Warten erfreut wie....

  • ...Essig die Zähne und Rauch die Augen. (Zitatverfasser unbekannt)


    Es ging ihr besser, die Krankheit war vorüber und sie kam langsam aber sicher zu Kräften. Ihren alten kräftigen Zustand hatte sie noch nicht erreicht aber sie würde ihn erreichen. Fest hatte sie das vor... die Liebe zu Hektor hatte einen großen Anteil daran. Nur wo war ihr Geliebter? Noch waren sie nicht miteinander verlobt, dabei wünschte sie sich das als Zeichen ihrer Liebe. Sie liess die Stickarbeit sinken, die sie in den Händen hielt. Trübsinnig starrte Tilla auf die Wandmalerei, die den Löwenbrunnen im Garten zeigte. Mutter Esther saß ihr schräg gegenüber und besserte ein Kleidungsstück aus. Neben ihrem Stuhl lag die gesamte Kleidung, die Tilla während ihrer Jahre als stumme Sklavin erworben hatte sowie ein paar Kleidungsstücke von Esther, die ihre Mutter ohnehin ausbessern wollte.


    Tilla legte die Stickarbeit beiseite und klopfte auf die Sessellehne, um ihrer Mutter kundzugeben, dass sie sich mit ihrer Zeichensprache äußern wollte. Mutter, was machen wir denn nun? Die Herrin konnte sich nach der Durchsuchung dieser Villa gar nimmer entscheiden was sie machen möchte. In die Casa Germanica ziehen hat sich wohl zerschlagen, denn wir sitzen immer noch auf gepackten Truhen. Ebenso die geplante Reise nach Mantua zu dominus Ursus, ob sie jemals stattfinden wird? stellte sie die Fragen, die ihr im Kopf umhergingen. Ich habe ja verstanden, dass sie alleine, schon gar nicht als verwitwete Frau, kaum etwas alleine entscheiden kann und darf, da dominus Ursus über ihr steht. Aber trotzdem... irgendetwas müssen wir doch tun können, damit es voran geht. Kopfschüttelnd liess Tilla die Hände sinken und dachte an Mara, die wohl gerade in der Speisekammer mit Bernulf schäkerte und mit ihren körperlichen Reizen umgarnte. Wenn Mara nicht so jung wäre, würde sie gut zu Bernulf passen. Hoffentlich hielt sich Bernulf zurück, er wusste ja, dass Prisca die Liebe ihres Lebens vor gar nicht langer Zeit verloren hatte. Und weisst du wo Hektor ist? fügte sie verlegen lächelnd hinzu.

  • Die Tage des Wartens zogen sich in die Länge und immer wieder stellte sich Esther die Frage, ob die ursprünglich geplante Reise nach Germanien überhaupt noch stattfinden würde. Einar und Bernulf wussten leider auch nichts genaues darüber und jemand anderen konnte sie nicht fragen. Sie war schließlich nur "Gast" in diesem Haus und durfte - dank der Erlaubnis von Tillas Herrin - so lange bleiben, wie sie keine Fragen stellte und wie eine Sklavin alle Arbeiten verrichtete, die man ihr auf trug. Esther hatte sofort zugestimmt, da es die einzige Möglichkeit war in er Nähe ihrer Tochter zu bleiben und sie wollte Tilla auf keinen Fall alleine lassen, aus Angst, sie könne sie in den drohenden Wirren eines Krieges vielleicht für immer verlieren. Das Warten zerrte allerdings an den Nerven aller und natürlich machte sich Esther unablässig Gedanken, wie es weiter gehen würde und was aus ihnen werden würde, wenn …


    Das Klopfen ihrer Tochter ließ Esther von ihrer Arbeit aufblicken. Sie legte das Nähzeug beiseite und setze sich zu ihr, um sie in den Arm zu nehmen während sie zu hörte. Dass ihre Tochter sehr viele Fragen stellte und alles ganz genau wissen wollte war Esther mittlerweile gewöhnt, hatte sie ihre Tochter gerade wegen ihrer Neugier und ihrem Tatendrang so lieb, dass es ihr jedes Mal weh tat wenn sie ihr nicht alles zufriedenstellen beantworten konnte:


    "Ach Tilla", seuftze ihre Mutter während sie mit der Hand zärtlich die Wange ihrer Tochter berührte. "Ich kann dir leider auch nicht sagen was die Herrin vor hat und wie es mit ihr und uns allen weiter geht. Ich denke aber, dass es momentan so das Beste ist - wie es ist. Womöglich ist es hier in Rom doch von allen Orten, an die wir sonst gehen könnten, am sichersten - wenn es denn zum Krieg kommt. Und bedenke nur mal all die Gefahren und Strapazen, die auf einer langen Reise auf uns warten würden. … Hab einfach ein bisschen Geduld Tilla!", versuchte Esther ihre Tochter zu trösten und vielleicht gelang es ihr, da sie zumindest über Hektor genaueres zu berichten wusste:


    "Ich habe von Einar erfahren, dass Hektor die umliegenden Güter und Ländereien kontrollieren- und darauf aufpassen soll, dass keine Plünderer darüber herfallen.", erklärte Esther und im selben Moment musste sie leise seufzen als ihr bewusst wurde, dass diese Nachricht Tilla womöglich beunruhigen könnte. Es war schließlich keine ungefährliche Aufgabe, die Hektor da zu erledigen hatte. "Keine Angst, Tilla, ich fühle genau, dass er immer an dich denkt und er bald zurück sein wird" Daran glaubte Esther zumindest fest und entsprechend aufmunternd drückte sie ihre Tochter an sich.

  • Tilla ihrerseits legte einen Arm um Esthers Rücken herum und lauschte stumm ihren erklärenden Worten. Du weisst also auch nichts.. genaues. stellte sie gebärdend fest. Irgendwann muss uns die Herrin sagen was Sache ist, denn dasselbe Chaos wie während der Durchsuchung möchte ich nicht noch mal erleben. Es war sehr anstrengend, eben weil ich gerade am Genesen war.


    Liebevoll strich sie Esther eine nicht vorhandene Strähne aus dem Gesicht und beschloß stumm zu flüstern. Rom mag derzeit sicher sein. Aber wenn der Krieg kommt.. können wir notfalls alle zusammen in deinen Laden flüchten, nicht wahr? Es wissen wenige Leute, dass du meine Mutter bist. Auch in deinem zu Hause können wir leben. Und jetzt zu verreisen, ich errinnere mich wie gefährlich es auf dem Weg Ägypten-Rom war, du hast recht. Durch die Pflege ihrer Mutter kam sie jeden Tag mehr und mehr zu ihren alten Kräften, die sie vor dem Kerker-Aufenthalt besessen hatte. Als Heilerin kannte Esther den einen und anderen Kniff zum Gesundwerden.


    Die stumme Sklavin schüttelte mit trauriger Miene den Kopf, legte ihn auf Esthers Schulter ab. Dass sie Hektor in die Gegend herumschickt ist nicht schön, aber was kann ich daran ändern? Nichts! Sie weiss doch, dass wir uns verloben und heiraten wollen, sie weiss doch, dass wir uns lieben und zusammen sein wollen. Ich habe ihr wegen dem Tod ihres Ehemannes und der Fehlgeburt so gut beigestanden wie ich konnte. Habe ich irgendwelche Fehler gemacht von denen ich nichts weiss? Sie kann zumindenst wieder alleine laufen ohne nach wenigen Schritten zusammenzubrechen. Manchmal erscheint sie geistesabwesend und es dauert an bis sie einem wieder volle Aufmerksamkeit schenkt. Tilla betrachtete die halbfertige Stickarbeit. Sollen Mara oder ich demnächst mal 'rein zufällig' bei den anderen reichen Häusern vorbeigehen und Neugkeiten von den Sklaven einholen? schlug sie flüsternd vor und suchte Esthers Blick.

  • Ob Rom wirklich sicher war? Esther wusste es nicht. Einen Bürgerkrieg hatte sie zum Glück noch nie erlebt, doch sie zweifelte daran, dass dieser sich großartig von einem "normalen" Krieg unterscheiden würde. Einzig und allein die Hoffnung hegte sie, dass die Sieger - egal wer dies sein mochte - nicht mit gleicher Brutalität und Grausamkeit über die Besiegten herfallen würden, wie sie es von den Erzählungen her von anderen Kriegen kannte: Männer und Alte, die einfach nieder gemetzelt wurden, Brandschatzung, Vergewaltigungen, Sklaverei, … nein soweit würde es in diesem Bruderkrieg hoffentlich niemals kommen. Und wenn doch? Esther würde jedenfalls alles in ihrer Macht stehende tun um ihrer Tochter jedes weitere Leid zu ersparen. Tilla hatte in ihrem Leben bereits genug gelitten und die Tatsache, dass sie eine Sklavin war, machte ihrer Mutter genug zu schaffen: "Ja wenn es keinen anderen Ausweg mehr gibt, dann werden wir einfach in meinem Laden flüchten und uns dort verstecken, bis alles vorbei ist", entgegnete Esther leise und liebevoll drückte sie ihre Tochter während sie hinter ihrem sanften Lächeln die Bitterkeit verbarg, die in ihren Worten versteckt lag. Sollte es eines Tages keinen anderen Ausweg mehr für sie geben, dann würde Esther für sich und ihre Tochter einen Trank zubereiten, der sie von dieser Welt erlösen würde ehe die grausame Realität ihren Körper und Geist zerstören könnte. Das hatte sie sich geschworen und sie betete täglich zu den Göttern, dass dieser dunkle Tag niemals kommen möge …


    … zumal ihre Tochter so voller Lebensmut und -freude war! Tilla liebte ihren Hektor so sehr und sie wollten sogar heiraten. Sie hatte so viele Pläne und es tat Esther im Herzen weh mit anzusehen, wie ihre Tochter unter der momentanen Situation litt: "Du hast keine Fehler gemacht, Liebes, im Gegenteil. Deine Herrin schätzt deine Dienste und deine Treue sehr, sonst hätte sie dir doch niemals die Verantwortung über die anderen Sklaven anvertraut, oder?", erinnerte Esther daran, dass Tilla mittlerweile über die anderen Sklaven der Aurelia das Sagen hatte. Hektor, Mara, sogar die beiden Grobiane Einar und Bernulf, sie alle mussten sich Tillas Weisungen fügen, außer natürlich die Aurelia erteilte ihnen direkte Befehle. Aufmunternd und zärtlich strich Esther ihrer Tochter über den Kopf, so als könne sie dadurch alle trüben Gedanken daraus vertreiben. "Mach dir nicht zu viele Gedanken, Tilla. Für deine Herrin ist es sicher nicht leicht, hier in Rom, nach all dem was man ihrer Familie nach sagt. Vielleicht fühlt sie sich auch verloren, so allein, nachdem es niemandem mehr in ihrem Leben gibt, an den sie sich ab und zu anlehnen kann und der sie auch mal in den Arm nimmt, so wie ich dich … und du mich" Beispielhaft drückte Esther ihre Tochter ganz fest und innig an ihr Herz, ehe sie fast erschrocken zurück zuckte als sie hörte was Tilla vor hatte: "Oh nein, nein nein ... das wirst du auf keinen Fall tun! Weder du, noch Mara. Das ist viel zu gefährlich. Ihr Beide bleibt schön hier im Haus und erledigt eure Aufgaben. Verstanden?! … Wo ist Mara überhaupt? Sollte sie nicht längst mit dem Öl für die Lampen zurück sein", klang es plötzlich mit mütterlicher Strenge aus Esthers Mund, wobei im Grunde die pure Angst aus ihr sprach. Die Angst um ihr einziges Kind. Doch sie wusste nur zu gut, dass sie nicht immer und überall sein konnte um Tilla zu beschützen ...

  • In deinen Laden gehen... ja.. das machen wir... stimmte Tilla zu. Dieser war zwar sehr einfach ausgestattet und möbliert, aber er war wohnlich und gemütlich. Manchmal störten Tilla die regungslosen Statuen und Büsten, die man überall sah. In ihren Fieberträumen hatte sie manches Mal geglaubt, dass diese nachts aus ihrer Starre erwachten und durch die Villa streiften auf der Suche nach etwas was sie die Lebenden nicht mit all ihren Sinnen erfassen konnten. Sie hatte nie herausgefunden, ob es etwas Unheimliches oder etwas Schönes war. Du glaubst gar nicht, wie oft die Bürger an einem Bretterzaun vorbeigehen und nicht ahnen, dass sich dahinter Menschen in großer Not verstecken.. weil sie kein Dach überm Kopf mehr haben. Das gerade erwähnte war Tillas größte Angst.. die Jahre auf der Straße und der Kampf gegen den ewigen Hunger und Durst waren mehr als schlimm gewesen. Ich habe nie einen Ort gefunden an den man gehen kann.. wenn man nichts mehr hat.. einen Ort wo einem geholfen wird... wo Mitmenschen sich für die Betroffenen einsetzen.. damit sie auch das haben was ihnen wie allen anderen zusteht.. Eine Suppenküche für die Straßenkinder.. das wäre Tilla viel wert gewesen... dann hätte sie nicht so viele von ihnen beerdigen müssen. Geht weg, ihr trüben Gedanken aus meiner Vergangenheit!


    Mit gerunzelter Stirn blickte sie ihre halbfertige Stickarbeit an. Ohjah, die Verantwortung über alle, die habe ich und die bemühe ich mich so gut es geht zu tragen. Nur was für Anweisungen denen aufschreiben wenn es diese stete Ungewissheit über den Krieg gibt? Die Vorräte, die wir haben, liess ich aufs vierfache erhöhen. Aber bald gibt es nichts mehr zu bunkern, weil wir alles haben was wir brauchen. Ich rechne tagtäglich mit einem neuen Notstand. Einer erneuten Ausgangsperre. Dass wieder Sklaven wegbleiben und wir nie wieder etwas von ihnen hören oder lesen werden. Tilla flüsterte mit wenigen Leuten, eben jenen, die sich bemühten ihr Geflüster zu verstehen.. allen anderen Personen schrieb sie auf, was sie zu sagen hatte. Sie dachte an Hektor, rief sich sein liebes Gesicht in Errinnerung, an die Nacht unter dem Baum auf dem Lavendelfeld. Hektor hat hoffentlich die Gehöfte außerhalb Roms und bei Antias angewiesen Lebensmittel zu bunkern... nur für den Fall, dass wir dennoch anreisen.


    In den aktuellen Gemütszustand der Herrin selbst konnte Tilla sich derzeit schwerlich hineinversetzen. Sie hat ihre Freunde und Freundinnen in den anderen Gentes. Sie sprach davon in die Therme zu gehen... ohne mich. erinnerte sie ihre Mutter. In allerbester Tochtermanier erwiderte sie die Umarmung ihrer Mutter und blickte auf die Wandmalerei an der gegenüberliegenden Wand... fliegende Tauben über eine schier endlose Reihe von Dächern. Sie sollte nicht rausgehen und Informationen einholen, wie es um die Sklaven der anderen Gentes stand. Saba kam wenigstens ab und zu auf einen Schwatz vorbei. Dann bleibe ich eben hier... bei dir. stimmte Tilla zu. Mara? Ach.. sie soll Bernulf in die geheimnisvollen Vorrätelisten der Speisekammer einführen. Er ist sehr stark und kann sehr viel mehr Einkäufe tragen als wir. Zusammen mit Einar kann er innerhalb weniger Stunden den Einkauf für eine Woche herbeischaffen.. vielleicht sollten wir einen Esel oder ein Maultier kaufen, der sie unterstützt? Sie lernte vorausschauend zu überlegen und zu planen. In nächster Zeit musste sie Prisca gestehen, dass dieses und jenes Gut nicht mehr wie gewohnt gab, weil es knapp.. vor allem teurer wurde.

  • "Oh doch. Ich weiß sehr wohl wie blind und herzlos Menschen sein können und, dass gerade diejenigen die helfen könnten, meistens wegsehen wenn es darauf ankommt", nickte Esther zu Tillas Worten, die sie gut nachvollziehen konnte. Es gab viele Menschen, zu viele, deren Leid einfach niemand sah und die selbst von den regelmäßig stattfindenden "Brot und Spielen" nicht satt werden konnten. Oft waren diese Wohltätigkeitsveranstaltungen nur ein Tropfen auf den heißen Stein und nicht selten dienten die inszenierten Spiele eh nur der Promotion der Veranstalter. Esther stieß einen leisen Seufzer der Resignation aus während sie gleichzeitig den Göttern dafür dankte, dass sie und ihre Tochter es da vergleichsweise noch gut getroffen hatten. Insbesondere Tilla, da sie als Sklavin einer reichen Patrizierin keinen Hunger leiden musste.


    Nur wie lange würde es noch genügend Lebensmittel in Rom geben, ehe selbst ein wohlhabender Haushalt wie dieser den Gürtel enger schnallen müsste? Die Vorräte zu erhöhen war eine gute Möglichkeit um einem drohenden Notstand vorzubeugen, doch sicher keine Dauerlösung im Falle eines andauernden Bürgerkrieges. Trotzdem: "Das mit den Vorräten war eine gute Idee von dir Tilla. Ich bin sehr stolz auf dich … und deine Herrin ist es sicher auch", lobte Esther die Umsichtigkeit ihrer Tochter lächelnd und mit einem anerkennenden Nicken, nachdem sie die Umarmung wieder gelöst hatten. Zu gerne hätte sie ihrer Tochter auch etwas Aufmunterndes in Bezug auf Hektor gesagt, doch leider wusste sie ebenso wenig wie Tilla wann er endlich zurück kehren würde.


    Wie auf ein Stichwort betrat just in dem Augenblick Mara den Raum, als von ihr gesprochen wurde. Ihr kurzes Haar wirkte ein wenig zerzauster als sonst, die Wangen waren verräterisch gerötet und mit einem seltsam verklärten Blick sah die junge Sklavin zu den beiden Frauen: "Oh habt ihr gerade von mir gesprochen?", tat sie überrascht und ein verschmitztes Grinsen huschte über ihr Gesicht als sie Tilla sogleich Bericht erstattete: "Ich hab Bernulf alles gezeigt, … so wie du es mir aufgetragen hast Tilla" Naja in Wirklichkeit sie hatte ihm ein bisschen mehr gezeigt als sie eigentlich hätte sollen, weshalb es länger als geplant gedauert hatte, aber die Speisekammer war nun mal ein hervorragender Ort um zu "naschen". Mara musste kichern und mit meinem beschwingten Dreher ließ sie sich direkt neben Tilla auf dem Bett nieder, um ihr vergnügt ins Ohr zu flüstern: "Bernulf ist wirklich seeehr stark, … willst du wissen was wir in der Speisekammer noch gemacht ha … ähm". Mit einem verlegenen Räuspern unterbrach Mara das Geflüster sofort, da Esthers vrowurfsvoller Blick sie augenblicklich traf. Es war unschwer zu erkennen, dass die Ägypterin nicht sehr begeistert war von Maras ständiger Turtelei mit anderen Sklaven, doch sie sagte dazu weiter nichts da es sie Grunde nichts anging und abgesehen davon wäre es Tillas Aufgabe ihre Mitsklavin zu tadeln.


    Mara hatte allerdings noch eine andere Nachricht für Tilla, die sie schnell anfügte in der Hoffnung so um einen Tadel herum zu kommen: "Ach so ..ehm, fast hätte ich es vergessen dir zu sagen. Unsere Herrin will vor der Abreise nach Germanien"(die zu dem Zeitpunkt noch nicht abgesagt war) "mit ihren ganzen Sachen in die villa Aurelia umziehen. Als ich sie gefragt habe was das soll, hat sie nur eine Vase nach mir geworfen und mich aus ihrem Zimmer geschmissen. Kannst du dir vorstellen warum sie wegen der paar Wochen die wir noch hier sind, extra noch umziehen will?" Mara zuckte fragend die Schultern. Natürlich bräuchte die Aurelia keinen plausiblen Grund dafür, wenngleich es durchaus nicht abwegig war - früher oder später - in das familiäre Heim zurück zu kehren, nachdem es hier nichts und niemanden mehr gab der sie hielt.

  • Mutter Esther fand, dass sie gute Anweisungen gegeben hatte und war stolz auf sie. Tilla war dankbar über jedwede Rückmeldung. Ihre Mutter suchte heute ganz besonders ihre Nähe, abermals wurde sie von ihr umarmt und lieb festgehalten. Es tat gut und es hielt sie von der Stickarbeit ab. Nein, zum Sticken war sie nicht geboren, dann eher zum Holz schnitzen. Aber das war nicht erlaubt, dass sie mit einer scharfkantigen Waffe hantierte. Wenn man es anders betrachtete war eine Nadel auch eine Waffe. Vom Denken und Wünschen allein würde Hektor auch nicht zurückkommen... hoffentlich war ihm nichts passiert. Er umarmte sie anders... zärtlicher, liebevoller, schwer verliebt. Wann hatte sie den letzten Kuß von ihm bekommen?


    Tilla sah Mara prüfend an. Wirklich alles? Ich werde ihm Fragen stellen, was er gesehen hat und was er besorgen muss, damit wirklich alles da ist. erwiderte sie stumm flüsternd und spürte wie Mara neben ihr Platz nahm. Mit einem wissenden Lächeln hörte sie Maras Flüstern und blickte sie verständnisvoll an. Ja, will ich wissen. Die erste große Liebe zu entdecken war unheimlich aufregend. Ihr Blick kreuzte sich mit dem von Mutter Esther. Tilla schüttelte den Kopf, was soviel heißen sollte wie: ich werde nachher mit ihr reden. domina Prisca hatte die Liebe zwischen den beiden nicht erlaubt und das Verheimlichen konnte gefährlich sein. Noch etwas was sie der verwitweten Herrin sagen musste: ein weiteres verliebtes Sklavenpärchen.


    Erstaunt hob sie den Kopf, als sie die Mitteilung aus Maras Mund hörte. Mara, du weisst doch, dass du nur sprechen darfst, wenn du eindeutig dazu aufgefordert wirst. Da ist es nur richtig, dass sie dich rausgeschmissen hat! tadelte sie das Nesthäkchen der Sklavenschaft. In die Villa Aurelia? Hast du dich nicht verhört? Letztens hieß es noch, dass sie zu den Germanicern ziehen wil, damit sie zusammen mit denen zur kommenden Reise aufbricht... stimmts, Mutter? Tilla legte die Stickarbeit beiseite und stand auf. Zurück in die Villa Aurelia. Das klang gut. Sie konnte Mutter Esther zeigen, in welchem Haus sie nach dem Aufenthalt auf dem Sklavenmarkt aufgewachsen war. Zurück zum Kletterbaum. Nein, Mara, ich kann mir nicht vorstellen, warum sie umziehen will, aber ich habe eine Vermutung. Wegen der steten Errinnerung an ihren Mann. Es errinnert alles hier an ihn. Wohl auch wegen der neulich geschehenen Durchsuchung?!? Mara, gehst du bitte sogleich rüber zu Saba? Sag ihr bitte Bescheid, dass sie die Räume herrichten soll. Wir werden außerdem einen Teil der Vorräte zu Ihnen rüberschaffen und brauchen jeden Fuß und Arm für Gepäck und Möbel. Mutter, sagst du bitte Bernulf und Einar, daß wir umziehen? Sie kennen vielleicht starke Freunde, die uns gegen Verpflegung umsonst helfen können? Das wird anstrengend und wir werden keine Zeit haben. Wie sollte sie Hektor Bescheid sagen, dass sie zurück in der aurelischen Villa waren? Ich gehe zu Prisca und sage ihr Bescheid, dass wir sofort mit dem Umzug beginnen. Was meinst du Mutter, wieviel Zeit werden wir benötigen? Zwei bis drei Tage? stellte Tilla die letzte Frage, die ihr in den Sinn kam. Oh.. und sie musste daran denken einen blühenden Ableger vom Fliederbusch im flavischen Garten mit rüber zu nehmen.

  • Ob nun erlaubt oder nicht, … Mara war froh, dass wenigstens Tilla Verständnis für sie und ihre Turteleien zeigte. Schließlich war das Sklavendasein öde genug und zur Abwechslung mal ein bisschen herum fummeln und küssen war doch nicht weiter schlimm, oder? Mehr hätte Mara auch nicht zugelassen, da es ihr viel mehr Spaß machte die Männer hin zu halten. Insbesondere bei Einar, den sie am liebsten von allen neckte. So wie vorhin in der Speisekammer, als sie Einar mit ihren Reizen verzückt hatte … aber davon würde sie Tilla nachher mehr erzählen, wenn ihre Mutter nicht dabei wäre. Für Mara war das eben mehr wie ein Spiel und es hatte für sie weniger mit Liebe zu tun, wobei sie durchaus verstehen konnte, dass Tilla "ihren" Hektor über alles liebte. Von daher war der Grieche auch absolut tabu, wenngleich Mara dies manchmal bedauerte.


    Das war aber nicht der Grund für den tiefen Seufzer, den Mara nunmehr ausstieß. Sie war Tilla keineswegs böse für die tadelnden Worte, vielmehr hatte sie keinerlei Verständnis für die Aurelia und deren Launen: "Ja ja. Ich weiß, … ich darf nicht sprechen, ich darf mich nicht bewegen, … ich darf nicht atmen, ich darf nicht mal Pipi machen, außer die Herrin erlaubt es mir. Pah!" Schmollend schob Mara die Unterlippe vor, ehe sie zum Thema Umzug hinzu fügte: "Nein ich hab mich nicht verhört. Sie sagte, dass wir heute noch mit dem packen anfangen sollen. Das macht die doch mit Absicht, um uns zu schikanieren …" Lustlos sah Mara iauf hre Zehenspitzen herab, mit denen sie unruhig auf dem Boden herum tippelte, als sie einem weiteren tadelnden Blick der Ägypterin aus wich.


    "Du solltest besser nicht so vorlaut sein. Du bist schließlich eine Sklavin und als solche hast du die Wünsche deiner Herrschaft nicht zu hinterfragen", belehrte Esther kurz die junge Sklavin, um sich dann den Fragen ihrer Tochter zu zu wenden: "Stimmt. Deine Herrin wollte eigentlich zu den Germanicern ziehen aber wie ich neulich auf dem Markt erfahren habe, hat Iunia Serrana erst vor kurzem ihr drittes Kind zur Welt gebracht. Gut möglich, dass die Reise deshalb verschoben wurde und sich damit auch der Umzug zu den Germanicern vorerst erübrigt hat", schlussfolgerte Esther daraus, wobei auch Tillas Vermutung nahe lag: "Ja das kann auch mit ein Grund dafür sein, dass eure Herrin von hier fort möchte", nickte Esther und sie überlegte kurz wie lange es wohl dauern würde bis alle Sachen in die andere villa hinüber geschafft wären.


    "Ich denke auch, dass ihr es in zwei oder drei Tagen schaffen solltet", meinte sie dann. Länger würde es sicher nicht dauern, schließlich ging es ja ausschließlich um die persönlichen Dinge der Aurelia (wie Kleider und Schminkutensilien) und nicht um das Interieur, welches selbstverständlich hier bleiben würde. Trotzdem würde es einige Zeit dauern, bis alles aus- und wieder eingeräumt und zur vollsten Zufriedenheit der Herrin erledigt wäre. Von daher: "Sputet euch jetzt besser! Ich werde mich um die Träger kümmern und Einar und Bernulf Bescheid geben" Mit diesen Worten erhob sich die Ägypterin, nachdem sie ihrer Tochter noch einmal aufmunternd über die Wange gestrichen hatte. Mara hingegen erntete wieder einmal einen strengen Blick, worauf die junge Sklavin murrend ebenfalls auf stand: "Ist ja gut. Ich eile ja schon und sage Saba Bescheid, dass jetzt bald wieder ein anderer Wind in der villa Aurelia wehen wird. Ach da fällt mir ein, ...soll ich nicht besser gleich dort bleiben, um die Arbeiten vor Ort zu überwachen?", schlug Mara dann nicht ganz ohne Hintergedanken vor gleich in der der villa Aurelia zu bleiben. Zwei ganze Tage! Das wäre lange genug, um neben der Arbeit ein wenig Spaß zu haben und männliche Sklaven gab es auch bei den Aureliern genügend …

  • Mutter Esther sprach tadelnd aber gütig zu Mara. Dankbar blickte Tilla sie an. Ja, all das darfst du nicht, deshalb musst du immer zusehen, dass du zuvor deine persönlichen Belange erledigt hast. Zum Beispiel versuchen, das Austreten möglichst unauffällig zu erledigen, sodass die Herrin nicht merkt, dass du kurz weg warst. Du wirst sehen, Übung macht den Meister und du wirst sie immer seltener über dich schimpfen hören. versuchte sie die maulende Mara aufzumuntern. Tilla schüttelte den Kopf. Nein, ich habe noch nie erlebt, dass sie uns schikaniert. Der Tagesablauf ist immer derselbe und das langweilt mich. Ich bin froh, dass das untätige Herumsitzen endlich ein Ende hat und wir etwas zu tun haben. Auch wenn es nur wenige Tage dauert.


    Sie wandte sich Mutter Esther zu. Du hast von der jüngsten Geburt es auf dem Markt erfahren? Wie schön! Wie viele Kinder haben die Germanicer jetzt? Ich weiß von der ältesten Tochter und den Zwillingen. Hm, ich weiss, dass wir Sklaven die allerletzten sind, die über irgendetwas informiert werden. Also gut, der Umzug zu den Germanicern findet nicht statt, dafür ziehen wir nach Hause zurück. Damit fand sich Tilla mit den aktuellen Tatsachen ab. Mutter Esther stimmte ihrer Einschätzung über die Dauer des Umzuges zu und erklärte sich bereit sich um die Leibwächter zu kümmern. Sie blickte zu Mara, die soeben danach fragte, ob sie nicht in der Villa Aurelia verbleiben durfte. Nein, du wirst dich um ihre gesamte Kleidung kümmern. Ich übernehme ihren Schmuck und ihre Kosmetika. legte Tilla fest. Auf, Mara, leg los! munterte sie noch einmal das Nesthäkchen in ihrer Runde auf und beugte sich zu ihr. Frag Einar, ob er für dich ein paar Kleiderbeutel schleppt. Er liebt es bewundert zu werden. Mit einem Zwinkern nickte Tilla ihr zu und machte sich auf die Herrin zu informieren, dass der Umzug in seinen Startlöchern stand. Da ja alles zusammengepackt wurde, musste sie bedenken, dass der Herrin einiges von allem überblieb, sodass der übliche Tagesablauf nicht gestört wurde.


    Leise klopfte sie an die Tür zum Gemach der Herrin und trat zu ihr. Sie übernahm das Kämmen der patrizischen Haare. Herrin, Mara hat uns deine Nachricht überbracht. Wir machen uns bereit und bringen alles wie befohlen rüber. Übermorgen mittag müsste alles soweit fertig sein, dass du drüben alles wie gewohnt vorfinden wirst. flüsterte Tilla stumm und atmete tief durch. Sie musste ihr noch von Maras Tun erzählen. Verzeih, wenn ich dich wegen Mara anspreche. Sie probiert sich selber aus und erforscht ihre Wirkung auf Männer. Sie ist jung und unbedarft, aber sie wird lernen. Erlaubst du ihr eine Beziehung zu deinem Leibwächter Einar? Bittend sah Tilla sie an und hoffte, dass die Ältere nicht allzu sehr verletzt darüber war, dass die Liebe nun zweifach vorhanden war. Gibt es Neuigkeiten von Hektors Verbleib? schob Tilla nach und wagte es kaum Prisca anzusehen.

  • Naja, aufmunternd waren Tillas Erklärungen nicht gerade für Mara. Weder wollte sie das Austreten üben müssen, noch brauchte sie unbedingt noch mehr Abreit als ohnehin schon. Was war denn nur so schlimm daran untätig herum sitzen zu müssen? … Und zu allem Überfluss durfte sie nicht einmal in der villa Aurelia bleiben. Och menno … "Na wenn du meinst …", antwortete Mara zunächst leicht eingeschnappt, um gleich darauf aber wieder verschmitzt zu grinsen wieTilla ihr zu verstehen gab, dass sie Einar mit einspannen durfte. "Danke… Ich werde Einar ordentlich viel schleppen lassen, verlass dich drauf. … Und auf dem Rückweg darf er mich dann auf Händen tragen", gab Mara kichernd zurück und wieder guter Laune sprang die junge Sklavin sogleich auf, um den Germanen suchen zu gehen.


    Esther blickte Mara nach und schüttelte leicht den Kopf. Was sollte sie von diesem unbedarften Ding nur halten? "Ja auf dem Markt machen Neuigkeiten und Gerüchte aller Art eben schnell die Runde", sprach sie gleichzeitig weiter zu ihrer Tochter: "… und wenn die Gattin eines bekanten Senators ihr drittes Kind gesund zur Welt bringt, so ist das allemal eine freudige Nachricht." Drei Kinder waren schließlich ein guter Schnitt für eine Römerin, noch dazu wenn sie und ihre Kinder alle drei Geburten unbeschadet überstanden hatten und sie alle am Leben blieben. Ein Glück, das nicht jedem zu Teil wurde.


    Mit einer liebevollen Berührung strich Esther versonnen ihrer Tochter über den Rücken, als für einen kurzen Augenblick die Erinnerungen zurück kamen: An Tillas Geburt und an die schicksalhafte Fügung, die ihrer beider Leben bestimmt hatte. Esther war unendlich froh, dass sie ihre Tochter nach all der langen Zeit zurück hatte, doch vieles aus der Vergangenheit beschäftigte sie heute noch. Nur gut, dass die Arbeit sie von diesen trüben Gedanken würde ablenken und so raffte sich Esther ebenfalls auf: "Bis später mein Herz. Ich hab dich lieb", verabschiedete sie sich mit einem Kuss auf Tillas Stirn und einem Lächeln von ihrer Tochter, ehe sie dann in die selbe Richtung wie Mara entschwand. Irgendwie musste sie Einar ins Gewissen reden ehe es zu spät wäre, dass er keinesfalls zu weit gehen dürfte, selbst wenn Mara ihn dazu animieren würde. Doch wie sollte sie ausgerechnet DAS einem Mann klar machen? …


    Solche Sorgen hatte Prisca zur Zeit nicht. Die Aurelia plagten ganz andere Gedanken und entsprechend abwesend erscheinend empfing sie ihre Leibsklavin stumm und ohne ein Wort zu verlieren. Das Kämmen der Haare war eine derart gewohnte Routine, dass es Prisca zunächst gar nicht auffiel, ehe sie Tilla und der Bedeutung ihres Flüstern und ihrer Gesten gewahr wurde. "Der Umzug? … ach so. Ja ja schon gut. … Verschone mich bitte mit Details und sorg einfach dafür, dass meine Befehle befolgt werden. Ich weiss doch, dass ich mich auf dich verlassen kann", winkte Prisca beiläufig ab da es für sie eine Selbstverständlichkeit war, dass Alles zu ihrer vollsten Zufriedenheit erledigt würde. Dafür würde Tilla schon sorgen und so könnte ihre Leibsklavin die eher genervt klingenden Worte ihrer Herrin durchaus als persönliches Lob auffassen.


    Genau so schnell konnte es aber passieren, dass Tilla den ganzen Unmut ihrer Herrin abbekam, insbesondere für solche Nebensächlichkeiten, die keinen Menschen interessierten. Ob ich die Beziehung zwischen Mara und Einar erlaube???? "Wie bitte? … ", zuerst einmal blickte Prisca ungläubig drein, ehe sie überhaupt verstand um was es ging. Nicht genug damit, dass sie Tilla erlaubt hatte mit Hektor zusammen zu sein, nun kam auch noch Mara daher und Tilla spielte die Fürsprecherin für sie: "Was bildet ihr euch eigentlich ein?", wurde sie deshalb etwas ungehalten und laut, den bittenden Blick ihrer Sklavin dabei völlig ignorierend : "Glaubt ihr etwa dieses Haus hier ist eine Art Liebeslaube für Sklaven? … Wenn ich die beiden dabei erwische, lasse ich sie zusammengebunden in den Tiber werfen. Dann haben sie ihre Beziehung!! ..." Damit war wohl alles gesagt oder? Mit einem strengen Blick bedachte die Aurelia ihre Leibsklavin und lediglich die unmittelbar folgende Frage nach Hektor brachte sie davon ab eine Strafe für Mara und Einar auszusprechen.


    Prisca atmete tief durch und sekundenlang schwirrten ihre Gedanken völlig durcheinander. Eigentlich scherte sie sich augenblicklich so gut wie gar nicht um ihre Sklaven, angesichts der prekären Situation in der sie sich selbst befand: Völlig allein gelassen zwischen den Fronten und ohne eine Plan, wie sie heil aus dieser Situation heraus kommen sollte. "Deinem Hektor geht es gut. Er berichtet mir regelmäßig wie es um meine Ländereien steht … Mach dir keine Sorgen um ihn, er wird bald zu dir zurück kehren", hörte sich Prisca dennoch selbst sagen und sie konnte es kaum glauben, dass sie tatsächlich einer Sklavin gut zu redete. Und wer tröstet mich? Die Gefühle drohten Prisca zu übermannen und verräterisch glänzten ihre Augen als sie kurz vor dem Zusammenbruch stand. Sie hatte niemanden mehr, dem sie noch vertrauen konnte und sie wähnte sich Mutterseelen allein, hier in Rom …

  • Bene... keine Details zum kommenden Umzug. versprach Tilla und harrte bezüglich Maras Liebesglück nervös der nächsten Worte. Sie wurde rot, als sie Priscas Lob hörte und lächelte zufrieden. Hatte Prisca eine Ahnung wieviel Arbeit und Gedanken hinter allem steckte was ihr derzeitiger Wohlstand ausmachte? Hin und wieder kümmerte sie sich um die Zahlen der Farmen und Güter, welche Prisca besaß, doch das wuchs ihr über den Kopf. In Sachen Zahlen und Rechnungswesen war sie nicht talentiert. Mutter Esther hatte eine gewisse Ahnung davon, weil sie mit dem Rechnungen-Thema auch wegen ihrem Kräuterladen zu tun hatte. Ihre Mutter tat soviel für sie.


    Was sie sich einbildeten? Liebeslaube für Sklaven? Erschrocken sah Tilla ihre Herrin an und schüttelte den brünetten Schopf. Nein, Prisca, wir glauben es nicht so. versuchte sie das Liebesglück des Nesthäkchens zu retten. Mara und Einar durften ihr Liebesglück nicht offen ausleben... sie mussten es heimlich tun. Das war kaum machbar, denn die Herrin konnte immer und überall auftauchen. Nicht einmal außerhalb der Villa durften die beiden sich verliebt zeigen, es gab überall Augen und Ohren. Es würde schwer werden Mara das alles verständlich zu machen. Die junge Sklavin war ein Kind vom Land. Hier in der Stadt war alles aufregend und neu. Ich spreche mit Mara. gab Tilla schweren Herzens kund.


    Prisca hatte Nachricht von Hektor. Es ging ihm gut, er berichtete der Herrin regelmäßig. Danke, Prisca. Tilla atmete erleichtert auf, atmete tief ein und aus, liess das Haare kämmen ein paar Sekunden ruhen. Wenn er das Berichten schaffte, warum kam er nicht zu ihr? Spürte er nicht, dass sie ihn mit jeder Faser ihres Körpers vermisste? Sie biss sich auf die Lippen, warum war sie trotz der Erleichterung über die positive Nachricht unzufrieden? So viele 'Warum's'!! Mit langsamen Bewegungen setzte sie das Kämmen der schwarzen Haare ihrer Herrin fort. Sie wollte noch etwas sagen. Gegen die Liebe ist keiner von uns gefeit. Ich wusste selbst zuerst nicht zu deuten was mich und mein Herz umfangen hat. flüsterte Tilla leise und schwor sich eines: wenn er zurückkehrte,würden sie auf der Stelle heiraten, niemals würde sie warten können bis die weiße Friedenstaube sich in den blauen Himmel aufschwang. Sie besaß nur dieses eine Leben. Tilla bemerkte Priscas glänzende Augen im Spiegel und drückte sachte ihre Schulter. Und legte ihr im nächsten Moment auch die andere Hand auf die Schulter und hielt die ältere Frau fest, ganz genauso wie Mutter Esther es auch machte. Ihre Augen ruhten in denen von Prisca. Wir überleben.. wir werden das schaffen... gemeinsam.

  • Nein Details interessierten Prisca nicht. Ihr war nur wichtig, dass alle ihre Befehle und Wünsche zu ihrer vollsten Zufriedenheit umgesetzt wurden. So wie sie es immer gewohnt gewesen war. Nur "so wie immer" lief momentan eigentlich nichts. Ob sie wollte oder nicht, musste sie bestimmte Dinge und Entscheidungen immer öfter selbst in die Hand nehmen, jetzt, da sie völlig auf sich allein gestellt war. Allein in Rom. Allein zu Haus und … allein unter Sklaven. Das schlimmste daran war nicht, dass sie sich dieser Herausforderung nicht stellen wollte, nur war die junge Patrizierin eben alles andere als perfekt darin sich um sich selbst zu kümmern. Aber was blieb ihr anderes übrig, als es wenigstens zu versuchen. Mit diesen Tatsachen hatte sie sich schweren Herzens längst abgefunden und mehr denn je hatte sie dabei die Treue ihrer Leibsklavin schätzen gelernt. Prisca hatte es Tilla gegenüber nie offen gezeigt, um die nötige Distanz zwischen ihnen zu wahren, aber im Grunde betrachtete sie die junge Sklavin längst als Vertraute und gute Freundin. Bis heute hatte sie sich immer auf ihre Dienste verlassen können und sie vertraute darauf, dass dies auch in Zukunft so bleiben würde.


    Doch die Zukunft war alles andere als rosig, geschweige denn sicher, sollte der Bürgerkrieg tatsächlich zugunsten des Vesculariers ausgehen. Spätestens dann würde man sie und die gesamte Familie verfolgen und enteignen und damit würde sie auch ihre Sklavin für immer verlieren. Darüber hatte Prisca (nicht nur dank der süßen Kräuter) noch nie so richtig nach gedacht aber jetzt, da sie im Spiegel in die Augen ihrer Sklavin blickte und die geflüsterten Worte zur Kenntnis nahm, tat sie es: Wir überleben .. Wir werden das schaffen .. Gemeinsam "Gemeinsam?! … Ja, sofern wir noch rechtzeitig nach Germanien aufbrechen und ich es irgendwie schaffe meinen Cousin zu erreichen, sonst … ach ich weiß ich auch nicht was dann passieren wird", schob Prisca resigniert klingend hinterher. Ein flüchtiges Lächeln huschte dennoch über ihre Lippen und einsam rann eine Träne über ihre linke Wange herab. Tillas lieb gemeinte Worte berührten sie und mit der Rechten strich sie zum Dank sanft über die Hand ihrer Sklavin "Weißt du, du bist für mich zu einer guten Freundin geworden, Tilla. Eine Freundin, die mich noch nie enttäuscht hat und der ich vertraue." In guten Zeiten, aber auch in schlechten Zeiten, welche nun einen ganz bestimmte Entscheidung erforderlich machten.


    Langsam drehte Prisca sich um und blickte Tilla lange in die Augen. Was wird aus ihr werden, wenn es zum Äußersten kommt? Ob eine Freilassungserklärung sie davor schützen könnte, zusammen mit den anderen aurelischen Sklaven verkauft zu werden - sofern man uns enteignet? Oder wird man meinen Willen nachträglich für nichtig erklären und sie wird weiterhin als Sklavin gelten? Auch wenn Prisca in letzter Zeit so manche wichtigen Dinge und Entscheidungen vernachlässigte, so sorgte sie sich trotz allem sehr um das Wohl ihrer treuen Dienerin.Zumindest heute.

    "Hör mir bitte genau zu, Tilla, denn was ich dir jetzt sagen werde ist sehr wichtig. Für mich, für dich, für uns beide", begann die Aurelia schließlich eindringlich aber mit sanfter Stimme auf ihre Sklavin einzureden. "Du weißt, dass meiner Familie schwere Zeiten bevorstehen. Der Name Aurelia wird mit dem Mord an Valerianus in Verbindung gebracht, ein Bürgerkrieg droht und je nachdem für welche Seite mein Cousin Ursus sich entscheidet, wird man uns hier nicht länger in Frieden lassen. Deshalb werde ich wohl oder übel nach Germanien gehen und das bedeutet wiederum, dass ich das Haus und die meisten Sklaven hier ihrem Schicksal überlassen muss" Prisca machte eine kurze Pause und versuchte in Tillas Augen zu lesen, ob sie verstand welches Schicksal diesen Sklaven drohte, da sie aber noch nicht fertig war sprach sie nach einem tiefen Seufzer weiter: "Aber keine Sorge. Dich nehme ich natürlich mit und deine Mutter auch. … Und auch für deinen Hektor werde ich Sorge tragen", gab Prisca ihrer Sklavin ein Versprechen das durchaus ernst gemeint war. So weit so gut, aber …"Sollte mir jedoch etwas zustoßen, oder ich nicht mehr in der Lage sein mich selbst - und damit euch - mit meinem Namen und meinen Mitteln zu schützen so zögere nicht, dich und die Deinen in Sicherheit zu bringen. Du hast deine Freiheit längst verdient und wenn es das Schicksal so will, dann nimm es in deine Hand!! Hörst du?! So schwer es mir auch fällt dich irgendwann los zu lassen … "Warum sagte sie das eigentlich ausgerechnet jetzt? Was scherte sie das Leben einer einfachen Sklavin? Vielleicht weil sie glaubte, dass auch eine unbeschriebene Tafel es verdient hatte eines Tages mit Leben gefüllt zu werden ...

  • Tilla war wirklich erstaunt über die Wankelmütigkeit ihrer Herrin.. also wollte diese immer noch nach Germanien aufbrechen? Dabei hatten sie doch gerade erst den Umzug vollbracht mit dem Ziel, dass die geschätzte Herrin sich hier würde wohlfühlen. Ich weiss auch nicht was passieren wird. Warum möchtest du deinen Cousin erreichen? fragte Tilla nach. Hatte sich Hektor keine Möglichkeit geschaffen den Kopf der Aurelier zu besuchen und Nachricht nach Rom zu bringen?


    Schwach war ihr Lächeln, dass sie die Herrin auf ihre freundlichen Worte erwiderte. Ich danke dir. So ein Lob bekam sie nicht alle Tage und sie würde die Worte von nun an in ihrem Herz aufbewahren. Sanft hielt sie Priscas Hand fest, strich sanft mit dem Daumen über den Handrücken. Genauso wie sie es getan hatte als Prisca in diesem seltsamen Dämmerschlaf nach der Fehlgeburt gelegen hatte. Auch dafür dass mein Weg mich hierher zu dir führte und zu niemandem anderen. Du bist eine gütige Herrin. Ja, sie war richtig froh hier zu sein. Tilla verlor die davon ziehende Hand und hielt dem darauffolgendem Blick stand. Aufmerksam wie immer, noch aufmerksamer, weil Prisca es so verlangte, hörte Tilla ihr zu.


    Der Kaisermord, die Proskriptionslisten, die Gerüchte, der nahende Bürgerkrieg, das alles wirbelte ihr gesamtes Leben durcheinander. Laut ihren Worten schienen die Würfel gefallen zu sein: für die Reise. Und sie war dabei, ebenso Mutter Esther. Und Hektor würde zu ihnen stoßen. Die Herrin ziehen lassen, wenn diese den Schutz nicht mehr aufrecht zu halten wusste? Ihr wurde kalt ums Herz. Die Herrin ziehen lassen, der erste Impuls war dies nicht zuzulassen und mit ihr zu gehen. Wohin auch immer, sei es auch ein weiteres fremdes Land. Zwischen den Zeilen las sie den Wunsch Priscas heraus: sie sollte weiter leben.. ebenso Mutter Esther.


    Prisca erwähnte die Freiheit, sie hatte die Freiheit verdient! Ehrwürdige Prisca... Tillas Augen füllten sich mit Tränen. Langsam liess sie sich nieder, liess die Knien auf den Boden sinken und hockte sich auf die Fersen. Nun sah sie zu Prisca auf. Ich hoffe nicht, dass es dich (und uns) so weit führt, Prisca. Du bist diejenige, die es verdient hat, ihr Leben weiterzuleben. Dich trifft keine Schuld an dem was um uns herum geschieht. Sag mir was ich jetzt für dich tun kann. Sie kämpfte mit dem Kloß im Hals, drückte die Tränen mit aller Macht zurück. Ich werde alles für uns tun was ich kann. So sei es.

  • Tilla wusste also auch nicht was passieren wird, seufzte Prisca resignierend, als sie die geflüsterten Worte ihrer Sklavin vernahm. Irgendwie wusste niemand um sie herum was passieren wird und noch weniger, was zu tun wäre. Es waren eben nur Sklaven, die selbst herum kommandiert werden wollten, obwohl sich Prisca in diesen Tagen mehr denn je nach einer "starken Hand" sehnte. Nach der ihres Onkels, oder der eines ihrer Cousins, die ihr gezeigt hätte wo es lang geht. "Schon gut Tilla, …. ich weiß es ehrlich gesagt auch nicht was es bringen soll meinem Cousin ins Gewissen zu reden, … aber lassen wir das …", schob sie alle weiteren Gedanken an ihre augenblickliche Situation zusammen mit einer vagen Handbewegung beiseite. Viel einfacher und erhebender war es im Moment mit anzusehen wie ergeben doch ihre Sklavin war. Mochte sich Priscas Wankelmütigkeit auch oft in Strenge und Unnahbarkeit zeigen, so war davon im Augenblick jedenfalls nichts zu sehen oder zu spüren. Ich bin eine gütige Herrin? Das hatte ihr in der Tat noch kein Sklave gesagt und mal abgesehen davon, dass sie darauf normalerweise nichts geben würde, entlockte ihr diese Bemerkung doch ein leichtes dankbares Lächeln.


    Als Tilla dann sogar vor ihr auf die Knie sank und Tränen ihre Augen füllten, musste auch Prisca an sich halten um nicht los zu weinen. Die Situation war der Aurelia unangenehm, fast peinlich, wie sie Tilla nun vor sich auf dem Boden knien sah und auch wenn es sonst völlig normal war, den Sklaven auf diese Weise ihren Stand aufzuzeigen, so hatte Tilla nichts verbrochen, wofür sie hätte bestraft oder gedemütigt werden müssen: "Was soll das denn? … Steh bitte sofort wieder auf!", versuchte die Aurelia vergeblich die nötige Strenge in ihre Stimme zu legen während sie mit den Fingerspitzen schnell die glänzenden Augen betupfte. Was wusste dieses einfache Mädchen schon von wegen "schuldig oder nicht" und was würde das letztendlich an den Tatsachen ändern denen sie sich stellen musste? ... Das fehlt noch, dass ich weine … , versuchte Prisca im Gedanken ihre Emotionen dahingehend zu beherrschen, wenigstens noch eine gewisse Distanz zu wahren und nicht gleich ihrer Sklavin um den Hals zu fallen. Dennoch berührten Tillas Worte und ihre Ergebenheit die Aurelia sehr, insbesondere die letzten beiden Sätze. Ich werde alles für uns tun was ich kann. … so sei es.


    Das war das Stichwort für einen Auftrag, den Prisca ohnehin für Tilla vorgesehen hatte und deshalb winkte sie diese sogleich zu sich heran: "Warte! …Es gibt tatsächlich etwas, dass du schon längst hättest für mich tun müssen. Komm her!, kündigte Prisca mit bedeutungsvoller Stimme an und mit schnellen Schritten huschte sie zu einer unscheinbar wirkenden Truhe an der Wand, in der sich allerlei persönliche Dinge befanden. Aber nicht die Sachen in der Truhe interessierten Prisca, sondern etwas das gut versteckt im Boden der Kiste verborgen war: "Wusstest du eigentlich von meinem kleinen Versteck hier? Gib es ruhig zu, ich bin dir nicht böse ... ", musste Prisca spontan grinsen, da sie ja von Tillas "spitzen Fingerfertigkeiten" wusste. Gut möglich, dass ihre Sklavin längst heraus gefunden hatte wie man das Geheimfach öffnete, indem man zuerst den linken Tragegriff nach oben drehte - dann auf zwei ganz bestimmte Nägel in der untersten Reihe des Beschlags drückte und schließlich den Griff wieder nach unten um legte. Spätestens jetzt kannte Tilla das Versteck in dem Prisca in einer kleine Schatulle (neben ihrem Testament) noch folgende sechs Briefe verwahrte:


    Diese Schatulle nahm Prisca nun heraus. Wortlos öffnete sie den Deckel, lwarf einen kurzen Blick hinein und verschloss die Schatulle wieder. Im Gedanken ging Prisca kurz ihren Plan durch, der so recht keiner sein wollte, ehe sie dann das Kästchen - mit folgenden den Worten und einem bedeutungsvollen Blick - ihrer Sklavin überreicht: "Hör mir jetzt genau zu, Tilla und stell keine Fragen. Tu einfach genau das was ich dir jetzt sage: … Vergrabe diese Schatulle bei dem Löwenbrunnen und zwar genau unter dem Rosenbusch auf der linken Seite. Pass auf, dass dich dabei niemand beobachtet. Niemand, hörst du. Nicht einmal deinem Hektor darfst du das Versteck verraten. Nur du und ich wissen davon - versprich mir das." Es war zwar einerseits müßig und fast unsinnig, einem Sklaven ein solches Versprechen abzuverlangen, aber nicht umsonst besaß Tilla das vollste Vertrauen ihrer Herrin: "Du wirst die Schatulle erst dann wieder holen, wenn ich dich entweder darum bitte, oder …", bei dem "oder" musste Prisca schlucken:"Naja du weißt schon das, was ich dir vorhin versucht habe zu erklären. ... In diesem Fall übergibst du dieses Kästchen hier meinen beiden Freundinnen, Germanica Calvena und Iunia Serrana. Die beiden werden " - hoffentlich - " wissen was weiter damit geschehen soll." So sicher wie es klang war sich Prisca darüber auf gar keinen Fall. Aber wenigstens war es ein leicht beruhigendes Gefühl zu wissen, dass vielleicht doch nicht alles verloren und umsonst gewesen wäre …


    "So und jetzt geh bitte und lass mich allein, ja?!", gab Prisca abschließend ihrer Sklavin zu verstehen, dass sie jetzt Ruhe brauchte. Nicht, ohne Tilla aber zuvor noch einen zärtlichen Kuss auf die Wange zu hauchen. Das geschah im übrigen ganz spontan und ohne jeglichen Hintergedanken, eben einfach so wie es bei Freundinnen üblich war …

  • Was es bringen sollte? Sie zuckte hilflos mit den Schultern. Ich habe mal einen Redner gehört, der sagte: Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren. Lange hatte sie darüber nachgedacht. Es war noch zu der Zeit gewesen, als sie noch hungernd und frierend und stehlend auf der Straße gelebt hatte. Sie lächelte leicht und fügte flüsternd ihre damaligen Denkergebnisse hinzu. Wer kämpft, kann verlieren, aber eben auch gewinnen. Wer nicht kämpft, hat schon verloren. Also man sollte es zumindenst einfach versuchen. Ein anderer Redner hat das Zitat ebenfalls gehört und es anders ausgesprochen. Siegen wird der, der weiß, wann er kämpfen muss und wann nicht.


    Die Tränen wollten auf die Wangen rollen, aber Tilla liess es nicht zu und drückte die Tränen mit aller Macht zurück. Auch die Herrin schien feuchte Augen zu haben. Das war ein gutes Zeichen, wenn sie sich über ihre vorhin geäußerte Dankbarkeit freute. Tilla erhob sich eilig ins aufrechte Stehen, als Prisca sie tadelte und bemerkte erst dann, dass sie immer noch den Kamm der Herrin in der anderen Hand hielt. Sie legte sie weg, denn die Haare der Herrin waren gekämmt. Die Herrin hatte etwas für sie zu tun? Tilla straffte die Schultern und verfolgte aufmerksam das Handeln der älteren Frau. Das innere Geheimfach in der Truhe war ihr aufgefallen, ja. Musste es auch, da sie schliesslich als Leibsklavin diejenige war, die sich eigenverantwortlich um die persönlichen Gegenstände der Herrin kümmerte. Leicht röteten sich ihre Wangen vor Verlegenheit. Ein schnelles Nicken war die stumme Antwort für die Herrin. Innerhalb des Faches befand sich eine Schatulle. Tilla war sichtlich überrascht, sie hatte bisher nichts von deren Existenz in diesem Versteck geahnt. Was sie auf die Schnelle erhaschen konnte waren Rollen aus papyrus.


    Behutsam nahm sie die Schatulle entgegen. Vergraben? In aller Heimlichkeit? Niemandem etwas sagen? Ich verspreche dies dir. erwiderte sie und versuchte den bedeutungsvollen Blick nachzuahmen. Fest drückte sie die Schatulle an sich. Natürlich wüsste sie gerne was in den Rollen stand, denn sie konnte lesen. Die Schatulle weitergeben an wen? Ahja, die Freundinnen der Herrin. Zweitgenannte war die zweifache Mutter, die ein neugeborenes Kind hatte und mit der Prisca hatte nach Germanien reisen wollen. Ob sie immer noch in Rom weilte? Tilla würde es herausfinden müssen. Und auch wegen der anderen Frau würde sie sich informieren müssen. Das wäre ja fatal, wenn keine von beiden in Rom war und sie somit nicht den Willen der Herrin ausführen konnte. Prisca wollte nun alleine sein. Bene. Sie hatte verstanden. Tilla war ungewöhnlich lange bei ihr, dabei hatte sie ursprünglich nur was kurzes mitteilen wollen. Wieder einmal ziemlich überrascht über ihre Herrin nahm sie den Kuss entgegen und strich im Gegenzug eine lose Strähne ihrer Herrin hinters Ohr.


    Ein letzter Blick zurück, sie verliess das Gemach und lief in ihre Kammer, um den ihr anvertrauten Gegenstand fürs erste sicher in einem eigenen Versteck zu verstecken. Jetzt am frühen Nachmittag war nicht die richtige Zeit, vielleicht schon heute nacht oder im Morgengrauen des kommenden Morgens, wenn alle noch schliefen, würde sie es vergraben. Tilla atmete tief durch und griff nach dem Korb Kerzen, die sie in den genutzten Räumen der Villa Flavia zu verteilen hatte. Wie erwartet war es ungewohnt vor ihrer Mutter und den anderen Mitgliedern der Sklavengemeinschaft so zu tun als wäre alles so wie immer, aber die üblichen Tagesaufgaben, die noch zu erledigen waren, lenkten sie ab. Tilla brachte Prisca später einen Imbiss mit Getränk vorbei. Als sie am frühen Morgen die Schatulle unter dem Rosenbusch vergrub, regnete es in Strömen. Das war gut, denn so war die Erde weich und die Grube leicht auszuheben. Die stumme Sklavin legte eine Steinplatte über die Stelle und darauf eine mit wucherndem Efeu bepflanzte Schale. Schräg vor dem Rosenbusch stehend, war die Schale eine schmucke Beigabe.

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