Die paar Zeilen bloß... trafen mich mit einer Wucht, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Ich hatte sie vorgefunden, diese paar Zeilen, als ich abends, müde nach dem Dienst, nach Hause gekommen war, und schon beim Anblick des Siegels hatte das Herz mir bis zum Hals geschlagen, ich hatte den Brief so hastig mit in mein Cubiculum genommen wie ein Hund den Knochen in seine Hütte schleppt, und noch in Rüstung, und im verschwitzten Subarmalium hatte ich das Siegel gebrochen, las im stehen halblaut die paar Zeilen, die Manius mir hier schickte.
"Salve! Ich gratuliere dir zu deiner Ernennung zum Tribun der Garde und ich hoffe, dass dies dir endlich auch wieder die dir zustehende Reputation zurückbringen wird, gleichwohl ich ebenfalls hoffe, dass du dich wohl befindest. Meine Schuldigkeit gegenüber dir und deiner Familie indes bleibt weiter bestehen, darob lasse mich bitte wissen sofern es etwas gibt, bei dem ich dir behilflich sein kann. Vale bene! Manius Flavius Gracchus. P.S.: Vieles mag sich verändert haben, doch deplorablerweise bleiben die Folgen katastrophal."
So eloquent in der Kürze... als Antwort auf meine verstümmelte Notiz. So nobel. Aber auch so distanziert. 'Schuldigkeit'. Was wir uns einst für Briefe geschrieben hatten... wundervolle seitenlange Briefe, meine ganze Seligkeit in Nikopolis, und auf dem Feldzug im Zwölfmeilenland... Und nun dieses förmliche, ferne.
Die Unterschrift war zittrig, viel mehr noch als früher.
Es geht ihm nicht gut. Er quält sich.
Und dann das Postscriptum... ein wehmütiges Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, ganz kurz, bei dem Wort 'deplorablerweise'... doch er hatte Recht, die Lage war bedrohlich, wieder drohte ein Krieg, und sicherlich gab Manius sich mit die Schuld daran... Befremdet spürte ich, wie ein Schub von unglaublicher Sehnsucht mich überkam, der Wunsch ihn zu sehen, ihn in die Arme zu schließen, zu spüren. Ich erschrak richtig vor dieser plötzlichen Heftigkeit, und abrupt legte ich den Brief weg.
Krieg dich wieder ein Faustus, die paar dürren Zeilen, und gleich bist du wieder so verteufelt sentimental...
Manius war passé, er hatte mich belogen, er war gefährlich, ich hatte ihn hundertmal für passé erklärt, und ich war nun mit Borkan zusammen und sehr glücklich mit ihm, Borkan war wundervoll, traumhaft, ich war verrückt nach Borkan und er nach mir, wir passten perfekt zusammen, alles war gut, endlich war alles gut.
Basta.
Ich legte Rüstung und Kleidung ab, nahm ein Bad, aß mit der Familie zu Abend, doch die ganze Zeit war ich wie neben mir. Vor dem Serapisschrein brachte ich ein kleines Opfer, und spielte eine Melodie aus dem Tempelhymnos auf meiner Syrinx. Doch mit einem mal brachen die Gedanken wieder zu mir herein:
Wenn ich ihm doch zumindest einen richtigen Brief schreiben könnte!!
Aber seitdem diese furchtbare Aurelia mich mit meinen Briefen an Manius erpresst hatte, war ich ein gebranntes Kind und würde ganz bestimmt niemals mehr etwas erpressertaugliches niederschreiben, und schon gar nicht in diese Villa schicken...