Ad Mecinia Mena, Casa Decima, Piräus
Geliebte Mutter,
mir, als deinem Sohn, ist mir ein Versäumnis aufgefallen, welches ich nun wieder gutzumachen beabsichtige. So viele lange Monate habe ich dir schon nicht mehr geschrieben und dich über mein Ergehen informiert. Das tut mir sehr leid und ich hoffe, du nimmst es mir nicht allzu übel. Die Zeit stand für mich niemals still, auch wenn ich es mir noch so sehr gewünscht hätte. Außerdem, und das wird dir zur Freude gereichen, habe ich eine wundervolle Frau kennen gelernt, welche ich in Bälde zu ehelichen gedenke. Ich bin mir sicher, du wirst sie sehr mögen und schätzen. Sie ist eine sehr schöne Frau, deren Liebreiz mich betört. Außerdem – und das schreibe ich, weil du sehr viel Wert darauf legen wirst – ist sie tüchtig und eine erfahren in der Haushaltsführung. Es wäre uns beiden eine große Ehre und Freude, wenn du als Ehrengast auf unserer Hochzeit erscheinen würdest und vorab sei gesagt, dass wir dir nicht gerne die Bürde dieser langen Reise auferlegen. Solltest du also abgeneigt sein, in Persona nach Rom zu reisen, so würden wir dies sehr bedauern, doch letzten Endes auch verstehen.
Von Massa habe ich in letzter Zeit nicht viel gehört, doch kann ich dir sagen, dass Vetter Serapio wohlbehalten in Rom zurück ist. Wir sind alle sehr erleichtert darüber.
Doch nun, liebe Mutter, werde ich diesen Brief zum Abschluss bringen müssen, da noch viel Arbeit auf mich wartet. Im Tempel und in der Vorbereitung der Ehefeierlichkeit.
Mögen stets die Götter über dich wachen und möge deine Gesundheit eisern sein!
Ich verspreche, dir in Bälde sehr ausführlich zu berichten, was sich in meinem Leben zuträgt.
Dein Sohn,
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Kaum zu glauben, aber wahr! Da hatte ich doch tatsächlich meine alte Mutter aus Piräus eingeladen. Auch wenn sie nun nicht physisch anwesend war, so schlug mein Herz doch einen Schlag flotter, als noch zuvor. Es war ein Versäumnis gewesen, dass ich ihr so lange nicht geschrieben hatte und wahrscheinlich war ihre Wut auf mich in all der Zeit ins Untermessliche geschrieben. Umso besser war es, ihr eine gute Nachricht zu übermitteln, damit sie sich in dem Umstand sonnen konnte, dass wenigstens einer ihrer Söhne nun bald unter die Haube fand und ihr eine Schar Enkelkinder in Aussicht stellte.
Ich seufzte schwer, als ich mir mein Schreiben noch einmal durchlas. Dann hielt ich es meinem Sklaven Muckel hin, der danach griff und ebenfalls noch ein Auge darauf warf.
“Sie wird erfreut sein!“, sagte er im zweifelhaften Tonfall eines Menschen, der sich seiner Sache nicht sicher war.
“Nun ja,“, entgegnete ich. “Ich hoffe nur, sie wird die weite Reise nicht wagen!“ Betreten schaute ich meinem Sklaven entgegen. “Du weißt ja wie sie ist. Immer mit dem Kopf durch die Wand. Ich befürchte, wir werden in Rom vor ihr nicht mehr sicher sein.“
“Und wenn du ihr den Brief gar nicht schickst!?“
Ich dachte kurz darüber nach, schüttelte dann aber den Kopf. In meiner Erinnerung war meine Mutter eine jener Frauen, die glückselige Momente ihrer Söhne tausend Meilen gegen den Wind rochen und danach nichts besseres zu tun hatten, als mit wehenden Fahnen herbei zu eilen, um dieses Glück durch weise Ratschläge und dergleichen zu trübe. Außerdem war es besser, sie würde es von mir erfahren, als über irgendwelche Umwege. Man konnte schließlich nie wissen. Und was dann geschehen würde, würde alles in den Schatten stellen, was meine Mutter bisher an Dingen vollbracht hatte. Sie würde mich bis in meine Träume verfolgen…. So zumindest malte ich mir das aus.
“Nein Muckel. Du gehst los und gibst ihn gleich auf! Dann haben wir es hinter uns.“ Ich seufzte noch einmal. Ein wenig Abwechslung würde nun gut tun. Mal nicht arbeiten, sondern einfach etwas für das Gemüt. Kurz überlegte ich, ob ich nach Grian schicken lassen sollte. Immerhin betrachtete ich sie gerne und die Gefühle, welche sie in mir provozierte waren zwar immer recht stürmisch, aber weitaus weniger ernst und innig, wie jene Valentina gegenüber. Diese Gefühle als fleischliche Gelüste zu beschreiben lag mir fern, auch wenn es wohl jeder andere so genannt hätte. Mir selbst klang es einfach zu profan.
“Ich werde dich in die Stadt begleiten. Pack ein paar Sachen für die Therme ein, mir ist nach ein wenig Abwechslung!“, trug ich meinem Sklaven auf. “Und besorg‘ Blumen für Valentina!“
“Ich habe ihr schon einen ganzen Strauß schicken lassen!“, maulte mein Sklave. “Wie jeden Tag!“
Ich nickte zufrieden und erhob mich dann von meinem Schreibtisch. Dann allerdings fiel mir noch etwas ein und ich setzte mich wieder hin, um noch ein paar Zeilen nieder zu schreiben.
Ad Gaius Iulius Caesoninus, Casa Iulia, Roma
Mein lieber Freund,
da wir uns eine Weile nicht gesehen haben, möchte ich dir auf diesem Wege noch einmal herzlich für die Einladung zu der schönen Feier in deinem Hortus danken. Meiner Verlobten und mir ist es wohl ergangen und wir schwärmen noch heute davon. So möchte ich ebenso eine Einladung aussprechen, und zwar zu einem kleinen Essen in der Casca Decima, wo wir trefflich disputieren und über deinen hervorragenden Weinkeller fachsimpeln können. Bitte bringe doch den verantwortlichen Sklaven für dieses Kleinod mit. Teile mir doch bitte einen passenden Termin mit.
Grüße an dich und deine Familia,
Decimus Casca
Auch dieses Schreiben drückte ich Muckel in die Hand, um mich dann für die Therme bereit zu machen.