Nun erlebte Beroe die Perserin zum ersten Mal fassungslos, da sie feststellen musste, dass ihr Wohltäter, der sie aus den Fängen der Claudier befreit hatte und ihr die Freiheit versprochen hatte, doch auch nur ein weiterer kühl berechnender Sklavenhalter war, der Beroes Schwächen für seinen Vorteil ausgenutzt hatte. Auch wenn er all das in schöne Worte und Versprechungen gepackt hatte. Diese Versprechungen aber war er gerade im Begriff zu brechen…
Die Lykerin schüttelte den Kopf. „Nein, das war ich nicht. Trotz der Arbeit, die ja nicht immer einfach war. Aber ich hatte zumindest das Gefühl, endlich einen Platz zu haben.“ Morrigan nahm ihre Hand. Sie, die sie in den letzten Wochen, in denen sie verschwunden war, so viel Leid hatte ertragen müssen, gab ihr nun Trost uns Halt. Ihre nächste Frage jedoch ließ Beroe aufsehen und zunächst erstarren. Ihr Freund? Hatte sie eben richtig gehört? Was wusste sie von ihrem Freund… und was noch wichtiger war, wer wusste noch davon? „Mein Freund…? Woher…. Wieso weißt du davon?“ Letztendlich aber musste sie sich doch eingestehen, dass wohl die meisten hier, und Morrigan erst recht, mehr über sie gewusst hatten, als sie es sich jemals hätte denken können. Sie hatte wohl nur Augen für Avianus gehabt und darüber hinaus alles andere schlichtweg nicht bemerkt. Morrigan aber zeigte dafür vollstes Verständnis und sie machte auch klar, dass sie ihr helfen würde, irgendwie… doch letztendlich war sie nun auch nur noch eine Sklavin. Aber sie machte sich auch Vorwürfe, die Schuld an Beroes Misere zu tragen. Das aber konnte die Lykierin keinen Moment lang so stehen lassen.
„Nein, du bist nicht schuld! Wirklich nicht! Wenn jemand die Schuld für alles trägt, dann bin ich es ganz allein. Alles was ich dem Moment tat, als ich das Haus meines Dominus in Misenum verließ, tat ich, weil ich es so wollte. Also trage ich auch dafür alle Konsequenzen. Die Menschen, die mir auf meinen Weg begegnet sind, haben es nicht immer gut mit mir gemeint. Doch du gehörst zu jenen, die mir nur mit guten Absichten entgegen getreten sind und dafür werde ich dir immer dankbar sein.“ Bei diesen Worten drückte sie Morrigans Hand fester und versuchte, zu lächeln. nun war es an ihr, die Perserin zu trösten, die in der Gefangenschaft einen erheblichen Teil ihres Stolzes und ihres selbstbewussten Auftretens eingebüßt hatte.
„Mein Freund… Avianus weiß nicht, dass ich fortgehen muss. Ich hatte keine Gelegenheit mehr, es ihm zu sagen. Aber wenn er wieder kommt…. Er wird bestimmt bald wieder kommen… dann…“ Beroe musste bei diesem Gedanken wieder mit den Tränen kämpfen. All ihr Hoffen, in vielleicht wenigen Jahren wieder frei zu sein, waren zunichte gemacht. Und für ihren Geliebten würde sie nun schier unerreichbar sein. „Bitte sag ihm, was passiert ist und dass ich ihn immer lieben werde... ganz gleich, ob ich ihn jemals wieder sehen kann.“