Als Sciurus die Nachricht aus Aegyptus ankündigte, schlich sich Nervosität in Gracchus' Sinne, denn es war ihm unvorhersehbar, wie Faustus Serapio mochte geantwortet haben auf die wenigen hilflosen Zeilen, welche er ihm hatte gesandt, obgleich noch immer die Hoffnung, das Sehnen und Verlangen nach dem geliebten Hephaistion in ihm überwog.
Salve Manius.
Warum schreibst Du mir noch? Unser Meditrinalientraum ist ausgeträumt! Glaubst Du wirklich, ich könnte es Dir verzeihen, dass Du dich an der abscheulichen Intrige gegen meinen Vater beteiligt hast?! Du, der Du mir so eindrücklich versichert hast, wie Dir das Unsaubere an der Politik widerstrebt! Mein Vater ist der aufrechteste Römer, den es gibt, unzählige Schlachten hat er für das Imperium geschlagen und die größten persönlichen Opfer gebracht. Er scheut sich nicht, die Wahrheit gerade heraus zu sagen. Anders als ihr feigen, willfährigen Handlanger der Macht, die ihr ihn mit diesem lächerlichen "Prozess" in das politische Aus getrieben haben. Warum?! Warum nur hast Du Dich zu so etwas herabgelassen??!
Ich habe mich unendlich in Dir getäuscht! Wahrscheinlich wollte ich mich täuschen. Mir nicht eingestehen, dass ich mich nur in eine Maske verliebt habe... eine golden strahlende, blendende Maske. Die Meditrinaliennacht war so schön. Aber hier in Ägypten habe ich etwas viel realeres gefunden, in der romantischen Freundschaft zu einem anderen Soldaten.
Vale
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Schon das erste Wort, schon die Begrüßung strafte alle Hoffnung Lügen. In höchster Perfektion unerschütterlicher Ataraxie las Sciurus die Worte des fernen Faustus, suchte augenscheinlich die Härte darin durch die Neutralität seiner Stimme ein wenig zu nivellieren, doch jedes Wort glich einem Schlage ins Gesicht, einem Messerstich in Gracchus' Herzen. Weit mehr noch als dass diese harschen Worte den Sinnen seines geliebten Hephaistions waren entsprungen, weit mehr noch als die unbarmherzige Härte darin, weit mehr als der unrechte Vorwurf, und selbst mehr noch als die Tatsache, dass sein Geliebter längst einen anderen liebte, schmerzte Gracchus die Wahrheit darin, denn Faustus hatte unbezweifelt recht - er war längst eines jener willfährigen Scheusale geworden, über welche er stets hatte geglaubt urteilen zu können. Er hatte sich treiben lassen zwischen den Strömungen der Macht, war durchaus einem Ufer nahe gekommen, doch ohne jemals an Land zu gehen, denn es war seine Feigheit, die ihn dazu trieb im Wasser zu verharren, jederzeit bereit abzutauchen. Letztlich war es auch bei dem Prozess nicht anders gewesen und die einzig wahrhaftige, die einzig veritabel Tat, welche er je hatte vollbracht, war der Konspiration um Tiberius sich anzuschließen zum Wohle des Imperium Romanum - doch ob dies tatsächlich im Rückblick der Ereignisse mochte als honorige, gar nur als rechte Sache bezeichnet werden, dies würde die Geschichte erst noch zeigen müssen, wiewohl Gracchus auch dabei kaum mehr als eine Randfigur war. Selbstredend hatten die Vorwürfe Faustus' nichts mit dieser Angelegenheit zu tun, und unbezweifelt war es unfair von ihm zu verlangen, das geltende Recht zu ignorieren, nur um seinen Vater von allen Vorwürfen frei zu sprechen - doch dies war längstens ohne Bedeutung, denn die Realität hatte sie augenscheinlich eingeholt - Faustus die Erfüllung romantischer Freundschaft, Gracchus die Wirklichkeit der Liebe, welche für ihn stets nur in Misere und Pein endete. Nicht einmal noch Zorn konnte in seinem Inneren aufkeimen über die kaltherzigen Vorwürfe, nicht einmal Gram über die verlorene Liebe, nurmehr endlose Traurigkeit blieb nach Sciurus' Verstummen in Gracchus zurück, welche allmählich wurde verdrängt von Leere, jener dumpfen, starren Leere, in deren Umarmung der marginale Wert des eigenen Lebens bedeutungslos, in deren stiller Reglosigkeit die Realität vergessen ward. Nur der leise, kalte Hauch der Schatten um ihn her erinnerte ihn daran, dass all seine Bemühung ohnehin von Beginn an zum Scheitern waren verurteilt gewesen, dass sie niemals würden zulassen, dass das Glück ihn beständig umfing, dass in jedem goldenen Anbeginn stets schon ein staubiges Finale inne wohnte. Langsam, als wäre die Zeit zähflüssig wie Honig, blätterte die Farbe ab von den Wänden und Decken, rieselten die feinen Körner auf ihn herab, brachen immer größere Stücke des Gesteins aus dem Mauerwerk, das letztlich unter der Last der Realität musste nachgeben, dass der gesamte prächtige Flügel, welchen Gracchus in den zurückliegenden Monaten akribisch hatte in seinem Gedankengebäude errichtet und ausgestaltet, um dort die Erinnerungen, die Schätze und Sehnsüchte um Faustus Serapio zu bewahren und zu kultivieren, in sich zusammenstürzte und ihn unter sich begrub, ihn zermalmte zwischen den staubigen Trümmerstücken und dem scharfkantigem Schutt eines zerbrochenen Traumes.