Besuch aus Ostia

  • "Ja richtig", bemerkte Lepidus auf seine Schwester, die den Stammbaum sehr gut im Kopf hatte. Er selbst musste immer wieder mal einen Blick darauf werfen, um diese oder jene Konstellation in Erfahrung zu bringen. Bei der Breite des Stammbaums verlor er leider oft den Überblick. "Wer hätte das gedacht? Da sind wir ja sogar irgendwie weit entfernt miteinander verwandt", sprach er zu Dives und lächelte verhalten. Wenn man lange genug suchte, war man wahrscheinlich mit jedem besseren Römer auf irgendeine Art und Weise verwandt. Davon war er fast überzeugt. Man musste nur lange genug suchen, aber wer hatte schon die Zeit dazu? "Leider geht es dem guten Dolabella nicht allzu gut. Er hatte vor einiger Zeit einen recht merkwürdigen Anfall. Seitdem befindet er sich in Süditalia und erholt sich."


    Fast hätte der Tiberier schon selbst nachfragen müssen, wer denn eigentlich noch so an bekannten Persönlichkeiten in der Veneta war, aber offensichtlich wusste der Iulier, wie er Lepidus begeistern konnte. Wenn er unter dem Dach einer Factio Kontakt zu dem ein oder anderen einflussreichen Senator kommen konnte, dann würde das seinem bisherigem kläglichen Patrizier-Dasein sicher noch den entsprechenden Schubs in die richtige Richtung geben. "Ah, Aelius Quaro ist also an der Spitze der Veneta. Ich hoffe für dich, dass du schon bald mit ihm in Kontakt treten kannst. Wollen wir hoffen, dass er den Krieg gut überstanden hat. Allerdings wundert es mich, dass der eigene Bruder offensichtlich für Valerianus nicht im Testament bedacht wurde. Was das wohl für Gründe hatte?" Das fragte sich wohl nicht nur der Tiberier allein Lepidus stellte diese Frage aber auch mehr nur so in den Raum, immerhin würden sie dann schon wieder zu sehr ins Politische abgleiten. "Aber du scheinst dich bei der Veneta in sehr guter Gesellschaft zu befinden, wahrlich verlockend." Damit hoffte der Tiberier ausreichend Interesse bekundet zu haben. In seinen Gedanken hatte er auch schon einen Plan gefasst, wie er das mit der Factio bald angehen würde. Er setzte diesen selbstzufriedenen Gesichtsausdruck auf, den Kopf leicht zur Seite geneigt und die Augen seitlich nach oben gewandt, so wie er es wohl stetig tat, wenn er eine gute Idee hatte, die er bald zur Ausführung bringen wollte. Derweil nippte er von seinem Becher.


    Derweil konnte er gleich das etwas schönere Thema aufnehmen: die große Frage, die man sich natürlich stellen musste: Wagenrennen oder Gladiatorenkämpfe? Erstaunlich aus Lucias Mund zu hören, dass sie die Wagenrennen interessanter als die Kämpfe fand. Hatten sie ihm als sie noch jünger waren nicht immer von den Gladiatoren vorgeschwärmt? Wie stark und kräftig sie doch waren und wie mutig und heldenhaft sie die Schlachten in der Arena schlugen? Oder verwechselte er das irgendwie? Auf heranwachsende Damen sollen die Gladiatoren ja ohnehin eine sehr anziehende Wirkung haben, auch wenn das Lucia als edle Dame aus gutem Hause vielleicht ungern zugeben würde. Lepidus lächelte sie jedenfalls einfach an, diesmal ohne eine Spitze. Das alberne Geschwister-Necken war ja auch irgendwann einmal genug, wie er sich selbst zügelnd, erkannte. "Ich für meinen Teil bin da sehr stimmungsabhängig. Es gibt Tage, da langweilen mich Wagenrennen einfach nur und ich würde dann lieber einen schönen Tod in der Arena begutachten. Aber ein bisschen Abwechslung schadet ja bekanntlich nie. Wie hältst du es denn mit den Gladiatoren, Dives?" Vielleicht war ja besonders Dives nicht nur ein Liebhaber des fließenden Blutes, sondern darüber hinaus ein großer Fan von großen muskelbepackten verschwitzten Männerkörpern. Wer wusste das schon so genau?

  • Ein Cousin?!? Dives schaute für eine kurzen Augenblick etwas überrascht, bevor er sich erinnerte, dass es ja mehrere, wennnicht gar unzählige Modelle der Titulierung von Verwandtschaften gab. Gerade bei so entfernten, bei denen dann hin und wieder auch der genaue Grad angegeben wurde, war das stets so eine Sache. In das vom Iulier benutzte System, in welchem alle Mitglieder einer Stammbaumebene untereinander entweder Geschwister oder Cousins oder Cousinen waren, passte die Antwort der Tiberia jedenfalls sicherlich nicht. Denn für den Iulier war dieser Tiberius Dolabella erwähnterweise ja der angeheiratete Großonkel und folglich gleich zwei Stammbaumebenen über ihm. Da war es wohl recht unwahrscheinlich, dass die Patrizierin ihrerseits mit ihm auf einer Ebene am tiberischen Stammbaum hing.
    Dass Lepidus im Anschluss gar noch soweit ging sie als miteinander verwandt zu bezeichnen, was zweifellos eine Ehre wäre, die davon aber nicht realer wurde, ließ den Duumvir anschließend abermals kurz stutzen. Verwandt war er mit den Nachkommen der Iulia, die der Tiberier einst geheiratet hatte, während er mit dem Patrizier selbst genaugenommen wohl nur in irgendeiner Weise verschwägert war. Andererseits aber bezeichnete er Pompeius Imperiosus in der Vergangenheit oftmals in seiner Sprache selbst als sogenannten 'An-Verwandten'... Folglich also zuckte er letztlich nur leicht mit den Schultern und nickte brav. Denn wie bereits festgestellt wären weder eine Verwandtschaft noch eine Verschwägerung oder Anverwandtschaft mit der tiberischen Gens an dieser Stelle negativ zu beurteilen. Hatte er außerdem bereits erwähnt, dass sein octavischer Großvater Anton mütterlicherseits der Halbbruder jenes Dolabellas war? Wahrscheinlich nicht...
    "Dann wünsche ich ihm natürlich eine schnelle Genesung und trinke auf sein Wohl!", erkärte er im direkten Anschluss an das aus seiner Sicht stets etwas unangenehme Thema irgendwelcher Krankheiten in der Verwandtschaft. Er hoffte, dass es hier im Interesse aller läge, wenn man dies nicht tiefer thematisierte - gerade wo es doch sicherlich bald ins Triclinium gehen würde. Da war dem Duumvir doch das blaue Rennstallthema ein wesentlich lieberes Gesprächsgebiet:


    "Da ich weder den Verfasser des Testaments persönlich kannte, noch bisher auch nur einen der beiden, Aelius und Cornelius, getroffen habe, kann ich dir zu den Gründen nicht viel mehr sagen, als dass es bestimmt nichts mit der Factio Veneta zu tun gehabt hat...", versuchte der Iulier mit einer der Frage leicht ausweichenden Bemerkung exakt beim Thema Veneta zu bleiben. Dann setzte er sogar noch nach.
    "Aber vielleicht wissen ja die beiden germanicischen Senatoren, die ebenfalls Mitglieder der Veneta sind, mehr. Oder wohlmöglich könnte man sich auch beim verbannten Consular Vinicius, einem abermals weiteren Veneta-Anhänger, nach seiner hoffentlich nun baldigen Rückkehr danach erkundigen. Ich weiß ja nicht. Was meinst du, Lepidus?", führte Dives alles andere als sparsam weitere teils äußerst bedeutende Namen ins Feld, bevor er nach seiner rhetorischen Frage konkret vorschlug...
    "Wenn du willst, dann könnte ich dich ja zur nächsten Vollversammlung der Factio einladen und mitbringen. Ohne dir zum jetzigen Zeitpunkt genau sagen zu können, wann mit einer derartigen Veranstaltung zu rechnen wäre, ließe sich auf diesem Wege jedoch mit Sicherheit der eine oder andere Senator auch hinsichtlich der überfälligen Korrektur deines Ordos sprechen, vermute ich stark.", erklärte der Iulier und sprach bewusst nicht von einer Erhebung, sondern einer schlichten Korrektur. Nachdem der elendige Bürgerkrieg mittlerweile ja nun mehr oder minder vorbei war und es an das große Aufräumen und die Beseitigung der angerichteten Schäden ging, wollte der Duumvir schließlich zeigen, dass er sehr wohl nicht vergessen hatte, worüber sie bereits miteinander gesprochen hatten, sondern dass er sich hierzu sogar bereits einige Gedanken gemacht hatte.
    "Im Gegenzug hätte ich für meinen eigenen, weiteren Weg ebenfalls eine kleine Bitte an dich, über die wir aber vielleicht nachher beim Essen sprechen können.", vertröstete er sich in gewisser Weise selbst auf später und winkte mit einer kleinen Geste erst einmal ab.


    Dass die Tiberia ihrerseits auch eher an Wagenrennen interessiert zu sein schien, registrierte Dives mit einem diese Aussage begrüßenden Lächeln. Denn zwar war der Iulier durchaus ein Fan gestählter (nicht unbedingt übermäßig muskelbepackter) männlicher Körper, die natürlich auch dann und wann bei dieser oder jener Tätigkeit ins Schwitzen gerieten, doch konnte er dem Kampfe selbst in aller Regel nicht sonderlich viel abgewinnen. Von klein auf hatte er es bevorzugt seine Gefechte mit Worten auszutragen. Manche Schlachten gingen seither verloren, andere hatte er gewonnen und so einige hatten ihn im Laufe der Zeit auch verwundet oder anders ihre Spuren beim Duumvir hinterlassen. An der Einstellung zum physischen Kampf - insbesondere jenem zum puren Unterhaltungsvergnügen - hatte sich seither nicht viel bei ihm geändert.
    "Deine Eindrücke, Tiberia, kann ich zumindest partiell durchaus teilen, sodass ich mtnichten denke, dass du dummes Zeug redest. In erster Linie jedoch stört mich beim Kampf der Gladiatoren die oftmals hemmungslose Blutgier des Publikums, während beim Wagenrennsport - trotz diverser Unfälle auf den Rennbahnen, die nicht selten auch mal einen Auriga das Leben kosten können - dennoch eben der SPORT irgendwo im Mittelpunkt steht. Und darüber hinaus bin ich als Mitglied der Veneta auch irgendwo in einer Fangemeinschaft integriert, wohingegen meine Gunst in einem Gladiatorenduell selbst mitten in einem Kampf noch das eine oder andere Mal die Seiten wechseln kann.", umriss der Duumvir in seine Sicht der Dinge ganz grob.
    "Wie du schon für dich sagtest, Lepidus, finde aber auch ich hin und wieder etwas Abwechslung nicht verkehrt, wenngleich meine Priorität ganz klar die Wagenrennen sind, während ich den einen oder anderen Besuch eines Amphittheaters auch ganz gerne mal durch einen netten Theaterbesuch oder ähnliches ersetze.", brachte er noch eine dritte Säule der Unterhaltung ihrer Zeit (wieder) ins Spiel und lächelte.
    "Und ebenfalls nur zustimmen kann ich der Aussage, dass es nach Vescularius Usurpator, der darauf scheinbar nie wirklich viel gegeben hat, jetzt wirklich wieder höchste Zeit wird, dass es hier ein paar große Spiele mit Wagenrennen und allem, was dazu gehört, gibt!" Darauf erhob Dives sodann erneut seinen Becher und nippte anschließend kurz an dem vorzüglichen Wein.

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  • Auch Lepidus erhob seinen Becher und stellte fest, wie schön es doch war gesund zu sein. Ganz im Gegensatz zum vegetierenden Dolabella, der es nun doch recht schwer hatte, noch unbeschwerte Tätigkeiten auf sich zu nehmen. Ob er wohl jemals wieder gesund zurückkehren würde? Vielleicht sollte Lepidus für ihn demnächst noch ein Opfer vollbringen. Wenn es jemand richten konnte, dann wohl nur die Götter und gerade in Anbetracht der Spiele wäre ein Dolabella mit seiner ganzen Rennstall-Erfahrung sicher ein Gewinn gewesen.


    Während er sich seiner eigenen Gesundheit noch erfreute, stutzte der Tiberier dann doch etwas. Da warf der Iulier gleich noch mit ein paar weiteren Namen um sich und machte auch noch eine Einladung geltend. Festgenagelt! Ganz klar! Lepidus fühlte sich gleich zunehmend unbehaglich. Er wusste gar nicht, dass der Iulier so hartnäckig (oder sollte man besser sagen aufdringlich?) bei einem Thema sein konnte. Dabei hatte er sich sein weites Vorgehen in dieser Angelegenheit doch gedanklich schon so gut zurechtgelegt und stattdessen musste er sich so bedrängen lassen. Seine Unbehaglichkeit zu verbergen trachtend, sprach er immerhin noch ein paar wohlwollende Worte: "Vollversammlung... ja, das klingt doch großartig. Eine solche Einladung könnte ich wohl kaum ausschlagen." Dass der Tiberier dabei etwas unruhig auf seinem Stuhl saß und sich mehrmals verrückte, war hoffentlich nicht allzu offensichtlich. Immerhin erwähnte der Iulier ja auch den Ordo, nach dem der Tiberier so sehr gierte und in der Tat wäre eine baldige Entscheidung in dieser Hinsicht sicherlich angebracht. "In jedem fall ist deine Rücksicht auf meine Ordo-Angelegenheiten sehr zuvorkommend. Wie ich merke, hast du nicht vergessen, worüber wir einst sprachen. Umso neugieriger bin ich natürlich schon, mit welcher Bitte du an mich herantreten willst. Aber sei dir schon jetzt gewiss, dass es sich sicher regeln lassen wird, ws auch immer es ist."


    Die Ausführungen zum Wagenrennen und den Spielen benickte er nur noch, während er schon einen ungeduldigen Blick auf Lucia warf und schließlich sprach: "Nun, ich glaube wir haben schon viel zu viel Zeit hier verbracht. Wir sollten nun langsam ins Triclinium gehen." Er gab den Sklaven das passende Zeichen, dass sie sich nun auf die weitere Bewirtung nebenan einstellen sollen. Lepidus unterdessen erhob sich bereits von seinem Platz. Zweifellos in heller Erwartung, was Dives wohl auf dem Herzen lag und auch natürlich, was sich Lucia für den weiteren Verlauf ausgedacht hatte, denn auch wenn der Iulier recht entspannt wirkte, hellauf beeindruckt von der tiberischen Gastfreundschaft war er sicherlich noch nicht.

  • Der iulische Gast, der seinen Freund Lepidus noch nicht gut genug kannte, um exakt zu wissen, welche Mimik was genau bedeutete, hatte folglich von etwaigen gedanklichen Plänen des Tiberiers bezüglich der Factio Veneta keinen Schimmer. Trotzdem fühlte er sich - da er ja nicht ahnte, dass er hier etwas nicht ganz wusste - weiterhin völlig selbstverständlich als jemand, der ein überdurchschnittliches Maß an Empathie besaß. Dem tat nicht einmal das mehrmalige Zurechtrutschen des Patriziers, was dem Duumvir als einzige Besonderheit in diesem Moment auffiel, einen Abbruch. Bei den Göttern, manchmal verrutschte einem eben mal die Toga (oder schlimmer noch: man merkte, dass sie kurz davor war zu verruschten). Und wenn der eitle Adlige nun meinte, dass er derlei am besten mit mehrfacher Positionsveränderung kaschieren könnte, dann 'übersah' der Iulier dieses Herumgerutsche natürlich auch ganz großzügig.
    "Das freut mich. Dann werde ich von mir hören lassen.", meinte der Duumvir letztlich zur nächsten Vollversammlung der Veneta und dem Mitbringen des Lepidus zu dieser. Über den Punkt des Ordo Senatorius wie auch sein eigenes, kleines Anliegen verlor Dives ebenfalls vorerst kein weiteres Wort, sondern nickte und lächelte nur und trank noch einen kleinen Schluck Wein. Dabei ermahnte er sich gedanklich dazu, aufzupassen, dass er hier und jetzt nicht schon zu viel trank. Ihm war schließlich bekannt, dass gerade auf leeren Magen der Trunk des Bacchus eine besonders starke Wirkung haben konnte. Insofern war er auch bei dem folgenden Vorschlag des Tiberiers gleich dabei:


    "Eine ausgezeichnete Idee, Lepidus. Ich bin auch wahrlich schon gespannt darauf einen weiteren Raum eurer wundervollen Villa kennenzulernen.", erklärte er, während auch er sich langsam und würdevoll von seinem Platz erhob. Denn er wollte ja nicht den Eindruck erwecken, dass er übermäßig hungrig oder gar nur der Nahrungsaufnahme wegen hier wäre.
    "Wie gut sind eigentlich deine Kontakte in die stadtrömischen Priesterkollegien derzeit, Lepidus?", erkundigte sich Dives möglichst beiläufig - und gab damit unter Umständen ja vielleicht schon ein paar Spekulationsoptionen für seine Bitte. Wie dem auch war, würde der Duumvir allerdings wirklich erst im Triclinium genauer werden. In guter Gesellschaft bei einem netten Essen sprach es sich doch schließlich noch immer am angenehmsten, oder?

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    Einmal editiert, zuletzt von Marcus Iulius Dives ()

  • Gemeinsam beschritten sie ihren kurzen Weg ins Triclinium. Dem Iulier wurde selbstverständlich der Ehrenplatz zuteil, dem mit der größtmöglichen Freiheit, auch wenn es nicht viel zu beobachten gab, bei der bescheidenen Anzahl, die sie heute darstellten. So konnte sich Dives als einziger auf der lectus medius gemütlich machen.


    Lepidus nahm selbstverständlich seinen angestammten Platz auf der Gastgeber-Liege ein. Lucia würde sich neben ihm wiederfinden. Die kleinen Häppchen, die sie im Atrium genossen hatten, waren natürlich noch nicht die eigentlich Vorspeise, überhaupt gab es natürlich auch heute mehrere Gänge, durch die sie sich essen würden. So manches römische Essen dauerte dann ja auch gut und gerne bis in die früheren Morgenstunden. In jedem Fall sollte der Iulier heute gut gemästet und unterhalten werden. "Möchtest du etwas mulsum, um deinen Appetit noch etwas anzuregen?" Lepidus selbst ließ selbigen schon einmal für sich einschenken. Währenddessen breiteten die Sklaven bereits einige Salate und Früchte vor ihnen aus. Da waren beispielsweise Grünkohl, der in Salpeter gekocht wurde, Gurken und Melonen sowie ein aus einer interessanten Kräutermischung gemachter Mus.


    Aber Lepidus klang natürlich immer noch die Frage seines Freundes im Ohr. "Zu den Priesterkollegien habe ich leider kaum Kontakt. Aber mit Stolz kann ich behaupten fast jeden Aedituus der Stadt zu kennen!" Letzteres sprach er mit nicht zu überhörender Ironie. "Um die Wahrheit zu sagen: Die Collegien interessieren sich kaum für einen einfachen Tempelwächter, und sei er auch ein Patrizier. Nicht, dass ich es nicht versucht hätte dort vielleicht etwas Anklang zu finden. Ich bewarb mich einst beim Collegium Pontificum als Pontifex Minor, ein Posten, für den ich - meiner bescheidenen Meinung nach - sämtliche Voraussetzungen mitbrachte, doch wie jegliche Anstrengung, die in die Zeit des Vesculariers fiel, so war auch diese vergebens. Ich warte im Grunde noch bis heute auf eine Antwort, aber wahrscheinlich hat man meinen Brief gleich beiseitegelegt, als man meinen Namen auf dem Absender las." Wahrscheinlich hatte Dives gar nicht damit gerechnet so eine umfangreiche Erzählung auf seine Frage zu erhalten, aber der Tiberier war natürlich immer schnell dabei, wenn es darum ging sein eigenes Leid zu beklagen. Das konnte "Nun, jetzt ist der Vescularier weg und vielleicht gibt es jetzt mehr Möglichkeiten für mich, aber um es dir ehrlich zu sagen: Ich bin sehr müde geworden. Die Arbeit kostet mich sehr viel Kraft. Das Organisieren der Opferungen, Tag ein, Tag aus. Jegliches Detail muss stimmen, besonders wenn ein Senator auftaucht. Aber auch diese nehmen dann natürlich nicht unbedingt Notiz von einem einfachen Aedituus, der ihnen nur als Mittel zum Zweck dient." Es war vor allem auch mehr Knochenarbeit, als sich der Patrizier das wohl je vorgestellt hätte; dann auch noch die Arbeit, die er sich freiwillig aufgehalst hatte, wenn er nur an die Ausbesserung der einzelnen Cella im Iuppiter-Tempel dachte. "Nein, ich habe keine großen Kontakte zu den Collegien und ich beginne mich derzeit auch ein wenig zu hinterfragen, ob ich für den Dienst an den Göttern tatsächlich geeignet bin. Mir scheint, andere sind dazu eher berufen, während ich meinen Zweck womöglich noch einmal neu ergründen muss." Ja, soviel zu einem weiteren Teil der Lebensgeschichte des Tiberius. Als damit geendet hatte, setzte er wie verwandelt gleich wieder ein nettes frohes Gesicht auf und nahm einen Schluck von der Wein-Honig-Mischung. "Aber weshalb wolltest du das denn eigentlich wissen?" So ein bisschen vermutete der Tiberier ja durchaus einen Zusammenhang mit der Angelegenheit, die Dives ihm bisher noch vorenthielt. Doch was konnte das nur sein?


    Sim-Off:

    Wir gehen mal in langsamen Schritten weiter, auf das Lucia dann vielleicht noch wieder aufspringen kann. :)

  • Sim-Off:

    Solange sie das mit dem Aufspringen nicht zu wörtlich nimmt, bin ich dabei... :D


    Das erlebte man auch nicht alle Tage, dass man in einer patrizischen Villa zu einer Cena nicht nur den Ehrenplatz erhielt, sondern sich sogar auf der gesamten Lectus medius breit machen konnte! Das hieß natürlich: Für Dives war dies hier sogar die erste Cena überhaupt in einem patrizischen Anwesen, was vermutlich nicht wenig darüber verriet, wie 'alltäglich' diese Situation insgesamt für ihn war. Dennoch hatte er mittlerweile doch genügend Erfahrung, um sich vom etwaigen Druck sich möglichst richtig zu verhalten wenig bis gar nichts anmerken zu lassen. Stattdessen versuchte der Gast die Situation, die er so schnell vermutlich nicht wieder erleben würde, so gut es eben ging zu genießen.
    "Sehr gerne, ja.", nahm er so beispielsweise nach dem verdünnten Wein zur Begrüßung nun auch noch einen Becher Mulsum. Dabei blieb wirklich nur zu hoffen, dass er heute keinen allzu schwachen Tag hatte und folglich nicht überschnell die Klarheit in seinem Kopf verlor. Während der Duumvir anschließend den Ausführungen des Tiberiers folgte, tat er sich etwas von einem der Salate auf und nahm auch ein bisschen von den Gurken. Die Melonen unterdessen ließ er unberührt, trank er doch schließlich bereits den süßen Mulsum und wollte nur ungern für einen übermäßigen Griff zum Süßen belächelt werden.


    Dass Lepidus, auf den der Iulier tatsächlich ein wenig gebaut hatte, sich nach dem vermutlich regimebedingten Rückschlag sogar zu fragen begonnen hatte, inwiefern er für den Dienst an den Göttern überhaupt noch geeignet sei, kam Dives an dieser Stelle nun etwas ungelegen. Da musste wohl etwas Aufbauarbeit geleistet werden.
    "Nun, sei dir zunächst einmal versichert, dass ich deine offenbar abgelehnte Bewerbung aufrichtig bedauere. Doch ich denke, dass du darüber jetzt nicht an deinen langfristigen Plänen zu zweifeln beginnen solltest. Schau, es wäre mir doch sehr neu, dass der Usurpator besonders religiös gewesen wäre, sodass ich mir bei dem Einsatz, den ich aus deinem Engagement in der Societas Claudiana et Iuliana erschließen will, eigentlich fast vollkommen sicher bin, dass es einzig der Patrizierhass des Usurpators war, welcher dich in deinem Vorankommen gehindert hat. Nachdem der Mann nun gestürzt und jemand deinesgleichen auf dem Kaiserthron so gut wie etabliert ist, solltest du meiner bescheidenen Meinung nach einen zweiten Anlauf durchaus wagen.", legte Dives dar und versuchte seinem Freund damit Mut zu machen. Der Iulier selbst kannte sogar aus der eigenen Verwandtschaft eine solche Geschichte, in der sich in gewisser Weise vor allem die Hartneckigkeit jener Person ausgezahlt hatte. Da Centho jedoch noch immer nicht das beste Thema wäre, schwieg er sich zu dieser Story aus.
    "Ich bin mir sicher, dass deine Chancen in dieses ehrenwerte Gremium als Pontifex Minor aufgenommen zu werden jetzt deutlich größer sein werden - insbesondere vielleicht auch mit einem Verweis auf deinen Verwandten, den verblichenen Pontifex pro magistro. Gibst du jetzt hingegen auf und klein bei, meinst du nicht, dass du damit vor allem dem vescularischen Usurpator - noch nach dessen Ableben - in die Hände spielen würdest? Hat er nicht stets versucht die Patrizier zu benachteiligen, zu übergehen und auszugrenzen?", fragte er zum Schluss sogar etwas provokativ, um Lepidus vielleicht auch wieder etwas anzustacheln und seinen Kampfgeist zu wecken. Anschließend nahm Dives einen Schluck von dem leckeren Mulsum.


    "Ahh... köstlich!", stellte er den Becher sodann wieder ab.
    "Warum ich mich nun nach deinen Kontakten erkundigt habe, hat den Grund, dass ich selbst nicht ungern einem stadtrömischen Priesterkollegium beitreten wollen würde, sobald mein Duumvirat in Ostia beendet und ich zurück in die Urbs Aeterna gezogen bin. Wie du vielleicht weißt, ist... war..." wie auch immer "... einer meiner Cousins als Augur hier bereits seit Valerianus tätig und so wäre es auch mir eine große Ehre, wenn auch ich meinen Dienst an den Göttern in einer vergleichbaren Weise tun könnte.", führte der Duumvir aus und sparte sich dabei zu erwähnen, dass eine vergleichbare Weise natürlich nicht hieß 'ganz genau so'. Letzteres wäre dies schließlich wohl auch kaum machbar, gab es im Denken und Handeln zweier Personen doch beinahe zwangsläufig bei der einen oder anderen Sache Differenzen.
    "Um eine Debatte im Senat über meine Person und meine Gens zu vermeiden, wie gleichwohl auch um meinem Cousin selbst nicht zu schaden, hätte ich dabei allerdings nicht das Augurenkollegium im näheren Sinn. Gleichsam eigne ich mich wohl auch kaum als Haruspex oder Qindecimvir, wie ich meinen will." Gerade mit dieser Christianer-Sekte, über die er schon viel Schlechtes gehört hatte, wollte Dives möglichst nicht näher in Kontakt kommen müssen. Grausame Rituale sollten diese Leute vollführen und jegliche Form ausschweifenden Lebensstils verachten - wozu diese Sekte zweifellos auch den alternativen Lebensstil des Iuliers zählte. Nein, an einem erneuten Anschlag auf seine Person - wohlmöglich gab es bei dieser Sekte ja sogar auch barbarische Menschenopfer - hatte der Iulier kein Interesse.


    "Wie dem auch sei, ...", wischte er diesen unschönen Gedanken weg, "... würde ich gerne ein Teil des Collegium Septemvirorum werden, die Pontifices bei ihren Aufgaben unterstützen und die beiden Epula Iovis im September und November mitorganisieren. Gerade letzteres würde hinsichtlich möglicher Kontakte zu Senatoren vielleicht nicht ganz unattraktiv sein und könnten sicherlich auch uns beiden zu Gute kommen.", erklärte Dives und dachte dabei beispielsweise an die Aedile und deren Spiele. Wer wüsste, ob sich nicht zu einem dieser Aedile ein nützliches Verhältnis ergäbe?
    "Wenn du mir jedoch nicht mit einem Kontakt oder vielleicht auch nur einer Empfehlung weiterhelfen könntest, müsste ich mich wohl anderweitig nach Unterstützung umsehen.", sagte der Iulier letztlich lapidar und ohne tieferen Sinn. Es war schlichtweg die logische Konsequenz, wollte er dieses Ziel dennoch erreichen. Vielleicht ergäbe sich ja schon bald eine alternative Möglichkeit, um in dieser Sache für sich zu werben.

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  • Sim-Off:

    *spring* :D


    Zu tiefst erleichtert hörte Lucia die Zustimmung ihres Bruders, ob ihrer Verwandtschaftseinschätzung und schenkte ihm ein Lächeln. Bei der Gesundheit ihres Verwandten hätte sie noch mitreden können, doch das Gespräch wurde wieder politisch, weshalb Lucia lieber still zuhörte und lernte. Sie amüsierte sich ein wenig, als Lepidus den für ihn typisch nachdenklichen Ausdruck bekam. Wie früher, als sie noch Kinder waren! Was er wohl jetzt schon wieder ausheckte? Sie verstand bei den vielen Andeutungen, welche die Männer machten, vielleicht grade mal die Hälfte, wenn überhaupt. Und von Minute zu Minute hatte sie mehr, was sie gerne gefragt hätte. Doch sie vertröstete sich auf später, wenn sie allein mit Lepidus reden könnte. Vielleicht würde er ja die Geduld aufbringen und ihr einiges erklären.


    Da behagte ihr das Thema ‚Wagenrennen oder Gladiatoren‘ doch um einiges besser. Der Iulier schien ebenfalls Wagenrennen zu bevorzugen, das verbuchte Lucia mal als Punkt für sich. Es war doch immer schön mit dem Gast einer Meinung zu sein, ohne diesem nachplappern zu müssen. Doch Lepidus beendete dieses Gespräch und leitete zum Triclinium über. Lucias Herzschlag beschleunigte sich unter dem ungeduldigen Blick ihres Bruders. Hatte sie den besten Zeitpunkt verpasst? War sie zu unaufmerksam gewesen? Musste Lepidus denn so direkt sein, hätte er ihr nicht irgendein Zeichen geben können? Nun gut, ganz ruhig, Lucia, das ist jetzt eh nicht mehr zu ändern, du machst das schon! Sie bemühte sich um ein Lächeln und erhob sich elegant. Wenigstens die Sklaven funktionierten wie sie es sollten und richteten die erste Vorspeise an. Lucia ließ sich auf ihren angestammten Platz nieder und hatte ihrerseits keine Probleme damit, nachdem sich ihr Gast genommen hatte, etwas von den süßen Früchten zu gönnen. Sie hatte dafür gesorgt, dass in jedem Gang mindestens eins ihrer Lieblingsgerichte vertreten war. Was für einen Sinn hatte es denn sonst die Gastgeberin zu sein, wenn man sich nicht auch selbst eine Freude damit machen konnte? Vor allem da das Thema nun endgültig ins politische oder zumindest ins Karriere planende abgerutscht war, wo es ihr ihre Erziehung verbot mitzureden, ohne direkt gefragt zu werden.


    Außerdem war sie nun ohnehin gespannt, wie die erste Unterhaltungseinlage des Abends ankommen würde. Diese hatte mit dem Betreten des Tricliniums ihren Startschuss bekommen und wenn man die Ohren spitzte, konnte man schon jetzt leise Klänge aus den hinteren Teilen der Villa kommen hören. Langsam aber sicher wurde die ruhige, begleitende Musik vernehmlicher. Da Lucia wusste dass sie kommen würden, war es wohl nicht verwunderlich, dass sie die Musik zuerst wahrnahm und sie lächelte zufrieden. Es konnte wohl kaum einen unaufdringlicheren Einstieg geben als diesen. Ein Lyraspieler und ein Flötenspieler kamen mit langsamen, gleichmäßigen Schritten dem Triclinium immer näher, bis sie in wiegenden Bewegungen den Raum betraten. Die beiden Männer waren mit Blumenkränzen gekrönt, ihre Tuniken aus gutem Stoff und die Klänge ihrer Instrumente äußerst angenehm selbst für verwöhnte Ohren, wie es Lucias waren. Die Musiker nahmen in einer mit Topfpflanzen eingerahmten, zu ihren Kränzen passend geschmückten Ecke Aufstellung und begleiteten die Unterhaltung mit unaufdringlichen Tönen. Sie waren allzeit bereit, sollte das Gespräch erlahmen, ein Lied oder was auch immer gewünscht wurde vorzutragen.

  • Die Worte des Iuliers ehrten den Tiberier natürlich, der sich nur zu gern Honig um den Mund schmieren ließ, was er ja auch durch seine Worte indirekt provoziert hatte. Er machte soetwas schon gar nicht mehr bewusst, sondern brachte die Leute ganz allgemein gern in die Lage, dass sie irgendetwas Erheiterndes und positives über seine Person sagen mussten. Als Ehrengast in seinem Haus hatte Dives auch wohl kaum eine andere Möglichkeit. So freute er sich darüber, dass der Iulier seine bisherige Arbeit für die Societas schätzte und gleichsam auf eine bessere Zukunft für ihn deutete. Was anderes hätte Lepidus wohl auch nicht erwartet. "Und ob dieser Vescularier einen Groll gegen Patrizier hegte! Es bleibt wohl nur zu hoffen, dass all seine Handlungen so wenigen Nachwirkungen wie möglich zeigen. Dann mag wohl auch ich wieder einen festen Boden unter den Füßen spüren. Dem Usurpator somit auch noch einen späten Triumph gönnen, nein, das sollte vielleicht wirklich nicht meine Absicht sein." Da gab er dem Iulier natürlich vollkommen Recht. "Ein wenig Kraft, um mich in nächster Zeit noch einmal hervorzutun, ist mir hoffentlich geblieben."


    Sehr angetan war Lepidus von dem Gedanken, dass Dives selbst in den Dienst der Götter treten wollte. "Eine ausgezeichnete Idee. Ich denke, du würdest dich in einem Collegium sehr gut machen." Vor allem war eine Mitgliedschaft in einem Collegium für einen richtigen Politiker, der der langjährige Duumvir von Ostia zweifellos war, schon fast Pflicht. Nirgendwo konnte man besser Einfluss geltend machen und sich gleichsam als guter Römer profilieren. "Warum aber gerade das Collegium Septemvirorum für dich so interessant ist, bleibt mir dann doch eher verschleiert. Mir schien immer, dass du eine starke Verbindung zu Apollon hast, da wäre die Aufgabe als Qindecimvir, als den ich mir dich vorstellen könnte, schon fast naheliegend." Sicher waren die Qindecimviri die ersten Ansprechpartner, wenn es um fremde Kulte ging, aber um diese komische Christen-Sekte musste man sich wirklich nur am Rande kümmern. Den größten Dienst leistete das Collegium an den fest etablierten Gottheiten Apollon und Ceres. "Und du hättest dann sogar Zugang zu den Sibyllinischen Büchern, was nun wirklich eine große Ehre ist. Vielleicht ist dir ja auch bekannt, dass es eine gewisse Rangfolge unter den einzelnen Collegien gibt, die natürlich nicht gerade offiziell, aber sich im Ansehen doch wiederspiegelt. Die Septemviri konnten sich an Prestige nie so wirklich mit den anderen Collegien messen." Von allen Collegien war es auch das, welches am stärksten abhängig war vom Pontifikalkollegium und keine wirkliche Deutungshoheit besaß. "Damit will ich dir deine Entscheidung natürlich nicht schlecht machen, denn jedes Collegium ist wichtig, aber es ist vielleicht etwas, was du bei deinen Plänen bedenken sollteste." Mit Senatoren bei den Epula Iovis in Kontakt zu kommen war sicherlich nicht schlecht, aber Lepidus war sich sicher, dass ähnliche Möglichkeiten auch jedes andere Collegium bot.


    Währenddessen konnte sich Lepidus auch so langsam ein wenig mehr auf die Musiker konzentrieren, deren Laute er im Hintergrund schon ein wenig vernommen hatte. Es war schön, wenn das eigene Wort ein wenig von lieblichen Klängen untermalt wurde und die Momente der Stille konnten so zur Not sehr gut überbrückt werden, aber im Moment sah es eher so aus, als hätten zumindest Lepidus und Dives nicht allzu viel Bedarf an Stille. Inzwischen war des Tiberiers Hals auch schon wieder etwas trocken, so dass er erst einmal einen kräftigen Schluck zu sich nehmen musste. Er redete einfach zu viel.

  • "Da bin ich mir sicher. Du bist doch Tiberius Lepidus!", warf der Iulier auf das patrizische Hoffnungsbekunden hin ein, dass ihm hoffentlich noch ein wenig Kraft geblieben wäre. Dabei hatte Dives natürlich ganz genau genommen kaum eine Idee davon, wie richtig oder falsch er in diesem Punkt lag. Dafür kannte er Lepidus einfach noch nicht lange und gut genug, um sicher sagen zu können, dass er eine ähnlich kräftezehrende Situation vielleicht schon einmal durchgestanden hätte. So wechselte der Blick des Iuliers kurz zur Tiberia und er lächelte oberfächlich. Sie wüsste dies wahrscheinlich schon deutlich besser einzuschätzen. Doch wie dem auch war - er schaute zurück zu seinem verbündeten Freund - wollte er ja eigentlich nur dafür sorgen, dass der Patrizier den Kopf nicht hängen ließ, nicht jetzt, wo seine Möglichkeiten in vielen Bereichen gerade wieder zahl- und aussichtsreicher wurden!


    Während er anschließend zuhörte, was der Tiberier zu den septemvirischen Plänen des Duumvir zu sagen hatte, war ihm, als würde er von irgendwoher eine ruhige und angenehme Melodie erklingen hören. Im ersten Moment versuchte er dies zu ignorieren und fragte sich - denn im Triclinium war ja noch niemand zu sehen und woher auch sollte plötzlich Musik ertönen? - ob er wohlmöglich vorhin in den kleinen Thermen irgendwo etwas aufgeschnappt hatte, das ihm nun als 'Ohrwurm' im Kopf herumgeisterte. Als jedoch die Musiker schlussendlich den Raum betraten, musste er breit lächeln - teils aufgrund der angenehmen Unterhaltung, die die Künstler boten, teils aber auch, weil er ein wenig erleichtert war, dass seine vorherige Befürchtung sich nicht bewahrheitete.
    "Zunächst erst einmal bin ich froh, dass du meiner Idee so aufgeschlossen gegenüber stehst, Lepidus. Und ich freue mich, dass du dich mir in einem der Collegien vorstellen könntest.", was er ja indirekt gesagt hatte, als er meinte, dass der Iulier sich sehr gut dort machen würde. Dann jedoch ging es um die Wahl des Collegiums und dort musste Dives wohl noch einmal etwas ausholen. Dass er als Haruspex nicht qualifiziert genug war, stand wohl unausgesprochen fest, während wohl auch die beiden Argumente bezüglich der Augurenschaft überzeugt hatten.
    "Was mein Interesse an den Septemviri angeht, so glaube mir, dass mir deren Position und geringeres Prestige unter den Collegien durchaus bewusst ist. Dennoch... oder vielleicht auch gerade deshalb hielte ich es für sinnvoll, mich gerade dort zu bemühen. Ich bin ein Iulier in diesen Tagen, wie du unter Vescularius Usurpator ein Tiberier warst, vielleicht nicht ganz so schlimm, aber dennoch vorerst sicherlich nicht mehr als geduldet in höheren Positionen und Ämtern. So also verzichte ich auf die alleinige Deutung der Sibyllinischen Bücher durch die Quindecimviri und ihre daraus resultierende größere Unabhängigkeit gegenüber dem Collegium Pontificum, um mich stattdessen ganz bescheiden auf einen Posten zu bewerben, wo ich auch für die Kritiker im Cultus Deorum aufgrund der relativen Abhängigkeit der Septemviri nicht zu viel Einfluss bekomme, während ich mich auf der anderen Seite aber dennoch beweisen kann. Wie heißt es so schön? Lieber den Becher Wein in der Hand, als einen ganzen Krug auf dem Olymp.", lächelte er ob der Adaption auf die Geschichte mit den Vögeln (die er unpassend fand, weil die Taube das Symboltier der Iulier war und er sich ungern in einem solchen Sprichtwort auf irgendeinem Dach sitzend wiederfand).


    "Ferner, doch das ist gleichsam weit entfernte Zukunftsmusik, wie für den jetzigen Augenblick eigentlich irrelevant, habe ich mich darüber informiert, dass man als Septemvir - vielleicht auch aufgrund der erhöhten Zusammenarbeit mit den Pontifices - auch ganz gute Chancen hat irgendwann auch zu ebenjenen zu stoßen. Vielleicht sagen dir Flavius... Corvinus und Aurelius... Piso etwas?", führte er aus und war sich nicht ganz sicher, ob er die zwei Namen aus den vier Teilen richtig zusammengesetzt hatte. Doch selbst wenn nicht, so sollte dies doch vor allem auch die Perspektive aufzuzeigen unterstützen - und die hieß: Jetzt lieber etwas tiefer stapeln, um später daraus mitunter Profit ziehen zu können.
    "Wie gesagt, spielt diese Überlegung aktuell noch nur eine sehr untergeordnete Rolle für mich, weil ich mich ja auch erst einmal in einem Collegium profilieren müsste, wie ich gleichsam auch politisch noch einige Schritte auf die Senatorenwürde zu machen müsste, bevor man hier Konkreteres planen könnte..." Kurzum würde es mit Sicherheit noch etliche Jahre dauern, bis es sich überhaupt etwas lohnte diesen Gedanken weiter zu verfolgen. "... Doch will ich natürlich nicht nur negativ für dieses Collegium argumentieren, sondern auch positiv. Ich opfere regelmäßig den Göttern und kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass ich darin mittlerweile nun einige Erfahrung gesammelt habe. Überdies zeigt sich mein Engagement für die römische Religion nicht zuletzt darin, dass auf meine persönliche Initiative hin derzeit die Vorbereitungen für einen Iuppiter-Tempel laufen, dessen Kultbild von mir selbst finanziert werden wird.", erklärte Dives und ließ die beiden Details, dass A der Architectus bislang noch nicht in Ostia angekommen war * und dass B der Tempel genauer gesagt dem Iuppiter Serapis geweiht sein sollte, kurzerhand unter den Tisch fallen. Nicht dass der Tiberier darin am Ende noch weiteres Futter für die Befürwortung der Quindecimviri fand...


    Sim-Off:

    * ausgehend vom Datum des Themenbeginns


    "Sag, Tiberia, wie hälst du es eigentlich mit dem römischen Götterkult?", erkundigte sich der Iulier abschließend und verzichtete darauf seine Frage nach einem Kontakt oder einer Empfehlung zu wiederholen. Er wollte schließlich nicht penetrant in dieser Sache wirken. Stattdessen also gab er Lepidus mit der Frage an dessen Schwester Zeit selbst noch weitere Nachfragepunkte zu finden oder aber nun auch auf die Frage nach Unterstützung einzugehen. Dass die Patrizierin, die einen Bruder im Dienst des Iuppiter hatte und einen verblichenen Verwandten, der als Pontifex pro Magistro der Vertreter des Kaisers in kultischen Dingen gewesen war, eigentlich auch selbst nur vorbildlich göttertreu sein konnte, stand indes für Dives relativ fest. Alles andere würde ihn wohl sehr überraschen.
    So nahm sich der Duumvir noch etwas von dem Salat, den er zuvor schon probiert hatte, und ließ es sich lächelnd schmecken, während er sich anhörte, was die beiden Tiberier zum Gesagten meinten.

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  • Lepidus gab sich aber ganz schön bescheiden und klein! Übertrieb er es da nicht ein wenig zu sehr? Zugegeben: Es klang schön dramatisch, so wie er von dem ‚wenig an Kraft‘ sprach und Dives reagierte auch noch genauso wie es sich Lepidus gewünscht haben musste. Aber Lucia hatte Mühe sich nicht an einem Melonenstück zu verschlucken. Sie hatte versucht einem amüsierten Kichern mit dem Essen vorzubeugen, doch das wäre beinahe in den falschen Hals geraten. Sie räusperte sich möglichst leise, versuchte den starken Reflex laut zu Husten zu unterdrücken und das seltsame Gefühl mit großen Schlucken verdünnten Weines herunter zu spülen. Doch natürlich bekam sie die Situation nicht ganz lautlos in den Griff. Mal ganz davon abgesehen, dass ihr Kopf purpurrot angelaufen war.


    Es war ziemlich interessant mitzuhören, was sich die Herren - insbesondere Dives - so für die Zukunft vorstellten. Lucia kam nicht drum rum sich zu fragen, ob sich nicht auch der Iulier mehr (zu)trauen sollte. So wie er es erklärte, warum er zunächst nicht nach allzu Großem streben wollte, klang es schon irgendwo logisch, aber auch so… ängstlich? Lucia blickte den Mann nachdenklich an und konnte nicht umhin bei seinem Weinbecher-Krug-Vergleich leicht die Stirn zu runzeln. ‚Wer nicht wagt der nicht gewinnt!‘, hätte sie jetzt nur zu gerne eingeworfen und musste sich unauffällig auf die Zunge beißen um ruhig zu bleiben. Es lohnte sich, denn schon wenige Sätze später zeigte sich, dass der Duumvir von Ostia doch Ehrgeiz hatte. Eine Senatorenwürde strebte er also an, nicht schlecht! Und das mit dem von ihm finanzierten Kultbild empfand Lucia nicht als wenig beeindruckend und das zeigte ihr Gesichtsausdruck auch.


    Die dann doch recht unvermittelte Frage an sie selbst, erwischte sie kalt. Verwirrt blinzelte sie und fragte: „Wie soll ich es denn mit dem römischen Götterkult halten?“ Sie zögerte einen verwunderten Moment lang, dann begann ihr Kopf wieder zu arbeiten und sie fuhr fort: „Ich denke doch wie jede andere Römerin auch. Ich verehre die Die Consentes, allen voran natürlich Minerva.“ Das verstand sich als Tiberia schließlich von selbst… Bisher war Lucia einfach nur froh gewesen, dass ihr überhaupt etwas zu sagen einfiel. Das Beten und die Opfer waren für sie so selbstverständlich, dass sie sich nie Gedanken darüber gemacht hatte, wie man das in Worte fassen konnte. „Doch ich muss zugeben, dass ich persönlich unblutige Opfer bevorzuge… Mit wird bei den blutigen immer ein wenig flau.“ Selbst wenn sie einigen Abstand zur Opferung selbst hatte, so war ich doch schon von frühester Kindheit an, bei dem plitschenden Geräusch des tropfenden Blutes mulmig geworden.

  • Der Tiberier lauschte gern über das Für und Wider als dieses und jenen Collegiums, aber der Iulier hatte sich schon viele Gedanken gemacht, das war nicht von der Hand zu weisen. Und auch wenn er manchmal betonte, dass es in diesem und jenen Feld noch nichts Konkreteres an Überlegungen gab, zweifelte Lepidus nicht daran, dass sein Freund auch in dieser Hinsicht schon einige Schritte vorausgedacht hatte. "Ich weiß nicht, ob die Bescheidenheit oder die Vorsicht aus dir spricht, aber wohl sehe ich ein, dass ich dir das Collegium Quindecimviri vielleicht nicht mehr ganz schmackhaft machen kann." Diesmal hatte Quindecimviri auch mal korrekt ausgesprochen, nachdem er diesen Fehler vom Iulier in seinem Gehörgang übernommen hatte, wo er sich wohl blitzschnell festsetzte und zu seiner eigenen sprachlichen Verirrung führte. Komischerweise dachte der Tiberier wirklich nicht daran, dass dem Iulier um seines Iulier-Daseins irgendein Nachteil erwachsen würde. Ob man sich in der Priesterschaft tatsächlich darüber Gedanken machen würde? Lepidus glaubte nicht so recht daran. "Aber es wird sich ja ebenso noch entscheiden, ob du bei den Septemviri kooptiert wirst oder ob das andere Collegium dazu nicht eher bereit wäre. Man sagt die erfahrenen Priester erspühren sehr genau, wer zu welchem Dienst geeignet ist." Das war natürlich eine lächerliche Idealisierung, über die der Tiberier selbst schmunzeln musste. Meist war es in der Tat nicht mehr als ein politisches Geschacher, weshalb der Iulier wohl auch nicht ohne Grund nach Kontakten suchte, die ihm Lepidus fürs erste leider nicht verschaffen konnte. "Wo wir doch aber gerade über die Priester-Collegien sprechen und ich dich schon als Quindecimvir gesehen habe: Was glaubst du, welches Collegium zu mir passen würde?" Das war natürlich eine nette Spielerei, vielleicht aber nur halb so lustig, wie es klang. Denn sollte der Tiberier tatsächlich einmal die Möglichkeit haben, dann wäre es sicher von Vorteil sehr gut bedacht zu haben, auf welche Mitgliedschaft man hinarbeitete.


    "Von einem Aurelius Corvinus habe ich in der Tat schon einmal gehört, falls du diesen meintest", von einem Aurelius Piso oder Flavius Piso hatte er dagegen noch nicht gehört. Der Aurelier war ja immerhin noch zweimaliger Aedil, der andere hatte wohl kein so wichtiges Amt mehr inne, als dass ihn Lepidus vielleicht noch aus der Vergangenheit kennen würde. "Unabhängig davon, wie erfolgreich sie vielleicht auch mit ihrer Werdegang waren, dem du nacheiferst, so freue ich mich natürlich, dass du dich insbesondere an Patriziern orientierst." Es gab ja immerhin auch genug plebejische Vorbilder heutzutage, wobei diese vielleicht nicht klassischerweise ein religiöses Amt bekleideten und man sich somit zwangsläufig an Patriziern orientieren musste.


    Die Erkundigung wie es seine Schwester mit den Göttern halte, war doch mehr ein kleiner Gesprächsanreger, denn eine wirklich ernsthafte Frage, als die sie Lucia mit ihrem Zögern wahrscheinlich verstand. In der Tat war ihr in religiösen Dingen eigentlich nie ein Vorwurf zu machen, naja, bis auf eine Kleinigkeit vielleicht: "Ach, hört, hört. Wenn dir Minerva so wichtig ist, wie kommt es denn eigentlich, dass ich dich seit deiner Ankunft noch nie auf dem Capitol in meinem Tempel gesehen habe, liebe Lucia?" Das war natürlich auch wieder eine gute Gelegenheit seiner Schwester einen scherzhaften Vorwurf zu machen. "Du musst wissen, Dives. Minvera ist die Schutzgöttin unserer Gens, falls du es vielleicht noch nie gehört hast. Sie ist sogar der Grund, weshalb unsere Vorfahren sich überhaupt in Rom niederließen.", spielte er gleich noch auf die tiberische Familiengeschichte an, die natürlich ebenso von Sagen umwoben war, wie die eines jeden anderen höhergestellten Römers. Er überließ es aber Dives selbst zu entscheiden, ob er noch mehr darüber hören wollte.

  • Ja, was sprach hier aus dem Iulier? Bescheidenheit? Vorsicht? Oder hing vielleicht gar beides miteinander zusammen und ging miteinander einher? Wie dem auch wäre, schloss Dives gedanklich zumindest keine der möglichen Antworten aus, sondern lächelte stattdessen einfach nur. Ob nun auch aus Bescheidenheit oder Vorsicht heraus, hielt der Duumvir es schlichtweg für den besten Weg, wenn er dieser Tage im Sinne überhaupt eines weiteren Vorankommens seiner Karriere möglichst bedachte Schritte setzte. Dazu gehörte es für ihn eben auch, dass er das wenigstens von den Ehrenrechten her gleichrangige Collegium Septemvirorum jenem prestigeträchtigeren der Quindecimviri vorzog, wie er auch nicht vorhaben würde in einem Jahr auf das prestigeträchtigste Vigintivirats-Amt zu kandidieren oder ähnliches.
    "Hmhm.", nickte der Iulier auf die folgende Aussage nur simpel, da er nicht wirklich etwas dazu zu sagen wusste. Er kannte auch schlichtweg zu wenige Priester aus den Kollegien persönlich - neben Centho wenigstens hier in Roma keinen einzigen. Eventuell mochte es aber auch an der Ablenkung durch den rot angelaufenen Kopf der Tiberia gelegen haben, wer wüsste das schon so genau? Letztlich jedenfalls ging er lieber auf die Frage des Patriziers nach dessen Collegium ein:
    "Ganz klar sehe ich dich im Gremium der Pontifices und vielleicht gar eines Tages in den Spuren deines consularischen Verwandten wandeln...", erklärte er dazu natürlich erst einmal überschwenglich, wenngleich er nicht unbedingt glaubte, dass ein Nicht-Senator trotz der theoretisch sicherlich bestehenden Möglichkeit so einfach in dieses Collegium berufen werden würde. "... Und falls es nicht direkt für diesen Schritt ausreicht, so wäre dir mit Sicherheit ein Platz unter den Auguren ebenfalls sehr angemessen, stehen diese doch im Ansehen nicht nur über den Septemviri, sondern auch über den Quindecimvirn.", lächelte der Iulier, der - hätte er dies denn gewusst - sicherlich auch noch auf die Auguren-Tätigkeit des Tiberius Durus verwiesen hätte, um seine Aussage zu untermauern. So nun musste es eben auch in dieser Form reichen, wobei der Duumvir selbstredend nicht ahnte, dass Lepidus gerade von einem Augurendasein seitens eines gewissen Wolfes noch abgeraten werden würde.


    "Oder Aurelius Corvinus...", meinte Dives etwas kleinlaut und bestätigte damit wenigstens so halb die Korrektur des Tiberiers. Dass sich jener darüber natürlich auch gleich einbildete, dass sich der Duumvir allgemein besonders an Patriziern orientierte, belächelte er hingegen nur amüsiert - ohne aber etwas Gegenteiliges zu behaupten. Zudem hatte er ja auch bereits erwähnt, dass ihm auch sein Cousin Centho durchaus zum Vorbild gereichte, wenigstens in manchen Dingen, wie der Betätigung im Cultus Deorum.


    Die Antwort der Tiberia ließ den Iulier für einen kurzen Augenblick mit einem kleinen Fragezeichen im Gesicht zurück. Während er nämlich die Aussage zum flauen Magen schlichtweg ignorierte und überhörte, wusste er nicht so recht, weshalb es nun so selbstverständlich wäre, dass frau insbesondere Minerva in hohen Ehren hielt. Iuno hätte ihm eingeleuchtet als Schutzgöttin aller Frauen und Göttin der Mutterschaft oder vielleicht für eine junge Frau auch Venus für Schönheit, Freude und sexuelles Begehren. Aber Minerva mit den Heilberufen und ganz allgemein der Wissenschaft? Als göttlicher Künstler jedenfalls überstrahlte (wortwörtlich) nach dem subjektiven Empfinden des Duumvirn eindeutig Apollo alle anderen Götter, die an diesem Gebiet Anteil haben wollten.
    "Ah, wie interessant.", war er anschließend doch auch ein wenig erleicht ob der Auflösung dieses ungestellten Rätsels. "Und wie genau ist sie der Grund, aus dem sich eure Gens hier niederließ?", fragte er dann gleich neugierig weiter. Wie er sich nämlich als vertretender Magister der Societas Claudiana et Iuliana mit der mythologischen Herleitung der iulisch-claudischen Kaiserdynastie beschäftigt hatte, so fand er dieses Thema auch allgemein recht spannend und lernte sehr gerne Neues auf diesem Gebiet. Wessen Ahnen erst unter Caesar überhaupt das Bürgerrecht bekommen hatten, der konnte mit einer eigenen Geschichte in dieser Hinsicht schließlich nicht aufwarten und musste folglich zwangsläufig mit anderen Vorlieb nehmen.

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  • Ja, das Collegium Pontificum war schon ein großes Ziel. Dass der Tiberier beabsichtigte vielleicht eines Tages einer der Flamen maiores zu werden, verschwieg er noch. Zu Kühn und zu fern schien ihm dieser Traum noch, als dass man munteren Herzens davon sprechen konnte. Mit dem Status der Auguren hatte er natürlich Recht. Das sollte man zweifellos ebenfalls in Betracht ziehen, doch würde es sicherlich besser sein - sollte die Möglichkeit bestehen - sich sogleich auf das Collegium Pontificum zu stürzen. Aber anstatt nun das Gespräch fortzusetzen über die Collegien, ihre Macht und die persönlichen Befindlichkeiten von Dives un Lepidus, konnte der Tiberier einen viel besseren Gesprächsfaden aufnehmen.


    "Ah, es ehrt dich, dass du darüber mehr wissen möchtest, Dives. Ich erzähle nur allzu gerne von der Geschichte unserer Gens." Nicht zuletzt, weil er ihre Ahnengeschichte selbst vor kurzem noch ein wenig 'verbessert' hatte. Je erfolgreicher eine Gens wurde, desto mehr musste sie auch die Mythen, die sich um sie rankten etwas mehr anpassen. Aber ach, was ist denn schon ein Mythos? Natürlich handelt es sich um wahre Begebenheiten und nichts weiter! "Es war so, dass sich die ersten Tiberier, die sich auch tatsächlich so nannten in Misenum niedergelassen hatten, nachdem sie aus Alba Longa weichen mussten. Das war noch bevor Rom überhaupt gegründet wurde und damals war Misenum noch ein kleiner Ort, der sich um das Grab des Misenos gegründet hatte. Vielleicht weißt du ja, dass die Stadt nach diesem Gefährten des Aeneas benannt wurde. Jedenfalls lebten dort die Tiberier viele viele Jahre lang, bis eines Tages dem damaligen Haupt der Familie, Marcus Tiberius Allodius, etwas ganz besonderes passierte: Minerva sprach zu ihm im Traum und richtete sich eindinglich an ihn. Sie sprach, er sollte die Tiberii in die aufstrebende Stadt Rom führen. Sie sprach, dass das Schicksal der Gens Tiberia von nun an auf ewig mit der Stadt verbunden sein würde. Ginge es Rom gut, so würden die Tiberii davon besonders profitieren, ginge es Rom schlecht, würde die Gens furchtbar darunter leiden." Es war bemerkenswert, dass diese alte Prophezeiung noch immer zu stimmen schien, denn zumindest Lepidus hatte natürlich kein Zweifel daran, dass es in den schlimmsten Stunden, die Rom während des Bürgerkrieges erlebte, die Tiberia von allen Gentes am allermeisten zu leiden hatten. "Allodius hatte jedenfalls keinerlei Zweifel daran, dass er den Worten Minervas folgen musste. So zog er nach Rom und verpflichtete all seine Angehörigen ihm zu folgen und so zogen sie 258 ab urbe condita in Rom ein. Die Botschaft der Minerva war eindeutig: Jeder Tiberier musste alles dafür tun, um den Wohlstand und die Macht Roms auszuweiten. Das war ihr Schicksal. So waren sie dann auch sehr politisch engagiert und gehörten zu den ersten plebejischen Gentes, die einen Angehörigen hatten, der die Senatorenwürde errang. Sie bekleideten immer wieder Ämer im Cursus Honorum, ohne jedoch je das Consulat erreichen zu können. Dies war uns erst in jüngster Zeit vorbehalten. Dennoch waren sie treue Anhänger Roms, die ihre Beitrag leisteten, der Stadt zu Ruhm zu verhelfen; und so geschah es, dass sie in den Zeiten höchster Blüte des Reiches von Ulpius Iulianus geadelt wurden. Etwas, was damals schon als längst überfällig galt, wie ich nicht zu betonen brauche. Aber so erfüllt sich die Prophezeiung der Minerva noch bis heute. Auch heute sehen wir unser eigenes Schicksal aufs engste mit Rom verbunden und so werden wir stetig für das Wohl der Stadt eintreten und kämpfen." Eine nette kleine Geschichte, dabei hatte der Tiberier noch nicht einmal die Vorgeschichte in Alba Longa, ihre Verbindung zu Tiberinuns und Aeneas erwähnt. Da gab es zweifellos noch viel mehr zu sagen. Aber für den Moment ließ Lepidus das Gesagte erst einmal wirken.

  • War ja klar gewesen, dass ihr Bruder wieder sticheln musste! Immerhin war er derjenige gewesen, der sie in den Tempel eingeladen hatte und danach nie wieder ein Wort darüber verlor. Am liebsten hätte Lucia eine Grimasse gezogen… Aber Besuch war da und sie musste sich zusammenreißen. „Es hat sich bisher noch keine Gelegenheit ergeben.“, formulierte sie diplomatisch und spießte dabei ihren Bruder förmlich mit Blicken auf. Dann kam die Familiengeschichte, oder viel eher Familienlegende. Früher hatte Lucia jede einzelne Erzählung schier in sich aufgesogen, inzwischen hätte sie die Worte mitsprechen können. Die Prophezeiung beschäftigte sie schon immer und in der Zeit ihrer freiwilligen Verbannung hatte sie zumindest für sich festgestellt, dass sie ohne Rom nicht konnte. Aber was konnte eine Frau schon machen, was das Wohl und Weh einer so großen Stadt beeinflusste? Sie konnte zumindest ihren Bruder unterstützen, damit dieser einen Unterschied machen konnte. Sie sandte Lepidus ein verschwörerisches Lächeln. „Ich bin mir sicher, es wird wieder bergauf gehen. ‚Wer dem Gebot der Götter gehorcht, den hören sie wieder‘“ Sie wusste selbst nicht so genau, ob sie ihren Bruder mit diesem Homer-Zitat nun necken wollte oder es an sich ernst meinte.


    Die zweite Vorspeise wurde serviert. Ein Teller war über und über gefüllt mit Globi. Die walnussgroße Grieß-Honig-Kugelnwaren noch warm und teils in Honig, teils in Mohn gewälzt worden. Da man keine Chance hatte diese zu Essen, ohne sich die Finger schmutzig zu machen, wurde sogleich auch eine Waschschüssel von einem Sklaven im Hintergrund bereitgehalten. Auf einem anderen Teller wurden als herbere Alternative Datteln im Speckmantel dargereicht oder als drittes Moretum (ein herzhafter Schafskäse Aufstrich) auf noch warmen Paniculi (Brötchen mit eingebackenem Lorbeerblatt).

  • Interessiert folgte Dives der Familiengeschichte der Tiberier, die in der Tat durchaus beeindruckend war - vor allem dann, wenn man sie mit seiner eigenen Familiengeschichte verglich. Definitiv, dieser Gedanke keimte in jenem Moment beim Iulier, würde er sich irgendwann in der Zukunft noch einmal ins Logeum der Casa Iulia zurückziehen und schauen, was er finden könnte, um wenigstens seinen Stammvater Iulius Caepio noch etwas interessanter zu machen. Vielleicht fände sich ja eine Möglichkeit, um ihn zu einem unehelichen Sohn irgendeiner halbwegs interessanten Persönlichkeit zu erklären. Oder eventuell ließ sich auch erst der Großvater oder Urgroßvater Caepios zu einer bekannten Person machen - oder eben eine noch frühere Generation. Eine Verbindung zu den Iulii Caesares strebte Dives dabei natürlich ganz gewiss nicht an, da jene wohl kaum übermäßig glaubhaft wäre. Aber ein paar Nummern bescheidener würde sich soeine kleine Geschichte für eine Linie, die mit Centho, Proximus und Dives vielleicht in einigen Jahren drei Senatoren im Senat stellen würde, bestimmt gut machen. (Vorher brauchte man natürlich an eine solche Geschichte eigentlich auch nicht weiter denken.)
    "In der Tat kenne ich in groben Zügen auch die Geschichte Misenums, da ich einen Onkel und einen Cousin habe, die beide Duumvirn jener schönen Stadt waren. Doch erzähl, weshalb sind die aus Alba Longa vertriebenen Tiberier den weiten Weg bis nach Misenum gereist, während sich andere Gentes im deutlich näher gelegenen Roma oder auch in Bovillae niedergelassen haben?", interessierte den Iulier durchaus. Misenum war schließlich verglichen mit Roma oder Bovillae vielfach, wirklich sehr-viel-fach so weit entfernt von Alba Longa. Da musste es doch sicherlich irgendeinen Grund geben. Oder?


    Der Duumvir nahm sich eine der in Mohn gewälzten gut aussehenden Kügelchen und ließ diese überlegend in seinem Mund verschwinden. 258 Jahre nach Stadtgründung, fand da nicht auch diese nicht ganz unbedeutende Entscheidungsschlacht zwischen dem republikanischen Rom und den von Tarquinius Superbus geführten Latiniern am Regillus Lacus statt? Da stellte sich dann natürlich auch die Frage, ob die Tiberii vorher oder nachher in die Ewige Stadt einzogen, wobei letzteres wohl irgendwie wahrscheinlicher erschien.
    "Mmm... Die sind wirklich überaus köstlich. Was ist das?", erkundigte er sich dann in Lucias Richtung und wusch sich nebenbei die Hände, bevor er erneut zu einer kleinen schwarzen Mohnkugel griff. Soetwas wollte er definitiv öfter genießen dürfen - auch in den eigenen vier Wänden, wofür er natürlich wissen müsste, was ihm sein Gaumen nicht verraten mochte. Doch zurück zur Familiengeschichte der Tiberier:
    "Und sag, Lepidus, ich dachte immer, dass die Tiberier mit diesem Namen ein ganz besonderes Verhältnis vor allem zu Tiberinus hätten und nicht zu Minerva..?", implizierte er die Frage, ob es auch dort einen Zusammenhang gäbe. Dann griff er sich ein kleines, warmes Brötchen mit Moretum - wie gesagt, wollte er nicht für einen übermäßigen Griff zum Süßen belächelt werden - und hörte zu, was die Tiberier zu seinen Fragen zu erzählen wussten.

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  • "Wie Wortgewandt du doch heute wieder bist, liebe Schwester", sprach er zu ihr durchaus anerkennend. Ihm tat es aber auch ein wenig leid, dass Lucia diese Geschichte nun schon wieder hören musste, nachdem sie das ja ihr ganzes Leben schon zigmal gehört hatte. Für Lepidus war es ja nicht anders, nur dass er als Erzähler natürlich noch in einer ganz anderen Lage war.


    "Eine wirklich gute und berechtigte Frage, Dives. Es ist tatsächlich nicht gerade naheliegend, den Weg von Alba Longa nach Misenum einzuschlagen. Da brauchte es schon gute Gründe und diese hängen mit der dunklen Geschichte der Tiberier zusammen." Oh, welch große Spannung aufgrund dieser geheimnisvollen Ankündigung. Denn die Geschichte der Tiberier in Alba Longa ist wahrlich eine ganz andere.


    "Es war der Nachkomme des Aeneas und neunter König von Alba Longa mit Namen Tiberinus Silvius mit dem im Grunde die Geschichte der Tiberier ihren Anfang nahm. Er wurde nach dem Flussgotte Tiberinus benannt und zwar deshalb, weil die Flussgottheit persönlich es dem Vater geflüstert haben soll, als er einmal den Tiber entlangspaziert. Er solle seinen Sohn nach ihm benennen, weil in ihm seine eigenen Kräfte schlummern würden und er als König von Alba Longa die Stadt erblühen lassen würde." Manche mögen auch behaupten, dass der Tiber überhaupt nach Tiberinus benannt wurde. Doch das war natürlich ein allgemeiner Irrtum. Denn Tiber und Tiberinus gab es schon zu Zeiten des Aeneas, wie schließlich ja auch Vergil schon lehrte. Der Dichter war natürlich über alle Zweifel erhaben.


    "In seiner achtjährigen Herrschaft erlebte Alba Longa dann auch tatsächlich eine wahre Blütezeit. Tiberinus Silvius ging als gerechter und weiser König in die Geschichte der Stadt ein. Doch Alba Longa hatte auch oft Krieg zu führen gegen die umliegenden Städte. In einer großen Schlacht, die nur sehr knapp und unter größter Anstrengung des Königs noch zugunsten Alba Longas entschiedern werden konnte, musste Tiberinus Silvius selbst den größten Preis für diesen Sieg zahlen und stürzte während der Schlacht in den Tiber und ward seitdem nie mehr gesehen. Einige sagen, die Flussgottheit selbst habe den Träger seines Namens zu sich geholt, so wie er es wohl seit dessen Geburt beabsichtigte. Andere sagen, Tiberinus Silvius war selbst der auf dem Land wandelnde Tiberinus, der nur in seinen Fluss zurückgekehrt war. Seitdem sollen die Bürger Alba Longas immer wieder darauf gewartet haben, dass ihr König dem Wasser eines Tages wieder entsteigen und mit der Kraft des Flussgottes zurückkehren würde." Der Tiberier nahm einen kleinen Schluck, um seine Kehle zu befeuchten. Das Erzählen von Geschichten machte immer sehr durstig und gleichsam konnte er damit vielleicht den Spannungsbogen noch etwas stärker spannen.


    "Doch nun beginnt die eigentliche Tragödie. Denn Tiberinus Silvius hatte zwei Söhne, wobei dessen Ältester, Agrippa Silvius, die Stadt für die nächsten Jahrzehnte regieren sollte. Sein zweiter Sohn war Allodius Silvius. Dieser war in so großer Trauer, dass er seinen eigenen Sohn wiederum nach dem Vater und dem Namen des Flusses Tiberius nannte und fortan sollte jeder Nachfahre diesen Namen tragen, was die Gens Tiberia begründete. Doch Allodius war voller Neid und Zorn und hielt seinen Bruder gänzlich ungeeignet auf dem Thron von Alba Longa zu sitzen. Es entbrannte ein großer Machtkampf zwischen den beiden, in denen Allodius Anhänger um sich sammelte, um den verhassten Bruder auf dem Thron zu stürzen. Agrippa wiederum wähnte die Götter hinter sich und bekräftige immer wieder, dass ihm als Erstgeborenen das Recht zustünde König zu sein und die Zeichen der Götter eindeutig waren. Doch Allodius spottete den Göttern, die einen so unfähigen Mann Alba Longa regieren ließen. Einmal versammelte er sich mit seinen Anhängern auf dem Marktplatz von Alba Longa, er sprach zu den Bewohnern und zürnte den Göttern, missachtete sie und den Ritus. Doch noch während er seine Wutrede zu den Bewohnern sprach, da hatten die Götter ihre Hände bereits im Spiel, denn ein Blitz fiel vom Himmel und erschlug Allodius umgehend. Schockiert waren die Menschen, die dieses Schaupiel mit ansahen und Agrippa war fortan der unangefochtene König von Alba Longa." Nicht unbedingt rühmlich, wenn man bedachte, dass die Tiberier einen Feind der Götter unter ihren Ahnen hatten, doch das machte den Mythos nur umso stärker. Manche Familien mit ähnlichen Ahnengeschichten waren sogar in gewisserweise romfeindlich, wie diejenige der Marcier, doch das tat ihrer Popularität keinen Abbruch. Wohl eher im Gegenteil.


    "Tja, der Epilog dieser Geschicht ist, dass Tiberius, der Sohn des Allodius, für den Frevel seines Vaters aus der Stadt verbannt wurde. Er beschloss die Stadt weit weit hinter sich zu lassen und erst als er in Misenum ankam, sagte er sich, dass es nun weit genug war... und den Rest kennst du ja." Lepidus selbst war jedes Mal wieder voller Ehrfurcht vor den Göttern und den Ahnen, wenn er diese Geschichte erzählte oder selbst zu höhren bekam. Wer weiß? Vielleicht schlummerte ja in ihm die Kraft des aus dem Fluss gestiegenen Tiberinus. "Letztlich sind sowohl Tiberinus als auch Minerva die Götter, die eine ganz besondere Bedeutung für uns haben. Es ist die Pflicht eines jeden Tiberiers ihnen die größte Aufmerksamkeit zu schenken." Das musste man wohl nicht betonen, auch wenn natürlich jeder Tiberier auch seine ganz eigene Lieblingsgottheit hatte, zu der er sich überaus verbunden fühlte. Doch der harte Kern, der immer bleiben würde waren Minerva und Tiberinus.


    Für einen kurzen Augenblick dachte der Tiberier daran, dass er auch über die Geschichte der plebejischen Iulier etwas hören wollte, doch alles, was nicht mit irgendwie mit den Iulii Caesares zu tun hatte, würde sicherlich ohnehin nur in deren Schatten stehen oder wenn es die Verbindung mit den Iulii Caesares betonen würde, dann wären es sicherlich keine neuen Geschichten. So hielt er sich an dieser Stelle besser zurück. "Lucia, nachdem ich mich so erschöpft geredet habe, wie wäre es denn nun mit einem kleinen Vorspiel auf der Lyra für unseren Gast, damit wir vorzugsweise unsere Ohren Spitzen und unsere Stimmbänder erholen können?" Tja, wer hätte gedacht, dass dieses Lyra-Spiel tatsächlich noch zu etwas gut sein würde?

  • Zufrieden nahm Lucia Lepidus‘ Kompliment an und war nicht minder angetan, wie gut die Mohn-Globi bei dem Duumvir ankamen. Sie nahm sich selbst von den Gries-Kügelchen und ließ sie sich auf der Zunge zergehen. „Ja, nicht wahr? Diese Mohn-Globi gehören zu meinen Lieblingsspeisen – ich könnte jeden Tag davon naschen. Wenn du möchtest kann ich unserem Koch die Anweisung geben einem deiner Sklaven das Rezept auszuhändigen.“ Das Thema gefiel ihr doch gleich wieder viel besser, nur leider schien der Iulius wirkliches Interesse an ihrer Familiengeschichte zu haben und brachte Lepidus dazu weiter zu erzählen. Mit einem unterdrückten Seufzen steckte sich Lucia ein Honigkügelchen in den Mund und versuchte sich selbst davon zu überzeugen, dass es doch wirklich unglaublich interessant war die Geschichte zum x-ten Mal zu hören!


    Irgendwie hatte es Lucia geschafft ein interessiertes Gesicht zu machen, während die Worte ihres Bruders bei ihr zu einem Ohr rein und zum anderen wieder herausgingen. Sie tat sich an dem Naschwerk gütlich und sagte sich, dass die Stimme von Lepidus zusammen mit der Musik im Hintergrund ein angenehmes Rauschen ergab, was doch ganz unterhaltsam klang. Die Geschichte war vorüber und Lucia atmete auf, bis Lepidus entschied dass es Zeit für ihr Lyraspiel wäre. Sofort schlug Lucias Herz schneller und sie glaubte dass es im Raum um mehrere Grad heißer geworden sein musste. Dennoch brachte sie ein Lächeln zustande. „Gerne, lieber Bruder.“, sprach sie und an einen Sklaven gewandt: „Hol meine Lyra.“ In der kurzen Zeit, welche der Sklave brauchte um zu ihrem Zimmer und wieder zurück zu laufen, überlegte Lucia fieberhaft was sie vorspielen sollte, sprach jedoch dabei an die Männer gewandt: „Seid bitte gnädig mit mir, grade im direkten Vergleich zu unseren Musikern hier wird mein Spiel wohl etwas simpler ausfallen.“ Sie senkte lieber ein wenig die Erwartungen, dann war die eventuelle Enttäuschung, sollten ihre Finger ihr nicht gehorchen, nur halb so groß. Als der Sklave, das Instrument vorsichtig wie ein rohes Ei balancierend, wieder eintrat hatte sich Lucia für ein Lied entscheiden. Sie stand von der Kline auf, im Liegen würde sicher nichts daraus werden, und ein Sklave stellte ihr einen Hocker zurecht. Sie platzierte die Lyra in ihrem Schoß, legte die rechte Hand an die Saiten und kündigte an: „Dieses Stück heißt ‚Wenn wir uns jemals wiedersehn‘.“ Lucia atmete möglichst unauffällig nochmal tief durch und begann endlich das doch recht melancholisch-getragene Lied. Sie hatte es sicher schon hundert Mal gespielt und schloss nun die Augen, um ihre Zuhörer auszublenden. Die Melodie wurde wie jedes Mal in ihren Gedanken lebendig und erzählte die Geschichte von dem Abschied zweier Liebenden, da der Mann in den Krieg ziehen musste. Ein Akkord führte zum nächsten und auch wenn Lucia nie das ganze Lied hätte aufschreiben können, so wusste sie doch nach jedem Griff welcher als nächstes zu folgen hatte. Sie spielte routiniert und fehlerfrei und als die letzte traurige Note verklang öffnete sie mit einem erleichterten Lächeln die Augen.

  • Sim-Off:

    Mea culpa! Irgendwie habe ich dieses Thema ganz aus den Augen verloren. 8o


    "Das wäre ganz reizend von dir.", erklärte Dives zunächst in noch immer von diesen Kugeln ganz angetanem Tonfall, bevor er sich interessiert und aufmerksam auch die ausführlichere Variante der tiberischen Familiengeschichte anhörte. Dabei nickte er an dieser oder jener Stelle verstehend und nahm sich mehr beiläufig und unbewusst in Summe zwei weitere Moretumbrötchen, sowie ein weiteres Mohnkügelchen. So irritierte es den Iulier am Ende des patrizischen Vortrags auch kurz ein wenig, dass die Finger seiner rechten Hand ein bisschen klebten. Diese Irritation zu ignorieren versuchend und darauf bedacht, dass man ihm dies hoffentlich nicht anmerkte, wusch er sich also einfach die Hände in der Wasserschale und konzentrierte sich auf das Ergebnis: Die Hände waren wieder sauber - unabhängig davon, wie er sie sich zuvor dreckig gemacht hatte.


    Auf den Vorschlag Lepidus' lächelte der Iulier sodann in Richtung der Tiberia, die sich auch prompt einverstanden mit dem kleinen Vorspiel erklärte. Während Lucia sich anschließend offensichtlich bemühte die Erwartungshaltung zu senken, trank der Duumvir noch einen Schluck von seinem Wein, um seine Erheiterung ob dieses durchaus durchschaubaren Versuchs zu verbergen. Es folgte der Titel des Stücks und bereits dort begannen sich die Mundwinkel des Iuliers wieder zu senken. Unwillkürlich musste Dives an Serapio denken und an die Frage, ob er ihn jemals wiedersehen würde - und das nicht nur auf dem Gang zum Galgen oder dem ins Exil oder ähnlichem. Das Spiel begann und der Duumvir konnte den Abschied der Liebenden nicht nur hören, sondern vor seinem inneren Auge auch sehen, wie es damals bei Serapio und ihm gewesen war. Es war umso schrecklicher, wenngleich damit auch irgendwie einfacher gewesen, dass der Decimer dieses bislang letzte Zusammensein vollkommen verschlafen hatte. Zufrieden und vor allem im Licht des Kaminfeuers so unglaublich schön - nicht dass er nicht sonst auch absolut fabelhaft aussah - lag er dereinst da...
    "Das... war wirklich wunderschön, Tiberia.", meinte Dives nach einem kurzen Moment der Stille, den er brauchte um seinen verträumten Blick von der Mensa zu lösen und die Schwester Lepidus' anzuschauen. Anschließend binzelte er einige Male, um nicht noch übermäßig gefühlsduselig zu wirken und wohlmöglich noch eine unangemessene Träne zu verlieren.
    "Du hast mir gar nicht gesagt, dass du soeine talentierte und von Apollo geküsste Schwester hast, mein Lieber.", wandte er sich hernach an den Tiberius und versuchte mit einem breiten Lächeln - vergeblich - möglichst cool und locker zu wirken. Dass ihn das Vorspiel wenigstens etwas bewegt hatte, war bei einem Blick in seine Augen wohl kaum zu leugnen.

    ir-senator.png Iulia2.png

    CIVIS
    DECURIO - OSTIA
    INSTITOR - MARCUS IULIUS LICINUS
    IUS LIBERORUM
    VICARIUS DOMINI FACTIONIS - FACTIO VENETA

    Klient - Marcus Vinicius Hungaricus

  • Lepidus war wirklich erleichtert, nun erst einmal seine Stimme zu schonen und der Schwester das Feld mit ihrem musikalischen Spiel überlassen konnte. Langsam konnten wieder Kräfte getankt werden. Zum Glück war es für den Tiberier gar nicht nötig die Erwartungen zu senken, denn er hatte ohnehin keine. Von Musik verstand er ohnehin nichts. Es war halt ganz nett, wenn man davon ein wenig etwas im Hintergrund hörte, um die Stimmung aufzulockern oder wenn die Musik dazu da war, bei Opferungen unnötige Hintergrundgeräusche auszublenden. Von daher hatte sie für ihn mehr eine funktionale als eine emotionale Bedeutung.


    Der Titel machte den Tiberier ebenfalls skeptisch. War denn jetzt der Augenblick für melancholische Klänge? Tatsächlich war diese Zupferei in erster Linie dazu da, um Schwermut zu verbreiten. Hoffentlich würde sich das auf die Laune seines iulischen Freundes nicht allzu sehr niederschlagen, dachte er sich nur, bevor er dann an dessen Gesichtsausdruck erkennen konnte, dass seine Vermutung wohl bestätigt wurde. Aber immerhin schien er voll des Lobes für seine Schweser zu sein. Wofür genau, das konnte er sich nicht ganz erschließen, da er, wie erwähnt, kein Ohr für soetwas hatte. Aber immerhin kamen tatsächlich Töne heraus, wenn Lucia an der Lyra werkelte. Das konnte für den Tiberier wohl schon bemerkenswert genug sein. "Oh, sie steckt voller Überraschungen. Dich über all ihre vielseitigen Talente aufzuklären, hätte uns wohl sehr viel Gesprächszeit gekostet." Ja, Lucia wurde heute sicherlich nicht unter Wert verkauft. "Auch ein sehr schönes Lied für den Abschluss der Familiengeschichte, die ja ebenfalls hin und wieder recht traurig verlief", machte er dann auch noch einen recht unqualifizierten und viel zu sachlichen Kommentar, der alles in sich zusammenfügen sollte. Die Assoziationen vom Abschied zweier Liebenden wäre Lepidus nie gekommen. Da konnte das Lied so melancholisch sein, wie es wollte. Das Gefühl der Liebe blieb ihm zeitlebens ohnehin völlig fremd, weshalb er die Liebesgottheiten auch eher belächelte als wirklich ernst nahm. Im Gegensatz zu Dives zeigte der Tiberier wohl keinerlei Gefühlsregungen. Ein nettes Zwischenspiel, aber mehr war es dann für ihn auch nicht.

  • Während ihres Spieles war Lucia zur Ruhe gekommen, das traurige Lied bewegte sie immer wieder, doch jetzt wo es vorbei war beschleunigte sich ihr Herzschlag wieder. Hatte es gefallen? Die Stille machte sie fast wahnsinnig, war diese gut oder schlecht?! Dann sprach endlich Dives und Lucia entließ erleichtert den angehaltenen Atem, worauf sie ihm dann noch ein Lächeln schenkte. „Danke, ich freue mich dass es gefallen hat!“, erwiderte sie automatisch, während ihre Gedanken wanderten: Wunderschön, hatte er gesagt und dabei doch sehr ergriffen gewirkt! Die Lyra noch immer im Schoß entspannte sich Lucia sichtlich und ihr Blick wollte schon weiter zu ihren Bruder wandern, als Dives noch ein Kompliment draufsetzte. ‚Von Apollo geküsst‘, das trieb der jungen Frau dann doch ein wenig die Röte in die Wangen. Das war zu viel des guten, oder doch nicht… nein, es gefiel Lucia außerordentlich so gelobt zu werden, sie würde nur zu gerne noch mehr davon hören!
    Und tatsächlich tat Lepidus ihr den Gefallen, wenn auch nicht so wortgewandt wie Dives. „Bruder, du machst mich ganz verlegen! Danke!“, beschied sie mit einem Lächeln und winkte ab, entgegen dem was sie eigentlich wollte, einfach weil es sich so gehörte. Sie gab ihre Lyra zurück an den Sklaven, erhob sich elegant und trat zurück an ihre Kline. „Ich werde mir eben noch ein zwei Globi gönnen, aber dann könnten wir schon den nächsten Gang kommen lassen, oder? Dieser ist ein kleines Spektakel für sich!“, hier war sich Lucia sicher, dass sie ein wenig Spannung aufbauen konnte, denn sie war ja selbst davon begeistert das endlich mal wieder sehen zu können.

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