• Was sollte das denn? Verblüfft wandte ich den Kopf zu meinem Britannier, der da auf unserem Hof stand wie ein Heroe aus einer alten Sage, bereit für die Schwachen und Geknechteten einzustehen, bereit unter Einsatz seiner eigenen Haut an Felsen geschmiedete Prinzessinnen vor Meeresungeheuern zu retten.
    Leider war ich hier wohl das Meeresungeheuer. Das war meine Aufgabe.
    Der Grobknecht mit der Peitsche hatte innegehalten, starrte wie alle anderen Angus an. Der Kelte sah mal wieder ungemein gut aus. Umstrahlt von seinem verrückten Edelmut... hatte er etwas sehr mitreißendes. Noch während ich Luft holte, um den vermessenen Barbaren zurückzupfeifen, trat plötzlich noch jemand nach vorne. Das war der Stalljunge Paulinus.
    "Oder mich." sagte Paulinus mit großer Entschlossenheit auf seinem jugendlichen Gesicht.
    "Lass den Unsinn, alle beide!" wies ich sie scharf zurecht. "Silas hat seine Strafe verdient und er wird sie bekommen."
    "Oder mich, Dominus Serapio." erklang Corythias dunkle Stimme, und nun stand meine Kammerdienerin ebenfalls vor den anderen, neben Angus und Paulinus. Ich war fassungslos, denn ich vertraute Corythia - wie konnte sie mir nur so in den Rücken fallen?!

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    Klient - Decima Lucilla

  • Alles war wie ein böser Traum. Über die Holzbank gebeugt wartete Silas auf den ersten Schlag, mit fest zusammengebissenen Zähnen.
    Es ist ja gleich vorbei. sagte er sich. Es tut weh, aber es geht vorbei. Dann gehöre ich wieder dazu. Hauptsache ich darf bleiben. Dann tut es eben kurz weh. Ich bin tapfer.
    Natürlich hatte Silas schon einige Auspeitschungen gesehen, nicht hier im Haus aber bei den Ludi, wenn die Verbrecher öffentlich gerichtet wurden. Er krallte die Hände in das Holz um nicht zu zittern. Aber so schlimm wie da wird es schon nicht sein. Er kennt mich doch, er wird doch nicht ganz so fest zuschlagen.

    An Stelle eines Hiebes kam... erst mal nichts, es wurde gesprochen. Silas hob den Kopf und sah ungläubig wie ein vollkommen Fremder für ihn eintrat. Ein neuer Sklave, der wie ein Leibwächter aussah. Warum tat er das? Das musste doch Mega-Ärger geben! Dann war da Paulinus, der dem Dominus ebenfalls die Stirn bot. In Silas' Brust zog sich alles zusammen. Das war groß, wie bei Damon und seinem Freund, der an seiner Stelle dem Tyrannen zum Pfande blieb. Aber Silas wollte nicht, dass Paulinus... oder überhaupt jemand wegen ihm Ärger bekam. Auch nicht Corythia. Silas hatte nicht gewußt, dass sie so mutig war. Aber er war doch keine Memme, der andere ausbaden ließ was er selbst verbockt hatte.
    "Das... macht das nicht..." stammelte Silas überwältigt. "Ich mein nur... ich... bin ja selber schuld...!"

  • "Ich sagte: fang an!" befahl ich finster unserem Grobknecht. Wenn ich jetzt Schwäche zeigte, würden mir die Sklaven nur noch auf der Nase herumtanzen. Warum nur passierte so was bloß mir?! Unter meinem Vater hatten immer alle gespurt, dabei war er auch nicht sonderlich streng gewesen....
    "Ja Dominus! - Aber..." Der Syrer sah verwirrt vom Delinquenten zu den drei Vorlauten und dann unschlüssig wieder zu mir. "...mit wem?"
    "Schafskopf." Es reichte mir endgültig. Ich nahm ihn die Peitsche aus der Hand und schwang sie selbst, um die Sache endlich zu erledigen. In meiner Zeit als Centurio hatte ich hin und wieder pflichtvergessene oder aufsässige Soldaten mit der Vitis disziplinieren müssen. Dies hier war doch auch nicht so anders.
    Verbissen versetzte ich dem Rücken des Jungen den ersten Hieb. Die geflochtene Lederschnur klatschte auf seinen Körper, Silas zuckte, ein wehklagender Laut entwich ihm, und ein roter Striemen zog sich quer über den hellen Jünglingsrücken. Es ekelte mich an, aber ich schlug weiter zu, und zählte die Hiebe bis zum zehnten. Eine Masse roter Striemen zeichnete dann seinen Rücken, und einzelne Blutstropfen, die daraus hervorquollen.
    Zornig verließ ich den Hof, ohne ein weiteres Wort. Unsere Vilica wies ich später an, für den Halsreif des Fugitivus zu sorgen, und ihm, wenn er wieder arbeiten konnte, fürs erste nur niedrige Aufgaben zuzuweisen.

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  • Es tat entsetzlich weh. Silas biss sich die Lippen blutig, um nicht zu schreien, aber jeder Schlag war wie ein weißglühender Blitz von Schmerz, der bis in seinen innersten Kern drang. Tränen liefen ihm übers Gesicht, und ein rohes, verzweifeltes Ächzen kam aus seinem Mund, bei jedem Schlag. Dann war es vorbei, Schritte entfernten sich. Zitternd lag Silas über der Bank, der Rücken ein einziger brennender Schmerz, von dem ein warmes Rieseln über seine Flanken lief. Benommen sah Silas auf das rote Sprenkelmuster eines Blutstropfens im Staub unter ihm, und halb weggetreten bekam er kaum noch mit, wie seine Eltern ihm hoch halfen und ihn in die Schlafkammer brachten. Columbana gab ihm einen bitteren Kräutersud, worauf alles ein bisschen taub wurde, bevor sie und Silas' Mama seine Striemen wuschen und salbten und die aufgeplatzten Stellen verbanden.


    Die nächsten Tage lag Silas schmerzgeplagt auf dem Bauch auf seinem Lager. Es ging ihm aber bald besser, und viele Mitglieder der Hausgemeinschaft besuchten ihn, und vertrieben ihm die Langeweile. Paulinus spielte ausdauernd Ludus latrunculorum mit ihm und Silas große Schwester Sophia brachte ihm Leckerbissen aus der Küche mit.
    Als die Wunden verheilt waren, verpasste ihm die Vilica den Halsreif, aus Eisen, fest vernietet. Wenn ich entlaufe, fang mich und bring mich in die Casa Decima Mercator, so wirst du belohnt stand darauf. Silas hasste das blöde Ding von Anfang an. Es war so peinlich... und unbequem dazu.


    In den kommenden Wochen musste er dann dem Grobknecht zur Hand gehen, Holz hacken, Hypokausten anheizen, Latrinen putzen, Müll wegbringen und all so ödes anstrengendes Zeug. Silas hätte nie gedacht, dass er mal den Unterricht beim strengen Bibliothekar vermissen würde, aber wenn er jetzt Paulinus und die anderen mit ihren Wachstafeln dorthin stiefeln sah, dann wünschte er sich mehr als alles andere, dass er sich wieder zu ihnen gesellen dürfte.
    Erst am Tag der Hochzeit des Dominus, da durfte Silas endlich Axt und Schürhaken liegen lassen, und sich statt dessen wieder als Mundschenk betätigen...

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