Das zappelige Bündel erwischte Antias völlig unvorbereitet. Tief in Gedanken versunken war er die Stufen hinauf getappt, als plötzlich eine nachtschwarze Gestalt von oben auf ihn zu wuselte. In Ermangelung eines Scutums riss er sich mit der linken Hand Sack und Mantel vor die Brust, die rechte zuckte instinktiv zum Dolch. Doch die Attacke blieb aus. Unkoordiniert mit den Armen schlenkernd trat der vermeintliche Angreifer einen Schritt zurück und stieß ein verlegenes 'Ähm' aus. 'Ähm'? Antias nahm die Finger vom Dolch und ließ erleichtert die Deckung sinken.
„Heilige Wolfsmutter .. Babila?“ Eiliges Nicken. Schnaufend stütze sich Antias einen Moment lang auf seinen Knien ab. Der Bursche würde ihn noch ins Grab bringen.
„Jag mir noch einmal einen solchen Schreck ein, und ich nehm deine Ohren mit!“ Erschrocken drückte sich Babila gegen die Wand. Ach ja, richtig, Babila muss ja behutsam behandelt werden, besteht er doch fast ausschließlich aus bloß liegenden Nerven. Und was ist mit meinen Nerven?
Besänftigend tätschelte er die zitternde Wange des Sklaven.
„Schon gut, Babila .. ich mach' nur Spaß. Was wären wir ohne dich.“ Entspannt bis in die Haarwurzeln vermutlich.
„Und jetzt nimm den Sack und führ mich zu Apolonia.“
Wortlos erklommen sie die ächzende Treppe und standen schließlich vor einer halb geöffneten Tür. Flackernd und verheißungsvoll schimmerte warmes Kerzenlicht auf den Flur, ein lichter Nebel verlockender Gerüche umwehte Antias. Er hielt inne und sog tief die Luft ein. Frische Blumen, Öle und dazwischen betörend leicht und gleichsam schwer der vertraute Duft von Sandelholz und Narde und der unendlich sanfte Hauch des ewigen Ozeans. Babila wies ungeduldig tänzelnd auf die Tür und Antias trat ein.
Da stand sie. Inmitten einer rührend liebevoll arrangierten Welt tiefsten Friedens. Die Hände ineinandergelegt, mit klarem Blick und stillem Lächeln. Antias keuchte unhörbar, denn als er sie dort stehen sah, nahm ihm plötzlich eine übermächtige Traurigkeit den Atem. Wie eine weißglühende Klinge fuhr im ein Bild in die Brust von einer Frau, die ihren Gemahl erwartete zwischen den unüberwindbaren Mauern eines gemeinsamen Lebens. Aber es gab nichts, gar nichts, was er in diesem Moment hätte dafür tun können. Gestern war tot und Morgen noch nicht geboren. Schweigend ging er auf sie zu, blieb einen Augenblick ruhig vor ihr stehen, und umschlang endlich ihre schmalen Hüften, hob sie lächelnd hoch, drehte sich mit ihr langsam durch den Raum und küsste sie.