Tilla wachte später als gewöhnlich auf und blickte sich verschlafen in ihrer Kammer um, bis ihr Blick auf den schönen Gardinen ruhte. Was war passiert? Sie hatte mit Esther von Hektor gesprochen und war irgendwann eingeschlafen. Da war noch etwas gewesen? Und zwar bevor.. jesses! Jetzt wusste sie wieder was geschehen war. Ihre Herrin hatte ihr Kind verloren, eine Fehlgeburt erlitten! Der nächste Gedanke: Wo war ihre Mutter? Tilla schwang die Beine über die Bettkante und setzte sich auf. Sie eilte hinter die Türe, wo sich die Waschschüssel befand. Tilla steckte den Kopf kopfüber ins kalte Nass und machte somit auch ihre Haare nass. Ahhhbrrr, das machte wach! Mit einem Tuch rubbelte sie die Kurzhaarfrisur halbwegs trocken und entschied sich für eine tannengrüne Tunika mit eingestickten hellgrünen Borten und brauner Fibel in Form eines springenden Delphins. Die braunen Ledersandalen waren schnell angezogen. So fein zurecht gemacht, aber knurrenden Magens, drückte sie die Tür zum herrschaftlichen Zimmer auf und lugte hinein. Die Herrin lag friedlich im Bett. Die wärmende Decke jedoch war auf den Boden gerutscht. Mit leisen Schritten ging Tilla hinüber und legte Prisca die Decke wieder über.
Liebevoll strich sie die dunklen Strähnen aus dem blassen Gesicht ihrer Herrin. Tilla ist bei dir. Du bist nicht alleine. flüsterte sie leise. Schliesslich tunkte die stumme Sklavin ein Zipfel eines Taschentuches in den immer bereitstehenden Wasser-Zitronensaft-Krug und befeuchtete damit Priscas Lippen. Nachdem das getan war, erlaubte sich Tilla einen vollen Becher Wasser mit Zitronensaft zu trinken. Das Getränk stillte das Magenknurren fürs erste. Nun war der Krug leer. Sie nahm ihn und beschloß in die Küche zu gehen, um ihn aufzufüllen, als sich unerwartet ein Rotfink auf die Fensterbank setzte und ein Liedchen trällerte. Schmunzelnd lauschte Tilla auf Priscas Bett still verharrend der Darbietung des gefiederten Tieres. Na, zwitscherst du uns ein Ständchen? neckte sie den kecken Vogel mit einem dankbaren Augenzwinkern. Damit wir nicht mehr traurig sind? Hm.. das ist total nett von dir. Komm doch jeden Morgen vorbei, du kriegst von mir auch Rosinen. Versprochen. Sie warf ihm oder ihr Rosinen hin. Da hast du welche. Der Rotfink beäugte sie kritisch und flatterte nach unendlichem Zögern hinein, um alles aufzupicken. Tilla lächelte und sah prüfend zu Prisca, ob sie wach war? Und wo war Mutter Esther?