[Exedra Aedilium] Der Sprechsaal der Aedile

  • Da leistete man fast seine gesamte Amtszeit ab, ohne dass irgend etwas wirklich passierte. Ein paar Anmeldungen hier, ein paar Ummeldungen da, nichts wildes. Es schien fast, als ob sich wirklich alle an die Gesetze hielten und Sextus nichts, aber auch gar nichts zu tun hätte. Und dann, ein paar Tage vor Ende seiner Amtszeit, kam doch noch ein Brief mit einer Beschwerde. Diesmal wegen unlauteren Wettbewerbs, genauer gesagt fehlerhafte Werbung für ein Produkt. Nach einer kurzen Prüfung durch einen Diener der Basilica Iulia konnte auch sogleich bestätigt werden, dass hier tatsächlich ein Verstoß vorlag. Tja, dann kam er wohl doch noch dazu, tatsächlich jemanden zu verwarnen.


    Jetzt fragte sich nur noch, wo die betroffene Person wohnte, denn auch nach einiger Suche stand eine tatsächliche Adresse des Mannes nicht fest.


  • An die Aediles
    Roma


    Die Prytanen der Stadt Alexandria haben beschlossen, von den Möglichkeiten der neuen Lex Mercatus Gebrauch zu machen und bitten daher um die Genehmigung zum Verkauf folgender geerbter Warenbestände zum jeweiligen Standardpreis:


    150 Eier
    1877 Einheiten Trauben
    589 Einheiten Brot
    9 Einheiten Fisch
    2 Einheiten Gemüse
    11 Einheiten Brot mit Käse
    49 Einheiten Obst
    81 Einheiten Räucherfleisch
    7 Einheiten lukanische Würste
    9 Amphoren Landwein
    6 Bilder
    105 Genussmittel
    20 Stutenmilch
    40 Salben
    15 Bücher
    12 Pferde
    16 Werkzeug
    10 Einheiten Getreide
    150 Einheiten Wachs
    70 Einheiten Farbe
    3 Einheiten Tinte
    10 Einheiten Edelholz
    30 Einheiten Leder
    7 Einheiten Papyrus
    70 Einheiten Balsam


    Chairete!
    Oineus Kilidis, Archeprytanes Alexandria

  • Natürlich dauerte es eine Weile, bis sich die beiden Aediles zusammengefunden hatten und sich selbst mit der neuen Lex Mercatus soweit vertraut gemacht hatten, dass sie den Brief aus Alexandria prüfen konnten. Dies war einer der Fälle, in denen ihrer beider Zustimmung notwendig war. Daher dauerte es bis zur Formulierung der Antwort etwas länger. Doch schließlich würde die Stadt Alexandria folgenden Brief erhalten:


    AEDILES CURULIS ET PLEBIS
    ANTE DIEM V KAL MAI DCCCLXVIII A.U.C.
    (27.4.2018/115 n.Chr.)


    An die Prytanen der Stadt Alexandria,


    hiermit genehmigen wir den Verkauf der Waren:
    150 Eier
    1877 Einheiten Trauben
    589 Einheiten Brot
    9 Einheiten Fisch
    2 Einheiten Gemüse
    11 Einheiten Brot mit Käse
    49 Einheiten Obst
    81 Einheiten Räucherfleisch
    7 Einheiten lukanische Würste
    9 Amphoren Landwein
    6 Bilder
    105 Genussmittel
    20 Stutenmilch
    40 Salben
    15 Bücher
    12 Pferde
    16 Werkzeug
    10 Einheiten Getreide
    150 Einheiten Wachs
    70 Einheiten Farbe
    3 Einheiten Tinte
    10 Einheiten Edelholz
    30 Einheiten Leder
    7 Einheiten Papyrus
    70 Einheiten Balsam


    Im Gesamtwert von 8020 Sesterzen zum jeweiligen Standardpreis gemäß § 17,1 in Verbindung mit § 16,2 der Lex Mercatus.


  • Ein Sammelsurium an Anliegen begleitete Menecrates zuu Basilica Iulia. Ein Erbfall brachte diese überraschende Schwemme mit sich. Der Claudier machte sich höchst selbst auf den Weg anstatt seinen Verwalter vorzuschicken, um die eine oder andere Unklarheit zu beseitigen. Wissen bedeutete ihm viel.


    Beim Sprechsaal angekommen, schickte er einen Sklaven vor, der ihn anmelden sollte.
    "Salve, der Senator Claudius Menecrates wünscht den Aedil zu sprechen." Er hätte auch das Wörtchen 'Consular' einfließen lassen können, aber Menecrates schätzte es nicht, dick aufzutragen und das wusste sein Personal.

  • Die Mitarbeiter des Aedils wussten dennoch, dass Claudius Menecrates nicht nur Senator, sondern auch Consular war, so dass er nicht lange warten musste, bis er zum Aedil vorgelassen wurde.


    "Salve, Claudius Menecrates. Wie kann ich dir helfen?" fragte jener, als sein Senatskollege vor ihm stand.

  • Menecrates folgte der Ladung und trat vor den Magistrat.
    "Salve Aedil. Du kannst mir in vielfältiger Hinsicht helfen, denn ich habe durch eine Erbschaft einiges an Eigentum umzuschichten bzw. habe es verschenkt. Ich bitte um die Erfassung folgender Eigentumsänderungen:
    Die Tongrube Fodina Figulina Anaxandris und den Töpfer Officina Figulina Anaxandris habe ich dem Praesinafahrer Tisander geschenkt. Er erhält die Betriebe mit all den eingearbeiteten Sklaven."

    Er wartete, bis der Aedil den Wunsch notiert hatte, dann furh er fort.
    "Der Farbmischer Officina Pigmentaria Anaxandris wechselt in das Eigentum meines Kapitäns Pitholaus Plato. In diesem Zuge soll er in 'Färberei Pitholaus' umbenannt werden." Auch hier wartete er einen Moment, bis er fortfuhr.


    "Schließlich benötige ich noch eine Lösung für den Jägereibetrieb Venatores Anaxandris. Ich wollte ihn zunächst im unmittelbaren Eigentum der Familie belassen, kann selbst aber keinen weiteren Betrieb führen, auch nicht zum parken. Mein Sohn Gallus darf kein Eigentum führen, weil er unter meiner Patria Potestas steht. Hinzu kommt das neue Marktgesetz. Es ist derart komplex, sodass ich Unterstützung brauche, wie die Abwicklung erfolgen kann."


    Ohne den Aedil erschlagen zu wollen, schob er eine weitere Bitte hinterher.
    "Ein zweiter Fahrer der Praesina, Marsyas, hätte gern einen neuen Betrieb genehmigt und ich habe zugesagt, dies gleich mit in die Wege zu leiten, wenn ich einmal hier bin. Es handelt sich um einen Architekturbetrieb."

  • Der Aedil ließ die jeweiligen Wünsche notieren und nickte dazu. Alles schien soweit unkompliziert zu sein und kein amtliches Veto zu erfordern. Nur bei der vermeintlichen Frage nach dem Jägereibetrieb war er überfragt oder vielleicht eher unterfragt.


    "Was genau ist denn deine Frage bezüglich dieses Jägereibetriebs? Wenn es dir nach dem Marktgesetz nicht erlaubt ist, ihn in deinem Eigentum zu behalten, dann hast du keine andere Wahl, als ihn einem anderen Eigentümer zu übergeben oder ihn zu schließen", erläuterte er die Gesetzeslage, die ihm in diesem Punkt recht klar zu sein schien.

  • Die Möglichkeit, dass der Aedil ihn ungenau verstanden hatte, war verschwindend gering. Also ging Menecrates davon aus, genau die Antwort erhalten zu haben, die er vorab befürchtete. Trotzdem wollte er sichergehen, bevor er Entschlüsse fasste.


    "Es ist, wenn ich die Gesetze und dich richtig verstanden habe, also so, dass weder mein Sohn noch meine Enkelkinder Betriebe in ihr Eigentum übernehmen dürfen. Sie dürfen es auch dann nicht, wenn sie die Betriebsführung gezwungenermaßen in meine Hände legen, da ich die Patria potestas über sie habe. Richtig?“ Er wartete einen Moment, bevor er weitersprach.


    "Wenn dem so ist, sind Familien mit intakten Strukturen solchen gegenüber benachteiligt, wo Eltern bereits verstorben sind. In der Theorie darf jeder volljährige Römer fünf Betriebe führen. In der aktuellen Praxis dürfen das aber nur die Waisen unter uns. Habe ich das richtig verstanden?" Es kam zumindest keine Lösung seitens des Aedils, wie der Betrieb trotz dieser Umstände innerhalb der Familie verbleiben könnte.

  • Erst aus der Antwort des Consulars schloss der Aedil, dass er die Frage offensichtlich schon beantwortet hatte. "Ich würde die Kausalität eher andersherum ausdrücken, aber in der Sache stimmt es: Gerade weil deine Kinder und Enkel deiner Patria Potestas unterstehen, können sie keinen Betrieb im Eigentum haben, selbst wenn sie faktisch die Betriebsführung innehaben. Das ist ja ein sehr alter Grundsatz der Gewalthaberschaft, wenn du mir diese Bemerkung gestattest", antwortete der Aedil mit einem bescheidenen Gesichtsausdruck, denn als Aedil stand es ihm kaum zu, einen Consular über Rechtsgrundsätze zu belehren.


    Trotzdem wollte er eine präzise und korrekte Antwort geben. "Deine zweite Anmerkung zu Theorie und Praxis ist so jedoch nicht ganz korrekt. Es gibt keine gesetzliche Passage, die jedem volljährigen Römer das Recht auf das Eigentum an Betrieben zuspricht. Ob Römer oder nicht spielt keine Rolle. Das zweite Kriterium neben der Volljährigkeit ist vielmehr die Freiheit. Ein gewaltunterworfener römischer Bürger ist also von Anfang an raus, nicht erst durch eine spätere Einschränkung. Ein freier Mensch kann dagegen Eigentümer sein, auch ohne Bürgerrecht. Und auch in der Praxis sind es bei Weitem nicht nur die Waisen, die Betriebe im Eigentum haben dürfen, denn es gibt ja auch genug Kinder, die von ihren Eltern emanzipiert wurden."

  • Menecrates wollte dem Aedil nicht ins Wort fallen, obwohl er im Grunde alles von dem, was er zu hören bekam, wusste und auch nicht hinterfragte. Dass er so wortwörtlich genommen wurde, lag nicht in seiner Absicht, aber er musste sich deswegen auch nicht wundern, weil es in seiner eigenen abgekürzten Vortragsweise begründet lag.


    "Mir ist das alles klar. Ich habe die Sachverhalte nur etwas abgekürzt dargestellt. Entschuldigung.
    Schlussendlich läuft es darauf hinaus, dass ich in meinem speziellen Fall meine Kinder und Enkelkinder emanzipieren müsste, wenn ich unsere Familie einer anderen gleichstellen möchte, bei der durch löchrige Strukturen keine Gewalthaberschaft besteht und jedes Familienmitglied rechtlich in der Lage wäre, Betriebe zu kaufen. Da meine Kinder dies nicht dürfen, was ich keineswegs moniere, da aber ich per Gesetz das für sie auch nicht auffangen kann, halte ich das für eine Ungleichbehandlung der verschiedenen Familienkonstellationen.
    Nehmen wir zum Bespiel einen Vater mit drei nicht emanzipierten Kindern. Diese Familie darf fünf Betriebe führen. Zum Vergleich steht eine Familie mit drei Geschwistern und einer Tante. Alle vier Personen dürften jeweils fünf Betriebe führen. Ich setze voraus, dass bei beiden Familien nichts anderes gegen eine Betriebsführung spricht. Die eine Familie dürfte fünf Betriebe besitzen, die zweite zwanzig. Das meine ich mit Benachteiligung."

    Er betrachtete die Unterredung als Gedankenaustausch, mehr nicht.


    "Ich würde das gern auf einer Senatssitzung debattieren. Vielleicht mit dem Ziel, einem Gewaltinhaber je nach Familiengröße eine größere Anzahl an Betriebsführungen zuzugestehen. Vielleicht ergeben sich auch andere Lösungen, wer weiß. Auf alle Fälle möchte ich heute beantragen, die Frist zur Klärung des Verbleibs des Jägereribetriebs zu verlängern. Im besten Fall bis zum Ergebnis der Debatte. Wäre das möglich? Ich sichere zu, den Betrieb bis dahin stillzulegen bzw. nicht zu bewirtschaften."

  • Zu den Ausführungen des Consulars nickte der Aedil wortlos. Er verstand, was gemeint war, aber als ausführender Magistrat hatte er dadurch trotzdem nicht mehr Spielraum. Tatsächlich war dies wohl eine Angelegenheit für den Senat. Daraus eine Fristverlängerung zu machen erschien ihm jedoch schwierig.


    "Nun, solange der Consul eine solche Debatte nicht einmal auf die Agenda genommen hat, kann ich unmöglich aus einem völlig unbestimmten Termin eine Verlängerung für eine feste Frist machen. Ich müsste ja nicht nur dein Verfahren, sondern alle derartigen so lange pausieren und das geht nun sicher nicht für eine unbestimmte Zeit. Ich sehe noch nicht, wie ich dir hier entgegenkommen kann", stellte der Aedil mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck fest. Sein Bedauern würde dem Consular zwar nicht helfen, aber er wollte auch nicht den Eindruck vermitteln, sich an seiner Machtlosigkeit in dieser Sache zu erfreuen.

  • Trotz der Antwort sah es nicht nach einem Problem für Menecrates aus.


    "Dann will ich hoffen, sowohl die Senatsdebatte als auch eine mögliche Lösung innerhalb der gesetzlichen Frist anregen zu können. Im Augenblick eilt die Entscheidung noch nicht. Die Erbschaft ist ganz frisch.
    Ich melde mich zu gegebener Zeit bzw. sehen wir uns ja im Senat und vielleicht könnte ich dir dann auf diesem kurzen Weg meine Entscheidung mitteilen.
    Besten Dank! Vale!"


    Er wartete einem Moment, ob der Aedil noch einen Hinweis geben wollte, dann wandte er sich zum gehen.

  • Menecratres schickte einen Boten zur Bisilica Iulia, um für ihn die Genehmigung zu erwirken. Der Mann meldete sich an und trat vor, als er an der Reihe war.


    "Salve. Ich komme im Auftrag des Senators Claudius Menecrates, der anlässlich seiner Ernennung zum Praefectus Urbi spenden möchte. Geplant sind Spenden explizit an die Soldaten und Offiziere der zugehörigen Einheit sowie Spenden für jeden in Rom. Die Spendenhöhe ist mit mehr als 500 Sesterzen Wert veranschlagt und kann je nach Absatz sogar die 2000 übersteigen."

  • Der Aedil blickte etwas mürrisch drein, während er auf seinem Amtsstuhl saß und ein Anliegen nach dem anderen verhandelte. Die Hitze machte ihm zu schaffen und dass die meisten Anliegen langweiliger bürokratischer Kram waren machte es nur wenig erträglicher.


    "Ob über 2000 oder nicht ist erst bei der nächsten Spende relevant. Wenn er über 2000 ist, braucht er ab dann ein Jahr lang immer die Genehmigung zweier Aedil. Ansonsten: Was beabsichtigt er denn zu spenden? Lebensmittel?"

  • Die Sache mit den 2000 wusste der Bote nicht einzuschätzen, aber er rechnete damit, dass dies sein Auftraggeber konnte. Er selbst sollte nur den Hinweis abgeben und hatte nicht gefragt, warum. Er überlegte noch, ob er die erhaltene Auskunft würde ausrichten müssen.
    Die nächste Frage konnte er leicht beantworten. "Ja, alles Lebensmittel, keine Sachware. Erfrischungen, Waren zum Verzehr, sowas und sonst nichts." Klang nach wenig, würde es aber nicht sein, wie er den Claudier kannte und den Anlass einschätzte.

  • Der mürrische Ausdruck wich nicht aus dem Gesicht des Aedils, während er nickte und seinem Schreiber das Zeichen gab, dass nun eine Entscheidung kam, die notiert werden sollte.


    "Verstehe. Die Spende ist genehmigt. Ich vermerke einen Gesamtwert von 2000 Sesterzen. Wenn die tatsächliche Spendensumme davon nennenswert abweicht, erwarte ich nach dem Ende der Maßnahme eine Benachrichtigung."

  • Musste ein beschissenes Amt sein, dem Gesichtsausdruck des Aedils nach zu urteilen. Der Bote beglückwünschte sich, einen anderen Berufsweg eingeschlagen zu haben.


    "Geht klar, das richte ich aus." Er betrachtete die Angelegenheit für abschließend besprochen und geregelt. Er führte einen militärischen Gruß aus, der ungeschickt gelang, weil der Bote nie beim Militär gedient hatte. Dann beugte er sich vor und näherte sich dem Gesicht des Aedils. "Und niemals lachen. Das verdirbt die Verwaltungsatmosphäre." Er grinste, richtete sich wieder auf und drehte sich um.
    "Danke nochmals und vale!"

  • Aediles
    Roma


    Quaestor Mogontiaci S. Fuficius Flamma Aediles s. d.


    Die Civitas Mogontiacum möchte von den Möglichkeiten der neuen Lex Mercatus Gebrauch machen. Im Namen der Civitas bitte ich daher um die Genehmigung zum Verkauf diverser geerbter Warenbestände zum jeweiligen Standardpreis.


    Die Warenaufstellung bitte ich aus anliegender Liste zu entnehmen.


    Valete bene


    Sextus Fuficius Flamma

    ANTE DIEM VI KAL SEP DCCCLXVIII A.U.C. (27.8.2018/115 n.Chr.)



    Aufstellung verkäuflicher Waren



  • Aedilis in iure est


    Hatte der Tag des erkorenen Aedilis Curulis Manius Flavius Gracchus Minor am Morgen begonnen, so dauerte es bis um die Mittagszeit, ehe er Gelegenheit erhielt, in der Basilica Iulia auf seinem eponymen Sitzmöbel sich zu platzieren. Die Sella curulis war Eigentum des Magistraten und da die Flavii nicht wenige curulische Magistrate zu ihren Ahnen zählten, pflegten sie jene Insignie der Amtsgewalt zu vererben. Als der Flavius somit, umgeben von seinem frisch übernommenen Officium aus einem Scriba Aedilicius, einem Accensus aus der flavischen Familie, welcher bereits seinem Vater einst als Berater in ökonomischen Belangen hatte gedient, diversen Viatores sowie seinem Consilium als Beratungsgremiuim, zu dem neben zwei Klienten mit juristischer Bildung selbstredend auch sein neuer Tiro fori zählte, würdevoll zur Apsis der Basilica schritt, erwartete ihn dort jener mit Elfenbeinintarsien verzierte Stuhl, auf dem einst bereits Manius Maior während seiner Magistraturen hatte gesessen.

  • Der Volksmund behauptete, Menschen seien in die beiden Schlaftypen "Lerche" und "Eule" zu unterteilen. Lange Zeit hatte Ravilla sich als Eule gewähnt. Wenn Sol hinter den Horizont wanderte, nahm er Ravillas Pein mit sich und hinterließ einen putzmunteren und gut gelaunten Mann, der vor Tatendrang nicht zu Bett gehen mochte. Nachts schwangen Ravillas Lebensgeister sich zu Höhenflügen auf und auf seinem Arbeitsplatz stapelten sich die Tabulae mit Notizen. Das Problem daran war, dass Ravilla gegen Abend bereits vom Tagewerk erschöpft früher diese Zeit kaum zu nutzen hatte vermocht.


    Der Arzt der Familie hatte die Lösung des Problems gefunden und dem photophoben Patienten einen ungewöhnlichen Schlafrhythmus verordnet, damit Ravilla seine kreativen Schübe besser nutzen konnte. Er ging seither nicht mehr nach seiner nachtaktiven Phase, sondern vorher zu Bett. Denn Ravilla war keine Eule - er war die Extremform einer Lerche. Am besten funktionierte er, wenn er sich des Nachmittags zur Nachtruhe bettete und sich dann in der Mitte der Nacht ausgeschlafen erhob, um zu stockfinsterer Stund, wenn alles ruhte, sein einsames wie erquickliches "Tagewerk" zu beginnen. Gegen Mittag, wenn bei anderen die Mittagsmüdigkeit zuschlug und Ravilla sich besonders gequält hatte, war seither die Zeit, da er sich bereits gemütlich auf seinen Schlaf vorbereiten konnte, anstatt sich bis zum Abend schleppen zu müssen.


    Ravilla war also jetzt, zur Mittagszeit, nicht mehr ganz auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit. Inwieweit er seine gewohnten Abläufe beibehalten konnte, wenn künftig die eine oder andere Cena rief, zu deren Zeiten er normalerweise bereits schlief, würde sich zeigen. Von Begeisterung erfüllt besah er nichtsdestoweniger die noblen Amtsräumlichkeiten, in denen er fortan gemeinsam mit seinem Magistrat arbeiten würde.


    "Welch exquisites Sitzmobiliar", rief Ravilla in der ihm eigenen extrovertierten Zurschaustellung seiner Verzückung, als er des Elfenbeinstuhls gewahr wurde. "Gerade gut genug für dich, nicht wahr?"

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