Officium MFG | Gewittrig, ohne jede Spur von Sonne

  • Als Sciurus die Nachricht aus Aegyptus ankündigte, schlich sich Nervosität in Gracchus' Sinne, denn es war ihm unvorhersehbar, wie Faustus Serapio mochte geantwortet haben auf die wenigen hilflosen Zeilen, welche er ihm hatte gesandt, obgleich noch immer die Hoffnung, das Sehnen und Verlangen nach dem geliebten Hephaistion in ihm überwog.


    Salve Manius.


    Warum schreibst Du mir noch? Unser Meditrinalientraum ist ausgeträumt! Glaubst Du wirklich, ich könnte es Dir verzeihen, dass Du dich an der abscheulichen Intrige gegen meinen Vater beteiligt hast?! Du, der Du mir so eindrücklich versichert hast, wie Dir das Unsaubere an der Politik widerstrebt! Mein Vater ist der aufrechteste Römer, den es gibt, unzählige Schlachten hat er für das Imperium geschlagen und die größten persönlichen Opfer gebracht. Er scheut sich nicht, die Wahrheit gerade heraus zu sagen. Anders als ihr feigen, willfährigen Handlanger der Macht, die ihr ihn mit diesem lächerlichen "Prozess" in das politische Aus getrieben haben. Warum?! Warum nur hast Du Dich zu so etwas herabgelassen??!
    Ich habe mich unendlich in Dir getäuscht! Wahrscheinlich wollte ich mich täuschen. Mir nicht eingestehen, dass ich mich nur in eine Maske verliebt habe... eine golden strahlende, blendende Maske. Die Meditrinaliennacht war so schön. Aber hier in Ägypten habe ich etwas viel realeres gefunden, in der romantischen Freundschaft zu einem anderen Soldaten.


    Vale
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    Schon das erste Wort, schon die Begrüßung strafte alle Hoffnung Lügen. In höchster Perfektion unerschütterlicher Ataraxie las Sciurus die Worte des fernen Faustus, suchte augenscheinlich die Härte darin durch die Neutralität seiner Stimme ein wenig zu nivellieren, doch jedes Wort glich einem Schlage ins Gesicht, einem Messerstich in Gracchus' Herzen. Weit mehr noch als dass diese harschen Worte den Sinnen seines geliebten Hephaistions waren entsprungen, weit mehr noch als die unbarmherzige Härte darin, weit mehr als der unrechte Vorwurf, und selbst mehr noch als die Tatsache, dass sein Geliebter längst einen anderen liebte, schmerzte Gracchus die Wahrheit darin, denn Faustus hatte unbezweifelt recht - er war längst eines jener willfährigen Scheusale geworden, über welche er stets hatte geglaubt urteilen zu können. Er hatte sich treiben lassen zwischen den Strömungen der Macht, war durchaus einem Ufer nahe gekommen, doch ohne jemals an Land zu gehen, denn es war seine Feigheit, die ihn dazu trieb im Wasser zu verharren, jederzeit bereit abzutauchen. Letztlich war es auch bei dem Prozess nicht anders gewesen und die einzig wahrhaftige, die einzig veritabel Tat, welche er je hatte vollbracht, war der Konspiration um Tiberius sich anzuschließen zum Wohle des Imperium Romanum - doch ob dies tatsächlich im Rückblick der Ereignisse mochte als honorige, gar nur als rechte Sache bezeichnet werden, dies würde die Geschichte erst noch zeigen müssen, wiewohl Gracchus auch dabei kaum mehr als eine Randfigur war. Selbstredend hatten die Vorwürfe Faustus' nichts mit dieser Angelegenheit zu tun, und unbezweifelt war es unfair von ihm zu verlangen, das geltende Recht zu ignorieren, nur um seinen Vater von allen Vorwürfen frei zu sprechen - doch dies war längstens ohne Bedeutung, denn die Realität hatte sie augenscheinlich eingeholt - Faustus die Erfüllung romantischer Freundschaft, Gracchus die Wirklichkeit der Liebe, welche für ihn stets nur in Misere und Pein endete. Nicht einmal noch Zorn konnte in seinem Inneren aufkeimen über die kaltherzigen Vorwürfe, nicht einmal Gram über die verlorene Liebe, nurmehr endlose Traurigkeit blieb nach Sciurus' Verstummen in Gracchus zurück, welche allmählich wurde verdrängt von Leere, jener dumpfen, starren Leere, in deren Umarmung der marginale Wert des eigenen Lebens bedeutungslos, in deren stiller Reglosigkeit die Realität vergessen ward. Nur der leise, kalte Hauch der Schatten um ihn her erinnerte ihn daran, dass all seine Bemühung ohnehin von Beginn an zum Scheitern waren verurteilt gewesen, dass sie niemals würden zulassen, dass das Glück ihn beständig umfing, dass in jedem goldenen Anbeginn stets schon ein staubiges Finale inne wohnte. Langsam, als wäre die Zeit zähflüssig wie Honig, blätterte die Farbe ab von den Wänden und Decken, rieselten die feinen Körner auf ihn herab, brachen immer größere Stücke des Gesteins aus dem Mauerwerk, das letztlich unter der Last der Realität musste nachgeben, dass der gesamte prächtige Flügel, welchen Gracchus in den zurückliegenden Monaten akribisch hatte in seinem Gedankengebäude errichtet und ausgestaltet, um dort die Erinnerungen, die Schätze und Sehnsüchte um Faustus Serapio zu bewahren und zu kultivieren, in sich zusammenstürzte und ihn unter sich begrub, ihn zermalmte zwischen den staubigen Trümmerstücken und dem scharfkantigem Schutt eines zerbrochenen Traumes.

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  • Die Sonne sank langsam zum Horizont hinab, färbte den westlichen Himmel in ein tiefes, blutiges Rot, wurde Stück um Stück von der gefräßigen Erde verschlungen, bis dass nurmehr fahle Dämmerung übrig blieb. Noch immer saß Gracchus regungslos in seinem Raum, starrte gegen die Wand ohne die Realität um sich her wahrzunehmen und wandelte ziellos durch die staubige Ödnis seines Inneren, die ein beständig gleiches Bild bot aus devastierter Erinnerung, verlorener Hoffnung und vertanen Chancen. Es war der Schrei eines Käuzchens vor den Fenstern - allfällig saß es in dem prächtigen Mandelbaum, dessen große Blätter nun im Sommer kühlen Schatten spendeten und dessen Zweige bereits vollbeladen waren mit den grünfarbenen Früchten, oder in den Zweigen des arbor felix, dessen niedrige, weißfarbene Umzäunung erst jüngst war erneuert worden -, welches Gracchus aus der Trübnis seiner Gedanken riss.
    "Nimm dir eine Tafel und schreibe auf"
    , wies er Sciurus an, welcher ebenso reglos wie sein Herr all die Zeit im Zimmer hatte verharrt, dessen unbekannte Gedanken jedoch weitaus umtriebiger waren gewesen. Selbstredend hatte der Sklave mit der Nachricht bereits eine Wachstafel mit in den Raum gebracht, so dass er diese nun zückte und aufschlug, den Griffel in die Hand nahm, bereit die Worte seines Herrn aufzunotieren. Es brauchte nicht viele Korrekturen, denn im Angesicht seiner eigenen Fehlbarkeit schien es Gracchus obsolet, die nüchternen Worte in ihrer perfekten Klangfarbe anzuordnen, den Sätzen eine Melodie ferner Sehnsucht zu spenden.
    "Wenn du es auf Pergament übertragen und abgesendet hast, dann suche die Zeilen heraus, die ich letzte Woche ver..fasst habe. Ich möchte, dass du das Wachs aus der Tafel schabst und eine Kerze daraus formst."
    Es waren Zeilen seiner Sehnsucht, Zeilen seiner Liebe zu Faustus, die nun allfällig nicht einmal mehr den Rauch wert waren, welche die Flamme würde erzeugen - doch dem Schmelzen des Wachses zuzusehen würde Gracchus' Sehnen langsam lösen, würde Begierde und Zuneigung sich verflüchtigen lassen dem in die Höhe entweichenden Dunst gleich, würde jeden Funken der Hoffnung in ihm ausbrennen, bis dass nichts mehr würde übrig bleiben als nurmehr das Skelett verlorener Liebe, welches er würde aus der Asche aufsammeln den Knochen einer Leichenbestattung gleich, welches er sorgsam würde betten in sein inwendiges Mausoleum, in welchem bereits sein geliebter, erster Sciurus und die Erinnerung an Caius waren sorgsam verborgen vor den Fängen des garstigen Fluches, der sein Leben bestimmte.

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  • Neuerlich fiel Gracchus in tiefe Apathie nachdem Sciurus den Raum hatte verlassen, um die Worte seines Herrn auf ein Pergament zu übertragen, und er wusste nicht, wie spät es bereits war als der Sklave zurückkehrte, den Brief ihm zur Unterschrift vorlegte und eine Kerze auf den Tisch abstellte. Nachdem Sciurus noch einmal die Worte hatte vorgelesen, kritzelte Gracchus ohne weiter darüber nachzudenken seinen Praenomen unter die Zeilen hin.


    Tribunus Angusticlavus Faustus Decimus Serapio, Legio XXII Deiotariana, Nikopolis, Alexandria et Aegyptus


    Geliebter Faustus,


    niemand ist ohne Fehl, dies solltest du stets bei allem Vorwurfe beachten, nicht dein Vater, und weit weniger noch ich selbst. Hätte ich vor Beginn geahnt, worum es bei diesem Prozess geht, so hätte ich das mir angetragene Amt abgelehnt, doch als der Name deiner Familie fiel, war es bereits zu spät. Ich kann und will indes nicht meine Handlung vor dir rechtfertigen, denn es sollten Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe ebenbürtig nebeneinander stehen, und nicht das eine das andere negieren. Dennoch - gegen meine eigene Überzeugung - suchte ich das Strafmaß des Urteiles zu euren Gunsten zu beeinflussen, wiewohl meine Stimme nur eine von dreien war.


    Die Politik des Imperium Romanum ist längst ein weit tieferer Moloch als sie es in den letzten Jahrzehnten je gewesen ist, es reicht längst nicht mehr aus eigener Kraft darin zu schwimmen, und wer nicht auf eines der Boote der Mächtigen sich emporziehen lässt, wird gnadenlos von der Charybdis verschlungen, welche am Grunde lauert - so wie es deinem Vater geschehen ist, denn die Politik ist keine Schlacht, bei welcher man genau weiß, wer der Gegner ist und wo er wartete. Ich habe stets versucht zu schwimmen, mich aus eigener Kraft auf den Fluten zu halten, doch letztlich bin ich kein Kämpfer, noch ein großer Politiker - und obgleich es mich schmerzt, dies eingestehen zu müssen, so hast du vermutlich recht - letztlich bin auch ich nicht mehr als ein willfähriger Handlager politischer Macht.


    Ich bedaure, dass ich dich dazu verleitet habe, mehr in mir zu sehen als ich bin, und ich versichere dir, dass dies niemals in meiner Absicht lag, denn kaum wohl jemand ist sich meiner Defizite und Mängel mehr bewusst als ich selbst. Es war dieses Sehnen ein Trug, welchem wir augenscheinlich beide erlagen, jene Verblendung, welche Amor bisweilen geneigt ist zu gewähren, und welche wir geneigt waren anzunehmen, welche ich dirbezüglich in trügerischer Hoffnung allfällig zudem gewillt war, weiter zu steigern, um nicht selbst erkennen zu müssen, wie vergebens dies Bemühen ist. Ich bedaure keinen Augenblick jene kostbare Zeit, welche ich mit dir durfte verbringen, nicht einen Augenblick jene wohlige Sehnsucht, welcher ich erlegen war, doch es dauert mich, dich dieser vergeblichen Hoffnung preisgegeben zu haben, da ich von Beginn an mir ihres Scheiterns hätte bewusst sein müssen - denn ich war niemals auch nur annähernd Aton.


    Allerdings scheint es, auch du hast dies längst schon herausgefunden, da du dich neuen Ufern hast zugewandt. Bei der Wahrheit will ich bleiben, so dass ich zugeben muss, deinem Freund ich dich mehr als nur neide, und ich hoffe, er ist sich seines Glückes bewusst und weiß dies zu schätzen.


    Nur ein Desideratum will ich noch von dir erflehen - bitte gib mein Herz frei. Dir indes wünsche ich weit mehr als alles Glück dieser Welt und das Wohl aller Götter.


    Lebe wohl,
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    Mit dem Schriftstück in Händen verließ der Sklave wiederum den Raum, es zu siegeln und schlussendlich noch in dieser Nacht auf den Weg gen Aegypten zu bringen. Gracchus blieb in der Stille des Abends zurück und ließ die Zeilen in den leeren Gemäuern seines Inneren widerhallen.

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  • Als die dröhnende Stille letztlich Gracchus zu übermannen, zu erdrücken drohte, erhob er sich langsam und entzündete die Kerze, welche Sciurus hatte mitgebracht, an einer der Öllampen neben der Türe. Sie bot nicht den Anschein als wäre sie aus dem Wachs einer Schreibtafel hergestellt, ohnehin mochte die zeitliche Komponente nicht ausgereicht haben, Gracchus Wunsch zur Gänze umzusetzen, doch hatte er auf all dies keine Acht, hatte für solcherlei Überlegungen jeglichen Sinn eingebüßt. Sorgsam trug er das Licht zurück zum Schreibtisch, nahm wieder Platz und stierte in die lohende Flamme. Still und beinahe reglos brannte das Licht, brannte unbeeindruckt von aller Welt und beinahe von aller Zeit, denn es war für Gracchus nicht ersichtlich, dass der Korpus schmolz, zu lange suchte er das Entschwinden seiner Sehnsucht in der Kerze zu erkennen, zu spärlich zeigten die Anzeichen der Verbrennung sich, als dass sein sehnender Geist war saturiert - und während er wartete auf den Augenblick, da das Band zwischen Faustus und ihm sich im Feuer verflüchtigte, stiegen allmählich Zweifel und Hader in ihm auf. Weshalb beschuldigte Faustus ihn der Intrige, obgleich es doch sein Vater gewesen war, welcher eines Vergehens sich hatte schuldig gemacht? Weshalb bezeichnete Faustus Livianus als den aufrechtesten Römer, da dieser nicht einmal hatte geleugnet, dem Freigelassenen ungesetzmäßig das Bürgerrecht zugestanden zu haben? War nicht jener es gewesen, der sich schändlicherweise hatte einen Vorteil verschaffen wollen - wie auch immer dieser mochte ausgesehen haben? Im schlimmsten Falle mochte Livianus gar sich der Korruption schuldig gemacht haben, den Rechtsakt für Geld durchgeführt - und ihm, der als Richter bestimmt worden war, warf Faustus vor ein willfähriger Handlanger zu sein!? Denn was hatte er getan - er hatte nach Recht und seinem Gewissen entschieden, wie es jedem untadeligen Römer wäre bestimmt gewesen zu tun. Das einzige Vergehen, dessen er sich hatte schuldig gemacht, war der Versuch gewesen, das Strafmaß gering zu halten - und dies hatte er einzig für Faustus getan! Für Faustus, der ihm nun vorwarf feige und willfährig zu sein! Zweifelsohne, er war willfährig gewesen - seinem Geliebten gegenüber willfährig, hatte seine Prinzipien außer Acht gelassen, hatte sie für seinen Geliebten in sich verborgen! Und hatte er nicht sogar Schmach und Schande von dessen Familie abgewandt als er Decimus Verus in seinem Officium zur Raison hatte gebracht? Hatte nicht er verhindert, dass eine Partherin nun Faustus' Verwandte war, obgleich dies nicht seine Aufgabe war gewesen, obgleich er dieses Adoptionsgesuch ebenso an den Praetor Peregrinus hätte abschieben können, welcher eigentlich dafür wäre verantwortlich gewesen, doch der es zweifelsohne für einige Sesterzen hätte umgesetzt? Hatte er dies nicht ebenfalls für seinen fernen Geliebten getan? Für diesen Geliebten, der sich augenscheinlich längst von ihm hatte abgewandt! Wie lange wohl vergnügte Faustus sich bereits mit seiner romantischen Freundschaft? Wie lange hatte er Gracchus im Glauben gelassen, dass dies Band zwischen ihnen etwas besonderes sei, während er längst unter der Sonne Ägyptens mit dem Leib eines anderen sich vereinigte? Schon seit vor dem Prozess allfällig? Hatte er ihn bewusst getäuscht, um Gracchus' Urteil zu Gunsten seines Vaters zu beeinflussen, um ein mildes Strafmaß zu begünstigen, da er sich des Unrechtes nur allzu bewusst gewesen war? Und nun suchte er Gracchus in die Verantwortung zu ziehen, um nicht vor diesem eingestehen zu müssen, dass er selbst längst dieses Band hatte zerrissen, dass allfällig es niemals überhaupt hatte Bestand gehabt, dass er von Beginn an nur der Gunst des Flavius sich hatte versichert sein wollen! Mit all diesen Fragen, all diesem Zweifel und all diesen Mutmaßungen bahnte sich allmählich kalter Zorn seinen Weg in Gracchus empor, blanke Wut über die Schmach, die Faustus ihm hatte angetan, über das heimtückische Spiel, das der niederträchtige Hephaistion augenscheinlich hatte gespielt. Nicht die Larven waren es gewesen, welche ihm diese Misere hatten beschert, einzig Faustus Serapio - obgleich es selbstredend der Larven Spiel musste gewesen sein, dass sie sich überhaupt waren begegnet.
    "Wenn es dir nur ein Spiel war, so soll dir nie wieder ein Spielfeld ge..geben sein"
    , grollte Gracchus, bestimmt von dem Funken, der sich in seinem Geiste hatte entzündet. Ohne die Flamme aus den Augen zu lassen griff er zur Seite nach einem Pergament, auf welches Sciurus einen Brief an irgendwen hatte aufgeschrieben, doch Gracchus interessierte nurmehr die Rückseite, welche unbeschrieben vor ihm lag. Traumwandlerisch griff er nach dem Tintenfass, zog daraus den verschließenden Korken und tunkte mit der Linken eine Schreibfeder in die nachtblaue Flüssigkeit.
    "Rastlose, untergründige Geister, euch rufe ich, Manius Gracchus, Sohn des Titus Flavius Vespasianus, euch rufe ich, die ihr mir stets so nahe seid, euch, die ihr euch an meinem Schmerze weidet, euch rufe ich, die ihr in meinem Unglück badet, euch, die ihr von meinem Blute trinkt, euch rufe ich, die ihr euch an meinen Emotionen labet, euch, die ihr euch von meinem Leben nährt, euch rufe ich, die ihr in meinem Schatten wandelt!"
    Er begann einen Kreis auf das Pergament zu malen, zittrig und mehr oval als rund, während er in sich, um sich her bereits das Wispern, das Raunen und Flüstern konnte vernehmen.
    "Dies sei Faustus Serapio von den Decimi."
    An den Kreis schloss sich eine senkrechte Linie.
    "Sohn des Marcus Livianus."
    Der Linie nach unten hin folgte ein umgekehrtes V.
    "Tribunus Angusti..clavius der Legio XXII Deiotariana."
    Ein V auf halber Höhe der Senkrechten ergänzte den menschlichen Leib.
    "Stationiert in Alexandria im fernen Süden."
    Zuletzt komplettierten - ein wenig überdimensioniert - Phallus und Testikel den stilisierten Serapio, und es schien Gracchus als würde die Helligkeit im Raume schwinden als die Schatten um ihn sich sammelten.
    "Garstige Larven , ra'hsüchtige Lemuren und rasende Furien, die ich, Manius Flavius Gracchus, euch rufe, von euch fordere ich Tribut für die Nahrung, die ihr täglich mir entreißt, von euch fordere ich, Faustus Decimus Serapio zu nehmen seine männliche Stand..haftigkeit, dass er keinen Manne mehr beirren kann in trügerischem Behufe, nehmt ihm seine Virilität, dem Faustus Serapio, dass er keinen Manne mehr im Stande ist in Liebe zu täuschen, dies fordere ich von euch für meinen Schmerz!"
    Während er dies sprach strich Gracchus das Geschlecht des gezeichneten Mannes wiederholt durch, bis dass unzählige Linien es kreuzten. Hernach hob er die Rechte, um das Pergament aufzunehmen und zu verbrennen, stockte jedoch über der Tischplatte und schob stattdessen seine Handfläche dicht über die Flamme. Es brauchte einige Augenblicke, bis dass die Hitze auf seiner Haut in sein Bewusstsein drang, doch auch dann noch hielt er die Hand weiter über das Feuer - zum ersten Male ein wenig erleichtert, dass die Perzeption in seiner Rechten noch immer dumpf und abgestumpft war -, bis endlich der Schmerz zu qualvoll wurde, ihn weiter zu forcieren, bis dass das Brennen des Feuers sich auf seine Seele übertrug. Mit einer raschen Bewegung schlug Gracchus die Hand auf das Pergament, die rußige Patina, die sich in seiner Handfläche hatte gebildet auf das Gemächt des Serapio.
    "Do ut dematis!"*
    presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und kämpfte an gegen die tanzenden Schatten vor seinen Augen. Als würde die Pein weichen wenn erst der Fluch sich hätte verflüchtigt auf seinem Weg in die Welt hinaus, zog Gracchus das Pergament mit der Linken unter seiner Hand hervor und hielt es in die Flamme hinein. Augenblicklich fing das Schriftstück Feuer, verbrannte knisternd, bis dass die letzte Ecke schlussendlich sich auf dem Schreibtisch kräuselte und in graufarbenen Rauch sich verflüchtigte. Nichts würde nun die Untergründigen noch aufhalten können. Kraftlos ließ Gracchus seinen Kopf auf die Tischplatte sinken neben die noch immer ausgestreckte, angesengte Rechte, spürte nun den Schmerz mit jedem Herzschlag mehr als würde seine Haut beständig im Feuer lodern, als würden die Geister, die er gerufen hatten, an seinem Fleische nagen. Sein Schmerz für den Schmerz des treubrüchigen Geliebten.
    "Oh Faustus ..."
    , seufzte er, den Tränen nahe, und sehnte sich zurück nach der Unbeschwertheit ihrer leidenschaftlichen, bedingungslosen Liebe.



    *Ich gebe, dass ihr nehmt.

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  • Quälend stach der Schmerz in Gracchus' Sinne, während vor seinen Augen die Welt verschwamm, während in seinen Ohren das Triumphgeheul der Geister dröhnte, doch wagte er nicht, einen der Sklaven herbei zu rufen, schien ihm doch die stark gerötete Haut mit den Resten der dunklen, graufarbenen Rußpartikel darauf wie ein Mal des Fluches, welchen er hatte gewirkt, an welchem ein jeder würde eben dies erkennen können. Übermannt von Schmerz und Müdigkeit dämmerte er immer wieder in einen unbequemen, unruhigen Schlaf, schreckte empor von der Furcht seiner Albträume oder dem pochenden Brennen in seiner Hand geweckt, bis dass endlich Sciurus nach Mitternacht von seinem Botengang zurückkehrte und ein wenig erstaunt seinen Herrn noch immer in dessen Arbeitszimmer vorfand. Einem hilflosen, kleinen Kind nicht unähnlich hielt Gracchus larmoyant seine Handfläche dem Sklaven hin. "Was ist geschehen?" fragte dieser mit Blick auf die Wunde.
    "Verbrannt"
    , antwortete Gracchus wortkarg, nicht geneigt auch nur seinem treuen Leibsklaven eine detailliertere Erklärung abzugeben. "Soll ich Kosmas wecken lassen?" Gracchus stöhnte.
    "Nein, nicht Kosmas."
    Ohne einen weiteren Kommentar wies Sciurus den namenlosen Sklaven vor der Türe an, eine Schale voll kühles Wasser, sowie eine Schale voll Topfen und einen linnenen Verband herbei zu bringen. Schuldbewusst blickte Gracchus auf die Tischplatte während sie warteten, dass der Sklave zurückkehrte, den Sciurus hernach wieder vor der Türe postierte. Eine Woge der Leichtigkeit durchströmte ihn als er seine Hand in das kühle Wasser tauchte, dass ein leises Seufzen Gracchus' Kehle echappierte, das Pochen auf seiner Haut indes nur wenig nachließ. Sorgsam bestrich Sciurus anschließend die Wunde mit einer dünnen Schicht aus Topfen, ehedem er den Verband um Gracchus' Hand legte. "Morgen früh sollte Kosmas einen Blick darauf werfen."
    "Viellei'ht."
    Gracchus erhob sich, um endlich in sein Cubiculum zu Bett sich zu begeben, endlich erlösenden Schlaf zu finden - doch er fand ihn nicht, träumte wüste Albträume, schlief schlecht, erwachte mehrmals ob des Schmerzes in seiner Hand oder in seiner Seele. Nichts hatte sich gelöst, nichts hatte sich verflüchtigt, alles war noch weitaus komplizierter als zuvor.

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