Cubiculum Faustus Decimus Serapio (ehemaliges)

  • Meine Miene wurde zu Eis. Als meine Schwester das was ich da erlebt hatte während des Bruderkrieges, den vielfachen feigen Verrat, zu dem auch der des Iunius zählte, und die Treuebrüche all der "Freunde", die endlose Einkerkerung, die noch immer nicht überwundene Verleumdung, die ungeheuerliche Einsamkeit meiner Vefemung... als sie das was meine gesamte Existenz in einen Trümmerhaufen zerschlagen und mich selbst an den Rande des Vernichtung gebracht hatte, dies alles tatsächlich ins Lächerliche zu ziehen versuchte. Um nur ja auf ihren kostbaren Liebhaber nichts kommen zu lassen.
    Ich fuhr nicht auf und ich brüllte sie nicht an. Ich wurde sehr reglos und sehr kalt und schüttelte langsam, wie benommen den Kopf.
    Wer hat die Gestalten der Sterne geschaffen?
    begann ich im Geiste den Hymnos des Ewigen herzusagen, so wie ich es im Tempel gelernt hatte zu tun, wenn die Kälte und der Abgrund nach mir griffen,
    Wer hat ihren Weg erfunden?
    Wer war der Erzeuger der Früchte?
    Wer hat die Berge in die Höhe gehoben?
    Wer hat den Winden befohlen, ihr Werk nach den Jahreszeiten zu vollführen?
    Wer ist der Gott der Ewigkeit, der die Ewigkeit hervorbringt und in Ewigkeiten herrscht?

    Dann erhob ich mich, und ging zu dem kleinen Serapisschrein, den ich in der Ecke meines Zimmers eingerichtet hatte. Ich setzte mich auf den Boden davor, entzündete ein wenig Räucherwerk, und atmete tief ein. Und ich erinnerte mich, dass dies alles schon lange zurücklag. Dass ich die Solidarität, bei der meine Schwester so versagte, an anderer Stelle gefunden hatte. Bei Borkan, der meinen Leichnam aus dem Abgrund aufgeklaubt hatte, mich Stück für Stück wieder zusammengesetzt und mir neuen Lebensatem eingehaucht hatte. So dass ich mich Schritt für Schritt zurückkämpfen hatte können. Es ging wieder. Anfangs nur am seidenen Faden, dann einigermaßen, mittlerweile sogar wieder gut - solange ich das Geschehene ausblendete und nur nach vorne sah.


    " Ich will nicht mehr zurückdenken Seiana. Es war wie es war. Dass er die Waffen strecken mußte, das werfe ich ihm nicht vor, andere bestimmten dieses Schicksalslos. Doch du weißt selbst, dass es eine Wahl gibt, dazwischen bis zum Tode zu kämpfen und dem Überlaufen mit fliegendem Fahnen. Überlaufen zur Streitmacht des Ulpiermörders, sich einreihen in ein Heer, das unterwegs ist um das ewige Rom zu schänden. Andere, bessere Männer, waren zwar auch gezwungen die Waffen zu strecken. Doch haben sie nicht ihren heiligen Schwur gebrochen."
    Wie der Centurio Iulius Antoninus, von dem ich vorher alles andere als eine hohe Meinung gehabt hatte. Doch als es hart auf hart kam, war er standhaft geblieben.
    "Fakt ist: Dein Geliebter schon. Er hat bedingungslos kapituliert. Seinen Eid verraten. Seinen Kommandanten verraten. Rom verraten.
    Fakt ist auch: Du liebst, Seiana, und bist vor Liebe blind. Du verteidigst deinen Geliebten. Um jeden Preis. Wie damals bei dem Aelier."
    Dem sie verfallen war, vor dem ich sie warnte, dem sie sich trotzdem an den Hals warfst, der sie dann abservierte, wahnsinnig wurde und zuletzt vom tarpeischen Felsen sprang
    "Du verlierst dabei jedes Maß, und schreckst nicht einmal davor zurück, deinen eigenen Bruder von dir zu stoßen. Du stürmst hier auf mich los wie ein gereiztes Panzernashorn, bloß weil du nicht wahrhaben willst, dass dein Geliebter damals umknickte.
    Aber sie meinte es gewiss nicht so. Sie war nur der Liebesblindheit und der Liebesblödigkeit ins Netz gegangen, das konnte ja auch den Klügsten passieren. Und eine alternde Frau, die gerade den Antrag eines feschen jüngeren Mannes erhalten hatte... war dafür wohl besonders leichte Beute.
    "Und Fakt ist zuletzt: der Duccier hat dich erpresst. Er hatte Macht über dich, du warst machtlos, und hast dich von ihm erpressen lassen. Du verbrämst es dir als 'Handel', aber du glaubst doch selbst nicht, dieser pöbelnde Popanz habe ernsthaft was für uns getan. - Livianus und Flavius Gracchus, die sind es, denen wir alles verdanken, sowie dem Umstand, dass ich den Ulpiermörder glauben machte, ich hätte lupenreine Beweise seiner Schuld, die bei meiner Ermordung vor dem Senat landen. - Duccius hingegen ist nur ein sadistisches, machtgeiles, gerissenes Dreckschwein, das unserer Familie schon viel zu oft ans Bein gepisst hat. -"
    Und dem ich eines Tages die Leber aus dem Leib schneiden und sie ihm in kleine Stückchen geschnitten in den nimmersatten Schlund stopfen würde. Oder etwas in der Art. Aber das musste ich meiner Schwester jetzt nicht auf die Nase binden. (Es geschah ja gar nicht selten, dass Gefangene, vor allem Frauen, ihren Kerkermeistern so enorm hörig wurden – aber seltsam war es doch immer wieder.)
    "Unterm Strich, Seiana – du willst den Iunier heiraten, du bist eine freie Frau, und davon abhalten kann ich dich offensichtlich nicht, ebensowenig wie ich dich damals davon abhalten konnte, dich von dem Aelier unglücklich machen zu lassen.
    Wenn du aber willst, dass ich Iunius als den Mann an deiner Seite akzeptiere, dann sorge dafür dass er sich akzeptabel macht!"
    So vieles ließ sich sich am Ende mit den gebührenden Riten und Worten doch irgendwie sühnen, bereinigen oder vergeben. Wenn denn der Wille dazu da war.
    "Dann sorge dafür, dass er zu seinem Eidbruch steht, und die Schande, die er damals auf sich geladen hat, sühnt. Und dass er sich... Livianus wäre doch eine gute Wahl... einen anständigen Patron sucht. Bevor ihr Hochzeit haltet."

  • Es gefiel ihm nicht, was sie ihm sagte. Seiana konnte es sehen, konnte es spüren, beinahe sofort. Faustus' Miene schien zu erstarren, und von einem Moment auf den anderen strahlte er eine Kälte aus, die sie so von ihm nicht kannte. Reglos sah sie ihm dabei zu, wie er aufstand, wie er sich zurückzog, wie er zu dem Schrein in seinem Zimmer ging und etwas entzündete. Und dann, als er endlich zu antworten begann, holte Seiana tief Luft. Sie hatte es befürchtet, hatte es geahnt, dass er so reagieren würde. Womit sie allerdings nicht gerechnet hatte war: dass er von der Sache mit dem Aelier anfing. Und dass er beleidigend wurde. Verlierst jedes Maß. Stürmst. Wie gereiztes Panzernashorn, echote es in ihrem Kopf. Er warf ihr vor, ihn von sich zu stoßen. Ausgerechnet ihn. Sie hatte immer zu ihm gehalten. Hatte immer hinter ihm gestanden. Sie hatte sogar in der Acta veröffentlicht, was er veröffentlicht haben wollte, obwohl sie es am liebsten nicht getan hätte, obwohl ihr jeder Instinkt geraten hatte, das nicht zu tun, sich zurückzuhalten, abzuwarten. Sie hatte es getan, für ihn. Und als der Krieg vorbei gewesen war, hatte sie alles versucht, was in ihrer Macht stand, um ihn zu retten – und hatte dann, als er endlich wieder hier in der Casa gewesen war, fiebernd und halb bewusstlos, Tage um Tage an seinem Bett verbracht. Nur um anschließend, als er wieder aufgewacht war, von ihm weggestoßen, seines Zimmers verwiesen zu werden, weil sie es gewagt hatte ihm zu sagen, wie die Realität aussah – und dass sie sich an die Realität angepasst hatte, so wie sie es schon immer getan hatte. Aber er tat das nicht. So lang sie sich erinnern konnte, hatte er ein Problem damit gehabt, etwas anderes zu tun als seinen eigenen Kopf durchzusetzen. Es war wie damals, als sie noch Jugendliche waren, und als er unbedingt fort gewollt hatte, so sehr, dass er schließlich nach einem Riesenstreit mit ihrer Mutter und ihr davon gelaufen war... So weit er es auch gebracht haben mochte in seinem Leben, aber das hatte sich nicht geändert.


    Als sie sprach, klang ihre Stimme tonlos. „Du warst doch gar nicht dabei. Du weißt nicht, was passiert ist. Du weißt nicht, wie lange er selbst gefangen war, oder ob er beim Sturm auf Rom dabei war.“ Und genau das war Seneca eben nicht gewesen. Er hatte ihr erzählt, was geschehen war, von seiner Gefangenschaft, und hatte ihr auch davon erzählt, wie und wann er übergelaufen war. Fliegende Fahnen? Rom geschändet? Faustus hatte ja keine Ahnung. Seneca mochte übergelaufen sein, aber erst, als Rom schon gefallen war. Als es vorbei war. Und danach waren die allermeisten irgendwann, irgendwie übergelaufen. Es gab zahlreiche Soldaten, die danach in den normalen Dienst wieder eingegliedert worden waren, schon allein weil die Truppen es sich nicht hatten leisten können, sich selbst noch mehr auszubluten als sie es sowieso schon waren nach dem Bürgerkrieg. Viele von ihnen waren bis heute am Leben und taten ihren Dienst.
    „Flavius Gracchus? Ausgerechnet du wagst es ausgerechnet ihn zu erwähnen?“ erwiderte sie. Sie presste kurz die Lippen aufeinander, schüttelte dann den Kopf und schluckte herunter, was ihr noch auf den Lippen lag. Es brachte nichts ihn jetzt darauf anzusprechen, warum er, mit all seinem Gerede von Ehre und Treue und Loyalität ausgerechnet positiv von dem Flavier sprach, der bis zum Hals in der Verschwörung damals involviert gewesen war. „Fakt ist, dass der Duccius uns genauso geholfen hat. Fakt ist, dass er sogar einen der unseren als Tiro genommen hat. Fakt ist, dass ich mich nur an einziges Mal erinnern kann, bei dem er uns, genauer gesagt Livianus, angegangen ist – dafür hat er sich entschuldigt. Mehr noch, Onkel Livianus hat die Entschuldigung angenommen. Beide haben gemeinsam ein Opfer dargebracht, um die Aussöhnung zu feiern.“ Sie konnte sich beim besten Willen nicht erklären, woher ihr Bruder diese Anschuldigungen gegen den Duccius nahm. Sicher, ihr war bewusst, dass der Mann mit Vorsicht zu genießen war, aber welcher Politiker war das nicht? Sie würde keinem von ihnen vorbehaltlos trauen, würde immer mit einer gewissen Vorsicht heran gehen. „Ich sehe keinen Grund zu versuchen, Seneca zu überreden sich einen anderen Patron zu suchen. Ganz davon abgesehen, dass ich ihm das nicht vorschreiben kann.“

  • Es war so mühsam. Gegen Wände blanken Nicht-Wissen-Wollens und agressiver Ignoranz zu reden war ein Sport, dessen ich gewaltig überdrüssig war. Bona Dea, was hatte ich mir gewünscht dass Seiana zurück zu uns kam, und nun schreckte sie hier echt nicht davor zurück, mir die dämliche olle Diskussion aufzuzwingen. Ich liebte meine Schwester ja von Herzen, doch ich wünschte (zumindest in diesem Augenblick) inständig sie wäre einfach nur in ihren Bergen geblieben.


    "Du kannst mir glauben, Seiana: ich habe mich, als ich meinen Dienst endlich wieder aufnehmen konnte, sehr genau darüber informiert, welche von meinen Offizieren sogleich ihren Eid verraten und zum Heer des Kaisermörders übergelaufen sind. Und welche von ihnen ihren Eid gehalten haben, und trotz der Härten langer Gefangenschaft in ihrer Treue nicht wankten." erwiderte ich schneidend, fassungslos über den Unfug den meine Schwester da von sich gab.
    "Es ist ganz erstaunlich wie da die wahre Natur der Menschen zutage trat, wie sich die Lauen von den Standhaften schieden. Manche, von denen ich es wirklich nicht geglaubt hätten... ein Centurio Iulius Antoninus zum Beispiel, von dem ich nie viel gehalten hatte, erwiesen da erstaunliches Rückgrat. Andere hingegen, auf die ich große Stücke gehalten hatten... wie auf Iunius Seneca... enttäuschten maßlos. Ich kann dir versichern: dein Iunier gehörte zu den Überläufern. Er brach seinen Eid. Auf dem Eid des römischen Soldaten, auf seiner Treue zum Kaiser, basiert unser gesamtes Imperium. Ihn zu brechen ist das schlimmste Verbrechen, das weiß jeder Soldat, und gewöhnlich wird es mit der schimpflichsten Hinrichtung bestraft. Und das zu recht. Du magst die Schande, die Iunius da auf sich lud, nicht sehen wollen, in deinem rosaroten blinden Liebeswahn in dem dir alles wunderbar und perfekt an ihm erscheint, doch seine Schande ist real. -
    Dir zuliebe, Seiana, damit du in Götter Namen glücklich bist, und für den Familienfrieden, würde ich ihm ja meinetwegen... - obgleich es mir verdammt widerstrebt!! - trotz allem irgendwie eine Chance zu geben versuchen... Sofern Iunius zu seinem Eidbruch steht, und seine Schande sühnt. Und einen passablen Patron sich zulegt. Wie gesagt. Iunius hat ja auch... seine Stärken... sonst hätte ich ihn schließlich niemals zum Centurio befördert, und... Es waren ja auch abnormale, wahnwitzige Zeiten, in denen manchmal abstruse Dinge, die gar nicht zu den Handelnden passten, einfach so passierten."


    "Lass bitte" seufzte ich, "Manius aus dem Spiel. Vielleicht hab ich.. mein eigenes blindes Auge was ihn angeht, ich weiß nicht, das kann schon sein, aber... darum geht's doch jetzt nicht, wenn du mir das vorwerfen magst, bitte, aber du mußt doch zugeben dass ich ihn zumindest nicht zu heiraten und in unsere Familie einzuführen gedenke!" wehrte ich mich verkniffen gegen dieses verdammt empfindliche Thema. "Es tut gerade echt nichts zur Sache... -"


    "Was aber den Duccier angeht. Du kannst doch nicht vergessen haben, dass der Germane unseren Pater Familias damals vor dem ganzen Senat auf die allerprimitivste Weise bis aufs Blut beleidigte. Später giftete er wieder gegen Livianus und auch Aquila, griff sie heuchlerisch massiv an, allein wegen ihrer Verwandschaft zu mir. Daran ändert so ein rein wahltaktisches Lippenbekenntnis für die Öffentlichkeit doch nichts.
    Du weißt auch, dass dieser dreckige Barbar seine Loyalitäten je nach Wetterlage ändert, erst schleimte er schamlos bei Vescularius, dann, als selbst dem seine Forderungen zu unmäßig wurden lief er zu den Verschwörern über und sprang auf Cornelius' Trittbrett. Er hat mir ja selbst ganz stolz erzählt, als er mich für geliefert hielt und eitel vor sich hin prahlte, hat mir ja selbst erzählt wie scheißegal ihm das Wohl des Reiches ist, die Toten des Krieges, wie sehr er doch Ehre und Anstand verachtet. So einer wie der Duccier, Seiana, sieht das Reich nicht, so wie wir, als etwas das es zu bewahren und dem es zu dienen gilt, er sieht es als Speisekammer, in die man sich einschleichen, sie ausplündern und sich vollfressen kann. Sobald er Macht in der Hand hielt, hat er sie mißbraucht. Wie kam es wohl, dass ihm nach dem Krieg plötzlich eine ganze Insel 'gehörte', die zuvor Besitz einer kaisertreuen Familie war? Dich hat er gezwungen ihm Magnus' Kinder zu überlassen, obgleich du vorher so vehement dagegen warst, wirklich dagegen, ich erinnere mich an den Krach mit Massa damals deswegen, aber ich werfe es dir nicht vor, auch nicht dass du den jungen Aquila, den Enkel des Triumphators, als Tiro seinem verderblichen Einfluss überlassen lassen, du warst ja allein und hattest ja keine Wahl, und glaubtest sicher das beste zu tun. Aber jetzt ist es an der Zeit diese deiner nicht würdige Unterwürfigkeit abzulegen und dich zu erinnern dass du eine Decima bist, und dass deine Loyalität deiner Familie gebührt!
    ...Du weißt was er mir angetan hat."
    Es kam mir nicht über die Lippen, und es war auch nicht nötig mich dazu zu zwingen. Unter dem absoluten Siegel der Verschwiegenheit nur hatte ich es Seiana irgendwann anvertraut, in vertrautem Gespräch auf ihrem Landgut, was für ein widerliches Spielchen von Demütigung und Scheinhinrichtung der Duccier da im Kerker mit mir gespielt hatte. "...weißt es, was für eine kranke Scheiße das Schwein da abgezogen hat, und ich kann nicht glauben dass es dir egal ist!!"
    Der Seiana, die ich kannte, der großen Schwester mit der ich immer zusammengehalten hatte, wäre es ganz und gar nicht egal gewesen. Die Frage war, ob die Seiana die da vor mir stand noch immer die Seiana war die ich kannte....


    "Der Mann ist einfach nur ein sadistischer machtgeiler Drecksack. Bei seiner Wahl hat er auch betrogen, hinter den Kulissen schamlos manipuliert. Dass der Senat diesen Popanz nicht längst rausgeworfen hat ist echt ein Armutszeugnis für die Senatoren. Ein pöbelnder germanischer Waldbarbar als Konsul, wie bizarr ist denn das? - Kommt gleich nach einem konsularen Pferd würde ich sagen. Der Partherkönig in Cthesiphon hält sich wahrscheinlich vor Lachen seinen Bauch wenn er seine Spionageberichte studiert. - Aber der Germane ist ja gerissen, bewegt sich stets mit untrüglichem Instinkt dahin wo es etwas abzuräumen gibt, als würde er es vorher schon ahnen. Ja, es scheint fast so als habe er einen Schutzgeist, irgendwo hinter den Kulissen, der ihm stets einflüstert wo es in nächster Zeit am effizientesten zu stehen ist. Merkwürdig. Unglaublich schier. Naja.
    Lange Rede kurzer Sinn: Duccius hat durch seine Taten mehrfach bewiesen: er ist Abschaum. Aber komplett. Und von Abschaum sollte man: sich einfach fern halten. "


    "So. Und nun mag ich mich nicht länger über so nen Schwachsinn mit dir streiten, ich bin es leid, ich gehe jetzt was essen. Vielleicht... lässt du dir meine Worte zumindest ein bisschen durch den Kopf gehen...?" so schloß ich müde. Genug gegen Wände geredet, kein Bedarf mehr vorhanden meine Stimme zu vergeuden. Traurig, resigniert, und noch immer ausgesprochen ungläubig über den tiefgreifenden Wandel in der Persönlichkeit meiner lieben Schwester, räumte ich das Feld, entzog mich dieser unerquicklichen Szene und verzog mich in Richtung Küche.

  • Seiana hörte sich wortlos an, was ihr Bruder zu sagen hatte. Es gab einiges, was sie noch hätte sagen können... aber es schien irgendwie sinnlos zu sein. Sie redeten aneinander vorbei oder wollten nicht hören, was der andere sagte. Faustus' Reaktion auf die Nennung des Flaviers zeigte das, genauso wie das, was er erneut über den Duccier sagte. Seiana konnte nicht anders, unwillkürlich kam es ihr so vor, als ob ihr Bruder sich da irgendetwas zusammenreimte, was so nie passiert war. Sie hatte mit Aquila geredet, und der Duccius hatte ihn nie, niemals angegriffen, so wie Faustus es gerade behauptete. Flavius Furianus war ihn angegangen. Aurelius Lupus war ihn angegangen. Der Duccius hingegen hatte ihn verteidigt. Seiana begriff nicht, woher Faustus also diese Anschuldigungen nahm, wenn er denn nicht die Anfeindungen anderer dem Duccius zuschrieb, weil er sie – bewusst oder unbewusst – ihm zuschreiben wollte.
    Sie saß da, und sie hörte wortlos ihrem Bruder zu, und bevor sie sich irgendwann hätte sammeln und etwas erwidern können, beendete er ihr Gespräch und ging. Und Seiana... blieb noch sitzen, einige lange Momente, bevor sie sich schließlich ebenfalls erhob und das Zimmer verließ.

  • Scipio hatte die Zeit bisher gut genutzt, nur mit Serapio gesprochen, das hatte er nicht. Er hatte es vergessen, dann wegen der Hochzeit verschoben, und dann waren andere Dinge wichtiger. Nun aber wurde es für ein an der Zeit sich einen Rat einzuholen, und wer eignete sich da besser als Serapio. Für Scipio war sein Verwandter ein kleiner Held, strahlendes Vorbild, jemand der seiner Gens mehr Ruhm und Ehre gebracht hatte als man es von ihm erwartet hatte. Und Scipio wollte ebenso werden.


    "Serapio, bist du anwesend?"

  • Da mein Dienst in der Castra praetoria stattfand, traf man mich tagsüber so gut wie nie in meinem Cubiculum an. Das Zimmer war dann leer, die Türe abgeschlossen.
    Doch heute hatte der junge Scipio, dessen helle Stimme da nach mir fragte, Glück.
    "Ja! Komm rein." erwiderte ich. Auf einem Stuhl in der Mitte des Raumes sitzend, in Tunika, ein Tuch um die Schultern gelegt, ließ ich mich gerade von Narcissus verschönern. Denn bei dem bald bevorstehenden öffentlichen Auftritt zur Imagoweihe wollte ich selbstverständlich in jeder Hinsicht eine gute Figur machen.
    Mein hübscher blonder (mittlerweile freigelassener) Ornator hatte vor sich ein ganzes Arsenal von Tiegeln, Fläschchen, Pomaden, Kämmen, Schwämmen, kleinen Zangen, Bimsstein... Er war eben dabei, mir mit einer kleinen Bürste eine schlickige dunkle Paste in die Haare einzuarbeiten... an den Schläfen, wo diese infamen grauen Strähnen schon wieder grausam und unerbittlich ihre häßlichen aschefarbenen Ansätze zeigten.
    Das Zimmer an sich war mittlerweile wieder ganz ordentlich. Neue Sklaven hatte ich mir, (nachdem Borkan nicht so sonderlich erfreut gewesen war über meinen zaghaften Vorstoß in diese Richtung) zwar noch immer nicht angeschafft, dafür aber meinen Libertus Icarion als unter anderem Kammerdiener wieder eingestellt.
    "Na, Scipio?" Lächelnd sah ich dem munteren Jungen, den ein jeder nur gern haben konnte, entgegen. "Was gibt's denn?"

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  • Der Anblick war... nun... nicht seltsam aber ungewohnt. Serapio ließ sich gerade offensichtlich gerade einige Schönheitskuren verabreichen, ja er war doch ein wenig eitel. Auf der anderen Seite... bald Stand ja ein wichtiger öffentlicher Auftritt an, wer konnte es ihm da verübeln im besten Licht strahlen zu wollen?


    Also lies sich Scipio nix anmerken, nahm ihm gegenüber platz und wartete kurz bis der Ornator Serapio eine kleine Pause gönnte.
    "Danke dass du dir Zeit nimmst. Ich habe eigentlich zwei Anliegen. Einen Rat und ein paar Informationen, falls du zu letzterem bereit bist."


    Er holte kurz Luft...
    "Zum Einen würde ich gerne von dir wissen ob du mir auch eine Karriere im Militär ans Herz legen kannst. Langsam muss ich eine Entscheidung treffen und auch wenn mir mein Stand natürlich den Weg in Richtung Senat ebnet, so ist auch die Legion etwas dass mich stets interessiert hatte. Oder würdest du mir vielleicht eher zu einem Einstieg in den Cursus als Tribun bei den Truppen raten? Ich wurde immer nur auf eine Karriere für den Senat vorbereitet, aber nun kann ich frei entscheiden und daher möchte ich mir Rat einholen."


    Gut, das war ja nun nichts verwerfliches. Der zweite Punkt war etwas, naja... etwas was er eigentlich nur ungern Serapio fragen wollte, aber er war eben direkt dabei, er wusste es sicher am Besten.
    "Zum Anderen wollte ich dich fragen, wenn du es möchtest, ob du mir einige Dinge über den Bürgerkrieg erzählen kannst. Da ich weit weg war weiß ich eigentlich kaum etwas, schon gar nichts davon was in Rom geschehen ist. Und egal welchen Weg ich einschlage, ich habe einfach das Gefühl dass ich darüber etwas wissen sollte."
    Er biss sich auf die Lippen, hätte er doch eben beinahe noch mehr gesagt als er sagen wollte.

  • Die erste Frage kam nicht unerwartet. Scipio stand an der Schwelle zum Mannesalter, und als Decimer, noch dazu Enkel des Triumphators, da wurde natürlich eine Menge von ihm erwartet. Und er wollte es offenbar angehen, hatte Biss, war kein Träumer wie Vetter Casca (oder ein anderer gewisser junger Decimer seinerzeit.) Sehr schön.
    Ich nickte zustimmend, und holte schon Luft, um ihm eine weise Antwort zu geben, als seine zweite Frage mich überraschend traf.
    Stumm sinnend, die Stirn umwölkt, blickte ich ihn an.
    Erstaunlich.
    Scipio war der erste, der erste und einzige, der mich jemals von sich aus gefragt hatte, was damals geschehen war. - Ob das vielleicht... ein Zeichen dafür war, dass das Denk-Verbot und Duck-Gebot, das die Palmazeit so erstickend über das Reich gelegt hatte, ganz langsam... wich? War mit der neu herangewachsenen Generation auch der Mut, Fragen zu stellen, endlich zurückgekommen?
    Halblang, Faustus. Nur keine voreilige Hoffnung schöpfen.
    "Ich kann dir eine ganze Menge erzählen." sagte ich schließlich zynisch. "Die Frage ist halt, ob du wirklich wissen willst, was damals los war, Scipio. Roms saubere Gesellschaft hat sich dazu entschieden die dreckige Wahrheit unter den Teppich zu kehren und reagiert höchst ungehalten darauf wenn man sie exhumiert."
    Narcissus neben mir schlug betreten die Augen nieder und beschäftigte sich angelegentlich damit, sein Instrumentarium zu ordnen.


    "Aber eines nach dem anderen." würgte ich das Thema erst mal ab. "Zuerst mal: Was deinen Weg angeht. Eine militärische Laufbahn ist eine ehrenwerte Tradition in unserer Familie. Wenn es deiner Neigung entspricht um so besser. Die Realität, die sieht natürlich immer anders aus als die heroischen Geschichten und schönen Paraden, doch es gibt nun mal keine sinnvollere, keine nützlichere Weise, unserem Imperium zu dienen als unter dem Adler. Das Heer ist Rückgrat unseres Reiches." erklärte ich, dies mit einer energischen Geste unterstreichend. Wobei die wulstigen Narben an meinem lädierten Schwertarm auch ohne Worte sprachen.
    "Du hast drei Möglichkeiten: Primum – als einfacher Soldat sub aquila zu gehen, zu dienen wie alle anderen auch und vom Pilum auf mit allen Härten das Soldatenhandwerk zu erlernen, um später dann in die höheren Ränge aufzusteigen. Früher war das gang und gäbe, ich habe es damals auch noch so gemacht, und ich bin davon überzeugt, dass die besten Offiziere so, ex caligae, entstehen. Mittlerweile, seit den großen Militärreformen, ist das aber sehr ungewöhnlich geworden, gilt als altmodisch."
    Was ich sehr bedauerte.
    "Secundum – du verdienst dir den Ritterstand, und verfolgst die Militia Equestris, die ritterliche Heereslaufbahn. So wie ich das dann nach meiner Zeit als einfacher Soldat gemacht habe. Aus meiner Erfahrung kann ich dir sagen: da kommt man viel rum, lernt verschiedene Einheiten kennen, wird wirklich zum Berufsoffizier und kann, wenn man sich auszeichnet, mit der Zeit ausgesprochen einflussreiche Kommandos erringen.
    Tertium – du verfolgst eine senatorische Karriere, beginnst jetzt erst mal ganz normal mit einem Tirocinium fori, kandidierst dann zum Vigintivir, gehst dann als senatorischer Tribun zum Heer. Dabei mußt du dir im klaren sein, dass du als senatorischer Tribun zwar formell hochrangig, de facto aber ein Grünschnabel bist. Man schiebt die senatorischen Jünglinge für gewöhnlich gerne in die Schreibstube ab, damit sie den echten Soldaten nicht im Weg rumstehen... Es obliegt dir also selbst, dich vorher angemessen auf das Tribunat vorzubereiten. Ausserdem solltest du es auf jeden Fall verlängern, der 'Pflichtteil' ist viel zu kurz. Livianus und ich können dich natürlich an einen Kommandanten vermitteln bei dem du wirklich was lernst. Danach verfolgst du weiter den Cursus honorum und wirst irgendwann Legatus legionis."


    Nach diesen Ausführungen lehnte ich mich zurück und schloß:
    "Früher, da hätte ich dir zum zweiten Weg geraten. Weil er ein rundherum militärischer ist, und weil der Ritterstand mehr und mehr an Bedeutung gewinnt, während der Senat im Grunde kaum noch was zu sagen hat... alte Männer die über unbedeutsames tagen, während die wirklich wichtigen Entscheidungen vom Kaiser getroffen werden. - Jedoch: So wie die Dinge jetzt, unter Imperator Aquilius, stehen, schwingt das Pendel wieder zurück. Der Senat hat Bedeutung zurückgewonnen, und es ist für unsere Familie wichtig, dort auch in Zukunft vertreten zu sein.
    Darum lautet mein Rat: nutze das Privileg deiner Geburt, und verfolge eine Karriere im Cursus honorum. Engagiere dich in deinen Ämtern, sei immer freundlich aber schenke niemals Vertrauen, und nutze jede Gelegenheit dich militärisch zu bilden. Mach ein vernünftiges Tribunat, und habe von Anfang an das Ziel vor Augen dir eines Tages die Position eines Legaten zu verdienen."

  • Scipio hörte zu, nickte nur kurz nach dem ersten Satz. Man würde ja noch darauf zurückkommen, also würde er sich solange gedulden. Damit hatte er ja keine Probleme, er war es gewohnt.
    Serapios Ausführungen waren nicht nur informativ, sondern auch hilfreich. Wie Scipio es sich schon dachte legte Serapio alle Möglichkeiten und knappen, aber durchaus informativen und genauen, Worten dar und machte deutlich welche Vor- und Nachteile sie mit sich brachten. Etwas überraschend machte er aber auch einen Vorschlag was er für den richtigen Weg halten würde.


    "Um wieviel kann ich denn diesen Pflichtteil verlängern? Denn ich möchte ja auch über das Leben der Soldaten soviel lernen wie es mir möglich ist, immerhin sind es die Legionen die Roms Existenz sichern. Ich habe noch von keinem Senator gehört, zumindest seit den Zeiten Julius Caesars und Magnus Pompeius, der sein Schwert zückte. Und ich hoffe auch etwas, dass der Ruf der unserer Familie vorraus geht auch hier bewirkt dass ich nicht nur in der Schreibstube lande. Zur Not muss ich mich eben beweisen, ich trainiere ja bereits mit Broka den Schwertkampf." Ob Serapio dies nun gutheißen würde wusste er nicht, aber er fand es konnte nicht schaden. Legat, Senat... das klang sehr gut, auch wenn es ein langer, langer Weg bis dahin sein würde.


    "Ich danke dir für deine ehrlichen Worte und den Rat. Ich denke ich werde ihn befolgen, denn wenn du Recht hast was den Imperator betrifft, dann sollte ich die Chance nutzen dass wir auch im Senat vertreten sind. Für den Nachwuchs an Soldaten musst dann eben du sorgen." Er konnte sich ein freches Grinsen nicht vermeiden, aber immerhin hätten seine Söhne die besten Anlagen für eine große Karriere.


    "Um an den Anfang zurück zu kommen. Ja ich möchte wissen was los war, sogar sehr. Mir ist auch bewusst dass sicher viele, wenn nicht fast alle, Gens in Rom etwas getan haben dass man als Schande bezeichnen kann. Aber die Wahrheit kann nicht ewig verschwiegen werden, und man muss auch vergeben können. Was Geschehen ist ist geschehen, aber es kommen neue Generationen die damit nichts zu tun hatten. Und es sollte unsere Pflicht sein es dann aufzuarbeiten."
    Das klang sehr poetisch, vielleicht sogar etwas zu optimistisch, träumerisch. Aber so dachte er eben...
    "Und außerdem würde ich gerne wissen welchen Personen ich vertrauen und welche ich meiden soll. Und da ich in solchen Dingen ein Grünschnabel bin nutze ich gerne die Gelegenheit mir von jemandem Informationen geben zu lassen der sie aus erster Hand hat. Und ich wette es gibt kaum jemanden der hier besser wäre als du."

  • "Zumindest verdoppeln. Aber das siehst du dann wenn es soweit ist." antwortete ich, und: "Beweisen mußt du dich auf jeden Fall. Gerade auf einem Namen wie dem unseren darf man sich nicht ausruhen." Mit einem nachsichtigen Lächeln quittierte ich Scipios Bemerkung zu seinem Training mit seinem Germanen.
    "Es ist gut, dass du dich in Form bringst. Aber Scipio, verfall nicht dem Irrglauben, Schwertkampf mit einem Barbarensklaven habe etwas damit zu tun, was einen Legionär ausmacht. Disziplin, Formation, Gehorsam, schwer tragen und hartes Malochen, darauf kommt's an, weit vor dem Einsatz des Gladius... Und der sieht bei Legionären in Formation ganz anders aus, als wenn zwei Gladiatoren elegant umeinander tanzen. Unsere Legionen kämpfen brutal aber effizient."
    Scipio beteuerte, meinem Rat folgen zu wollen. Ich nickte ihm zu, dann war er schon wieder weitergerauscht. Ich runzelte die Stirn. Zum einen weil mir seine Bemerkung zum 'Nachwuchs' zu vorlaut war, zum anderen weil das erste Thema noch längst nicht besprochen war.


    "Eins nach dem anderen, Scipio." gebot ich meinem jungen Verwandten streng. "Jetzt gilt es erst mal zu überlegen, was deine nächsten Schritte sein müssen. Du hast eine Ausbildung bei einem Rhetor genossen, ja?" Das war ja die gängige Vorbereitung für eine senatorische Laufbahn, und ich ging davon aus, dass seine Mutter dafür gesorgt hatte.
    "Zuerst mal solltest du jetzt hier in Rom jede Gelegenheit nutzen, dir die öffentlichen Auftritte guter Redner anzuhören. Darauf zu achten wie sie die aufbauen und vortragen und wie das Publikum reagiert, und welche Techniken und Kniffe du dir von ihnen abschauen kannst. Unser Kaiser ist ein vortrefflicher Redner, und ganz fantastisch ist der Senator Flavius Gracchus. Und unter den jüngeren Politikern ist Iulius Dives sehr gut."
    (Zu dessen bald danach stattfindenden Auftritt, auch wenn's kein schöner Anlass war, ich den jungen Scipio dann natürlich auch zum Mitkommen auffordern würde.)
    "Und, wie gesagt, dein Tirocinium steht an. Hat deine Mutter schon etwas organisiert? Oder du selbst jemanden ins Auge gefasst? - Hm... vielleicht bei Senator Purgitius Macer? Er ist ein alter Militär, auch ex caligae, hat früher die Legio Prima kommandiert. Der kennt sich aus. Die Academia militaris hat er auch geleitet. Er ist allseits beliebt und man sagt auch, er sei vom Glück begünstigt... - Fortuna ist natürlich eine Hure, wankelmütig und treulos, trotzdem geht nichts ohne sie. - Was meinst du? Frag doch mal Livianus. Er kann dich sicher vermitteln. -
    Ausserdem ist es sicher nicht verkehrt, wenn du bald zu dem Tempeln gehst, Frömmigkeit demonstrierst, und den Göttern opferst. Zum Beispiel Mercurius... Dessen Verehrung ist, da der Kaiser ihm besonders verbunden ist, gerade der letzte Schrei."

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  • "Natürlich werde ich mich nicht ausruhen. Ich weiß ja selbst dass ich viel viel arbeiten und lernen muss und nicht einfach von heute auf morgen alle beeindrucken werde. Und auch das Training mit Broka dient nur dazu, dass ich wenigstens etwas mit dem Schwert umgehen kann. Das intensive lange Training der Milites kann ich natürlich nicht einfach mal eben so lernen. Aber vielleicht kommt das ja, wenn die Zeit reif ist."


    Er merkte dann, dass sein Tempo etwas zu schnell für Serapio war, er etwas zu sehr nach vorne preschen wollte. Der Nachteil der Jugend, unbedacht loslaufen und dann erst merken wo die Fallen waren. Wie gut dass er sich mit Serapio und Livianus einen Rat holen konnte, das war Gold wert.


    "Ja, auf den Rhetor haben Mutter und Vater großen Wert gelegt. Ich denke auch dass ich schon einigermaßen gut mit meinen Worten umgehen kann, aber ich werde deinen Rat befolgen. Es gibt sicher verschiedene Arten gut zu sprechen, also sollte ich meinen kleinen Horizont erweitern wo ich es nur kann."
    Beide Namen sagten ihm nun gar nichts. Aber das wollte er mal nicht erwähnen, er würde das schon irgendwie heraus bekommen wer die beiden waren. Den Kaiser kannte er natürlich.


    Das Tirocinium.... nein natürlich hatte Mutter da nichts vorbereitet...
    "Mutter war mehr damit beschäftigt die Sklaven auszupeitschen und neue Kleider, Statuen und Bilder zu kaufen. Ich wollte mir noch von Livianus einen Rat einholen und wenn ich daran denke ihn darauf ansprechen. Senator Purgitius Macer kenne ich und habe bereits ein paar Dinge von ihm gehört. Ich werde mal sehen was dein Vater sagt und dann entscheiden."
    Er machte eine kurze Denkpause. War es denn schlau gerade Macer zu fragen? Es würde sicher sehr viel um militärische Fragen gehen, dafür war er ja bekannt. Dann sank sein Blick nach unten, er lief etwas rot an.


    "Opfern? Ich muss gestehen, dass ich so etwas noch nie alleine getan habe. Und Mutter tat es auch nur selten, sie kann man nicht gerade als gottesfürchtig bezeichnen. Aber man macht alles ein erstes Mal, ich werde mich mal informieren was man Mercurius am Besten opfern sollte und dann alles in die Wege leiten." Was natürlich besonders ins Gewicht fiel, denn ohne das Wohwollen der Götter würde er es nicht weit bringen, das stand fest.

  • Am Abend des Tages an dem sie der Trauerfeier von Iulia Torquata beigewohnt hatten, war Valentina nicht in die Qasa Quintilia zurückgekehrt, sie wollte unter Menschen sein und hier waren eindeutig mehr los. Dennoch wollte sie eigentlich die Gesellschaft von jemand bestimmten und so stand sie nun vor der Zimmertüre ihres zukünftigen Gatten und klopfte an.

  • Zitat

    Original von Marcus Decimus Scipio


    "Du sprichst sehr harsch über deine Mutter." bemerkte ich mit einem leisen Tadel. In Scipios Alter hatte ich das zwar auch nicht besser gemacht. Aber das hinderte mich ja nicht daran, es jetzt besser zu wissen.
    Livianus würde ihm sicher viele gute Ratschläge geben können, zum Thema Überleben und Reüssieren in der Schlangengrube Politik, viel bessere als ich. Darum hielt ich mich an der Stelle zurück, nickte nur bestärkend als er beteuerte, ihn fragen zu wollen.
    "Opfern ist ganz einfach." behauptete ich. "Und die helfen dir ja auch da im Tempel. Sieh es gute Gelegenheit, öffentlich zu sprechen.- Ach..."
    Ich wandte mich zu meinem Ornator, der auf der Fensterbank saß, und gelangweilt seine Nägel polierte.
    "Narcissus, wir quatschen hier sicher noch ne Weile. Wie wäre es, wenn du die Gelegenheit nutzt, du wolltest doch frisches Zimtöl besorgen..."
    "Hm... ja..." Er trat zu mir und prüfte mit spitzen Fingern den Zustand meiner Haare. "Das muß sowieso noch einwirken. Dann geh ich mal."
    Geschickt wand er mir ein Tuch um den Kopf, wie einen Beduinenturban, und verließ uns.


    "Um auf deine Frage zurückzukommen, Scipio. Ich muß sagen, ich bin überrascht, dass du überhaupt fragst. Was geschehen ist, im Bürgerkrieg, und was dazu führte, das wurde auf Anordnung von oben wirklich massiv totgeschwiegen und mit Propaganda übertüncht. Aber du hast schon recht, du solltest wissen was war. Geh aber bitte gewissenhaft damit um. In deinem eigenen Interesse. Wie du schon sagtest, viele Personen und viele Familien haben große Schuld auf sich geladen in diesen Jahren. Sie wiegen sich in der Illusion es sei alles gut vertuscht, und werden äusserst giftig wenn man sie Lügen straft."
    Aufklären, 'vergeben', 'aufarbeiten'... hatte er vorhin gesagt... Mein Mund zuckte in bitterer Resignation.
    "Und was das vertrauen-können angeht – lässt sich leicht zusammenfassen. Merk dir, Scipio:"
    Ich beugte mich vor, und sah ihn eindringlich an:
    "Du kannst allen Menschen genau so lange vertrauen, wie du ihnen von Nutzen bist. So lange wie sie eindeutig mehr Nutzen davon haben, dich zu unterstützen, als dich zu verraten, kannst du ihnen vertrauen. Und sobald sie einen größeren Nutzen davon hätten, dich zu verraten – geh davon aus, dass sie dir bei erster Gelegenheit den Dolch in den Rücken stoßen. Das ist normal. Gilt auch für Freunde. Zumindest für neun von zehn die du als Freund bezeichnen würdest. Für die Familie – manchmal. Klingt jetzt vielleicht etwas sehr bitter in deinen Ohren, aber... es ist so."
    Ich machte eine Pause, bevor ich weiter ausholen würde, um sicherzugehen, dass er diese in Rom so essentielle Lektion wirklich gehört hatte.

  • Zitat

    Original von Quintilia Valentina
    Am Abend des Tages an dem sie der Trauerfeier von Iulia Torquata beigewohnt hatten, war Valentina nicht in die Qasa Quintilia zurückgekehrt, sie wollte unter Menschen sein und hier waren eindeutig mehr los. Dennoch wollte sie eigentlich die Gesellschaft von jemand bestimmten und so stand sie nun vor der Zimmertüre ihres zukünftigen Gatten und klopfte an.


    Still, stumm, verlassen und verschlossen war das Zimmer. Doch aus Richtung des kleinen Speisezimmers war das Geräusch von Geschirr zu vernehmen, und die Stimme Serapios, die durch das Haus rief:
    "Valentiiinaaa..! Magst du auch was essen?"

  • "Nun, Mutter war auch sehr harsch zu den Sklaven, und manchmal auch zu mir. Ich glaube sie hat nach Vaters Tot geglaubt auch seine Rolle übernehmen zu müssen und diese etwas, nunja, missinterpretiert." Wenn man das so nennen konnte. Seine Mutter wurde von einem Tag auf den anderen zu einer neuen Person, einer die Scipio nie sehr mochte. Dabei war sie vorher so warmherzig, nett....


    Opfern, einfach? Dann würde er es bald mal selbst versuchen, bald... also in einer oder zwei Wochen oder so. Ihm war Unwohl dabei, denn wenn er etwas schrecklich falsch machen würde, am Ende würde vielleicht die Götter nicht nur ihn bestrafen?
    "Ich werde es versuchen, vielleicht sollte ich vorher nochmal gründlichen studieren wie ich das am Besten angehe."


    Dann began Faustus endlich auf das Thema einzugehen welches Scipio so brennend interessierte, nur um dann doch abzuschweifen. Natürlich war klar dass man am Ende versucht hatte alles zu vertuschen, jeden in gutem Licht stehen zu lassen. Am Ende wurde es ein Rat zum Thema vertrauen.
    "Vertrauen ist etwas seltenes, ich denk es gibt nur wenige Personen innerhalb eines Lebens denen man wirklich vertrauen kann. Zeitweise sicher, wie du sagtest, dem ein oder anderen solange beide einen Nutzen davon haben. Aber man sollte jederzeit bereit sein ein Messer im Rücken zu haben."

  • "Oder zumindest gut auf seinen Rücken achten." ergänzte ich. Überrascht dass Scipio, dies, trotz seiner jungen Jahre und sorglosen Erscheinung, wohl doch schon recht realistisch sah. Natürlich war das theoretische Wissen das eine, und die Erfahrung, hinterrücks verraten zu werden, dann trotzdem ein ganz anderes Kaliber.


    Aber a propos Verrat. Eigentlich hatte ich ihm ja vom Bürgerkrieg erzählen wollen. Wollen? Nein, nicht wirklich. Ein gewaltiger Widerwille dagegen, mir diese abgrundtief dunkle und verworrene Epoche des Reiches wieder zu vergegenwärtigen, lähmte mir die Zunge. Eine Art von Abscheu dagegen, überhaupt nur zurückzudenken, an diese Zeit, die nur das Allerschlechteste in den Menschen gefördert hatte, diese Jahre, in denen wildgewordene Schicksalsmächte in einem Tanz sinnloser Zerstörung das Reich an den Rande des Abgrundes getrieben hatten.


    "Es begann alles damit, dass Kaiser Ulpius Iulianus... der letzte große Kaiser... auf dem Feldzug gegen die Parther ums Leben kam." begann ich widerstrebend zu erzählen.
    "Das war... bei der Schlacht am Chaboras, wo ihn ein Partherpfeil aus dem Hinterhalt traf. Später starb er an der schwärenden Wunde, da standen wir vor Dura Europos, um die Stadt zu belagern... Ich war damals noch ein kleiner Soldat bei der Prima, und Livianus war als Legat der Prima in parthische Gefangenschaft geraten... Es hatte dann ein Ende mit dem Feldzug. -
    Ulpius Aelianus Valerianus, der Adoptivsohn Iulianus, folgte ihm auf den Thron. Der Übergang war reibungslos, denn die Nachfolge war ganz klar Iulianus' Wille gewesen, er war sehr beliebt gewesen, und er hatte Valerianus bereits fest als Thronfolger etabliert. Iulianus wurde dann vergöttlicht. Kaiser Valerianus war... ein echter Soldat. Mit viel Rückhalt bei den Truppen. Aber als er den Thron bestieg, da war er schon nicht mehr gesund. Er litt an einer schleichenden Auszehrung, und zog sich bald zur Genesung aufs Land zurück, zusammen mit seiner Familie. Darum überließ er mehr und mehr Regierungsgeschäfte seinem Stellvertreter: dem Stadtpräfekten Vescularius Salinator. Die beiden waren alte Freunde und Kampfgefährten, und Valerianus vertraute ihm...
    Vescularius war von Anfang an umstritten. Zum Teil weil er aus einfachen Verhältnissen stammte, ein echter 'homo novus', dessen Umgangsformen und Geschmack nicht gerade die besten waren, was die verstaubten Eliten natürlich entsetzte... "

    Ein ganz leises Schmunzeln glitt über mein Gesicht, als ich daran zurückdachte..... aber ich wurde schnell wieder sehr ernst, und fuhr fort:
    "Zum Teil weil er nicht zögerte die Dinge beim Namen zu nennen, und uralte, längst veraltete Privilegien des Patrizierstandes aufs Korn nahm. Kannst du dir vorstellen, Scipio, dass damals die Patrizier, ausgerechnet die reichsten alten Familien mit all ihren Latifundien, tatsächlich noch vollkommen davon befreit waren, Steuern zu zahlen? Ein irrwitziges Privileg, das natürlich zu Lasten von uns Plebejern ging!
    Und zum Teil war er auch umstritten... weil er eine schamlose Vetternwirtschaft betrieb und auch damals schon Ansätze von despotischen Züge zeigte. Livianus hat das damals angeprangert, im Senat, aber die anderen Senatoren hatten nicht den Schneid dazu... -
    Wenn... ein durchschnittlicher denkfauler Römer heute auf Vescularius zurückblickt, dann sieht er, verzerrt durch die dicken Schichten von Propaganda die Cornelius und Konsorten über das Reich gekleistert haben, nur noch ein wahres Monstrum. Aber es ist... eben viel komplexer. Ich war damals bei den Stadtkohorten Centurio, und habe häufiger die Leibwache Vescularius' kommandiert, ihn aus nächster Nähe mitbekommen, und er hat wirklich viel für uns Plebejer getan, war gut zu seinen Soldaten, war uns ein fairer und fähiger Kommandant. Zumindest damals..."

    Versunken in all diese ambivalenten Erinnerungen rieb ich mir mit zwei Fingern angestrengt die Nasenwurzel.
    "Das ging lange so, dass die Leute hinter seinem Rücken tuschelten, er sei ein zweiter Seianus, während sie gleichzeitig vor ihm buckelten und schleimten, und versuchten so viele Vorteile wie möglich abzugreifen. Gerade die, die ihn heute am schärfsten verurteilen, sind oft die, die damals am schamlosesten um ihn herum scharwenzelten. Es gab dann wohl Bestrebungen, Kaiser Valerianus davon zu überzeugen, seinen Sohn Maioranus offiziell zum Thronfolger einzusetzen. Aber der war noch ein Junge, und der Kaiser ließ alles beim Alten. Dann kamen diese verhängnisvollen Saturnalien..... "

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    Klient - Decima Lucilla

  • Gespannt hörte Scipio zu, auch wenn er merkte dass Serapio erstmal etwas brauchte bis seine Zunge locker wurde, anscheinend lastete all das Geschehene noch sehr auf ihm. Doch unterbrechen wollte der junge Decimer seinen älteren Verwandten nicht, und er ging im Kopf alles durch was Serapio zu erzählen hatte. Dabei erfuhr er nicht nur Dinge über die Kaiser die er noch nicht wusste, auch einige neue Dinge über seine eigene Verwandschaft wurde ihm nun bekannt.


    Als Faustus eine kurze Pause machte, wagte Scipio ein paar Anmerkungen.
    "Ich wusste gar nicht dass Livianus und du am Partherfeldzug teilgenommen haben, geschweige denn dass Livianus gefangen wurde. Und ja, Salinator wurde auch bei uns, weit weg von Rom, als Monster beschrieben, als skrupellosen Despoten der nur in die eigene Tasche, und die seiner Vertrauten, wirtschaftete. Aber dass er den Patriziern ans Geld wollte, versuchte für einen Ausgleich zu sorgen... all das höre ich gerade zum ersten Mal und das wirft auch ein anderes Bild auf ihn. Aber daran erkennt man wieder einmal, Geschichte schreiben immer diejenigen die gut aus der Sache herauskommen, also unterschlägt man eben die Dinge die nicht ins gewünschte Bild passen..."

  • "Im armamentarium kannst du die Trophäen besichtigen." bemerkte ich sarkastisch. "Roma Victrix... Das ist es was am Ende übriggeblieben ist von diesem Feldzug: ein bisschen Stahl an der Wand, keinerlei bleibende Veränderungen im Grenzverlauf, Narben, Invaliden, verstümmelte Krüppel, ein toter Kaiser und jede Menge Soldatengräber.... - Livianus war in Gefangenschaft, ja, aber frag ihn nicht danach. Sein Bruder Magnus hat dann eine Mission nach Parthien angeführt und ihn da rausgeholt."
    So lange war das her.


    "Man unterschlägt, dichtet hinzu, und lastet die eigenen Vergehen dem anderen an. So wie hier geschehen... Ein Kreis von Verschwörern fand sich zusammen, aus Patriziern und Nobilitas, um den alten Consular Tiberius Durus, Vinicius Hungaricus und Cornelius Palma. Sie stilisierten sich als 'Patrioten' und beschlossen nicht etwa, Vescularius zu beseitigen, nein, in ihrer machtgierigen Verblendung beschlossen sie, zu diesem Anlass gleich die ganze Ulpierdynastie auszulöschen. Verfluchte Hybris."
    Düster versuchte ich zu erklären: "Aber das irrsinnigste ist, dass es ihnen gelang, auch... an sich sehr aufrechte Männer in ihren zerstörerischen Bann zu ziehen und zu so frevlerischen Taten zu verleiten. Sie müssen eine enorme Suggestionskraft gehabt haben. Und dass Vescularius den alten Adel immer wieder kränkte, und sich so für Steuergerechtigkeit stark machte, das spielte ihnen natürlich in die Hände... Es ging ums Geld, und es ging um ihr aufgeblähtes Standesbewußtsein – da war ihnen jedes Mittel recht.
    Wir waren ihnen sogar schon auf der Spur! Ich war zu der Zeit in Syrien, weil es Zweifel an der Integrität des Statthalters gab... und es stellte sich schnell heraus, dass diese berechtigt waren, Tiberius hatte ihn zum Hochverrat angestiftet, und er bereitete seine Truppen schon auf den Bruderkrieg vor. An den Saturnalien haben die Verschwörer dann zugeschlagen, und den Kaiser, seine Gattin und seinen Sohn in ihrer Landvilla bei Misenum durch ein heimtückisches Giftattenat qualvoll ermordet...
    Was Vescularius aber nicht etwa gleich mit zu Fall gebracht hat, nein im Gegenteil, er schlug sofort entschieden zurück, und ließ die Verdächtigen, die wir ja schon im Visier gehabt hatten, verhaften. Und dazu wohl auch einige andere Personen, die ihm einfach nur unliebsam waren. Livianus hatte sich zu dem Zeitpunkt zum Glück schon nach Hispania zurückgezogen."

    Ich seufzte. Wie in aller Welt sollte ich dem treuherzigen jungen Scipio verständlich machen, in was für einer bizarren Welt dreifach gebrochener Loyalitäten, kleinerer Übel und schaler Kompromisse wir uns damals hatten durchschlagen müssen?
    "Ich habe all das später erst erfahren oder durch meine Ermittlungen rekonstruiert. War ja noch in Syrien zu der Zeit. Da traf dann in allergrößter Hast der Kaisermörder Cornelius Palma ein, der Verhaftung gerade noch entkommen, wurde vom Statthalter mit marschbereiten Truppen und Provinzflotte begrüßt, hielt den Soldaten eine frevlerische Rede, in der er sie darauf einschwor, gegen ihre Brüder zu ziehen, damit er den Thron an sich reißen konnte. Damit hatte der Bürgerkrieg begonnen..."

  • Scipio senkte den Kopf bei diesen Worten, ihm wurde zum ersten Mal wirklich bewusst auf welche Art der "Ruhm" Roms zustande kam, wenn man das manchmal noch als Ruhm bezeichnen konnte. Er murmelte nur noch "Ich hatte ja keine Ahnung..."


    Dann machte Serapio weiter, erklärte so gut es ging das wirre Gespinst das einer Kaiserfamilie das Leben kostete, ein Reich in einen Bruderkrieg zwang und am Ende doch zu nichts führte außer Not, Tod, Elend und einem weiteren toten Kaiser. Und das alles nur aus Gier, falschem Stolz und wie es klang auch einer gewissen Willkür. Zum ersten Mal wurde Scipio klar und deutlich bewusst wie weit man mit falschem Stolz kommen konnte, Serapio führte ihm all das plötzlich klar vor Augen was er früher nicht sehen wollte oder konnte.
    "Also ich verstehe das richtig? Aus falschem Stolz und Ehrgefühl heraus gab es einen Krieg, einen toten Kaiser, viele totale Soldaten und am Ende blieb doch alles wie es vorher war? Und all das hätte verhindert werden können wenn du nur früher an der richtigen Stelle gewesen wärst? Den Soldaten kann man glaube ich hierbei nur eine kleine Schuld zuweisen, sie werden darauf trainiert ihren Vorgesetzten zu Vertrauen und Befehle auszuführen."


    Er machte eine Pause als sich ein Gedanke aufdrängte, einer den er nicht auszusprechen wagen wollte, aber es dann doch tat... "Sera.... Serapio.... was hättest du denn gemacht wenn du eben auf der anderen Seite gestanden hättest, die Reden gehört hättest die so viele Soldaten dazu brachte das Schwert gegen den Kaiser und gegen Rom zu erheben?" Und dann kam noch einen weiterer Gedanke in ihm auf, einer der ihm große Bauchschmerzen verursachte... "Musstest du.... oder sonst jemand unserer Familie....gegen einen anderen... Decimer... in den Kampf ziehen?" Seine Stimme stockte dabei.

  • Wieder mal hatte ich den Eindruck, dass der junge Scipio wenig zuhörte, und seine Antwort viel zu schnell hervorsprudelte, noch bevor er das Gesagte überhaupt aufgenommen und zumindest ein wenig bedacht hatte.
    Ich schüttelte den Kopf. "Ich sagte, dass der Partherfeldzug keine bleibende Änderung im Grenzverlauf ergeben hat. Notwenig war er trotzdem, um die Euphratgrenze abzusichern. - Der Bürgerkrieg hingegen war eine Katastrophe, ein sinnloses blutiges Gemetzel, in das eine Gruppe machtgeiler, alter, um ihre Privilegien bangender, und bis zum Bersten von Hybris erfüllter Senatoren dieses Reich gestürzt hat. Nein, ich glaube nicht dass ich oder irgendjemand sonst ihn hätte verhindern können. Es war eine Zeit, in der alle Zeichen auf Wahnsinn standen, in der ehrenhafte Männer plötzlich alles wofür sie je gestanden hatten vergaßen, in der die Götter selbst dem Irrsinn anheim zu fallen schienen, und die Schicksalsmächte das Geschick dieses Reiches in ein Knäuel von Chaos, Absurdität und Zerfall verwirrten. -"
    Ich unterbrach mich selbst an dieser Stelle, denn es machte keinen Sinn, dem jungen Scipio von jenen absonderlichen Schicksalsverrenkungen und merkwürdigen Wetterphänomenen zu berichten, die damals die Putschisten auf so bizarre Weise an die Macht gehievt hatten. Daran zurückzudenken führte nur zu Kopfschmerzen und der Frage, ob unsere Realität wirklich so real war wie man so meinte? Oder ob wir vielleicht alle nur Figuren in einer unendlichen Geschichte waren, deren Autor damals gewaltig einen über den Durst getrunken hatte?
    "Aber wie auch immer. Natürlich brachte der Bruderkrieg Veränderungen mit sich. Die erste war, dass Männer wie ich, die einfach nur Rom dienten, dazu gezwungen waren, nun eindeutig für Vescularius Partei zu greifen. Er war von Valerianus in seinem Testament zum Nachfolger bestimmt worden, der Senat bestätigte ihn als Kaiser. Trotz all seiner Schwächen war er natürlich einem Mann von so grenzenloser Infamie wie Cornelius, einem skupellosen Giftmörder, Kaisermörder und Kriegstreiber weitaus vorzuziehen. Es gab damals sozusagen nur die Alternative zwischen... der Krätze und der Pest, verstehst du?"


    Die Frage was ich getan hätte, als einfacher belogener Soldat, quittierte ich mit einem müden Schulterzucken. Wer weiß.
    "Ganz recht. Die Hauptschuld liegt bei den Kommandanten. Das Pomerium zu schänden ist nichtsdestotrotz ein großer Frevel und eine große persönliche Schande. Für jeden einzelnen Soldaten der das getan hat. - Nein, ich habe nicht gegen anderen Decimer kämpfen müssen. Aber gegen meinen alten Freund Iulius Licinus. Als ich bei Vicetia die Garde ins Feld geführt habe... -
    Wir haben versucht, die Putschisten aufzuhalten. Aber vergebens. Die allermeisten Römer steckten nur feige den Kopf in den Sand, als Cornelius seine Legionen ins Herz des Reiches führte. Sobald er sich dann als Sieger abzeichnete liefen sie ihm zu und leckten ihm begierig die Propagandalügen von den Lippen. Das war die einschneidenste Veränderung, die der Bruderkrieg über das Reich gebracht hat: Ehre wurde zu Unehre und Wahrheit zu Lüge erklärt. Das Schlechteste in den Menschen wurde gefördert. Der Umsturz hat eine Auslese mit sich gebracht, bei der nur die Schleimer und Wendehälse verschont blieben, und die allerlei seltsame Stilblüten trieb wie.. dass dann sogar ein pöbelnder Germanenbarbar auf Cornelius' Trittbrett bis zum Konsulat gelangte."
    Ja, schwer zu glauben war das alles, sogar wenn man es selbst miterlebt hatte.
    "Mit Cornelius' Machtergreifung ist ein gesellschaftliches Klima von extremer Heuchelei und Duckmäusertum entstanden. Der Bruderkrieg hat Tausende Römer das Leben gekostet. Und er hat einen klaffenden Riss durch das Reich gezogen. Erst jetzt unter unserem neuen Kaiser wird das ganz langsam etwas besser. -
    Aber... es reicht jetzt mit der Vergangenheit. Also genug davon jetzt."
    beendete ich das Thema. Denn es widerte mich noch immer gewaltig an. Und von meinem persönlichen Fall ins Bodenlose zu erzählen, das mußte jetzt echt nicht sein.

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