Octavena folgte ihrem Cousin und sah sich dann ein wenig neugierig im Tempel um, während Lucius weiter seine eigene Wichtigkeit betonte.
Ein wenig gelangweilt seufzte sie. So unendlich außergewöhnlich war das alles hier nun auch wieder nicht.
"Aha. Und hier wirst du auch dann zum Fest des Apoll opfern?"
Sie zögerte kurz und zwang sich dann selbst ein wenig zu Begeisterung.
"Das ist bestimmt aufregend so das erste Mal..."
Stadtspaziergang
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"Genau. Die Germanen opfern im Freien an diesem Altar."
erklärte er seiner Cousine und deutete auf den mit einer Rasensode bedeckten Steintisch. Er trat auf den Säulengang zu, der sich um den gesamten Tempel zog.
"So ein Tempel ist typisch für Germania. Mogon nennen die Leute aus dieser Gegend Apollo Grannus. Grannus ist der Heilgott der Kelten, also ist es eben der ganz normale Apollo."
Zumindest hatte sein Vater ihm das so erklärt. Er selbst war ja nie groß aus Mogontiacum weggekommen, sodass er nicht wusste, ob man Apoll in Colonia Agrippinensis oder sonstwo komplett anders nannte.
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Octavena betrachtete aufmerksam den Altar, auf den Lucius gedeutet hatte, und legte neugierig ein wenig den Kopf schief und dieses Mal spielte sie es nicht nur, um Lucius milde zu stimmen. Es interessierte sie tatsächlich.
"Also ist die Stadt nach ihm benannt, oder? Oder woher kommt der Name Mogon?",
fragte sie und riss den Blick von dem Steintisch los, um ihren Cousin wieder anzusehen. -
Octavena war ja ein richtiges Cleverlein! Beiläufig antwortete er
"Ja."
Die zweite Frage brachte ihn dagegen ein wenig aus der Fassung - er hatte sich noch nicht darüber Gedanken gemacht, warum Dinge den Namen trugen, den sie hatten. Zwar wusste er von sich selbst, dass er nach Divus Iulianus Lucius genannt worden war, aber warum Iulianus wiederum Lucius geheißen hatte oder die Götter so hießen, wie sie hießen, war ihm völlig unbekannt. Es interessierte ihn allerdings auch nicht...
"Woher soll ich das wissen?"
Sowas war etwas für Sprachenschnüffler wie Eumenius - aber diese Wissenschaft war weder logisch, noch nützlich, weshalb es dem jungen Petronier suspekt war...
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Octavena zuckte mit den Achseln und seufzte ein wenig enttäuscht.
Hatte sie tatsächlich eine hilfreiche Antwort erwartet? Von Lucius, dem es sowieso schon lästig war, mit ihr unterwegs zu sein? Wohl eher nicht.
"Hätte ja sein können, dass du zufällig irgendetwas darüber weißt", gab sie dann zurück und sah sich weiter um.
"Schließlich lebst du im Gegensatz zu mir hier schon etwas länger." -
"Weißt du vielleicht, woher der Name 'Apollo' kommt?"
fragte Lucius zurück - was Octavena sagte, kam ihm schon wieder ziemlich besserwisserisch vor. Dann wandte er sich an Pullo.
"Schaff mir den Aedituus hier her!"
Der Veteran nickte und machte sich auf die Suche.
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Genervt unterdrückte sie den Impuls das Gesicht zu verziehen oder sonst irgendeine verärgerte Grimasse zu schneiden.
Stattdessen schnaubte sie ärgerlich.
"Das ist etwas anderes!", gab sie dann etwas giftiger als beabsichtig zurück und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.
Was fiel ihm eigentlich ein, sich so aufzuführen, nur weil sie eine einfache Frage gestellt hatte?
"Vielleicht hätte es ja sein können, dass irgendeine Besonderheit hier aus der Gegend dahinter steckt." -
Etwas anderes? Was war denn der Unterschied zwischen einem germanischen Gott und einem keltischen? Fielen etwa die römischen Götternamen vom Himmel und die keltischen wurden von solchen Wortklaubern wie Eumenius oder Cicero erfunden?
"Naja, so heißt Apollo hier eben. Die Kelten verehren ihn ja nicht erst, seit wir hierher gekommen sind!"
erwiderte er etwas gereizt. Mit "wir" meinte er natürlich die Römer, auch wenn Lucius niemals hierher gekommen war - er fühlte sich trotzdem als Angehöriger der Besatzungsmacht, denn nichts anderes hatte sein Vater ihm vermittelt.
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Octavena schnaubte leise.
"Sicher... Aber-"
Sie brach ab. Diese Diskussion hatte keinen Sinn. Lucius hatte offensichtlich rein gar nichts für die Hintergründe von verschiedenen Wörtern übrig und würde so kein vernünftiges Gespräch mit ihr in der Richtung führen wollen.
Sie seufzte.
Umso mehr Zeit sie mit ihrem Cousin verbrachte desto unsympathischer und langweiliger erschien er ihr!
Da legte sich ein etwas spitzbübisches Lächeln um ihre Lippen und nun konnte sie sich doch diese eine Bemerkung nicht verkneifen.
"Ich dachte, du wärst hier zumindest groß geworden. Im Grunde müsste Mogontiacum doch genauso deine Heimat sein wie die irgendeines Germanen aus der Gegend." -
Dafür, dass Octavena ihm Tipps in Rhetorik gab, stotterte sie selbst ganz schön herum, wie Lucius fand. Am Ende schien ihr nichts weiter zu bleiben, als ihn ein bisschen zu beleidigen - er hatte ja schon geahnt, dass sie sich für etwas besseres hielt, nur weil die Römer ein paar hundert Jahre früher in ihre Heimat gekommen waren.
"Was? Ich bin doch kein Germane! Ich bin Römer! Meine Familie ist römisch, meine Erziehung... und meine Ausbildung!"
Obwohl man zweifeln konnte, ob das Bildungssystem nicht eigentlich griechisch war - so sehr wie er mit dieser Sprache und den Wortspielereien genervt worden war. Octavena glaubte vermutlich, dass alle Bewohner Germaniens bärtige Wilde waren, die noch nie eine Therme gesehen hatten und einen Stylus ausschließlich zum Kopfkratzen verwenden konnten!
"Glaubst du etwa, du bist besser als ich, nur weil du aus Hispania kommst?"
ging er sie schließlich direkt an.
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Ein amüsiertes Lächeln stahl sich flüchtig auf Octavenas Gesicht.
Das hier entsprach zwar nicht ihrem Plan, sich mit ihrem Cousin anzufreunden, aber letztendlich würde es vermutlich auch sowieso so sein, dass dieser Versuch erfolglos blieb.
Sie reckte ein wenig das Kinn vor und verlagerte ihr Gewicht ein wenig bevor sie gelassen auf seinen Protest einging.
Es war nicht gerade nett und auch ansonsten vermutlich alles andere als klug, aber irgendwie machte es ihr Spaß, ihn ein wenig zu ärgern. Besonders natürlich, weil er sich auch so wunderbar aufregte.
"Ich bezweifle keineswegs, dass du ein Römer bist, und nebenbei gesagt halte ich mich auch nicht für etwas besseres nur weil ich aus Hispania komme, aber du musst zugeben, dass es ziemlich albern ist, so zu tun, als wäre der Ort, an dem man groß geworden ist, weniger ein zu Hause als ein Ort, den man nicht kennt, von dem aber die eigenen Vorfahren kommen." -
Sie verspottete ihn - ihn! Lucius wurde tatsächlich noch ein bisschen wütender und machte eine Schritt auf sie zu. Was sie dann allerdings sagte, verwirrte ihn doch sehr. Sein Vater hatte ihm immer eingebläut, dass er ein Römer war - Rom war seine Heimat, selbst wenn er noch nie dort gewesen war. Er hatte ihn immer darauf hingewiesen, welcher Unterschied zwischen ihm und den Germanen außenrum bestand - andererseits war es auch logisch, was Octavena sagte...
Allerdings wollte er ihr auf keinen Fall Recht geben. Was hätte sein Vater wohl dazu gesagt?
"Ich wohne in Mogontiacum, aber mein Zuhause ist meine Familie! Ich kenne hier mehr Römer als Germanen!"
Das war sogar die Wahrheit - die Freunde und Geschäftspartner seines Vaters waren hauptsächlich Veteranen und Söhne von Veteranen, in die Lateinschule schickten nur Römer und einflussreiche Germanen, die auch ein bisschen römisch waren, ihre Kinder und überhaupt sprach er den lokalen germanischen Dialekt nur bruchstückhaft - Germania als seine Heimat zu bezeichnen war also mindestens genauso gewagt, wie das zu bestreiten!
"Bist du vielleicht eine Hispanierin? Sind die Barbaren dort deine Landsleute?"
fragte er deshalb wütend zurück - er wusste nicht einmal, wie die Stämme hießen, die in Hispania lebten.
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Beinahe hätte sie mit den Augen gerollt. Er begriff immer noch nicht richtig, was sie meinte. Denn mal abgesehen davon, dass sie ihn ein wenig foppen wollte, versuchte sie ihm tatsächlich auch ihre Ansichten zu erklären.
Gleichgültig zuckte sie mit den Achseln.
"Ich bin in Hispania geboren und aufgewachsen. Warum sollte ich also keine Hispanierin sein, auch wenn ich gleichzeitig eine Römerin bin?", fragte sie gelassen und blickte ihn forschend an.
Die Aussage war etwas sehr krass formuliert, das wusste sie auch, aber vielleicht würde er so verstehen, worauf sie hinaus wollte.
"Meine Familie, mein Leben, meine Freunde waren schon immer römisch, aber trotzdem ist meine Heimat Hispania. Verstehst du?" -
Jetzt war es an Lucius, mit dem Kopf zu schütteln. Die Petronier waren Römer seit Anbeginn, sein Vater hatte ihm erzählt, dass sie von italischen Siedlern abstammten, die nach Hispania ausgewandert waren, wahrscheinlich mit der Gründung der Veteranenkolonie dort. Sich als Hispanier zu betrachten - oder wie die Stämme da auch immer hießen - war völlig absurd.
"Das ist nicht logisch. Ist deine Herkunft nun nach deiner Familie oder deinem Geburtsort definiert?"
Wäre letzteres der Fall, so würden die römischen Legionen ja bald Probleme mit dem Nachschub bekommen...
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Octavena seufzte.
Wenn sie ehrlich war, war diese Diskussion ja im Grunde nur Haarspalterei, aber wieder einmal ging ihre Sturheit und ihre Neigung zu eben solchen feinen Unterschieden mit ihr durch.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
"Durch beides! Ich bin Römerin durch meine Familie."
Sie machte eine kurze Pause, um diesem ersten Teil ihrer Erklärung etwas mehr Wirkung zu verleiten.
"Aber gleichzeitig ist meine Heimat ist Hispania, weil ich dort geboren bin." -
Gerade wollte Lucius zu einer Erwiderung ansetzen, als der Aedituus herbeieilte. Scheinbar war er etwas überrascht worden, denn er trug nicht seine traditionelle Kleidung, sondern eine schlichte Tunica.
"Ich bin jedenfalls Römer!"
brach der junge Petronier die Diskussion deshalb ab und wandte sich dem Tempelverwalter zu.
"Ich bin hier, um die Einhaltung der Brandschutzbestimmungen hier zu inspizieren. Kann ich den Brunnen sehen?"
Aus Erfahrung wusste er, dass das Heiligtum eine eigene Quelle besaß, zu der er nun gemeinsam mit dem Aedituus aufbrach. Armin gab einem der Legionäre ein Zeichen, dem Magister zu folgen und wandte sich selbst an Octavena.
"Du kannst dir das Heiligtum ein bisschen ansehen, wenn du willst - das wird nicht lange dauern!"
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Octavena verkniff sich eine weitere Bemerkung zu ihrer Diskussion und rollte stattdessen kaum merklich mit den Augen.
Als Lucius schließlich mit dem Aedituus verschwand und sich Armin wieder an sie wandte, nickte sie knapp zur Antwort.
"In Ordnung. Dann warte ich und sehe mich ein wenig um", erwiderte sie dann, während sie schon neugierig den Kopf umher wandte -
[Blockierte Grafik: http://img862.imageshack.us/img862/1286/arminjungklein.jpg] | Arminius
Während sein Herr dem Aedituus Beine machte, beschloss Armin, sich ein bisschen der hübschen Petronierin zuzuwenden und ihr das Heiligtum zu zeigen. Nachdem Lucius ja wieder einmal etwas unwirsch gewesen war, konnte sie sicherlich jemanden brauchen, der ihr die Zusammenhänge etwas besser erklärte.
"Grannus wird in ganz Germania verehrt. Und vor allem auch in Raetia. Er ist der Gott der Heilung und die heilenden Quellen sind ihm heilig. Deswegen haben die Römer ihn mit ihrem Apollo gleichgesetzt."
bemerkte er und deutete auf den Tempeleingang.
"Da drin steht die Kultstatue von Grannus. Die Germanen und Kelten bauen zwar keine Statuen, aber den Römern ist es so wohl lieber. Aber immerhin hat er auch einen Bart."
fuhr er dann fort.
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Sie runzelte nachdenklich die Stirn und legte den Kopf schief, während sie Armin aufmerksam zu hörte und sich in ihre mehr und mehr der Verdacht bestätigte, dass der im Gegensatz zu seinem Herrn noch normal tickte.
"Also hat man die beiden Götter einfach so gemischt?",
fragte sie ein klein wenig irritiert. Die Vorstellung eines bärtigen Apollos erschien ihr doch etwas merkwürdig...
"Sind auch andere Götter mit den Germanischen so gleichgesetzt worden?" -
[Blockierte Grafik: http://img862.imageshack.us/img862/1286/arminjungklein.jpg] | Arminius
Es freute Arminius, dass Octavena so positiv auf ihn reagierte - sie schien ihn sogar richtig zu mögen und zu respektieren, obwohl er nur ein Sklave war (wie ihm Lucius in schlechten Zeiten immer wieder vorhielt).
"Ja, das haben sie mit allen germanischen Göttern gemacht, die für etwas ähnliches zuständig sind, wie die römischen. Zum Beispiel Mars Thincsus. Die Germanen verehren Tyr als ihren Kriegsgott, ihr Mars - logisch, dass sie wohl die gleiche Gottheit sein müssen. Oder Taranis und Iuppiter. Deshalb ist auf der großen Iuppiter-Säule im Vicus Salutaris auch das Rad oft abgebildet. Es ist das Symbol des keltischen Taranis. Dass er eigentlich auch ein Kriegsgott ist, fällt dabei manchmal ein bisschen unter den Tisch."
redete der Sklave deshalb fröhlich weiter. Er selbst stand hier besonders stark zwischen den Kulturen - die Legionäre hatten seine Familie ermordet, als er noch ein kleiner Junge gewesen war. So erinnerte er sich kaum an die traditionellen Rituale, die sie damals bei den Vangionen vollzogen hatten. Er wusste nur, dass es etwas ganz anderes gewesen war als das, was bei den Petroniern zu Hause kultisch passierte. Neben der römischen Religion, in die er mit Lucius zusammen hineingewachsen war, hatte ihm Morag allerdings auch etwas von der traditionellen Religion der Gallier vermittelt - das schien schon eher an den Glauben der Vangionen heranzukommen.
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