken schmorten, ließ er von Sciurus sich die blutige Toga abnehmen, um hernach - die ebenfalls ein wenig blutige Tunika ignorierend - eine Hand auf Minors Schulter zu legen und ihn zu der Kline zu führen.
    "Komme mit hier herüber, Minimus, es gibt noch etwas, über das ich mit dir spre'hen möchte."
    Denn nicht nur durch seinen Vater würde Minors Welt sich baldig ändern.

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  • Nicht wagend, jene andächtige Stimme zu brechen, die sich nun über das Atrium legte wie eine Schneedecke über die Gipfel der Alpes Montes, erwartete der Knabe die Rückkehr des Vilicus und jener Gaben, die im Anschluss den Göttern zur Speise gereicht werden würden. Indessen suchte sein Blick das Gestühl des Daches ab, von wo aus er wenige Augenschläge zuvor den Laut eines Vogels vernommen hatte. Als er gleichwohl kein Wesen identifizieren zu identifizieren vermochte, gab er sich jenen Gedanken hin, in die er sich zu versenken pflegte in all jenen Fällen, in denen ihm zu schweigen geboten war.


    Aus ihnen erweckte ihn freilich Sciurus nach kurzer Zeit aufs Neue, sodass sich ihm die Possibilität offerierte, dem schlussendlichen Gebet seines Vaters zu lauschen, dessen Ritualhaftigkeit seinen Inhalt beiweitem übertraf.
    Kurz darauf drang bereits der abscheuliche Geruch verbrannten Fleisches an seine zarte Nase, die selbige zu rümpfen erforderte. Aufs Neuerliche musste Manius Minor nun ausharren, ehe sich das Angesicht Manius Maiors zu ihm umwandte und durch die rituelle Reinigung den Bann göttlicher Aura brach. Selbstredend nahm er nach dessen darauffolgender Ablegung seines Staatskleides Notiz von den übrigen Spritzern des tierischen Lebenssaften, doch vermochte er diese ignorierend die Adresse erwartungsvoll zu erwidern
    "Was ist es, Vater?"
    Durchaus entzog es sich gänzlich seiner Kenntnis, welche Novität sein Vater ihm mitzuteilen geneigt war, doch die orakelhafte Ankündigung deutete auf ein Faktum größerer Tragweite hin.

  • Gemeinsam mit seinem Sohn setzte Gracchus sich auf die Kante der Kline hinab, suchte sodann den Blick des Jungen.
    "Zweifelsohne hast du letztzeitig bemerkt, dass deine Mutter nicht immer ganz wohl sich befand, dass sie mehr als sonstig sich in ihre Gemä'her zurückgezogen hat."
    Ein feines Lächeln legte sich um Gracchus' Lippen als er im Geiste die neugierigen Augen Minors duplizierte, das wohlgeformte Antlitz, welches ihm mehr dem seiner Mutter zu gleichen schien als seinem eigenen - mit der Ausnahme, dass Minor in den letzten Monaten ein wenig rundlicher geworden, was selbstredend nicht mit Antonias schlanken Konturen in Übereinstimmung zu bringen war.
    "Es besteht gleichwohl ob dessen kein Grund zur Sorge, gegen..teilig deutet dies Unwohlsein auf ein Ereignis freudigen Ausmaßes hin, denn deine Mutter trägt unter ihrem Herzen ein Kind."
    Sorgsam suchte er die Reaktion seines Sohnes zu bemessen, fuhr indes frohgemut fort, um nicht in Minor ein ungutes Gefühl aufkommen zu lassen.
    "Du wirst also bald einen Bruder oder eine Schwester haben!"

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  • Die Introduktion jener Novität insekurierte den Knaben in beträchtlichem Maße, mochte eine derartige Wandlung seiner Mutter doch durchaus auch auf eine Krankheit größeren Ausmaßes hindeuten. Hingegen adumbrierte das sublime Lächeln seines Vaters weitaus erfreulichere, man mochte sprichwörtlich sagen: andere Umstände für seine Mutter. Dennoch vermochte der junge Flavius die Perspektive eines Geschwisterchens noch kaum in ihrer großen Tragweite zu fassen. Vielmehr schenkte er lediglich den gänzlich egoistischen Aspekten einer derartigen Vergrößerung der Familie seine Beachtung: Ein weiteres Kind innerhalb der Villa Flavia würde seine Isolation zweifelsohne aufheben und ihm als Spielkamerad dienen. Angesichts dessen, erschien es ihm selbstredend auch das Geschlecht von höchster Priorität!
    "Hoffentlich ein Bruder! Mit dem könnte ich dann spielen!"
    Dass die Gravidität seiner Mutter indessen wohl erst in geringem Maße vorangeschritten war, das Kind also erst zu einem späteren Zeitpunkt und die Altersdifferenz zwischen Manius Minor und seinem Geschwisterchen beträchtlich sein würde, sodass ein gemeinsames Spiel kaum die Möglichkeit zur Entfaltung gewinnen würde, da es einem Achtjährigen Knaben wohl eher beschwerlich erschien, mit einem Säugling gemeinschaftliche Aktivitäten zu finden, ließ er gänzlich außer Acht.

  • Zufrieden über die unbefangene Reaktion seines Sohnes nickte Gracchus beipflichtend.
    "Ein Bruder für dich wäre zweifelsohne ein Segen der Götter, ins..besondere was eure Zukunft anbelangt. Indes brächte auch eine Schwester unserer Familie Ehre, wiewohl dir gewahr sollte sein, dass dieses Kind ebenso auch Obliegenheiten für dich wird induzieren."
    Er fixierte Minors Blick und fuhr in ernstem, getragenem Tonfalle fort.
    "Als ältester Spross dieser Familie wird es zeitlebens dir obliegen, auf deine Geschwister zu a'hten wenn ich eines Tages aus dem Leben geschieden bin. Allfällig wirst du dann deinen Brüdern den Einstieg in die Ämterlaufbahn erlei'htern oder deinen Schwestern favorable Ehemänner auswählen müssen, doch auch bereits in den kommenden Jahren schon wirst du ihnen ein Vorbild sein müssen, denn sie werden stets zu dir aufblicken."
    Er lächelte, überzeugt von der Vollkommenheit seines Sohnes.
    "Ich bin froh, dass du der älteste meiner Nachkommen bist, Minimus, denn keinen besseren Sohn könnte ich mir vorstellen, diese Aufgabe des Erstgeborenen aus..zufüllen. Vergiss dies niemals, und vergiss niemals, wie stolz deine Mutter und ich auf dich sind."
    Über all diesen Stolz vergaß Gracchus völlig darauf hinzuweisen, dass auch für Minor diese Verantwortung Vorteile würde mit sich bringen, dass die Familie ihm immerdar würde Rückhalt bieten, dass Blut stets dicker als Wasser war - und ihm so allfällig ein wenig die Bürde zu erleichtern, welche er ihm auferlegte, similär wie sein Vater nach dem Tod seines Bruder ihm diese Bürde hatte einst auferlegt, obschon Gracchus zu dieser Zeit bereits weit älter gewesen war als Minor dieser Tage.

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  • Der geradezu feierliche Tonfall, mit der sein Vater nun zu dem Knaben zu sprechen begann, evozierte in diesem eine unbestimmte Ahnung der Gravität jener neuerlichen Bürde, die sich zu jener ohnehin bereits als durchaus bedeutend empfundenen Pflicht der Erwartungen seiner Familie addierte. Noch mochte jene Zeit, in der er die Ehre und Pflicht haben würde das Haupt der Familia Flavia Graccha zu sein, noch in weiter Ferne liegen, dennoch ließ diese Perspektive Manius Minor in nicht geringem Maße befangen werden, erschien ihm doch die Nicht-Existenz seines Vaters gänzlich inimmaginabel.
    "Ich liebe dich und Mama auch!"
    replizierte er schließlich dennoch die erbaulichen Worte Manius Maiors, die dennoch wohl auch weiterhin jene Erwartung transportierten, mit deren Erfüllung der Knabe hoffte all jene parentale Zuneigung gewissermaßen zurückzahlen zu können. Zur Bekräftigung jener tiefen Liebe, die er gegenüber seinem überaus geschätzten Vater empfand, schien es ihm geraten auf diesen zuzutreten und ihn herzlich zu umarmen. Diesem Drang gab er sogleich nach und lag somit bereits einen Augenblick später in den väterlichen Armen.

  • Sein Sohn war - abgesehen von jenen raren Männern, welchen er bisweilen seine zügellose Leidenschaft entgegen brachte, und seinem Vetter Marcus, dessen jovialer Art kaum wohl jemand sich konnte verschließen - der einzige Mensch, dessen Umarmung Gracchus nicht in mehr oder minder unangenehmer Weise befangen machte wie sonstig innige Berührungen, so dass er retournierend die Arme um Minor legte und wieder ein feines Lächeln seine Lippen umschmeichelte. Stets war es in solchen Augenblicken, dass der leise Zweifel in ihm sich regte, ob er in seiner Mangelhaftigkeit wahrhaftig der Vater dieses prachtvollen Jungen konnte sein, doch größer noch als der Hader über sich selbst war sein kompromissloses Vertrauen seiner Gemahlin gegenüber - wiewohl deren Perfektion allfällig ebenfalls der Garant für seine perfekten Kinder mochte sein. Allzu lange indes konnte Gracchus die emotionale Vertrautheit, den innigen Konnex nicht über sich ergehen lassen, saßen doch die Muster seiner Vergangenheit zu tief in seinem Geist, zu tief in seinem Fleisch.
    "Wir sollten uns allmählich umziehen."
    Sanft schob er den Körper seines Sohnes - der trotz dessen, dass er ein recht properer Junge geworden war, ihm doch stets so zerbrechlich schien - von sich.
    "Denn obglei'h der Anlass ein durchaus honoriger mochte gewesen sein, so wird es deiner Mutter doch kaum behagen, wenn wir uns zum Abendessen blutbefleckt in das Triclinium legen."

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  • Nachdem der Knabe für wenige Herzschläge die Geborgenheit und bedingungslose Zuneigung, die sich in einem derartigen Gestus manifestierte, genossen hatte, brach sein Vater jenen behaglichen Bann und rekurrierte neuerlich auf den Anlass des Zusammentreffens wie auch dessen Resultate. Ein wenig zögerlich zog der junge Flavius ob dessen seine Hände zurück und blickte wieder hinauf zu Manius Maior, dessen niemals müßiger Geist stets bereits die Zukunft im Sinn hatte.
    "Gut, dann essen wir heute Abend zu Hause?"
    richtete er ob dessen sogleich eine Frage an Manius Maior, da ihm auch in seinen noch jungen Jahren nicht selten die Pflicht oblag, seine Eltern zu gesellschaftlichen Anlässen, insonderheit Convivia, zu geleiten, was ihm stets ein hohes Maß an Geduld, sei es in Erwartung der kredenzten Speisenfolge, sei es bis zur Vollendung der parentalen Gespräche, abverlangte. In der Villa Flavia hingegen und im engsten Kreise der Familie pflegte der Knabe hingegen mit größter Freude sein Nachtmahl einzunehmen, woraufhin ihm nicht selten gestattet wurde, einfach zu seinem Spiel zurückzukehren.

  • Bestätigend nickte der Vater und konnte sich eines schiefen Lächelns nicht erwehren.
    "Das werden wird - Lamm in den köstli'hsten Variationen."
    Gracchus mochte besonders, wenn der Koch das Lamm mit viel Kümmel und Anis würzte, oder aber die passenden Saucen aus Senf oder Sauerampfer bereitete, doch bei der Menge an Fleisch, welche die beiden Gracchen zurückliegend geopfert hatten, würde es sicherlich diverse Köstlichkeiten am Abend geben. Er hoffte nur, dass Aetius bereits eine Verabredung außer Haus hatte arrangiert und nicht zufälligerweise ob der Speisen sich würde zu ihnen gesellen wollen.

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  • Obschon der Knabe dank seiner bisherigen Impressionen, die sämtlich aus den besten Küchen Roms stammten, niemals gravierende Differenzen qualitativer Art zwischen unterschiedlichen Speisegelegenheiten hatte konstatieren können, erfreute ihn doch die Perspektive eines köstlichen Lammbratens durchaus, selbst wenn er doch Geflügel ob seiner Weichheit präferierte.
    "Dann gehe ich mich umziehen!"
    verkündete er daher und machte sich eiligst auf, sein Opfergewand gegen ein für die Cenatio geeignetes Kleidungsstück zu tauschen, das seine Sklaven ihm zweifelsohne bereits sorgsam präpariert hatten.

  • Einige Augenblicke noch stand Gracchus im Atrium, blickte der unsichtbaren Spur hernach, welche sein davoneilender Sohn hatte hinterlassen, umhüllt von dem leisen Knistern aus den Kohlebecken, wo noch immer die letzten Reste der Opferung verbrannten, ehedem er seinem Sklaven Sciurus sich zuwandte.
    "Trage dafür Sorge, dass am morgigen Tage alles bereit ist, um die Kandidatur vorzubereiten."
    Ein wenig gemächlicher, doch nicht weniger beschwingt als sein Sohn tat Gracchus es sodann diesem gleich, ein geeignetes Gewand für das Abendessen anzulegen.



    ~~~ finis ~~~

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