[Officium IX] Procurator Civitatium

  • http://www.kulueke.net/pics/ir/nscdb/e-roemer-maenner/31.jpgAn der Schläfe des Quaestors war, wenn man genau hinsah, ein leichtes Pochen zu sehen. Zornesröte schoss Appius Icilius Cotta ins Gesicht, aber er konnte seinem Ärger keine Luft machen, ohne sein Amt zu gefährden. Vor Duccius musste er kuschen, wenn er keine Schwierigkeiten haben wollte. Dieses unverschämte Subjekt brachte sein Blut zum kochen.


    "Wie meine Vorgänger ihre Arbeit gemacht haben, das zu prüfen ist deine Aufgabe, werter Procurator Civitatium", bemerkte der Quaestor zunächst süffisant.


    Da er aber nicht weiter gegen seinen 'Vorgesetzten' schießen wollte, gab er zwangsweise nach: "Ich werde mir die Formae besorgen. Jedenfalls kann ich dir versichern, dass unter meiner Führung immer ordnungsgemäße Steuersätze erhoben wurden." Man konnte seine Zähne förmlich knirschen hören, während er sich zu einem letzten Eingeständnis durchrang: "Sobald ich die Korrektheit der Formae geprüft habe, werde ich dann über die Notwendigkeit der Einstellung von Agrimensores nachdenken."



  • "Nicht nur die Arbeit deiner Vorgänger", erwiderte Witjon eisig die Anmaßung des Quaestors, ihm seine Aufgaben aufzeigen zu wollen.


    "Die Ergebnisse zählen, Icilius. Mich interessiert nicht, wie du es machst. Mich interessiert, dass die Civitas so läuft wie sie soll. Und das tut sie in deinem Aufgabenbereich gerade nicht. Ändere das und ich werde mich nicht beschweren."


    Er war des Iciliers Gesellschaft nun langsam überdrüssig. Mit einem herrischen Wink entließ er den Mann. "Du kannst dich jetzt entfernen. Informiere mich, wenn du die Formae geprüft hast. Die kannst du übrigens direkt im Archiv abholen. Nur den Gang runter auf der linken Seite."


    Witjon faltete die Hände vor sich auf dem Schreibtisch und fixierte den Quaestor herausfordernd. "Vale", komplimentierte er den Icilier sodann hinaus.

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    Appius Icilius Cotta schnaubte verächtlich. Er erhob sich ruckartig und strafte den Duccius mit einem derart bösen Blick, dass man meinen könnte er wolle sein Gegenüber gleich am liebsten mit den auf dem Schreibtisch liegenden Wachstafeln erschlagen.


    Ohne ein weiteres Wort drehte der Quaestor sich auf dem Absatz um und rauschte aus dem Raum. Was blieb war der Geruch von Zorn- und Angstschweiß. Der Duccius konnte sich sicher sein, heute einen Feind mehr gewonnen zu haben.



  • Solange der Quaestor ihn böse anstarrte, hielt Witjon seine frostige Miene aufrecht. Er starrte zurück, regte sich ansonsten aber nicht weiter. Sollte der kleine Mann sich doch aufregen. Witjon juckte das nicht. Er war einflussreich genug, um sich von so einer kleinen Streitigkeit nicht gleich nervös machen zu lassen.


    Als der Icilier schließlich wutentbrannt aus dem Zimmer gestürmt war, konnte Witjon endlich ganz frei sein breites Grinsen rauslassen. Zufrieden lehnte er sich zurück und rieb sich die Hände. Jetzt hatte er erstmal Hunger.

  • Nachdem Witjon den Quaestor der Civitas damals zusammengestaucht hatte, waren dem Procurator Civitatium keine weiteren negativen Berichte über die Kassenlage und die Steuererhebung mehr untergekommen. Witjon zeigte sich dahingehend entsprechend zufrieden und widmete sich nunmehr anderen Problemen, nicht jedoch ohne einen seiner Amtshelfer mit der Überwachung der mogontiacischen Quaestur zu beauftragen.


    Nun saß er erneut an seinem Schreibtisch, in Arbeit vertieft. Ihm gegenüber waren zwei Schreiberlinge zu Salzsäulen erstarrt, während ihr Chef eine Wachstafel überflog. "Gnarf", brachte Witjon zähneknirschend hervor und warf die Tabula achtlos einem der Schreiber zu, der Mühe hatte sie aufzufangen ohne die restlichen Schreibutensilien auf seinem Arm im Raum zu verteilen. "Alle beschweren sich, dass nichts getan wird. Merken die eigentlich, dass wir mitten im Winter stecken? Wie sollen denn jetzt bitte Straßen saniert werden? Hä? Kann mir das einer mal verraten?"


    Die Schreiber, deren bleiche Haut davon zeugte, dass sie das Tageslicht nicht allzu häufig zu sehen bekamen, blinzelten unbeeindruckt und zuckten mit den Schultern. Witjon seufzte.
    "Hach, alles muss man selber machen. Ich werde mich wohl mal mit Statilius unterhalten müssen...", was den Schreibern nur ein gleichgültiges Nicken abrang.

  • Als sein Gemüt sich wieder etwas beruhigt hatte, gab Witjon den Schreibern einen Wink, dass es weitergehen konnte. "Also gut, was haben wir noch?" Er ließ sich weitere Wachstafeln vorlegen.


    "Ein Bericht aus Dumno. Ein Kaufmann lamentiert, dass die dortigen Decuriones wucherische Zölle an der Provinzgrenze erheben."
    "Ahja? Hm. Setz einen Brief auf mit der Warnung, dass der Verkehr nach Augusta Treverorum nicht übermäßig belastet werden soll. Lass überprüfen wie hoch die Zölle wirklich sind und leg mir beides noch einmal vor, bevor wir direkt einschreiten." Er legte die Tabula zur Seite. "Was noch?"


    "Bei Lopodunum sollen vemehrt Banditenrotten gesichtet worden sein. Es gab offenbar schon direkte Überfälle auf Villae Rusticae im weiteren Umland der Civitas. Besonders je näher es gen Limes geht, scheint sich eine Menge Gesindel herumzutreiben."
    Witjon nahm den Bericht entgegen, sparte es sich jedoch die Zeilen noch einmal zu überfliegen. "Klingt mir eher nach einer Aufgabe für die Legion oder die Ala. Was soll ich damit?"
    "Die Duumvirn haben sich direkt an die Regia gewandt, weil sie von dir offenbar eher Hilfe erwarten als von den Militärs."
    Der Procurator Civitatium nickte verstehend. Er konnte es den Magistraten von Lopodunum nicht verdenken. "Nicht dumm. Ich muss der Legion sowieso einen Besuch abstatten. Setze das auf meine Tagewerkliste."


    "In Vesontio herrscht eine Nahrungsknappheit. Die Duumvirn haben es versäumt genügend Reserven zurückzuhalten, nachdem die Legion auf dem Heimweg nochmal versorgt werden musste und scheinbar sind die Mittel zu knapp, um jetzt in höchster Not Getreide nachzukaufen. Sie bitten die Provinzverwaltung - sprich: dich - um Finanzhilfe."
    Verärgert runzelte der Duccius die Stirn. "Als könnte ich das entscheiden!", blaffte er den Schreiber an. "Also noch ein Problem, das ich dem Statilier auf die Nase binden darf. Na gut, das soll's für's erste gewesen sein. Geht mir fott mit dem restlichen Driss, ich muss jetzt erstmal etwas essen..."


    Die Schreiber sahen sich verdutzt an. Wenn es so weit kam, dass der Procurator sein germanisches Kauderwelsch ins lateinische Amtssprech einbaute, war es für sie Zeit sich zügig zu verdünnisieren. Sollte der Duccius sich erstmal beruhigen, dann könnten sie später weiter fortfahren.

  • [Blockierte Grafik: http://www.kulueke.net/pics/ir…/f-roemer-soldaten/16.jpg]


    Der Miles führte den Petronier zügig von der Porta Regiae durch die Gänge der Regia, wo er alsbald vor einer Tür halt machte. Er klopfte energisch an und trat kurz darauf ein.


    "Procurator Duccius, hier ist ein Titus Petronius Marcellus, der dich sprechen möchte. Ist im Auftrag des Duumvirs hier."




    MILES - PEDITES SINGULARES

  • "Salve Procurator Duccius mein Oheim entsendet Grüße und bittet dich mir Auskünfte über verschwiedene Punkte zu geben. Zuerst einmal geht es um eine leidige Angelegenheit und zwar der Frage ob bei Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Römer und einem Perigrinus als Verhandlungsort tatsächlich Roma glbt gem. $1 Satz 1 des Codex Iuridicialis und nicht XVI. De Iuris Dictione Municipale. Mein Oheim und ich können das fast nicht glauben, dass für alle Rechtsstreitigkeiten auf Rom zugegriffen werden muss. Das würde ja ein totales Chaos verursachen. Der Oheim wäre sehr dankbar wenn du ihm eine vernünftige Lösung anbieten könntest."


    "Weiterhin versucht der Oheim ständig Kontakt zum Architekten Lysander, seinen Plänen und Kostenvoranschläge zu bekommen um den geplanten Neubau der Curia voranzutreiben. Du weisst nicht zufällig wo man diesen Lysander finden könnte um an seine daten heranzukommen?"


    Marcellus war froh das in Marsus vorgelassen hatte, der Mann hatte Ahnung und konnte ihm sicherlich sehr schnell helfen. Und vielleicht könnte er ihn Fragen ob er Naha besuchen könnte. Aber wahrscheinlicher war es, dass Marcellus sich nicht traute zu fragen. Irgendwie hatte er alles total verkehrt gemacht.

  • "Salve Petronius", erwiderte Witjon den Gruß des jungen Mannes, der da vom Miles hereingeführt wurde. Witjon erhob sich von seinem Platz am Schreibtisch und wies auf einen Stuhl. "Nimm doch erstmal Platz", bat er höflich aber bestimmt und reichte dem Petronier kurz die Hand zum Gruß, bevor er sich selbst wieder niederließ.


    "Also nochmal der Reihe nach", ging er dann auf die Anliegen seines Gegenübers ein. "Erstmal die Rechtsfrage. Das Problem des Gerichtsstands ist bekannt, aber noch nicht zufriedenstellend gelöst. Ich für meinen Teil bin der Meinung, dass es gewohnheitsrechtlich anerkannt ist, dass die Duumvirn selbst vor Ort Recht sprechen dürfen, ohne in Konflikt mit dem Codex Iuridicalis zu geraten."


    Er machte eine Kunstpause, während der er sich im Stuhl zurücklehnte, die Ellenbogen auf die Tischkante stützte und die Finger aneinanderlegte.


    "Erst recht muss dies dann also gelten, wo nun die Lex Municipalis den Duumvirn eben jene Gerichtsbarkeit zubilligt. Da die Lex Municipalis nun vom Imperator abgesegnet ist und zeitlich jünger als der Codex Iuridicus ist, muss die Lex Municipalis als Lex Specialis der Lex Generalis vorgehen."


    Da er fürchtete, den Petronier mit den Rechtsbegriffen zu verwirren, konkretisierte er nochmal: "Sprich: Die Lex Municipalis hat für Mogontiacum Gültigkeit vor dem Codex Iuridicalis, soweit Abweichungen bestehen. Dein Oheim darf somit als Duumvir Recht sprechen. Das ist meine Meinung. Falls Petronius Crispus das nicht reicht, kann ich natürlich eine Anfrage an den Statthalter einreichen."

  • "Ah ha" kam es vom Petronier überrascht und befriedigt hervor. Marcellus beneidete so erfahrene Menschen wie Marsus. Zielsicher hatte dieser die Problematik erkannt und die passende Lösung dazu gegeben. Diese Festigkeit des Wissens wollte sich der junge Petronier auch aneignen. "Da bin ich jetzt aber beruhigt und freue mich für den Oheim. Ich denke die Partei die sich auf den Codex Iuridicalis in ihrer Überheblichkeit berufen darf sich warm anziehen." Marcellus stellte sich die Gerichtsverhandlung schon einmal bildlich vor. Der römische Bürger würde vermutlich einen mächtigen Einlauf bekommen. Marcellus hoffte nun noch darauf, dass Marsus ihm auch noch die zweite Frage beantworten könnte um so schnell wie möglich seinem Oheim Vollzug zu melden.

  • Witjon lächelte gutmütig. Marcellus hatte offenbar mit einer derart klaren Aussage nicht sofort gerechnet.


    "Ich bin mir sicher, dass der gewesene Centurio Marcus Crispus keine Probleme haben wird, sich mit dieser Rechtsansicht gegen Widerstand durchzusetzen", sagte über fröhlich und zwinkerte Marcellus zu.


    "Und jetzt kommen wir zu der anderen Sache. Mein Architekt hat ein kleines Arbeitszimmer am Forum. Eines von diesen schmalen Ladenlokalen, die mittlerweile auch bei fleißigen Leuten ohne Warenverkauf so in Mode gekommen sind."
    Er meinte damit Architekt, Rechtsgelehrter, Gerichtsredner oder Geldwechsler, die für ihre Kundschaft ein zentral am Forum gelegenes Büro präferierten. Wer empfing schon gerne seine Kundschaft zuhause, wenn es da morgens schon ständig vor Klienten wimmelte?
    "Allerdings, falls du dir Arbeit sparen möchtest...ich wollte sowie noch bei ihm vorbeischauen und mir seine Voranschläge geben lassen. Auf der nächsten Sitzung präsentiere ich das dann selbst - mit Lysander im Schlepptau natürlich. Außer dein Oheim besteht fest darauf, schon vorher alle Unterlagen einzusehen."

  • Marcellus war glücklich als er hörte das der Duccier selber noch bei seinem Architekten vorbeisehen wollte. Das würde die Arbeit für seinen Oheim erleichtern.
    "Ich denke mein Oheim hat sicherlich nichts dagegen wenn wir das so machen. Ich danke dir vielmals für deine Hilfe. Ich möchte dich auch nicht länger stören da du sicherlich viel um die Ohren hast. Ich entbiete dir dahingehend auch im Namen meines Oheims seinen Dank für deine Hilfe."
    Ob nun diese Rede richtig war oder zu überschraubt, Marcellus wollte eigentlich nur seine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen und verfiel dabei in das alte Latein mit den verdrehte Äußerungen. Doch so wie er Marsus einschätze verstand der ihn sicherlich. Marcellus war noch nie so mächtigen Männern wie Marsus und seinem Onkel begegnet und erkannte neidlos ihre Überlegenheit an. Im Gegenteil bewunderte er diese Männer.

  • Witjon winkte ab. "Kein Problem, ich helfe gern, wo ich kann." Er lächelte freundlich und streckte dem Petronier die Hand zum Abschied entgegen. "Schon gut, der Familie hilft man doch selbstverständlich aus. Immerhin ist Marcus der Onkel meiner Frau." Dass Marcellus nun den Abmarsch antreten wollte, passte Witjon trotz allem gut, denn er hatte noch zu tun. Darum sagte er schließlich lakonisch: "Wir sehen uns ja beim Abendessen."

  • Marcellus wollte ja unbedingt zu den Adlern und so dachte er sich es wäre günstig sich um einen Patron zu kümmern, der die Gegebenheiten vor Ort kannte, großen Einfluss hatte und ihn mit kluger Rede helfen konnte vorwärts zu kommen. So viel seine Wahl auf Marsus, den er ja schon kannte und von dem er wusste wie mächtig er war. So betrat er das Officium und meinte folgendes:
    "Salve Marsus ich bin heute einmal nicht im Auftrag vom Onkel unterwegs, sondern möchte dich in einer privaten Angelegenheit sprechen. Wie du weisst möchte ich ja gerne zu den Adlern und ich wollte fragen ob du mir nicht eine Empfehlung ausstellen könntest. Ich möchte gerne Offizier bei der Legion werden." Mit begeisterten Augen sah Marcellus Marsus an. Endlich hatte er es geschafft und würde zu seiner geliebten Secunda wechseln können. Es doch alles so einfach.

  • "Schonmal was von Anklopfen gehört, Petronius?", schmunzelte Witjon gutmütig, als der junge Petronius so ungestüm seinen Arbeitsraum betrat.


    Bevor Marcellus sich jedoch wortreich entschuldigen konnte, winkte er lächelnd ab und ging auf dessen Bitte ein: "Du möchtest Offizier bei der Legion werden?", wiederholte er neugierig. "Na, ich denke eine solche Sache besprechen wir am besten außerhalb meiner Arbeitszeit bei einer Mahlzeit in 'ner Garküche unten auf dem Forum, was meinst du?" Fragend sah er Marcellus an und klopfte dabei auf einen kleinen Stapel Wachstafeln, den er noch abzuarbeiten hatte. "Kennst du einen Laden, wo man etwas Gutes bekommt? Dann können wir heute Mittag ja zusammen hingehen."

  • Marcellus war ganz perplex da hatte er ja gleich beim Anfang seiner Karrierebesprechungen sich komplett trottelig verhalten. Aber der große Marsus hatte einfach darüber hinweg gesehen. So musste man Marsus erst mal nachmachen können.
    "Ja selbstverständlich möchte ich deine kostbare Dienstzeit nicht mit meinen Problemen belasten. Ich weiss da eine tolle Garküche und zwar die von Otmar. Die beste Garküche dies weit und breit gibt." Er war Germane und ziemlich rüde im Ton aber das Essen war wirklich gut, dass war sein ganzer Stolz und darauf konnte Otmar sich auch was einbilden. Marcellus liebete Mogonitiacum über alles und auch die Germanen erschienen ihm gar nicht schlimm. Manchmal dachte er sich müsste man einfach mal zuhören als Römer und nicht immer mit dem Gladius antworten.

  • "Schon gut", winkte Witjon freundlich ab. Irgendwie amüsierte ihn die Art des Petroniers. Witjon nahm sich gerne Zeit für die Probleme anderer Leute und so unglaublich kostbar war seine Dienstzeit ja nun auch nicht. Trotzdem fand er es wichtig, zwischen Dienst und Privat zu unterscheiden.


    "Otmars Garküche, ja gern. Dann bis gleich", stimmte Witjon schließlich zu und verabschiedete seinen Gast auch im selben Atemzug. Er kannte Otmars Garküche noch aus den Zeiten, in denen er auf dem Forum Wahlkampf für seine Sache gemacht hatte. Zufrieden über Marcellus' Entscheidung wandte er sich wieder seiner Arbeit zu.

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