Irgendeine Insula, irgendwo am Tiberufer...

  • Eigentlich hatte Seiana erwartet, dass die Amme das Kind mitnehmen würde... was die Frau auch tun wollte, wie sie sah, aber mit einiger Irritation bemerkte sie, dass Seneca sie davon abhielt. Flüchtig runzelte sie die Stirn, warf einen Blick auf die Wiege – aber das Kind war im Augenblick ruhig, und die Amme würde sich ja nicht weit entfernen. Wenn es zu schreien anfing, konnte sie immer noch kommen und es holen. Trotzdem: dem Kind, ihrem Kind, nun so nah zu sein, löste etwas in Seiana aus, was sie nicht genau benennen konnte, und irgendwie auch gar nicht wollte. Sie fühlte sich verunsichert, und was auch immer darunter lag, sie hatte irgendwie das Gefühl dass es falsch war. Dass eine Mutter anders empfinden sollte als sie es tat. Es war leichter, sich Seneca zuzuwenden in diesem Augenblick – auch wenn es sicher noch einfacher gewesen wäre, wenn nur Sklaven da gewesen wären, bei denen es ihr egal gewesen wäre was sie dachten, oder wenn sie dem Kind einfach gar nicht mehr begegnet wäre. Sie wandte sich Seneca zu, kam einen Schritt auf ihn zu, und neigte ihren Kopf seiner Hand entgegen, als er sie an ihre Wange legte. Noch ein kleiner Schritt, und sie stand dicht bei ihm, legte ihre Hände auf seine Brust und blieb erst mal so, genoss die Umarmung, seine Nähe, seinen Geruch. Es hatte Phasen gegeben in den letzten Monaten, da hatte sie nicht mehr wirklich daran geglaubt, ihn je wiederzusehen, und es tat so unendlich gut, ihn spüren zu können, das Wissen, dass er doch überlebt hatte.
    Seiana wusste nicht, wie lange sie so da gestanden hatte, aber irgendwann löste sie sich genug von ihm, um ihm einen leichten Kuss zu geben, und dann noch ein wenig, um ihn vernünftig ansehen zu können. „Was machst du hier?“

  • Seneca genoss ihren Kuss, es war lange, sehr sehr lange her gewesen seitdem sie sich das letzte Mal so gegenüberstanden, die Begegnung im Carcer konnte man ja kaum zählen, war Seiana doch so gut wie nicht ansprechbar gewesen.
    Aus diesem Grund, und natürlich aus dem Grund dass Seneca nach wie vor sehr sehr große Gefühle für Seiana hegte spürte der Iunier ein angenehmes Kribbeln in der Magengegend, welches er erst abklingen ließ, als Seiana sich von ihm löste...


    "Naja, ich hab gehört dass sie dich freigelassen haben.", erklärte Seneca und lächelte kurz, "Und da ich sowieso versprochen hatte ab und an nach Sil... Dem Kind zu schauen, dachte ich dieser Ort wäre wohl momentan der beste um uns zu treffen.", fuhr Seneca fort und hätte dabei fast direkt einmal preisgegeben dass er der kleinen bereits einen Namen gegeben hatte, was eventuell in diesem Augenblick zu viel für Seiana gewesen wäre, "Ich bin so froh dass du wohlauf bist, das letzte mal als ich dich sah.. Ich lag die Nächte nur so da.", sagte der Iunier leise und griff nach Seianas Hand. Und tatsächlich, er hatte wirklich viel gegrübelt und es hatte ihm viele Kopfschmerzen bereitet.. Bis auf die eine Nacht wo er sich mit einem Optio der II. betrunken hatte, dort hatte er auch Kopfschmerzen, aber das hatte noch andere Gründe.

  • Seiana runzelte leicht die Stirn und sah ihn halb fragend, halb irritiert an. „Du hast... versprochen, nach dem Kind zu sehen? Wann?“ Geflissentlich überging sie das Stocken, das sie in seinen Worten hören konnte, konzentrierte sich lieber auf den Rest, den er gesagt hatte. Sie konnte sich nicht wirklich daran erinnern, wann er das gesagt haben sollte, und ein Teil von ihr fragte sich auch nach wie vor, warum er das hätte tun sollen. Sie hatte sich um alles gekümmert. Es gab keinen Grund für ihn sich das aufzubürden, und sie hätte ihn niemals danach gefragt, niemals um etwas gebeten. Oder hatte sie doch? Seine Worte schienen das zu sagen... genauso wie sie zu sagen schienen, dass er offenbar schon öfter hier gewesen war. Und Seiana wusste nicht so Recht, was sie davon halten sollte.


    Bei seinen folgenden Worten stand sie zunächst wieder einen Moment schweigend da, während sie unwillkürlich an ihre Verhaftung denken musste, die in der Wohnung nebenan passiert war. Daran, wie die Soldaten mit ihr umgesprungen waren, daran, wie groß ihre Angst gewesen war, und wie tief das Loch, das sie in dieser ganzen Zeit in sich gespürt hatte, davor und auch danach, in der Castra. Sie presste die Lippen aufeinander und wich Senecas Blick aus, wollte nicht zeigen wie sehr die Erinnerungen an ihr nagten und fürchtete, dass man es in ihren Augen sehen könnte. Stattdessen richtete sie ihren Blick irgendwo auf seine Brust und erwiderte nur leicht den Druck seiner Hand, als er die ihre nahm. „Es geht mir wieder gut. Ich war nicht die ganze Zeit im Carcer, ich wurde in ein Zimmer in der Principia verlegt.“

  • Seneca blickte Seiana an, "Nicht dir, ich hatte es nicht dir versprochen, aber deinen Sklaven und der Amme die sich um das Kind kümmerten.", antwortete Seneca und bemerkte schon dass die Zeit im Carcer sehr anstrengend für Seiana gewesen sein musste, oder zumindest bemerkte er, dass irgendwas anders war, er konnte es nur nicht so recht deuten, "Immerhin raus aus der Kälte und der Dunkelheit." bemerkte Seneca leise und eher für sich als für Seiana und immer noch fühlte er sich irgendwie schlecht dabei, denn auch wenn er nicht wirklich etwas hätte tun können, so hatte er doch tausendmal darüber nachgedacht wie er ihr hätte helfen können.
    Seneca schaute kurz zum Kind dass sich zu seiner Zufriedenheit ganz gut mit sich selbst zu beschäftigen schien, bevor er wieder versuchte Seianas Blick einzufangen, "Sie ist so schnell gewachsen, also, ich habe sie nicht so oft gesehen, aber sie ist wunderbar.", plauderte Seneca und lächelte unweigerlich..

  • Also doch nicht ihr. Seiana war sich nicht mehr so sicher gewesen, was Seneca alles zu ihr gesagt hatte, als er sie besucht hatte im Carcer, aber sie redete sich zumindest ein, dass sie sich daran erinnert hätte. Andererseits... wie hatte er diese Insula hier überhaupt gefunden? Hatte er danach gefragt, hatte sie es ihm gesagt?
    Seiana schüttelte den Gedanken ab. Es spielte ohnehin keine Rolle. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Ach so, ich dachte...“ Sie brach ab und räusperte sich nur, nickte dann bei Senecas weiteren Worten. „Ja, das immerhin. Es war... besser. Angenehmer.“ Auch wenn ihr die Einsamkeit zu schaffen gemacht hatte, und das Nichtstun.


    Und dann kam Seneca erneut auf das Kind zu sprechen. Seiana löste sich von ihm und setzte sich an den Tisch, ohne ihn anzusehen, aber mit einem vagen Blick in Richtung der Wiege. „Ja, das ist e... sie. Schnell gewachsen, meine ich.“ Seiana wusste nicht so recht, was sie sagen sollte, immer noch nicht, und sie wusste nicht einmal genau warum das so war. Nervös rieb sie sich über die Stirn. Sie konnte nichts darüber sagen, wie das Kind war, sie hatte ja noch nicht einmal Zeit mit ihm verbracht, als sie noch hier gewesen war, in den ersten Wochen nach der Geburt. „Es... sie...“ Seiana biss sich kurz auf die Lippen und sah jetzt zum ersten Mal Seneca wieder mehr als nur flüchtig an. „Sie wird es gut haben.“ Nicht dass sie wirklich damit gerechnet hätte, aber er schien sich für das Mädchen zu interessieren.

  • Seneca reagierte sichtlich verwirrt auf Seianas Verhalten. Sie wirkte so abweisend, gegenüber ihm, aber vor allem gegenüber dem Kind, und der Iunier wusste nicht damit umzugehen und schwieg deshalb zunächst und schaute nachdenklich auf den Boden und dann zum Kind, bis Seiana etwas sagte was ihn aufhorchen ließ, und ihn stutzig zu ihr blicken ließ..
    "Was meinst du damit? Sie wird es gut haben?", fragte Seneca etwas verdutzt, sicher, er hatte sich noch keine wirklichen Gedanken darüber gemacht was mit dem Kind geschehen würde, aber er befürchtete, dass nichts allzu gutes aus Seianas Mund folgen würde..

  • Selbst für sie war es nicht allzu schwer zu merken, dass Seneca verwirrt war von ihrem Verhalten, und sich vielleicht auch zurückgewiesen fühlte – was sie um keinen Preis wollte, eigentlich. Im Gegenteil, sie sehnte sich nach seiner Nähe. Aber sie wusste auch nicht wirklich, wie sie sich verhalten sollte, was richtig war, wie sie es fertig bringen konnte, einfach... normal zu sein. Sie presste die Lippen aufeinander und starrte für Momente einfach vor sich auf die Tischplatte, bevor sie wieder aufsah – selbst verblüfft wie er. Was sollte sie schon damit meinen? „Nun... gut haben. Ich kann es nicht zu mir nehmen, das geht nicht...“ Nicht als ihr Kind. Nicht einmal als Decima, weil es Fragen aufwerfen würde... sollte das Mädchen eines Tages wieder nach Rom kommen, würde sie älter sein müssen, deutlich älter, denn je mehr Zeit vergangen war, desto weniger Fragen würden gestellt, sondern die Geschichte einfach hingenommen werden. Jetzt ging es also nicht, es sei denn das Kind kam als Peregrina ins Haus, mit seiner Mutter, als Bedienstete... und das wollte Seiana nicht. „Das Mädchen wird als Römerin aufwachsen, und ich werde dafür sorgen, dass sie alles hat was sie braucht.“ Seiana räusperte sich.

  • "Es...", sagte sich Seneca sehr leise vor, und blickte kurz zu dem Kind, dann wieder auf den Boden, und dann zu Seiana, "Ihr Name ist Silana." sagte er dann knapp und setzte sich zu Seiana an den Tisch, seufzte kurz und fuhr sich durch die Haare..
    "Seiana hör zu, ich weiß dass du sie nicht mit zu den Decimi nehmen kannst, und ich weiß auch dass sie wohl ein gutes Leben außerhalb Roms haben würde, aber..", Seneca legte seine Hand auf Seianas, "Sie ist auch meine Tochter, iunisches Blut fließt durch ihre Adern und meine Ahnen schauen auf sie als meine Tochter, ich weiß nicht wie ich damit umgehen würde wenn ich mit dem Gedanken zu leben hätte meine Tochter irgendwo in die Provinz zu fremden gegeben zu haben.", erklärte Seneca recht ruhig, auch wenn durchaus die pure Ratlosigkeit in seiner Stimme durchschimmerte..

  • Es. Seiana presste erneut die Lippen aufeinander und dachte daran, dass auch Raghnall schon so komisch darauf reagiert hatte, wenn sie so von dem Kind sprach. Sie musste sich das endlich abgewöhnen... dachte aber gleich schon nicht weiter daran, als Seneca fortfuhr. Sie konnte ein Zusammenzucken nicht unterdrücken. „Du hast dem Kind einen Namen gegeben?“ fragte sie nach, leise, aber irgendwie... ungläubig, fast ein wenig fassungslos. „Hast du... sie aufgehoben?“ Auch wenn nur Sklaven anwesend gewesen wären... wenn Seneca das bestätigte, wenn er das getan hatte, was ein Vater tat, um ein Kind als seines anzunehmen... Seiana konnte es nicht so wirklich fassen. Gleichzeitig fragte sie sich selbst, warum sie eigentlich so überrascht war, dass Seneca sich für das Kind, sein Kind, interessierte. Dass er sich kümmern wollte. Und zwar wortwörtlich: dass er sich kümmern wollte, persönlich, offenbar, wenn er nicht wollte, dass das Mädchen fernab von Rom aufwuchs.


    Regungslos saß sie da, hörte sich an was er zu sagen hatte, und versuchte immer noch, es zu fassen, zu begreifen, und einen Weg zu finden wie sie darauf reagieren sollte. Es war alles so viel... und sie hatte das Gefühl, gerade nicht sie selbst zu sein. Sie starrte auf seiner Hand, die auf ihrer lag, und ganz langsam drehte sie die ihre dann um, damit die Handfläche nach oben kam und ihre Finger sich verschränken konnten. Sie brauchte etwas, jemanden, zum Festhalten, kam es ihr vor, aber sie brachte es nicht fertig das laut zu sagen, brachte es nicht fertig ihn zu bitten sie zu halten. Sie hatte Angst davor, welche Schleusen das öffnen würde wenn sie das zugab, und erst recht wenn er es tatsächlich tat, hatte Angst, dass sie dann zusammenbrechen würde. „Das... ich will nur dass e... sie“, verbesserte sie sich und verwünschte sich selbst, weil ihre Stimme zitterte, „ein gutes Leben hat. Ein Leben als Römerin, das ihr später alle Chancen bietet.“ Und sie wusste nicht, ob sie mit dem Gedanken leben könnte, dass ihre Tochter hier in Rom war, so nah bei ihr... eine ständige Erinnerung daran, wie sie versagt hatte, diesmal als Mutter. Und das womöglich ohne die Möglichkeit sie öfter zu sehen, ohne die Möglichkeit, etwas davon wieder gut zu machen. Dazu zu lernen und es besser zu machen, wenn ihr das gelang. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du... dass du...“ Sie machte eine vage Geste in Richtung der Wiege und räusperte sich wieder, versuchte den Kloß in ihrem Hals, der plötzlich da war, weg zu bekommen. Und brach schließlich ab und stellte eine andere Frage, weil sie nicht vorwärts kam. „Was hast du dir vorgestellt?“

  • Seneca bemerkte natürlich dass Seiana zusammenzuckte, und er schaute sie etwas mitleidig an, "Ich habe ihr einen Namen gegeben, habe sie jedoch nicht aufgehoben.", sagte Seneca und schaute etwas verdruckst auf den Boden, "Ich... Ich wollte warten, bis du frei bist, und wir besprechen was wir machen. Und jetzt sind wir hier.", fuhr er etwas unsicher fort, jetzt wo zwar alles so war wie er es geahnt, aber nicht wie er es erhofft hatte. Das würde wohl ein längerer Abend werden.
    Nachdem Seiana ihre Hand gedreht hatte verhakte Seneca seine Finger zwischen ihren und Strich mit dem Daumen über ihre Hand, "Ich will doch auch nur dass sie ein gutes Leben führt..", 'ich will dass wir ein gutes Leben führen' schwirrte es kurz durch Seneca's Kopf, "... und eigentlich hast du recht Seiana und dennoch, schau sie dir an, ich kann sie nicht weggeben, sie ist meine Tochter.", erklärte er, und so langsam kam ein wenig Verzweiflung in seiner Stimme durch, welche nur noch dadurch verstärkt wurde dass er merkte dass auch Seiana mit sich rang, "Seiana ich... Ich weiß nicht wie ich mir das vorgestellt habe.", erklärte er resignierend, fuhr sich mit der freien Hand durch die Haare und seufzte, "Sie gehört hierher, nach Rom, zu mir, oder uns...", er versuchte seine Gedanken zu fassen, "Ich liebe dich, aber das mit uns, ich bin kein Teil deiner Welt, und wer weiß, was ist wenn deine Familie darauf besteht dass du wieder heiratest?", Seneca bemerkte gar nicht dass er gerade alles nicht unbedingt besser machte, "Ich will dich nicht verlieren, und ich will Silana nicht verlieren, egal was wir machen, wir können nur die falsche Entscheidung treffen, entweder für für uns, oder Silana, oder für die Iunii oder die Decimii", Seneca schaute zu der Kleinen hinüber, einmal mehr hatte er sein Privatleben in eine Sackgasse gelenkt.

  • Einen Namen gegeben, aber nicht aufgehoben. Seiana zerbrach sich für einen Moment den Kopf darüber, was das nun wieder bedeuten sollte, aber sie gab es auf, konzentrierte sich lieber auf das, was Seneca sagte. Er hatte abwarten wollen... Sie rieb sich mit ihrer freien Hand erneut über die Stirn, verdeckte für Momente ihre Augen und versuchte zu überlegen, ohne dass sie das Gefühl hatte, auch nur einen klaren Gedanken fassen zu können. Die Quintessenz dessen, was er sagte, war simpel: er hatte sich nichts gedacht. Er wollte das Kind einfach nur gern behalten, bei sich haben, als seine Tochter großziehen. Er hatte nicht daran gedacht, was für sie beide am besten wäre – ihn selbst und für sie. Und er hatte auch nicht daran gedacht, was für das Kind womöglich am besten wäre. Wenn überhaupt hatte er nur daran gedacht, was er jetzt wollte. Seiana wünschte sich für einen Augenblick, sie könnte es sich so einfach machen. „Ja, aber... was hast du dir vorgestellt?“ wiederholte sie, hilflos, und einen etwas drängenden Unterton in der Stimme. „Willst du sie wirklich als uneheliches Kind aufwachsen lassen?“ Das wäre vielleicht noch eine Option. Für einen Soldaten war das nicht allzu ungewöhnlich, zumal wenn er eine Geschichte in die Welt setzte, dass die Mutter bei der Geburt gestorben war. Trotzdem wüsste dann jeder, dass Kind unehelich geboren war. Und Seiana wollte das nicht. So fremd sie sich dem Kind auch fühlen mochte, so wenig war ihr egal, was mit ihrer Tochter passierte – und dazu gehörte auch und vor allem, dass sie ihr den besten Start verschaffte, der möglich war. Zugleich tat es ihr weh Seneca so zu hören, die Verzweiflung und die Resignation in seiner Stimme, und als er dann zu dem Punkt kam, an dem er von Liebe sprach, von ihren Lebenswelten und dem Heiratszwang, spürte Seiana wie Tränen in ihr aufstiegen. Die Mauer, die in ihrem Inneren war und sie schützte, begann gefährlich zu bröckeln, sie konnte es spüren.


    Sie atmete ein paar Mal tief durch. Zu schnell, viel zu schnell anfangs, aber sie bekam es wieder in den Griff, versuchte sich zu konzentrieren. Eins nach dem anderen. „Ich weiß es nicht. Mein Bruder ist noch... noch...“ Ihre Stimme brach. So viel war passiert, und sie saß hier und... redete mit Seneca über Dinge, die sie eigentlich schon längst erledigt geglaubt hatte. Und es wühlte in ihr, wühlte etwas auf, von dem sie gehofft hatte nicht mehr daran rühren zu müssen. Wenn alles so gegangen wäre wie seit Monaten geplant, hätte sie einfach die letzten Details ihres Plans umsetzen müssen und es wäre erledigt gewesen. Sie hätte die Gedanken an das Kind nach und nach komplett verdrängen können, hätte sich nicht mehr damit beschäftigen müssen, nicht mit den Umständen der Geburt, nicht mit ihren Gefühlen, nicht mit dem Kind selbst. Seneca verhinderte all das, und das Resultat davon war, dass Seiana sich so unsicher fühlte wie selten. „Ich will nicht wieder heiraten. Aber ich weiß einfach nicht, was kommt. Ich will sie versorgt wissen, und... ich weiß keinen anderen Weg, der ihr alles bietet. Was sollen wir denn sonst tun, welche Alternativen gibt es dazu denn?“

  • Ihre Worte bohrten sich wie die Klinge eines Messers in Senecas Magengegend, er hatte ja keine Ahnung was er machen sollte, und Seiana schien das auch zu merken. Er löste sich aus ihrer Hand und hielt sich beide Hände vor sein Gesicht, ein tiefes aber kurzes seufzen war zu hören, und danach folgte erst einmal Stille, bis er seine Arme wieder vor sich auf den Tisch fallen ließ..
    "Ich will dass sie gut aufwächst. Ob ehelich oder unehelich, als Tochter einer guten Familie wird sie ein gutes Leben haben.", versuchte Seneca sich vor sich selbst und ihr zu rechtfertigen, auch wenn es ihm nicht so recht gelingen wollte, "Ich hab keine Ahnung Seiana, ich weiß es nicht, aber ich könnte nur sehr schwer mit dem Wissen leben irgendwo in der Provinz eine Tochter zu haben welche ich nie sehen werde.", erklärte er und schüttelte leicht mit dem Kopf während er auf den Boden blickte.
    Als er dann merkte wie Seiana langsam die Tränen kamen, schmolz er ein Stückchen mehr, es war nur schwerlich zu ertragen, und so legte er seine Hand auf ihre Wange während sein Gesicht mittlerweile auch deutliche Zeichen der Resignation aufwies..
    Ihr Bruder, Seneca wusste nicht was er sagen sollte, in seinen Augen war er wohl ein Verräter, und Seiana hatte noch nicht einmal nach dem Feldzug gefragt, oder nach dem Seitenwechsel, vielleicht wusste sie es schon und hatte ihm vergeben, oder ihr war es egal, oder sie wollte die Umstände gar nicht erfahren, immerhin lief Seneca frei herum und ihr Bruder fristete sein dasein im Carcer mit wenig positiven Aussichten..
    "Seiana, wenn es irgendwie ginge, wenn ich von besserem Stand wäre, ich würde dich auf der Stelle heiraten.", sagte er leise, und brachte es nicht über sich ihr in die Augen zu sehen, nicht weil er Furcht vor ihrer Reaktion hatte, sondern weil er Angst hatte dass er seine Emotionen nicht mehr kontrollieren könnte, "Aber im Moment, naja, ich kann sie erstmal in die Casa Iunia bringen, eventuell als Waise eines gefallenen Kameraden, und irgendwann lüfte ich das Geheimnis, zumindest das meiner Vaterschaft."

  • Ob ehelich oder unehelich. Seiana glaubte ihren Ohren nicht so zu trauen. Natürlich war es etwas anderes, ob ein Kind ehelich oder unehelich geboren war. In der Welt eines Soldaten mochte es kaum einen Unterschied machen, aber in der gesellschaftlichen Schicht, in der sie sich bewegte... Aber darum ging es ihm nicht. Es ging ihm darum, sein Kind bei sich zu haben. Seiana schloss die Augen, als sie Senecas Hand auf ihrer Wange spürte, lehnte sich sacht dagegen und genoss die Berührung... und kämpfte zugleich gegen den Gedanken an, der in ihr empor stieg: dass Seneca egoistisch war. Dass er nicht daran dachte oder denken wollte, was das beste für das Kind war, sondern dass ihm seine Wünsche wichtiger waren. Das Problem war nur: sie wusste ja selbst nicht so recht, was das beste war. Sie wusste nicht einmal, was sie wollte... und so blieb doch nur das, was aus gesellschaftlicher Sicht zu erreichen war für das Kind.
    Und er machte es nicht besser. Jetzt sprach er auch noch davon, dass er sie heiraten würde, wenn es nur ginge, und das obwohl sie beide wussten, dass das kaum möglich war. Seiana konnte sich nicht so recht vorstellen, dass ihre Familie einwilligen würde – und sie konnte sich im Grunde auch nicht vorstellen, dass Seneca seine Worte wirklich ernst meinte. Immerhin hatte auch er eine Familie, und obwohl einer seiner Verwandten ein Klient ihres Onkels war, gab es da doch auch noch eine andere, die bisher alles daran gesetzt hatte, um ihr Leben zu zerstören, und die auch in Zukunft davon kaum abweichen würde. Auch wenn Seneca das wohl nicht zugeben würde, auch wenn er in vergangenen Gesprächen immer gemeint hatte, dass es so schlimm nicht wäre, dass er das im Griff hätte... ihm musste bewusst sein, dass das nicht stimmte. Er sah sie ja noch nicht einmal an in diesem Augenblick, als er von heiraten sprach. „Wir... müssen realistisch sein, Seneca“, murmelte sie. Und die Vorstellung sie beide könnten heiraten gehörte nicht wirklich dazu.
    „Wir müssen für das Kind eine Lösung finden.“ Seiana wollte das Kind nicht in der Casa Iunia wissen. Es war auch ihr Kind... und in der Casa Iunia konnte Axilla ein und aus gehen. Sollte diese Frau je erfahren, wer die Mutter des Mädchens war... „Als Waise eines gefallenen Kameraden wird sie dennoch unehelich sein. Und sie wird Nachteile deswegen haben.“ Sie wollte nicht von Senecas Verwandter anfangen und den Vorbehalten, nicht schon wieder, nicht wo es noch nie gut gegangen war mit ihm darüber zu reden, aber das war ja nicht der einzige Grund den sie hatte. Nicht einmal der Hauptgrund... nur ein weiterer, der in ihren Augen ganz konkret gegen die Casa Iunia sprach. „Was für eine Geschichte willst du denn erzählen? Wenn du sie zu dir nimmst, brauchst du bald eine, bei der du bleiben kannst. Am besten von Anfang an, weil dann niemand in deinem Umfeld weiß, dass es anders ist. Irgendwann wird nicht funktionieren, nicht wenn du nicht willst dass sie darunter zu leiden hat.“

  • Sie drehten sich im Kreis, es schien weder vor noch zurück zu gehen, und Seneca fragte sich ernsthaft ob er weiterhin auf seiner Position beharren könnte. Er liebte es wenn Seiana sich ihm annäherte, liebte ihre Nähe, liebte sie, aber so ernst wie das Thema jetzt war fiel es ihm schwer sich richtig zu fassen..
    Sie müssten realistisch sein sagte sie, einmal mehr wurde ihm unverständlich klar gemacht dass er nie mehr sein würde als ihre heimliche Liebe, verdammt dazu sie im geheimen zu treffen, und mit Silana war dieses Geheimnis nur noch viel prekärer geworden. Seneca fiel es schwer seine unendliche Enttäuschung zu verbergen, auch wenn er natürlich kein Idiot war, und wusste dass die beiden kaum eine Chance hatten, so hatte er doch noch gehofft dass auch sie gelegentlich träumen würde...
    "Was schlägst du denn vor? Siehst du irgendeine Möglichkeit für sie in Rom? Sodass ich sie sehen kann? Wir sie sehen können?", er dachte sich erst einmal keine neue Geschichte aus, es wäre aus müßig gewesen seinen Willen auf biegen und brechen durchzupressen, zumindest vorerst..

  • Seiana starrte auf die Tischplatte vor sich. Das hier lief nicht gut... nicht so wie bisher, wo alles immer so einfach geschienen hatte, wenn sie mit Seneca Zeit verbracht hatte. So leicht, so selbstverständlich. Nichts schien einfach zu sein in diesem Moment. Und sie fühlte sich allein... etwas, was ihr in seiner Gegenwart noch nie passiert war. Das war eines der Dinge, die sie an ihm liebte, eines der Dinge, die überhaupt dafür gesorgt hatten dass sie sich ihm zugewandt hatte: dass er ihr das Gefühl gab, nicht allein zu sein. Jetzt war auch das anders.
    Erst als Seneca wieder sprach, sah sie auf, und diesmal hatte sie Mühe still zu bleiben. Was sollte das jetzt? Diese Frage? Sie hatte einen Plan für das Kind, sie hatte sich etwas überlegt, und das nicht erst seit heute oder ein paar Wochen, sondern seit Monaten schon. In den letzten Wochen der Schwangerschaft, die sie in dieser Insula verbracht hatte, hatte es Phasen gegeben, da hatte sie nichts anderes getan als darüber zu grübeln, was sie mit dem Kind machen sollte, damit es ein gutes Leben hatte, und ihm Chancen offen standen. Hatte ihren Plan immer und immer wieder im Kopf umgedreht. Und jetzt kam er an, warf alles über den Haufen, lehnte ab was sie vorhatte – nur um dann sie zu fragen, was sie vorschlug? Nein, hätte sie ihm liebsten gesagt, gefaucht, nein, sie sah keine Möglichkeit für das Kind in Rom, vielleicht in ein paar Jahren, aber nicht jetzt. Sie presste ihre Lippen aufeinander und zählte in Gedanken bis zehn. So viel war passiert in letzter Zeit, so viel was immer mehr Druck auf sie geladen hatte, und nur ein Teil dieses Drucks hatte sich gehoben bisher, während anderer hinzu gekommen war. Ihre Nerven lagen blank. Sie wusste das... und sie wusste auch, dass es nichts brachte sich jetzt mit Seneca zu streiten. So nah sie an den Punkt auch kam, an dem ihre Selbstbeherrschung sich in nichts auflösen würde, sie musste irgendwie versuchen ihn nicht endgültig zu erreichen. Sie musste sich zusammenzureißen. „Ich sehe Möglichkeiten für sie außerhalb Roms“, entgegnete sie schließlich, mühsam kontrolliert und so kühl, wie sie es häufig gerade in solchen Momenten war – aber schon in dem Augenblick, in dem sie zu sprechen anfing, spürte sie wie ihre Kontrolle nachließ. Und mit den nächsten Worten nahm das noch zu, wurde ihre Stimme etwas heftiger. „Es ist nicht so, als hätte ich mir keine Gedanken gemacht. Ich hatte Monate, mir Gedanken zu machen, und ich habe versucht, die bestmögliche Lösung zu finden.“ Sie war allein gewesen... und sie hatte geglaubt, dass sie mit diesem Problem auch allein bleiben würde, selbst wenn Seneca zurückkam. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er helfen würde. Und erst recht nicht damit, dass er mitreden wollen oder sogar Ansprüche stellen würde. „Ich weiß nicht, welche Möglichkeiten es in Rom gibt, weil ich diese Variante von vornherein ausgeschlossen habe! Ich dachte nicht, dass du...“ Sie brach ab, als ihr bewusst wurde, dass sie ihn mittlerweile anfuhr – was sich auch dadurch bemerkte, dass das Kind nun wach wurde und zu quengeln begann. Seiana fuhr sich über die Augen und versuchte es zu ignorieren. „Du willst sie unbedingt hier haben?“

  • Seneca bemerkte natürlich nicht was genau seine Frage in Seiana auslöste, sicher, er bemerkte dass Seiana sich seltsam verhielt, aber dieses Gespräch war ja auch in sich selbst recht seltsam, sodass es ihm vielleicht gar nicht so wirklich auffiel dass seine Geliebte so mit sich ringen musste um ihre Fassung zu waren..
    Als sie ihm schließlich antwortete hörte Seneca sich ihre Antwort an ohne sie anzusehen, ohne eine erkennbare Reaktion zu zeigen, er schaute einfach nur auf den Tisch vor ihm und hielt sich die Hand stützend auf die Stirn, er atmete nicht einmal so sehr raste es in seinem Kopf, und dass Seiana in ihrer Antwort deutlich emotionaler wurde bemerkte er zwar, doch auch das war nur eine weitere Zutat zu seiner ohnehin schon recht pikanten Mischung welche sich in seinen Gedanken zusammenbraute.
    Als sie ihn dann fragte ob er Silana unbedingt in Rom haben wolle, brach sein von ihm unter einer Art Selbsthypnose gestricktes Konstrukt zusammen. Er könnte sie nicht in die Casa Iunia bringen, nicht in die Castra, nicht ohne bohrende Fragen, ohne dass Axilla sofort wissen würde was Sache war, und nicht gegen den Willen Seiana's, auch wenn es so oder so nie wieder so einfach und so leicht werden würde wie vorher..
    Er erhob sich und lief schwer atmend durch den Raum, die Hände hinter dem Kopf gelegt, den Blick nach oben, kaum auf das Kind achtend..
    "Ich weiß nicht..", sagte Seneca kopschüttelnd und senkte seinen Blick, "Ich will ihr ihre Chance nicht stehlen.", fuhr er fort und verzog sein Gesicht in purer Verzweiflung, "Ich bin nicht mehr derselbe wie vor dem Krieg, vor ihr. Und zwischen uns beiden Seiana wird es auch nie wieder wie vorher.", erklärte er, der letzte Teil des Satzes fiel eher durch Zufall, weil zu viele Gedanken in seinem Kopf war um sie wirklich zu filtern..
    Er schaute Silana an und lächelte, "Als ich noch klein war und mein Vater in den Krieg zog habe ich immer furchtbare Träume gehabt, ich hatte Angst dass er nicht zurückkehren würde, und meine Mutter hat immer für mich und meine Schwester gesungen, uns Geschichten erzählt, und an unseren Betten gesessen bis wir ruhig schliefen.", er strich Silana über den Kopf, "Wird sie es gut haben bei wem auch immer sie sein wird?", fragte der Iunier seine Geliebte und blickte sie nun mit glasigen Augen an..

  • So fern. Sie fühlte sich so fern von ihm. Sie hätte nie gedacht, dass das möglich war, und doch war es jetzt so: sie fühlte sich unendlich fern von Seneca, und sie hatte das Gefühl dass sie sich immer mehr voneinander entfernten. Und ein Teil von ihr kam nicht umhin, dem Kind die Schuld dafür zu geben. Es hatte alles nur noch komplizierter gemacht, als es ohnehin schon war, beharrte dieser Teil, und auch wenn der Rest von ihr dagegen hielt und diese Gedanken nicht wirklich zulassen wollte, auch wenn ein anderer Teil von ihr wusste, dass es so oder so kompliziert war, immer schon gewesen war, waren doch auch diese Gedanken da in ihr – und machten ihre Gefühle in Bezug auf ihre Tochter bei weitem nicht einfacher.
    Und ihm schien es genauso zu gehen. Zwischen uns wird es nie wieder wie vorher. Seiana begriff zuerst gar nicht, dass er das laut gesagt hatte... und als sie es tat, hob sie endlich den Kopf starrte ihn an. Nie wieder wie vorher. Was um alles in der Welt meinte er damit? Was... Wollte er... Ihre Gedanken rasten, zu schnell, zu ungeordnet, als dass sie hätte fassen können, und so starrte sie ihn nur sprachlos an und versuchte, Ordnung in das Chaos in ihrem Kopf zu bringen. Sie konnte sich jetzt nicht damit beschäftigen, was auch immer er gemeint hatte. Eins nach dem anderen, erinnerte sie sich. Sie hatten erst mal ein anderes Problem zu lösen. Das Kind, das im Hintergrund immer noch quengelte und ihr damit auch noch den letzten Nerv zu rauben drohte.


    Sie atmete tief durch und versuchte sich auf das zu konzentrieren, was er sagte. Geschichten von früher. Von einer liebevollen Mutter. Während er gleichzeitig dem Kind über den Kopf strich... etwas, was Seiana noch nie getan hatte. Hatte sie das Mädchen überhaupt je berührt gehabt, seit der Geburt? Nein, hatte sie nicht. Sie schluckte mühsam, als das schlechte Gewissen über ihr hereinzubrechen begann, das sie bisher so gut es ging verdrängt hatte. Würde das Kind es gut haben? Sicher, lag ihr auf der Zunge. Aber die Wahrheit war, dass sie es nicht wusste, nicht wissen konnte. Sie vertraute der Amme, und sie konnte mit Geld dafür sorgen, dass es dem Mädchen an nichts mangeln würde. Aber das war noch keine Garantie dafür, dass sie es gut haben würde, gut in dem Sinn, den Seneca nun offenbar ansprach. Nicht materiell... sondern ob sie geliebt werden würde. Und das konnte Seiana nicht sagen.
    „Ich...“ Sie hätte so gerne ja gesagt, einfach ja, um das Thema ein für alle Mal erledigt zu haben. Und vielleicht... vielleicht wurde zwischen ihnen dann ja doch wieder alles, wie es war. Aber sie brachte es nicht über sich. Sie brachte es nicht fertig so zu tun als ob sie genau wüsste, dass es dem Kind gut gehen würde, wenn sie nicht dabei sein konnte um es zu kontrollieren. Und ein Teil von ihr bezweifelte stark, dass zwischen ihr und ihm alles wieder wie vorher werden würde, wenn das Kind weg war... weil sie beide trotzdem noch wissen würden, dass es es gab. Und Seneca wollte seine Tochter bei sich haben. Er sagte es nicht laut, nicht noch einmal, hieß das, aber so viel war klar geworden. So wie er sie gerade ansah, war Seiana sich nicht mal sicher ob er ihr das verzeihen würde, wenn sie darauf bestand das Mädchen wegzuschicken. „Ich kann das nicht sagen. Ich weiß nicht, was wird.“ Sie legte ihren Kopf in die Hände und atmete tief durch. „Wenn sie... nicht in Rom, aber in Italia bleibt, vorerst...“ begann sie zögernd. „Irgendwo auf einem Landgut. Wo wir bestimmen, wer sie sieht. Sie ist noch jung, wir... haben noch Zeit, bevor sie sich an etwas erinnert.“

  • Seneca blickte Seiana nun an und hatte sich auch wieder von seiner Tochter gelöst. Die Idee klang ja erst einmal nicht so schlecht, ein Landgut, in der nähe Roms, er könnte Silana besuchen, könnte sie aufwachsen sehen, zumindest teilweise, und wenn die Zeit gekommen war so würde er sie zurück in den Schoß der Familie holen..
    Und dennoch, Seneca kam nicht um den Gedanken herum seine Tochter in die Verbannung zu schicken, eine Iunia in die Verbannung zu schicken, und er wusste dass der damit noch zu kämpfen haben würde, Tag für Tag, bis zu dem Tag, der Stunde, in der Silana in der Casa Iunia einkehren würde...
    Doch er konnte keine richtige Entscheidung treffen, sie konnten keine richtige Entscheidung treffen, weder für Silana, noch für ihren Ruf, noch für ihre Liebe, sie hatten die Wahl zwischen Senecas Leben und dem Leben Silanas, und Seneca hoffte dass, sollte Silana je erfahren was geschehen war, sie wissen würde dass es nur zu ihrem besten war...
    Er setzte sich wieder zu Seiana, legte seinen Kopf an den ihren, atmete tief ein und aus bevor er ihr einen Kuss auf die Stirn gab und einen Moment so verweilte, "Ich hoffe sie wird uns verzeihen.", flüsterte er mehr als er es wirklich aussprach und blickte über Seiana hinweg an die Wand, "Ein Landgut sagst du? Es klingt vernünftig.", Seneca benutzte bewusst das Wort 'richtig' nicht, denn nichts hätte je falscher sein können, doch waren die Alternativen keinen Deut besser, "Ich liebe dich Seiana.", hauchte er anschließend noch, sie waren so etwas wie eine Familie, Mutter, Vater, Kind, und dennoch würden sie augenscheinlich nie mehr sein als eine bekannte, wohlhabende und missverstandene Frau, ein im inneren tief gespaltener Offizier, und ein Kind, welches wohl einfach die falschen Eltern hatte..

  • Immer noch waren Laute von dem Kind zu hören, aber es war leiser geworden, und es jammerte nicht mehr durch, sondern machte Pausen... wofür Seiana dankbar war. Ihre Nerven waren auch so schon angespannt genug. Immerhin Seneca schien sich wieder gefangen zu haben, er kam zurück zu ihr, berührte sie, küsste sie. Seiana schloss die Augen und genoss diesen Moment, lehnte ihre Stirn an seine Wange, und obwohl sie sich fragte, was um alles in der Welt das Mädchen ihnen denn verzeihen sollte, wenn sie alles taten, damit sie ein gutes Leben hatte, sagte sie das nicht laut. Seit der Begrüßung war das hier der erste Moment, in dem es halbwegs richtig schien, in dem sie sich halbwegs gut fühlte, und sie wollte ihn nicht kaputt machen. Seneca dachte anders als sie, das hatte ihr das Gespräch gezeigt, er legte auf andere Dinge Wert als sie, deutlich mehr Wert... Er wollte, dass sie eine Familie waren. Aber das konnten sie dem Kind... Silana, zwang sie sich zum ersten Mal den Namen wenigstens gedanklich zu formulieren, nicht bieten. Sie konnten nicht gemeinsam als Mutter und Vater in Erscheinung treten, das hieß – sie konnte überhaupt nicht als Mutter auftauchen, wollte sie nicht, dass ihr Ruf vollkommen ruiniert war. Dass Männer außereheliche Kinder zeugten, war keiner Diskussion Wert, erst recht wenn es Soldaten waren, aber bei Frauen war das anders. Sie konnte nicht zulassen, dass das bekannt wurde. Und nach wie vor hätte sie das Kind am liebsten deutlich weiter weg gewusst von Rom, von ihr, von jeder Gefahr entdeckt zu werden, dass da irgendwelche Verbindungen zu ihr bestanden. Aber Seneca hätte die Kleine wohl umgekehrt am liebsten ganz zu sich genommen... da war es wohl die beste Lösung, einen Aufenthaltsort in Italia zu suchen. Nah genug an Rom, dass er sie würde besuchen können, dass sie persönlich würden sicher stellen können, dass es ihr gut ging. Und was die Zugehörigkeit zur Familie anging... es wäre ihr lieber gewesen, auch das jetzt zu regeln, einfach damit es vom Tisch war, aber dafür hatten sie ja wirklich noch etwas Zeit. Sie wollte nicht mehr mit ihm streiten. „Ich liebe dich auch“, wisperte sie zurück, ihr Kopf mittlerweile an seiner Schulter. „Ich werde mich um alles kümmern, was nötig ist. Bis dahin kann sie hier bleiben.“

  • Sie liebte ihn auch, natürlich war ihm das mehr oder minder bewusst doch es tat gut es zu hören, selbst in diesen schweren Stunden wo sich der Iunier gar nicht mal so sicher war was er für wen empfinden sollte. Sollte er wütend auf Seiana sein, weil sie das Kind einfach so weggab? Sollte er um Silana trauern oder sich für sie freuen, weil sie nun in einem besseren Zuhause aufwachsen würde, fernab von all den Problemen und den bohrenden Fragen die ein uneheliches Kind ständig begleiten würden? Und war es gar nicht die Sorge um Silana sondern seine eigenen Wünsche welche ihn hatten darauf beharren lassen dass die Kleine in Roma verbleiben sollte? Seneca wusste es nicht, doch er wusste dass er in Zukunft viel Zeit damit verbringen würde dies zu ergründen, nur ein weiterer Zahn in diesem Gebilde welches so oder so an seinem Bewusstsein nagte...
    Mit Seianas Kopf an seiner Schulter war das alles ein wenig erträglicher, doch das Wimmern Silanas ließ ihn immer wieder ratlos zum Bett der kleinen schauen, "Wenn die Amme mit ihr gehen würde, dann wäre ich schon ein wenig beruhigter.", sagte Seneca leise, schließlich wusste er wie viel die Amme bereits für die Kleine getan hatte, und dass diese sie wirklich gut versorgte. Nachdem ein weiterer Moment der Stille vergangen war, warf Seneca eine weitere Frage ein welche ihm auf der Seele brannte, er atmete kurz ein und fragte dann gewohnt ruhig "Und wie geht es weiter?", und verbesserte seine Frage kurz darauf ein wenig, "Also mit uns?"

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