Das war ein Scherz. Das war alles nur ein verdammt schlechter Scherz, oder? Das konnte doch unmöglich ihr Ernst sein, dass aus der Taktik 2.0 nun eine Erpressung 2.0 wurde. Oder? Nach diesem Vortrag seiner Frau war Dives kreidebleich und hockte reglos starr vor der mittlerweile wieder stehenden Fausta; der schwangeren Fausta. Dann war sie also tatsächlich in der Hochzeitsnacht von ihm schwanger geworden. Oder war das alles nur eine Finte? Der Arztbesuch vor einigen Tagen jedenfalls war auch dem Iulier nicht entgangen. Und wieso sollte sie jetzt auch soeine Geschichte plötzlich aus dem Hut zaubern? Wie käme sie darauf, wenn nichts Wahres an all dem wäre?
Überhaupt machte diese ruhige Sprechart und diese ganze Offenheit, mit der sie ihm von ihren Motiven ihre Klage gegen Sedulus betreffend erzählte, einen alles andere als unglaubwürdigen Eindruck: Fausta konnte die Quintilia nicht leiden. Die Quintilia war mit Aculeo verlobt. Also fand sie einen Grund, um einen Keil zwischen die beiden zu treiben. Einen womöglichen Imageschaden zu Geld machen zu wollen, das passte doch ganz gut zu Fausta, die ja praktisch immer nur ihren eigenen Nutzen im Sinn zu haben schien. Dann hatte Sedulus sie abgewiesen und sie hatte nun einen Grund gefunden, um gegen ihn aktiv zu werden... juristisch. Diese Ereigniskette ergab Sinn - genauso wie es durchaus Sinn ergab, dass Dives einen eigenen Erben in den Wind schreiben könnte, wenn sie publik machte, was sie wusste. Jede Frau und jeder Vater einer Tochter mit dem Wunsch nach Nachkommen würde es sich vermutlich dreimal überlegen, ob ein Mann mit Vorliebe für andere Männer da der geeignete Ehepartner wäre. Und Adoption? Wer wollte schon für einen Vater bekannt sein, der überall nur abschätzig belächelt wurde? Darüber hinaus hatte Fausta auch durchaus einen Punkt mit Torquata. Sie wäre niemals seine Tochter geworden, hätte sie nicht Vestalin werden wollen und sollen; hätte sie nicht dringend einen temporären Vater vor dem Gesetze gebraucht... Er war nur ihr Mittel zum Zweck, ganz egal wie schön man sich das gegebenenfalls reden mochte und wie gut auch umgekehrt eine Vestalinnentochter dem Iulier zu Gesichte stünde.
Dives ließ sich aus der Hocke mit den Knien kraftlos auf den Boden fallen, seinen Kopf nach unten gewandt und leicht schüttelnd. Eben noch hatte er geglaubt, geträumt, dass er nach langer Zeit endlich wieder einmal frei sein könnte! Wie ein Hahn war er enthusiastisch aus dem hölzernen Hühnerstall gestürmt... wie ein Hahn, der nun feststellen musste, dass auch der umzäunte Außenbereich noch lange nicht die ersehnte Freiheit war. Er hatte keine Optionen. Denn in der Tat, er hätte niemanden mehr! Stattdessen (statt keinen Optionen) hatte er dazu auch noch eine Verpflichtung - gegenüber seinen Verwandten und Ahnen; gegenüber seinem künftigen Sohn.
So also blieb der Iulier in der prächtigen Tribunenuniform mit gesenktem Haupt kniend in dem gemeinsamen Gemach zurück, schweigend darauf hoffend, dass dieser ganze Alptraum dann vielleicht in ein paar Monaten vorbei wäre, wenn sein Sohn erst einmal als Iulius auf der Welt sein würde. Insgeheim jedoch, er ahnte es bereits, würde er wohl auch in ein paar Monaten nur genauso aus dieser Erpressung heraus kommen, wie er nach seiner Hochzeit aus ersterer Erpressung gekommen war - gar nicht. Und so würde es wohl oder übel zu der Klage gegen Sedulus kommen. Einen entschuldigenden Brief würde Dives ihm vielleicht noch schreiben. Davon, die Toga anzuhaben in dieser Ehe, war der iulische Tribun und Hausherr jedenfalls weit entfernt dieser Tage... dieser jetzt schon nur einsamen Tage.