[Exedra Aedilium] Der Sprechsaal der Aedile

  • Etwas hilfesuchend blickte Scato den Sklaven der Claudia an. Er hatte einfach keinen Draht zu Kindern, wollte Sisenna aber auch nicht einfach die Wahrheit vor den Latz knallen und sie dann fortschicken.
    "Ich weiß nicht." entgegnete Scato ihr in dem Versuch sich aus der Affäre zu ziehen "Alexandria vielleicht?" fuhr er fort und verstand die ganze Sache nicht als Lüge, denn er hatte keine Ahnung wie die Dinge in Ägypten liefen, eventuell würden Ländereien dort wirklich auf der Straße verscherbelt.
    "Ich kann dir dabei jedenfalls nicht mehr helfen als jeder andere auch. Ich denke, dass es neben dem Kaiser oder deinem Onkel kaum jemanden gibt, der dir hierbei weiterhelfen kann. Es sei denn, du bietest ihnen genug Geld für ein Stück Land."
    Natürlich stand die Option jemanden einfach etwas Land abzukaufen immer frei.

  • Sisenna folgte dem hilflosen Blick des Aedils. Sie verstand aber nicht, wieso Sofian die Lösung sein sollte, deswegen sah sie wieder zu Flavius. Seine Antwort kam zögerlich und auch inhaltlich gefiel sie ihr nicht. "Du weißt es also nicht", wiederholte sie kraftlos. Denn selbst wenn Alexandria zufällig stimmte, es nützte ihr nichts. Sie wusste nicht einmal, wo der Ort lag. Wie sollte sie ihre Bienen dorthin bekommen und den Honig zurück?
    Sie verstand außerdem nicht, warum ihr der Aedil angeblich nicht besser helfen konnte als jeder andere. Er kümmerte sich um die Märkte. Betriebe mussten bei ihm an- und wieder abgemeldet werden. Das wusste Sisenna genau, weil sie ihre Bienenzucht selbst angemeldet hatte. Deswegen müsste er eigentlich wissen, ob Alexandria stimmte oder nicht. Vielleicht gab es im Augenblick keinen Händler, der Grundstücke verkaufte, schon möglich. Warum aber formulierte er es nicht so?

    "Was mache ich denn jetzt? Und woher weiß ich, wer überhaupt Grundstücke hat, die er verkaufen könnte?“ Das Risiko, als Kind von Privatverkäufern übers Ohr gehauen zu werden, war groß. Wollte der Aedil das wirklich empfehlen?



    Während Sisenna um eine Lösung bat, bahnte sich vor der Basilica ein Drama an. Die Bienenkönigin ließ sich zwar für den Transport in eine beengte Röhre stecken, aber als das Flugloch gleich nach der Ankunft bei der Basilica Iulia geöffnet wurde, entstand Unruhe in der Röhre. Die Königin suchte seit ihrem Auszug aus dem heimischen Bienenstock eine Bleibe, wo Platz genug für den Bau von Waben für die Aufzucht von Arbeiterbienen und für die Bevorratung mit Honig war. Die Transportröhre eignete sich dafür nicht, deswegen flog die Königin kurz nach der gründlichen Inspektion der Röhre aus. Der Schwarm folgte ihr.


    Im Erdgeschoss der Basilica Iulia befand sich eine Markthalle. Diverse Verwaltungen, so auch der Sprechsaal der Aedile, lagen ein Stockwerk darüber. Angelockt von den fruchtigen Dürften diverser Obstsorten, kehrte der Schwarm Bienen in einem Bogen zur Basilica zurück, nachdem die Königin den dünner werdenden Nektarduft noch rechtzeitig bemerkte. Sie steuerte im direkten Anflug auf den Eingang zur Markthalle zu und schlüpfte zwischen den Marktbesuchern hindurch. Tausende Bienen folgten ihr.


    Erschrocken sprangen Personen zur Seite, eine Frau schrie, ein Kind fing an zu weinen, weil es geschubst wurde. Der Bienenschwarm drehte eine Runde und ließ sich am Balken über dem Bäckerstand nieder. Einzelne Bienen fielen nach unten, kamen wieder auf die Beine und verkosteten eine Cremefüllung für Teigtaschen. Die Bäckerin wedelte mit den Händen, um die Bienen von ihrer Ware zu verscheuchen. Kein Kunde würde Teigwaren mit Bienen als Belag kaufen, und prompt wurde sie gestochen.
    Die Bienen hingegen stellten schnell ein reichhaltiges Nahrungsangebot fest und begannen mit ihrem Schwenzeltanz, der den bei der Königin verbliebenen Arbeiterinnen die Richtung zur Nahrungsquelle anzeigte. Weitere Bienen fielen in gezieltem Flug über die Gebäckauslage her.


    "Kann mir jemand helfen?!", rief die Bäckerin. Sie hielt sich die anschwellende Hand und sorgte sich um ihr Geschäft.

  • Als ich die Blicke des Aedils bemerkte, schaute ich zu Boden, denn ich wusste nicht recht, was ich hätte tun können. Bestimmt würde ich Sisenna nicht in ihre Angelegenheiten hinein reden und schon jetzt wusste ich, dass sie alles daran setzen würde, das was sie wollte auch zu bekommen. Es war alles immer nur eine Frage der Zeit. Soviel hatte ich in der kurzen Zeit bei ihr schon mitbekommen. Manchmal fand ich es erstaunlich, dass die noch ein Kind war. Plötzlich aber brummte es neben meinem Ohr und aus dem aufgekommenen Reflex heraus schlug ich nach dem Insekt, welches sich als eine Biene entpuppte. Ich schaute wieder auf und stellte fest, dass dies nicht die einzige war. Es waren fünf oder sechs, die wohl zum Fenster herein geschwebt waren.

  • Ein Summen drang an Sisennas Ohr, das hier nicht hergehörte. Bienen fielen ihr ein, aber es könnte auch Schmeißfliegen sein. Oft genug stank es in Rom. Wer wusste schon, was alles für Abfälle in der Markthalle anfielen und wo die entsorgt wurden.
    Suchend blickte sie sich um, bis sie eine vorbeifliegende Biene erkannte.


    "Bienen? Wieso?" Zuerst schloss sie aus, dass es sich um ihre handeln könnte. Ihre Bienen saßen in einem Tongefäß und die Produkte des Marktes lockten alle möglichen Fliegen, Wespen und Bienen an. Allerdings würden diese vereinzelten Insekten dann auch im Markt herumschwirren und nicht im Verwaltungsbereich. Besorgt nahm sie weitere Bienen wahr und im Augenwinkel auch Sofians abwehrende Armbewegung.
    "Meine Bienen?", fragte sie ungläubig. "Nicht danach schlagen. Bienen tun nichts, solange sie sich nicht bedroht fühlen." Sie blickte zum Aedil, weil sie immer noch auf die Antwort wartete, während ihre Sorge stieg.


    "Sofian, geh nachsehen, ob alles in Ordnung ist." Sie meinte natürlich ihre Bienen vor der Basilica. "Und gib mir Bescheid, schnell." Sie mochte sich nicht ausmalen, wenn diese Bienen doch zu ihrem Schwarm gehörten. Wie sollte sie diese wieder einfangen? Wer würde alles nach ihnen schlagen? Wie viele würden sterben? Sie machte sich einzig Sorgen um ihre Bienen, alles andere durchdachte sie aktuell nicht.

  • Auch ich schaute mich nach den Insekten um, die hier so zahlreich erschienen waren. Sonderbar, dass sie hier auftauchten, denn eigentlich gab es ja nichts, was sie hätte anziehen können. Dass Sisenna nun besorgt darüber war, ob es ihre Bienen waren, verwunderte mich nicht. Aber das war nicht möglich. Es waren einfach irgendwelche Bienen, die sich hierher verirrt hatten und ich wollte dem Ganzen schon keine Bedeutung mehr beimessen, als ich zum Nachsehen geschickt wurde. Ich nickte nur knapp und verließ gleich darauf den Sprechsaal in Richtung Markthalle, wo die Kaufwilligen in Bewegung geraten waren. Viele strebten dem Ausgang zu und kamen ihm nun entgegen. Kinder weinten und einige Frauen und Männer hatten es sehr eilig die Halle zu verlassen. Tatsächlich! Als ich mich umschaute, erkannte ich, dass sich eine recht freie Fläche um einen Bäckerstand herum gebildet hatte, über dem ein ganzer Schwarm Bienen kreiste. Die Bäckersfrau schlug wild um sich und floh letzten Endes von ihrem Stand, während ein Haufen Bienen sich auf ihre Auslagen nieder senkte. “SO HELFT MIR DOCH!“, rief sie, doch niemand schien dazu bereit. Wenige verbliebene Schaulustige hielten sich in einiger Entfernung zu ihr auf, bereit dazu, die Halle umgehend zu verlassen, sobald der Schwarm etwaige andere Gelüste verspürte.
    “Hast du sowas schon mal gesehen?“, fragte ein hochgewachsener schlaksiger Kerl.
    “Verdammt noch mal, nein! Wo kommen die Viecher denn her?“, antwortete ein anderer.
    Der Schwarm regte sich, wirkte von Weitem wie ein einziger Organismus, der sich immer wieder und wieder verformte, ehe er drohte weiter auszuscheren und auch den Rest der Markthalle zu erkunden.
    Einen Moment lang stand ich wie versteinert da. Das konnten nur die Bienen der kleinen Domina sein, denn woher sonst sollten so viele auf einmal hierher gelangen? Die größere Frage allerdings war, was nun zu tun sei. Einige der mitgereisten claudischen Sklaven kamen mir entgegen und sie wirkten ebenso erschrocken wie hilflos. Dann rang ich mich durch und machte auf dem Absatz kehrt. Sisenna sollte erfahren, dass es ihre Bienen waren und vielleicht wusste ja jemand der schlauer war als ich einen Rat. Also hastete ich wieder hin zum Sprechsaal der Aedile.

  • "Nun ich.." brachte Scato noch heraus bevor das große Summen losging. Er versuchte sich noch auf die Situation direkt vor ihm zu konzentrieren während vor seinem Sprechsaal scheinbar schon Panik ausgebrochen war und sich die Bienen über die Waren auf dem Markt hermachten.
    Die kleine Besucherin seiner Sprechstunde hatte scheinbar was damit zutun, doch Scato war sich da nicht ganz so sicher und verharrte erst einmal in seiner Haltung, bevor er den Satz dennoch beendete.
    "Ich fürchte, dass ich dir da nicht weiterhelfen kann. Noch einmal, darüber habe ich keine Informationen. Bestimmt hat deine Familie jedoch genug Kontakte zu zahlreichen Landbesitzern." merkte Scato noch einmal an bevor er erste Schreie von draußen wahrnehmen konnte.
    "Was ist da draußen los?" fragte er, und hoffte, dass der Sklave oder seine Besitzerin mehr wussten.

  • Die Bilanz war miserabel: Zwei reiche Männer, die Grundstücke besaßen, halfen Sisenna nicht. Der dritte half auch nicht, aber der, weil er nicht wusste, wie. Nicht mal einen Tipp gab er ab. Das heißt, einen Tipp gab es schon, aber nicht die Hilfestellung, wie der realisiert werden konnte. Langsam glaubte Sisenna, man wolle ihr nicht helfen. Keine Liste, kein Name, nichts. Wären nicht die schwirrenden Bienen, die Rufe fremder Menschen und die Nachfrage des Aedils, wäre sie womöglich ärgerlich geworden. All das lenkte sie aber ab.


    Sie drehte sich zu Sofian um, der in diesem Moment den Sprechsaal wieder betrat.


    "Was hast du herausgefunden?", fragte sie, noch immer weitgehend gefasst. Einen Bienenschwarm einfangen, konnte sie selbst nicht. Für alles besaß sie Helfer und Angestellte, und für diesen speziellen Fall, dass eine Altkönigin ausschwärmte, um der jungen Nachfolgerin Platz zu machen, gab es einen Spezialisten in ihrem Betrieb. Der allerdings sollte zu Hause bleiben, weil zur Ausflugzeit mehrere Stöcke unter Beobachtung bleiben mussten.

  • Ich beeilte mich sehr, um wieder in den Sprechsaal zu gelangen, auch wenn ich wusste, dass ich die denkbar schlechtesten Nachrichten im Gepäck hatte. Ohne zu Zögern öffnete ich die Tür und eilte zu Sisenna hin. “Die Bienen sind los!“, sagte ich schnell. “Ein ganzer Schwarm hat sich über einen Bäckersstand hergemacht und die Menschen sind in Panik geraten. Die Bäckerin wurde mehrfach gestochen und von ihrem Stand vertrieben. Nun schwärmen die Bienen weiter...“ Ich war ganz außer Atem. Betroffen schaute ich die kleine Domina, dann den Aedil an. Soetwas war mir noch nie unter gekommen und ich hätte selbst nicht gewusst, was nun zu tun wäre.

  • Ihre Fassung schwand, als Sofian meldete, die Bienen sind los. Die Augen wurden vor Entsetzen immer größer, dabei interessierte sie die zerstochene Bäckerin nicht im Mindesten.
    "Meine Bienen!", rief sie besorgt, drehte sich um und rannte ohne Verabschiedung hinaus. Sie sprang die Treppen mehr hinunter als das sie ging und stürmte Richtung Markthalle. Menschen kamen ihr flüchtend entgegen und vereinzelte Bienen.
    "Sie wehren sich doch nur", schrie sie den Flüchtenden entgegen. "Weil ihr nicht ruhig seid, sind sie es auch nicht."
    Sie hob hilflos die Schultern und ließ sie resigniert sinken. Im Augenblick kam sie nicht in die Halle. Sie musste warten, wenn sie nicht überrannt werden wollte.


    Endlich lichtete sich der Menschenstrom und sie zwängte sich durch. Instinktiv suchte sie nach dem Bereich, der leer sein würde. Der Bäckerstand fiel ihr ins Auge und über ihm, an einem Balken, hing eine Traube Bienen. Zwar schwirrten genug Bienen herum, die Schwarm und Königin verteidigen wollten, aber der Hauptanteil hielt sich bei der Königin auf, weil ihr Überleben das des Schwarms sichern würde. Auf einzelne Bienen konnte ein Schwarm verzichten, nicht aber auf seine Königin.


    "Sofian, wir müssen das jetzt alleine schaffen. Ich habe schon einmal gesehen, wie Valerius das macht. Du suchst dir jetzt Kleidung mit langen Ärmeln. Hier liegt ja genug rum." Womit Sisenna Recht hatte, denn die Stände im Umfeld waren verwaist. "Außerdem einen durchsichtig gewebten Stoff, den du dir über den Kopf legst, und Handschuhe. Dann brauchen wir einen Hocker zum Draufstellen, einen Besen und eine Schüssel." Nun musste sie warten, bis Sofian so weit war. Besorgt blickte sie nach oben. Sie fürchtete nicht, dass die Bienen weiterzogen, denn sie hingen exakt über einer reichhaltigen Nahrungsquelle.
    "Kein Alleingang. Immer nur das machen, was ich dir sage", wies sie ihn ruhig an. Ihre großen Augen unterstrichen die Wichtigkeit ihrer Aussage.

  • Mit Entsetzen schaute ich zu der Traube empor, die aus nichts weiter bestand als aus Bienen. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Ich stand einfach nur da und beinahe wären mir die Anweisungen der jungen Domina entgangen. Doch was sie letztendlich sagte machte mich noch fassungsloser als ich es eh schon war. Ich sollte die Bienen wieder einfangen? Mit nichts weiter als weitem Stoff über Haupt und Körper? Ich schüttelte automatisch den Kopf, blickte noch einmal zu den Bienen empor, von denen bereits einige um mich herum schwebten und verschränkte die Arme vor der Brust. “Das mache ich nicht!“, stellte ich deutlich als Aussage in den Raum. Ich war doch nicht verrückt. Am Ende würde ich aussehen wie ein Nadelkissen, wenn nicht gar noch schlimmeres passierte. Bisher hatte ich mich noch nie gegen eine eindeutige Auffrderung gestellt, doch dieses Mal ging es eindeutig zu weit. “Wir müssen jemanden rufen, der sich mit Bienen auskennt,“ sagte ich dann noch.

  • Zuerst sah Sisenna ihren Sklaven verblüfft an. Widersetzen kannte sie von keinem aus der heimischen Villa, oder sie bekam es nie mit. Recht schnell musste sie jedoch grinsen und brach schließlich in schallendes Gelächter aus. Als sie sich halbwegs beruhigt hatte, hielt sie sich noch immer beide Wangen, weil die von der langen Lachbeanspruchung schmerzten.


    "Aber Sofian, du musst doch keine Angst haben", sagte sie noch immer grinsend. In ihre Vorstellung passte es nicht, dass ältere mehr Angst als sie selbst zeigten. "Das ist auch ganz ungefährlich. Schau, die Bienen werden nur ihre Königin bewachen, sonst nichts. Sie bleiben bei ihr und wenn wir ruhig an die Sache herangehen, werden auch die herumfliegenden Bienen nichts machen. Ich weiß jetzt nur nicht, ob du aus lauter Angst vielleicht zu hektisch bist." Ihr Lächeln verschwand, sie dachte nach. Selbstvertrauen und eine innere Gewissheit in Bezug auf die Gutmütigkeit von Bienen gehörten zu einem gutem Imker dazu. Viele Tiere rochen Angst, aber ob das bei Bienen der Fall war, wusste Sisenna nicht. Sie selbst empfand keine Angst vor ihren Bienen, obwohl sie auch schon zweimal gestochen wurde. Beide Male ging die Schuld auf ihr Konto: Sie hatte eine Biene übersehen, als sie nach einem Saftglas griff, und der zweite Stich passierte, als sie sich auf eine Biene im Gras setzte.


    "Wenn du dich das nicht traust, müssen wir die Markthalle räumen. Jemand muss Valentinus holen und solange kann niemand einkaufen." Sie wartete ab, wie sich Sofian entscheiden würde. Normalerweise besaß ein Sklave keine Entscheidungsfreiheit, aber in diesem speziellen Fall musste er von sich aus wollen, wenn er ihr eine Hilfe sein sollte.

  • Aufregung pulste durch meinen Körper, während ich noch immer – beinahe mit offenem Mund - die Bienen betrachtete, welcher ich habhaft werden sollte. Ausgerechnet ich! In meinem Kopf stellte sich bereits die Frage, wie viele Stiche ein Mann verkraften konnte und auch wenn die kleine Domina nun versuchte mir zu erklären, dass es vollkommen ungefährlich war, so würde ich ihr auf gar keinen Fall glauben. Wieviel Ahnung von Bienen konnte sie in ihren jungen Jahren schon haben? Sie war ein Kind! Nur mit einem hatte sie recht: Natürlich würde ich hektisch werden, denn ich hatte vor dieser Aufgabe mehr als nur Respekt und darüber hinaus kannte ich mich mit Insekten überhaupt nicht aus. Allein die Vorstellung irgendein Gefäß über diese aufgeregte Traube an Bienen zu stülpen und Gefahr zu laufen, dass diese wie wildgeworden über mich hinein brach, trieb mir eine Gäsehaut über den Leib. Ich war kein Imker und ich war auch nicht lebensmüde. Überhaupt wäre dies betimmt eine neue, interessante Todesart für die Arena. Wäre es nach mir gegangen, so wäre ich geflohen, wie alle anderen in dieser Markthalle auch, denn ich war schließlich kein verdammter Honigbär. Wieder schüttelte ich den Kopf und war mir vollkommen gewiss, dass ich diesen Befehl niemals ausführen würde. Das konnte ruhig ein anderer machen, der verrückt genug war. Vielleicht war es ja dieser Valentinus.


    Mir war es egal, ob die Markthalle geräumt werden musste. Mir war es auch egal, ob die Leute weiterhin einkaufen konnten. Ich würde hier keinen inger krumm machen. Meine Arme blieben vor der Brust verschränkt, während ich trotzig sagte: “Dann werde ich jemandem sagen, dass er Valentinus holen soll!“ Dann blickte ich auf die junge Domina. “Und du solltest auch nicht hier sein, junge Domina! Das ist nämlich gefährlich!“ Am liebsten hätte sie nun am Arm gefasst und hinaus geschleift. “Am besten du folgst mir mit hinaus!“

  • Für Angst hatte Sisenna Verständnis. Trotz hingegen mochte sie nicht, wenn andere außer ihr diesen zeigten. Sie blickte einige Atemzüge lang ihren Sklaven an und schien zu überlegen. Vielleicht gehörte der Trotz zu Sofian und er zeigte nun sein wahres Gesicht. Kein Stückchen Hilfsbereitschaft ließ er erkennen. Von Dienstbeflissenheit fehlte auch jede Spur, was aber an seiner neuen Rolle liegen konnte. Insgesamt hatte sie sich ein schöneres Verhältnis vorgestellt. Fast wäre sie die Tage zuvor auf die Idee gekommen, er könne so etwas wie ein größerer Beschützer sein. Natürlich konnte er kein Freund oder großer Bruder sein, das machte er ihr gerade klar. Er war ein Sklave ohne jede Bindung zu ihr.


    Sie mochte nicht, wie er mit ihr sprach, und wie er dastand, gefiel ihr auch nicht.
    "Dann geh jemand sagen, dass er Valentinus holen soll!", erwiderte sie und schaute anschließend weg. Sie machte deutlich, dass sie ihn erstens nicht mehr sehen wollte und zweitens, dass er schon bei ihrer ersten Aussage jemandem hätte Bescheid sagen können, der Valentinus herholte.
    Sie würde bei ihren Bienen bleiben, um aufzupassen, dass niemand mit einer Wasserkanone spitzte oder ihre Lieblinge anzündete.


    Zum Glück gab es ja noch anderes Personal, nämlich jenes, das ursprünglich die Bienen transportierte. "Iason, sorg dafür, dass die Markthalle geräumt wird und ich brauche eine Sesterze." Sie hielt die Hand auf. Ihr Geld trug sie nicht selbst. Zu schnell würde ein Dieb es ihr entreißen können. Das Geldstück legte sie auf den Bäckerstand, nahm sich eine Portion Kekse, setzte sich auf einen Schemel und aß, während sie wartete. Den Schemel stellte sie so, dass sie Sofian nicht ansehen musste.

  • Zu diesem Zeitpunkt hatte Scato eigentlich schon mit dem heutigen Tag abgeschlossen. Ein kleines Mädchen kam in seinen Sprechsaal, wollte ihm mit einem Hundeblick ein Grundstück aus den Rippen leiern welches er ihr effektiv nicht geben konnte und um das ganze noch zu steigern, schwirrten ihre wertvollen Bienen plötzlich über die Märkte, was für eine kleine Panik und einige schmerzhafte Beulen sorgen würde.
    Doch die wahre Tragödie war ganz klar der Umstand, dass Sisenna der Augapfel ihres Onkels Menecrates war welcher seinerseits auch der Vormund und Großvater seiner Verlobten war, ein Bund welchen Scato mit viel Fleiß eingefädelt hatte. Er konnte ihr also nicht einfach die Leviten lesen ob ihrer doch recht dummen Aktion mit ihren kleinen gelb-schwarzen Freunden.
    "Sisenna, ich werde nun die Vigiles rufen lassen damit der Markt geräumt wird. Das wird einen erheblichen Schaden anrichten aber deine Bienen tun das ohnehin sehr gut." sagte Scato sichtlich angefressen und deutete einem seiner Scribae an loszugehen und die Vigiles zu alarmieren. Er wusste zwar nicht so genau wie die Vigiles sich dem Problem annehmen würden, aber die würden sicherlich einen Plan haben.

  • Offenbar wollte die kleine Domina nicht mit hinaus gehen und meine Blicke schweiften wieder hinauf zu dem Schwarm, der sich wie ein einziger Organismus, an einem Balken hängend um seine Königin scharte. Ich hatte keinerlei Erfahrungen mit Bienen und wenn ich mir nun die Sache genauer betrachtete, so wollte ich sie auch gar nicht haben. Aber war es nicht so, dass Bienen nur einmal stechen konnten und danach verstarben? Schnell eilte ich hinaus und rief Valentinus entgegen, dass er schnell erscheinen sollte. Er war doch mitgekommen oder etwa nicht? Wie dem auch war, ich kannte wirklich noch nicht jeden aus dem Haus der Claudier, doch sollte der Besagte nicht anwesend sein, so konnte sich ein anderer Sklave aufmachen, um ihn zu holen. Dann ging ich zügig zurück. Ich blickte wieder zu Sisenna, die sich nun ungehalten über mein Verhalten war und sich dank der durch iason gereichten Münze nun eine Portion Kekse gönnte und diese im Angesicht ihrer Bienen aß, was ich für keine gute Idee hielt. “Domina…!“, setzte ich an, doch schwieg sogleich wieder, als der Aedil nun ankündigte, dass er die Vigiles holen lassen wollte, um den Markt zu räumen. Das würde mit Sicherheit Ärger für die Claudierin geben. Immerhin schien Flavius Scato schon ein wenig gallig zu sein. Ich näherte mit Sisenna und blieb hinter ihr stehen, wobei ich aufpasste, dass ich nicht von zu vielen Bienen umflogen wurde. “Domina, schau,“ sagte ich dann nach einem kurzen Nachdenken. “Ich kenne mich doch gar nicht mit Bienen aus und wenn ich nun versuchen würde sie einzusammeln, dann würden sie mich stechen. Bestimmt würden mich ganz viele stechen, das sie versuchen würden, ihre Königin zu verteidigen.“ Ich machte eine Pause, um zu sehen, wie meine Worte auf die kleine Domina wirkten. “Und du weißt doch, dass die Bienen sterben würden, wenn sie das tun. Sie verlieren ihren Stachel und die Verletzung, die sie dabei erleiden ist so groß, dass sie das nicht überleben können….“ Ich seufzte leise und sagte versöhnlich: “Du willst doch nicht, dass sie sterben, also brauchen wir jemanden, der sich damit auskennt und Valentinus ist dafür einfach der bessere Mann.“

  • Die Art, wie Sofian nach Valentinus rief, riss auch den letzten Helfer aus seiner Schreckstarre. Sie sahen vor Minuten, wie der Schwarm aus dem Behältnis floh, wussten aber nicht, was sie tun sollten. Plötzlich kam Bewegung in die Helfer.
    "Ich gehe", rief einer, nahm seine Beine sprichwörtlich in die Hand und lief, als wäre Pluto persönlich hinter ihm her. Er würde eine Weile brauchen, bis er - zurück in der Villa - Valentinus fand und mit ihm zurückkehrte.


    Sisenna kaute unterdessen ihren Keks. Die Angst um ihre Bienen unterdrückte sie, weil sie auf Valentinus' Erfahrung setzte. Angst um ihre Person kannte sie nicht. Außerdem kreisten ihre Gedanken um Sofian, bis der Aedil sie ansprach - IHN hatte sie gänzlich vergessen. Sie hörte auf zu kauen, sah Flavius Scato an und hörte zu.
    "Ja, das ist gut", sagte sie auf den Vorschlag hin, dass die Feuerwehrleute den Markt räumen würden. Den Vorschlag fand sie hilfreich, sie wollte selbst, dass die hektischen und ängstlichen Marktbesucher verschwanden. Dann allerdings keimte Sorge auf. Sie ließ die Hand mit dem Keksrest sinken und blickte Scato furchtsam an. "Die werden aber nicht auf meine Bienen spritzen, richtig?"


    Bevor eine Antwort kam, machte sich Sofian in ihrem Rücken bemerkbar. Erst wollte sich Sisenna nicht umdrehen, aber ihr Sklave schlug freundliche Worte an, sodass sie ihm schnell vergab. Nachtragend konnte sie keiner nennen, sie verzieh schnell. Ihr leuchtete außerdem ein, was Sofian sagte. Damit bestätigte er ihre erste Annahme, dass er aus Angst unfreundlich auftrat.
    "Ich habe längst eingesehen, dass du mir nicht helfen kannst, weil du mit deiner Angst alles nur schlimmer machen würdest", verteidigte sie sich, während sie sich zu ihm umdrehte. "Ich fand nur nicht schön, dass du mich allein gelassen hast." Das meinte sie nicht wörtlich. Sie fühlte sich im Stich gelassen, weil er sich nicht bemühte, sie zu unterstützen. Er wollte nur fliehen und das konnte Sisenna nicht.
    "Du hast Recht, meine Bienen sterben, wenn sie stechen", sagte sie leise und zum ersten Mal erfasste sie Resignation. "Hoffentlich ist Valentinus bald hier." Ihr Blick richtete sich nach oben. So lange der Schwarm an dem Balken hing, gab es Hoffnung. Er musste nur abgekehrt und in einem Behältnis aufgefangen werden.
    "Sofian, wenn die Feuerwehr kommt und meine Bienen vollspritzen will, dann musst du sie daran hindern. Versprichst du das?" Hier konnte er alles wieder gut machen, was er vorhin versäumte.

  • Irgendwie war ich froh, dass die kleine Domina sich nun herumdrehte und vor allem aufhörte, die Kekse zu essen. Am Ende hätte sich vielleicht doch eine Biene darauf verirrt und nicht auszudenken, wenn sie gerade in so eine empfindliche Region stach, wie eine Lippe. Ich konnte ihr wirklich nicht helfen. Nicht in dieser Situation, mit der ich wahrscheinlich nicht alleine überfordert war. Eigentlich hatte ich gar nicht vorgehabt, Sisenna im Stich zu lassen, doch ich würde eben nicht alles blind tun und letztendlich wohl gar mein Denken ausschalten, nur um gehorsam zu sein. Dafür war ich wohl nicht Sklave genug und ich hoffte inständig, dass ich das auch niemals werden würde. In diesem Moment allerdings blieb nur noch zu hoffen, dass Valentinus wirklich schnell hier erscheinen würde, um dem ganzen Spuk ein Ende zu machen. Sofern es denn ohne Komplikationen möglich war. Die folgenden Worte der Claudia allerdings machten deutlich, wie jung sie wirklich war. Wie sollte ich denn die Vigiles daran hindern zu tun, was immer sie meinten tun zu müssen? Doch Sisenna sorgte sich eben um ihre Bienen und deshalb nickte ich. “Ich werde alles tun was in meiner Macht steht,“ erklärte ich ruhig und diplomatisch. “Das verspreche ich.“ Es würde sich ja zeigen, wie weit meine Macht reichen würde, aber viel Hoffnung hatte ich nicht, außer, dass die Vigiles nicht zur Brandlöschung hier waren, sondern um den Markt zu räumen. Ich blickte zur Tür. Hoffentlich war Valentinus bald da!

  • [Blockierte Grafik: http://up.picr.de/30192903rf.jpg]


    Valentinus stand natürlich nicht wunschgemäß an der Tür, sondern hielt sich im der weitläufigen Parkanlage der Villa auf. Der Bote rannte den Hang mehrmals hinauf und wieder hinab, jeweils immer an verschiedenen Stellen und mitunter diagonal, bis er schließlich den Bienenkundigen fand.
    "Valentinus", rief er außer Atem. Er musste mehrfach in gekrümmter Haltung durchatmen, während er sich die stechende Seite hielt. "Die Domina." Wieder japste er nach Luft. "Die Bienen." Es half alles nichts, er musste erst Luft schöpfen, und sich sammeln, bevor er einen weiteren Anlauf unternahm.


    Valentinus setzte derweil in ruhigen Bewegungen seinen Kopfschutz ab. Im Umgang mit Bienen rächte sie Hektik immer. "Ganz ruhig. Was ist denn passiert?" Er setzte voraus, dass etwas passiert sen musste, denn der Bote Sisennas ähnelte einem Nachrichtenübermittler in Kriegszeiten.

    "Die Domina befindet sich in der Markthalle und mit ihr ein Schwarm Bienen. Frei fliegend!"
    Fast wollten ihm die Augen aus den Höhlen treten. Er holte zweimal Luft, dann fügte er an: "Du sollst kommen , so schnell du kannst."


    "Oje", entfuhr Valentinus, der den Ernst der Lage erkannte. "Du musst tragen helfen. Ich muss den Wasserzerstäuber mitnehmen, einen zweiten Umhang und eine zweite Haube, eine Leiter, einen Besen und einen großen Auffangkorb. Außerdem eine Transportröhre. Los! Ich schätze, wir müssen uns beeilen."
    Der Bote verdrehte bei der letzten Bemerkung die Augen. Sein Limit war eigentlich erreicht.

  • Ihr blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten. Die Kekse schmeckten ihr plötzlich nicht mehr, weil sie anfing, sich Sorgen zu machen. Sie wusste nicht, was passierte, wenn die Vigiles eintraf. Mitten in ihre Gedanken drang das Anschwellen der Summgeräusche. Sisenna blickte zum Balken nach oben und innerhalb von Sekunden schwoll das Summen zu solcher Lautstärke an, dass sie nichts und niemanden hörte, der nicht unmittelbar neben ihr stand. Es schien Hektik unter den Bienen auszubrechen, deren Ursache Sisenna nicht erkannte, aber deren Folgen sie ahnte. Zuerst erhoben sich einzelne Bienen aus der Traube und schwebten im Zickzackflug über dem Balken. Schnell wurden es mehr und auch der Flugradius der einzelnen Bienen wurde größer. Siesenna brauchte nicht den Kopf zu ducken, denn die Bienen strebten nach oben und nicht in Fußbodennähe.
    Es dauerte nur Sekunden, dann schwirrte es unterhalb der Decke in der gesamten Markthalle. Die wachsende Anzahl an Bienen, die sich dem Treiben anschloss, verdunkelte die Decke. Noch vor Ort verbliebene Menschen rannten spätestens jetzt in Panik zu den Ausgängen - schreiend und schubsend.


    Sisenna sprang von ihrem Platz. "Sie schwärmen aus!", schrie sie gegen den Lärm an.
    Die kreisenden Bienen hatten sich plötzlich für eine spezielle Richtung entschieden und strebten dem westlichen Ausgang zu. Den ersten folgten weitere bis sich nach und nach auch die noch auf dem Balken verbliebenen anschlossen. Innerhalb kürzester Zeit leerte sich die Markthalle, das ohrenbetäubenden Surren ebbte ab.


    Sisenna musste nicht zum Balken schauen; sie wusste, der war leer. In Panik rannte sie hinaus, um die Richtung zu wissen, wohin es ihre Bienen zog.

  • Für einige Römer war ich ein gemeines Biest. Eine regelrechte femme fatale. (Was auch immer man darunter verstehen wollte.) Aber eigentlich stand ich nur für das ein, woran ich glaubte. Und ich glaubte zum Beispiel daran: Dass man nach dem Ende einer kleinen Eiszeit erstmal eine Runde Frühjahrs-shoppen gehen sollte. Oder auch: Dass ein fairer Wettbewerb nach den Regeln der Lex Mercatus wichtig war für den freien Markt. Darum kam ein Bote zum Sprechsaal der Ädile und gab einen versiegelten Brief für den Aedilis Curulis ab:


    Wer das Siegel brach, der konnte das Schreiben lesen....


    Sim-Off:

    Sextus Aurelius Lupus hat eine PN. ;)

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