Auf dem Weg zurück zur Villa war ich brav neben der Sänfte des Flaviers her getrottet. Auch wenn scheinbar alle Passanten, an denen ich vorbeilief, mir nachschauten und sich wunderten, weshalb ein Vertreter der römischen Aristokratie sich nur einen Sklaven leisten konnte, der verdreckt war und stank und dessen Kleider zerrissen waren, war ich einfach nur froh, endlich den Carcer hinter mir gelassen zu haben.
In der Villa dann hatte ich endlich Gelegenheit, mich zu waschen und neu einzukleiden. Eine größere Essensration gestand man mir auch zu. Irrte ich mich oder hatte ich bereits die Vorzüge des römischen Lebens zu schätzen begonnen? Auf jeden Fall fühlte es sich einfach nur gut an, wieder sauber und satt zu sein.
Irgendwie hatte ich gehofft, Scato würde mich noch einmal zu sich zitieren, um mit mir über das zu sprechen, was sich in den letzten Tagen ereignet hatte. Doch er verlor darüber kein Wort mehr. Seinen Dank, den er am Morgen im Carcer kleinlaut und ziemlich verkühlt an mich gerichtet hatte, war schon mehr, als man von ihm hätte erwarten können.
Nachdenklich verrichtete ich daher mein Tagewerk und erwischte mich immer wieder dabei, dass ich grübelnd innehielt. Es war irgendwie seltsam. Im Grunde war ich ja froh, dass ich wieder hier in der Villa war, die doch so etwas wie eine Art Zuhause für mich geworden war auch wenn ich nie ganz mein Ziel, eines Tages wieder nach Hause zu kommen, aufgegeben hatte.
Am Abend ließ ich mich erschöpft auf meinem Lager nieder. Nicht einmal das Schnarchen meiner Mitbewohner konnte mich davon abhalten, relativ schnell einzuschlafen. Wie in vielen Nächten zuvor, beförderten mich meine Träume wieder zu jenem Augenblick, in dem ich meine Frau und meinen Sohn sterben sah. Und dann ganz plötzlich fand ich mich in diesem seltsamen Traum wieder, den ich vor einigen Nächten schon einmal geträumt hatte. Wieder lief ich auf der nassen Straße und wieder glaubte ich, von dunklen Gestalten verfolgt zu werden. Ich begann zu rennen, stolperte aber und stürzte in ein tiefes dunkles Loch. Dieser Ort glich meiner Zelle, in der ich noch am Morgen gesessen hatte. Allerdings entdeckte ich an der Stelle der Tür nur grob behauene Steine, die undurchdringlich waren. Ein banges Gefühl machte sich breit, da ich schnell begriff, dass ich nicht allein war. Wieder tauchten sich windende Tentakel aus dem Nicht auf und wollten sich meiner bemächtigen. Doch diesmal kam mir Aislin nicht zu Hilfe…
Als meine Träume drohten, mich ganz und gar mit in ihre Abgründe zu reißen, erwachte ich schweißgebadet und stürzte aus meinem Bett. Ich nahm mir nicht einmal die Zeit, mir eine Tunika überzustreifen. Ich musste hier raus. Einfach nur raus, denn sonst drohte ich zu ersticken.
Im Dunkeln rannte ich durch die Gänge, die mich irgendwann im Hof ausspuckten. Dort stolperte ich über irgendetwas, was mir im Weg gelegen hatte, so dass ich strauchelte und mich gerade noch rechtzeitig mit meinen Armen abfangen konnte als ich stürzte.
Leise fluchend hielt ich mein linkes Knie, welches ich mir bei meinem Sturz aufgeschürft hatte.
Die Nacht war kalt und klar. Aber die Kälte machte mir nur wenig aus. Ich war ja keiner von diesen verweichlichten Römern, die bereits bei dem ersten Tröpfchen Regen in Panik verfielen. Die Winter in meiner Heimat waren durchaus kälter und ungemütlicher.
Wenn ich mein Augenmerk gen Himmel gerichtet hätte, dann hätte ich eine Unmenge Sterne erblicken können, die leuchtend am Firmament standen. Doch das tat ich nicht. Keuchend blieb ich an der Stelle hocken, an der ich gelandet war und versuchte, wieder meinen Atem zu beruhigen. Im Licht der Sterne kam mir der ausgestoßene Atem wie weißer Rauch vor.
„Warum verfolgst du mich? Lass mich endlich in Frieden!“ stieß ich schluchzend aus und erwartet natürlich keine Antwort, da ja niemand da war, der mir auf meine Frage eine Antwort hätte geben können.
Reserviert