Wo der Gewinn am höchsten, da ist das Recht.
Vier Tage. Vier. Tage. VIER! Nur VIER Tage hatte Nigrina gehabt, um alles vorzubereiten! Natürlich hatte sie bereits mit den Planungen begonnen, als Sextus ihr von seinem Vorhaben erzählt hatte, den Praefectus Urbi einzuladen. Also, nicht genau in diesem Moment, auch nicht direkt danach, weil sie da einige Zeit lang mit... etwas anderem beschäftigt gewesen war, und danach dann war sie mit Schlafen beschäftigt gewesen. Aber am darauffolgenden Tag dann hatte sie angefangen – zunächst mal Erkundigungen eingezogen, was der Vescularius mochte, und erste Überlegungen angestellt. Und die Dinge, die schwer oder nur in größerem Zeitraum zu beschaffen waren, hatte sie schon mal vorsorglich geordert, auch auf die Gefahr hin, dass sie das am Ende gar nicht brauchen würde. Dennoch – VIER Tage waren einfach kurzfristig. Nicht zu kurzfristig, nicht für sie! Aber dennoch... sehr kurzfristig. Und der Sklave – der von seinem Herrn vermutlich eine Abreibung bekommen hätte, hätte er verkünden müssen, dass der Praefectus Urbi erst in zwei Wochen kommen würde – bekam nun von Nigrina eine Abreibung. Eine gehörige. Dabei interessierte sie es gar nicht, dass der Kerl nichts dafür konnte. Es musste nur irgendjemand dafür büßen, dass sie in VIER Tagen nun ein Gastmahl zu organisieren hatte, das den Ansprüchen des Praefectus Urbi nicht nur genügte, sondern ihn überwältigte, im positivsten Sinn selbstverständlich, und das am besten so, dass es nicht so wirkte als würden sie, Patrizier, vor ihm, dem Plebejer, im Staub kriechen... sondern so, dass sich hier mehr oder weniger Gleichgestellte begegneten, von denen freilich einer in der gesellschaftlichen Hierarchie weit über den anderen stand.
Nigrina hatte also ins Rollen gebracht, was sie bereits alles vorbereitet hatte, Sklaven aufgescheucht, Händler kurzfristig zu Lieferungen gebracht – oder besser: bringen lassen – und sich selbst um Gestaltung des Abends gekümmert. Und dann war Tag Vier gekommen. Nigrina hatte noch am Nachmittag das Triclinium inspiziert, gemeinsam mit den Sklaven, die das Pech gehabt hatten, ihr in dieser Angelegenheit zur Hand gehen zu müssen, und sie war... zufrieden. Zur massiven Erleichterung aller um sie herum. Sorgfältig hatte sie das Menü zusammen gestellt, das neben einer ganzen Reihe von Köstlichkeiten Austern bot – bei der Hochzeit des Praefectus Praetorio war immerhin nicht zu überhören gewesen, dass der Vescularius Austern mochte – sowie Mostbrötchen als Beilage zu den Hauptgängen, von denen auch zu hören war, dass der Praefectus Urbi sie gern verspeiste.
Mit derselben Sorgfalt hatte sie sich dem Raum selbst gewidmet, hatte sich erlaubt, ihn ein wenig umzudekorieren – und selbstverständlich die Gelegenheit genutzt, das ein oder andere Teil neu anzuschaffen –, und so erstrahlte das Triclinium nun in neuem Glanz. An den Wänden in regelmäßigen Abständen aufgestellte Öllampen, tauchten den Raum in ein weiches Licht, das kaum Schatten zuließ, das Holz von Klinen, Tisch und Sesseln erstrahlte poliert, feine Efeu-Zweige waren dezent zur Zierde angebracht, und wenn ihr Gatte aufmerksam war, würde er mindestens eine neue Marmorstatue entdecken können. Alles in allem strahlte der Raum eine auf hohem Niveau gemütliche Atmosphäre aus: Reichtum war ersichtlich, drängte sich dem Betrachter aber nicht zu sehr auf, nur hie und da zeigte sich Prunk – beispielsweise in den filigranen, goldverzierten Weinkelchen, oder in den aus feinster Seide bestehenden Kissen, die ausgelegt waren, um den Dinierenden Bequemlichkeit zu schaffen –, und alles war so arrangiert, dass es einladend wirkte.
Doch, Nigrina war zufrieden. Mit einer leichten Handbewegung entließ sie die Organisationssklaven und besah sich noch kurz jene, die während des Abends anwesend sein würden, und auch mit diesen war sie zufrieden. In einer Ecke des Raums waren Lyraspielerinnen postiert – erlesene Sklavinnen mit griechischen Vorfahren, mit weicher, samtiger Haut, die im Licht bronzefarben schien, und seidigen braunen Haaren; das Essen reichen würden Sklavinnen, deren Ahnen aus dem Norden stammten: mit einer alabasterfarbenen Haut, die Haare blondglänzend wie ein reifes Ährenfeld; und zu guter Letzt gab es zwei elegante Nubierinnen, hochgewachsen, mit langen, schlanken Gliedern, deren Haut schimmerte wie poliertes Ebenholz. Allesamt waren Sklavinnen aus flavischer Zucht, die Nigrina hatte herkommen lassen – einige über ihren Vater, einige aus Baiae oder von anderen flavischen Landgütern, wo die Verwalter den Auftrag hatten, sich der Sklavenzucht zu widmen. Und bei allen hatte Nigrina darauf geachtet, das sie zwar vorzüglich waren... vorzüglich aussahen, sich vorzüglich zu benehmen und zu bewegen wussten, und im Fall der Musikerinnen vorzüglich zu spielen wussten... aber dennoch keine ihr selbst zu ähnlich sah. Es würde sich den ganzen Abend keine Sklavin in dem Raum finden, die sowohl schwarze Haare als auch strahlendblaue Augen hatte, oder eine cremefarbene Haut wie ihre. Ganz davon abgesehen, dass sie sowohl in Kleidung als auch Stil noch einmal hervorstechen würde. Sollten die Sklavinnen ruhig Blicke auf sich ziehen, dazu waren sie da, aber es würde kein Zweifel daran bestehen, dass sie, Nigrina, einzigartig war.
So hergerichtet, wartete das Triclinium auf den hohen Gast, für den es so hergerichtet worden war.