Mogontiacum Municipium est | Das Stadterhebungsfest

  • Nur die Parzen, Götter oder sonst irgendwelche übernatürlichen Wesen verstanden zu diesem Zeitpunkt, warum der LAPP mit seinem von der vescularischen Folter versehrten Beins sich diese Tortur antun wollte. Er, Hungi, wusste es nämlich selber nicht. In irgendeinem schwachen geistigen Moment hatte er sich eingebildet, zu der ganzen Geschichte "Ja" zu sagen... und dann konnte er es nicht mehr zurücknehmen. Nicht ohne Ehrverlust. Verdammte Ehre.


    Dementsprechend verfluchte er sich innerlich die ganze Zeit, von dem Zeitpunkt an, als er zum Pfug hingeführt wurde, über den ganzen Zeitraum, in dem er den Pflug führte, bis zu dem Zeitpunkt, wo er fertig wurde. Seinen Gehstock hatte er dem Petronier übergeben, der wäre ja sowieso nur hinderlich gewesen und um seine Behinderung auszugleichen, stützte er sich bei jedem zweiten Schritt auf den Pflug. Ewig, ewig und nochmal tausendmal ewig dauerte für Hungi die ganze Geschichte und wen sollte es wundern, daß er einige kurze Pausen einlegen musste. Der Jüngste war er ja auch nicht mehr, ebensowenig ein Bauer und daher nicht an das Führen eines Pfluges gewöhnt.


    Dementsprechend war er vollgeschwitzt, als die Runde vollbracht war, und um mindestens eine Erfahrung reicher. Und in Zukunft würde er einen Bogen um solche Aufgaben machen, das war etwas für die Jugend. Was könnte er sich nun in den Hintern beißen, daß er nicht seinen Sohn diese Aufgabe angeschafft hatte! Er hoffte nur, daß er jetzt nicht auch noch eine Rede halten müsse - denn die war definitiv nicht abgesprochen gewesen.

  • Als der Zug sich in Bewegung setzte, nahmen wieder alle ihre Plätze ein: Ganz vorn gingen Musikanten, dann die Ehrenformation, dann folgte der Pflug, an dem der Statthalter hing. Dahinter kamen die Magistrate, dann die übrigen Decurionen und zuletzt das Volk.


    Während sie so dahinzogen, war Crispus einigermaßen beeindruckt, wie der Vinicier sich mit seinem steifen Bein abquälte - mehrmals war er kurz davor, ihn zu fragen, ob man ihn nicht ablösen solle oder ähnliches. Aber das wäre dem Vinicier sicherlich peinlich gewesen und so beließ der alte Petronier ihn in seinem Kampf. Bis zur Domus Petronia war dieser noch nicht so schlimm, aber als sie dann nach links abbogen, merkte man schon deutlich die Hungaricus' Mühen. Und als sie die Hafenstraße passierten, musste er eine Pause machen - was sich sowieso gut traf, denn bei den Ausfallstraßen musste der Pflug sowieso angehoben und über die Straße getragen werden - so wollte es der Brauch. Die zweite Hälfte ging dann kaum besser, sodass auch Crispus ganz froh war, als sie nach dem Wohnblock mit dem Gestüt der Duccier in die schmale Gasse einbogen, die direkt zu den Mauern des Castellum führte - von hier aus war es nur noch einmal die Breite des Legionslagers, was der Statthalter hoffentlich noch ohne zu straucheln schaffte. Dieser Weg zog sich allerdings besonders lang - manchmal fragte der alte Petronier sich fast, ob Hungaricus nicht mehr auf der Stelle trat als vorwärts kam. Aber schließlich war es doch geschafft: Sie bogen wieder auf die Via Borbetomaga in Richtung Forum ein, von wo aus einer der Ministri übernehmen konnte - die Umgrenzung des Stadtbezirks war ja nun erledigt.


    An der Porta Borbetomaga wartete entsprechend auch eine Sänfte auf den Statthalter, die ihn nun hinter dem Gefährt, das ihm eine Stütze gewesen war, zurück auf den Hauptplatz und dann weiter zum Tempel des Apollo Grannus Mogon trug.


    Hier folgte der vorletzte Akt der Zeremonie: Die beiden Ochsen wurden aus dem Joch gelöst und der eine etwas beiseite geführt, während man mit dem anderen den Tempelbezirk betrat. Dort erwartete bereits ein brennender Altar die Decurionen und übrigen Honoratioren, die noch in den Hof des Heiligtums passten. Nun würde einer der Magistrate - Matinius Pacatus, wie Crispus vom Ablauf her wusste - an der Reihe sein, um dem Stadtgott für seine Unterstützung bei der Erhebung zum Municipium zu danken.


    Zuvor galt es allerdings, mit einem rituellen Gebet die Umgrenzung der Stadt abzuschließen, was der alte Petronier selbst übernahm:


    "O Iuppiter Optimus Maximus!
    O Iuno Regina!
    O Minerva!
    O Apollo Grannus Mogoun!


    Vor euren Augen haben wir jenes Land begrenzt, welches das neue Municipium Cornelium Mogontiaciensis umfassen soll und in dem niemand das Recht der Bürgerschaft und der gewählten Magistrati mindern soll! Nach eurem Willen sollen die Bürger dieses Municipium frei und nach ihren eigenen Rechten leben und wie die Städte Italias in Frieden und Freundschaft mit dem Senat und dem Volk von Rom leben!


    Wir haben Euch gute Gaben gegeben und geben Euch weiterhin gute Gaben für Euren Schutz und Segen!"

  • Damit machte sich die Entourage für den Matinier bereit, die mit diesem gemeinsam in den recht kleinen Tempel gehen würde, um vor dem Kultbild des Mogon das Voropfer zu vollziehen, ehe das Blut des Ochsen draußen und für alle sichtbar fließen würde.

  • Der Weg zum Tempel des Apollo Grannus Mogounus war nicht weit. Am Tor zum Tempelbezirk verlangsamte sich der Zug der Honoratioren und der Bürger Mogontiacums, weil der Durchgang recht schmal war. Als Pacatus unter das Dach des Tempelumgangs trat, legte er sich einen Zipfel seiner Toga über den Kopf. Tempeldiener öffneten die Tür und Pacatus betrat mit den Opferhelfern die Cella. Ihm schoss durch den Kopf, dass er hier einem keltischen Gott opfern würde, der aber für das Gemeinwesen von Mogontiacum eminent wichtig war, so wichtig, dass man ihm die Bewachung der städtschen Kasse anvertraut hatte.


    Pacatus hatte in der Cella zusammen mit den Opferhelfern dem Gott die Gaben des Voropfers darzureichen. Das waren Kräuter der Jahreszeit, von denen es wegen des früh eingetretenen milden Wetters doch schon einige gab, etwas Wein und er legte auch eine Goldmünze zu Füßen des Apollo. Während die Kräuter auf dem Foculus verbrannten, sprach er ein Gebet, um die Aufmerksamkeit Apollos auf das folgende Hauptopfer zu lenken. Ein bißchen hatte er Zweifel. ob der einheimische Gott auf ihn, den Pacatus, der ja ein Zugereister war, auch hören würde. Er musste sich also einige Mühe geben.


    Danach öffnete sich wieder die Tür der Cella und sie traten ins Freie.

  • Als Pacatus wieder durch die Tempelpforte kam, war dort auch schon alles vorbereitet. Eine Reinigung der Zuschauer war nicht mehr nötig - das hatten sie ja schon am Capitolium erledigt. Allerdings mussten doch noch die beiden Ochsen geprüft werden, wozu Crispus sich zu dem Aedil gesellte. Gemeinsam traten sie an das eine Tier heran, während man das andere ein wenig zur Seite räumte - immerhin wollte man es nicht beunruhigen, indem man es beim Tod seines Artgenossen zusehen ließ.


    Der Pontifex reichte dem Matinier schließlich die Patera mit Wein, dann das Culter.

  • Nicht weniger gespannt als der Pontifex Petronius oder jeder andere Decurio der Civitas verfolgte Witjon, wie das Opfer an die Göttertrias erfolgreich durchgeführt wurde. Die Aufregung stieg erst recht, als im Folgenden der Statthalter unter absolut angemessenem musikalischen und militärischen Pomp zu den verhüllten Bronzetafeln zog, wo er eine kurze Ansprache hielt. Welch ein Versäumnis, wahrlich, dass Mogontiacum als das politische, militärische und wirtschaftliche Zentrum römischer Lebensart nördlich der Alpen erst an diesem Tage das römische Stadtrecht verliehen bekam. Umso mehr ein Tag der Freude und ein Tag des Aufbruchs. Witjon spukten schon viele verschiedene Ideen im Kopf herum, mit denen man den neu erworbenen Status auch baulich, rechtlich sowie gesellschaftlich untermauern könnte.


    Als Vinicius Hungaricus die Tafeln schließlich enthüllte, ertönte ein feierliches Signal der Legionäre und aus der Menge brandete Applaus auf. Man freute sich im Allgemeinen über die Stadtrechtsverleihung, gleich ob aus wirtschaftlichem oder machtpolitischem Interesse oder weil es Alkohol umsonst gab. Auch Witjon applaudierte angesichts dieses langersehnten und hart erarbeiteten Erfolgs. Der Statthalter trat nun zur Seite und es ging weiter im Programm, welches mehr herumgelaufe im Rahmen einer Prozession bedeutete. Stolzerfüllt trat Witjon den Weg zur Flurumgehung und dem folgenden Opfer für Apollo Grannus Mogounus an.

  • Am Tempel des Apollo Grannus Mogounus angekommen beobachtete Witjon seinen Klienten mit kritischer Miene. Er hatte Pacatus bisher zwar schon bei öffentlichen Wahlkampfauftritten und im Ordo Decurionum reden gehört. Aber die Durchführung eines städtischen Opfers vor den Augen der Hälfte der Bewohner war da schon eine etwas größere Nummer. Witjon war voller Erwartung ob sein Klient souverän mit der Situation umgehen würde. Nachdem das Voropfer vollzogen war, trat der Matinier jedenfalls sicheren Schrittes aus dem Tempel hinaus ins Freie, was guten Mut machte.

  • Als Pacatus aus dem Schatten des Umgangsdachs hervortrat, hatte sich der Tempelbezirk trotz des engen Tores schon gut mit Menschen gefüllt. Der Pontifex trat auf ihn zu, um ihm die Patera und das Culter zu reichen. In diesem Augenblick fegte ein kurzer Windstoß über den Hof und riss ihm den Stoff der Toga vom Kopf. Wollte sich Apollo über den armen Pacatus lustig machen oder kam das von seiner Muse Thalia, die nur darauf aus war, die Zuschauer zu unterhalten?


    Pacatus blickte kurz nach oben, dann zog er sich eilig die Toga wieder über den Kopf und nahm die Patera und das Culter entgegen. Dann trat er mit dem Pontifex vor die Opfertiere. Eine Weile betrachtete er die Tiere und weihte sie anschließend dem Gott Apollo, in dem er den Wein aus der Patera über ihre Stirnen goss. Mit dem Culter strich er daraufhin über ihren Rücken, worauf die Opferdiener ihnen die Wolldecken und den Schmuck abnahmen und sie an den Altar ketteten.


    Mit ausgestreckten Armen trat Pacatus nun nach vorne und drehte die Handflächen nach oben. Bitte, Apollo, jetzt ein kleines Weilchen Windstille, nur für das Gebet, sagte er ganz leise. Dann laut:


    "Oh Apollo, Schirmherr der Herden und Städtegründer,
    Grannus, Herr der Quellen und der Heilung,
    Mogunus, Lichtbringer und Schild unseres Municipiums!


    Du hast Mogontiacum stets in fruchtbringender Umarmung gehalten, wehrtest Krankheit und Tod von uns ab und segnetest unsere Quellen. Deine göttliche Gegenwart gibt den Gesunden Kraft und stärkt die Kranken. Nie lässt Du Leid über deine Herde kommen und nie wird uns Übel zugefügt, denn Du hast dein wachsames Auge auf Deine Kinder gerichtet und Dein Pestpfeil zielt auf jeden Feind. Dein Wohlwollen ist der Sonnenschein über unseren Dächern und Dein Atem bringt unseren Wiesen und Äckern Fruchtbarkeit.


    Nun hast Du zur Mehrung Deines Ruhmes unsere Civitas zu einem Municipium gemacht, aufdass unsere Rechte gestärkt und unser Wohl gemehrt werde!


    Dafür halten wir Dich in Ehren und geben Dir gerechte Gaben!
    Blicke nun mit Huld herab auf die Begründung dieses Municipiums, das an Deinen Quellen gedeihen soll! Behüte als Lar Vicanus und Genius Loci dieses Municipiums wie bisher und schenke Deinen Dienern und ihren Oberhäuptern Weisheit und Gerechtigkeit nach dem Vorbild seines Gründers, des Imperator Caesar Appius Cornelius Palma Augustus!


    Zum Dank werden wir Dir alljährlich an diesem Tage gute und gerechte Opfer darbringen bis in alle Ewigkeit!"


    Kein Windstoß, die Toga war immer noch auf seinem Hinterkopf. Danke, Apollon für Deine Güte, sagte Pacatus ganz leise und erschrak fast über den lauten Ruf des Opferdieners.


    "Agone?"


    "Age!" antwortete Pacatus.

  • Ei, da hatte das Märzwetter doch schon ein bißchen auf den April vorgegriffen. Dem armen Aedil hatten die Götter einen Windstoß in seine Liturgie geschickt, der dem Pacatus ein klitzekleines bißchen zu schaffen machte, aber dann hatte er sich schnell wieder gefasst.


    Ich beugte mich zu Marsus hinüber: "Hast du das gesehen? Man sollte meinen, da hätten die Götter ein wenig zugelangt. Wenn's nicht grade ein Opfer für Apollo wäre, würde ich sagen, dass das nur Loki gewesen sein kann".

  • Der Alte erschrak fast ein wenig, als es Pacatus die Toga vom Kopf wehte - abergläubische Leute mochten das als schlechtes Omen werten (und Crispus wurde mit dem Alter tendenziell ebenfalls etwas abergläubischer...)! Aber alles andere funktionierte erfreulicherweise sehr gut: Der Ochse ließ sich brav mit Wein begießen und die Dekoration abnehmen, das Opfergebet sprach Pacatus ebenfalls fehlerlos und die Ministri zogen genau in dem Moment, in dem der Aedil seinen Befehl sprach, die Kette, die am Nasenring des Opfertiers hing, nach unten, sodass dieses den Kopf neigte. Und ehe der Ochse wusste, wie ihm geschah, hatte der Opferhammer seinen Schädel gebrochen und das Opfermesser seine Halsschlagader durchtrennt. Wie ein nasser Sack brach er zusammen, während das Blut über sein weißes Fell floss, um schließlich in einer silbernen Schüssel aufgefangen zu werden.


    Prüfend sah der Alte neben das Tempelgebäude, wo ein anderer Opferhelfer flüsternd auf den zweiten Ochsen einredete, der ein klein wenig nervöser wirkte - hoffentlich ging dieser Part ebenfalls noch gut!


    Zunächst musste die Opfergemeinde aber noch eine Weile den Flöten lauschen, denn es dauerte seine Zeit, bis der Ochse ausgeblutet war und dann aufgebrochen werden konnte. Im Gegensatz zu dem Opfer am Kapitol roch Crispus diesmal deutlich, wie die Innereien des Viehs stanken - wahrscheinlich hatte der Opfermetzger einen der zahlreichen Mägen oder den Darm verletzt! Die Leber, die er aber schließlich hervorholte, wirkte ganz normal. Sie ging an den Haruspex, der erneut ein wenig Zeit zum "Lesen" bekam...

  • Apollo legte interessiert die Harfe beiseite, als die Bewohner seiner Stadt mit Ochsen durch die Gegend zogen, nachdem sie schon Iuppiter & Co. geopfert hatten. Irgendwie hatte er manchmal das Gefühl, dass er trotz seiner ständigen neuen Leier-Kompositionen und der stets modischen Gewandung ein wenig außer Mode kam. Heute aber offensichtlich nicht, denn ein ganzer Ochse wurde ihm dargebracht!


    Allerdings erinnerte er sich doch noch sehr gut, dass man ihm eigentlich keinen Ochsen versprochen hatte, sondern einen Eber! Das war nun irgendwie Etikettenschmuggel, selbst wenn der Ochse wohl teurer war...
    Die Leber war ein wenig verfärbt, dazu hatten die Innereien einen etwas seltsamen Geruch, der den Haruspex nachdenklich stimmen würde.

  • Langsam wurde Crispus nervös, während der Haruspex die Innereien drehte und wendete und - seltsamerweise - daran roch. Nach einiger Zeit verlor der Alte die Geduld ich trat zu ihm hin.


    "Gibt's ein Problem?"


    flüsterte er ihm zu.


    "Naja, die Leber riecht komisch."


    antwortete der Opferleser, was der Petronier tatsächlich auch zugeben musste. Die Leber sah auch irgendwie etwas anders aus als sonst - was das wohl zu bedeuten hatte? Dafür gab es eigentlich den Haruspex, aber der sah auch ein wenig ratlos drein. Das Ritual war zumindest recht fehlerlos vollzogen worden, soweit Crispus das sah...


    "Aber Knoten oder so hat sie nicht, oder?"


    fragte Crispus schließlich.


    "Ne, die Form und so weiter passt ganz gut."


    antwortete der Haruspex etwas unsicher, aber Crispus winkte ab:


    "Na also - Mogon soll sich nicht so anstellen!"


    Dann ging er wieder zurück an die Seite von Pacatus, um nach kurzem Zögern doch noch die Stimme des Haruspex zu hören:


    "Litatio!"


    Damit war auch diese Station erledigt und es fehlte nur noch eine letzte. Wieder formierte sich ein kleiner Zug, wieder wurde das Opfertier hinter den Flötisten eingereiht - wobei es doch ziemlich nervös auf den Kadaver seines Artgenossen blickte und vom Opferhelfer etwas fester gezogen werden musste. Diesmal zumindest war der Weg auch nicht mehr so lange, denn es ging nur die Straße hinauf zum Tempel des Augustus, wo der letzte Teil der Opferzeremonie stattfinden würde - diesmal durch einen der Duumvirn!

  • http://www.kulueke.net/pics/ir/nscdb/e-roemer-maenner/13.jpgDer letzte Part der religiösen Feierlichkeit war Quintus Varius Celer zugelost worden. Damit folgte die Zeremonie einer gewissen Bedeutungskurve: Begonnen durch den Statthalter als höchsten Beamten der Provinz, dann über den Aedil, der den heutzutage etwas zurückgetretenen Stadtgott bedachte hin zum Duumvir, der dem zweitwichtigsten Reichsgott nach Iuppiter opferte.


    Als sie das parallel zum gegenüberliegenden Capitolium geschmückte Augusteum erreichten, trat deshalb Celer wie schon zuvor Hungaricus und Pacatus hervor, verhüllte sein Haupt und betrat, gefolgt von einem der Pontifices den Tempel. In Gedanken war er noch immer bei der kleinen Diskussion, die Pontifex Petronius mit dem Haruspex gehabt zu haben schien, obwohl er nun natürlich hier seine ganze Konzentration brauchen würde. Allerdings musste er sich sowieso erst einmal etwas an die Dunkelheit gewöhnen, ehe er einen Schritt auf die Kultstatue des Augustus zumachte. Vor ihr war wieder ein Foculus aufgestellt worden (vermutlich der, der auch im Capitolium verwendet worden war), der überraschend stark rauchte.


    Der Varier ließ sich Weihrauch aus einem Kästchen reichen und streute es in die Kohlen, woraufhin der Duft daraus etwas angenehmer wurde. Noch einmal atmete er tief ein, dann begann er mit dem Gebet, in dem nicht nur Divus Augustus angerufen wurde, dem dieser Tempel eigentlich geweiht war, sondern sämtliche Divi Augusti bis hin zum Genius Palmae, dem später auch das Hauptopfer gewidmet sein würde. Immer wieder wurde er dabei unterbrochen, um der vergoldeten Statue Gaben der Provinz zu reichen, wie sie auch als Tribut nach Rom wanderten: Geld, Töpferwaren, Bernstein.


    Schließlich wandte er sich nach rechts und verließ dem Tempelbau, um sich vor dem Altar zu positionieren. Erst auf einen Wink des Pontifex hin erinnerte er sich, dass er noch das Opfertier weihen musste - was er sofort nachholte. Der Stier war doch ein wenig nervös, wie es schien - während der Wein auf seine Stirn tropfte, hob und senkte er den Kopf und muhte ängstlich.


    Jedoch gab es keine Gnade: Wie sein Artgenosse wurde auch dieser Stier vor dem Altar vertäut, während der Duumvir seinen Platz einnahm. Er hob die Arme und begann Satz für Satz nachzusprechen, was der Pontifex im einsagte: "O Genie Cornelii Palmae Augusti! Du hast den Imperator Caesar Appius Cornelius Palma Augustus beschützt und bewahrt, hast ihm Sieg in den Schlachten und Erfolg gegen die Feinde des römischen Volkes der Quiriten geschenkt! Du schenkst im Weisheit bei der Regierung des gesamten Erdkreises-" Er stockte. Der Satz war doch ein wenig lang und er musste sich den zweiten Teil nochmals einsagen lassen, ehe er fortfuhr: "-von den Säulen des Hercules bis zu den Bergen Parthias, von den Meeren des Nordens bis zu den Wüsten Africas! Du hast ihm eingegeben, diese Civitas zum Municipium zu erheben als Vorbild für die Völker Germanias und Botschafter der Civitas Romana! Dafür halten wir Dich in Ehren und geben Euch gerechte Gaben!"
    Wieder musste er eine kleine Pause machen, die hier aber auch als Kunstpause wirkte. "Blicke nun mit Huld herab auf die Begründung dieses Municipiums, die Imperator Caesar Appius Cornelius Palma Augustus zur Ehre und dem Imperium Romanum zum Wohl gereichen soll! Behüte es und behüte seinen Gründer vor Tod, Krankheit und Gefahr! Zum Dank werden wir Dir alljährlich an diesem Tage gute und gerechte Opfer darbringen bis in alle Ewigkeit!"


    Der Ochse war inzwischen nicht weniger nervös und tänzelte geradezu hin und her, während sein Kopf durch den Nasenring einigermaßen fixiert war. Deshalb wartete der Opferhelfer auch gar nicht lange, sondern fragte sofort: "Agone?", woraufhin Celer direkt mit einem "Age!" antwortete.


    Wieder krachte der Schädel, spritzte Blut - dann war es wieder vorbei. Geduldig wartete der Duumvir wieder, blickte sich dabei um und lächelte dem Aedilen Matinius, der seine Sache ja ganz gut gemacht hatte, zu.




    MPC

  • Zitat

    Original von Faustus Domitius Massula
    Ich beugte mich zu Marsus hinüber: "Hast du das gesehen? Man sollte meinen, da hätten die Götter ein wenig zugelangt. Wenn's nicht grade ein Opfer für Apollo wäre, würde ich sagen, dass das nur Loki gewesen sein kann".


    Nicht nur Pacatus und der Pontifex erschraken beim Aufkommen des Windstoßes. Witjon blickte besorgt auf die Szenerie, in der sein matinischer Klient dennoch eine gute Figur machte und souverän fortfuhr.
    "Wenn Loki uns ein Schnippchen schlagen wollte, wüssten wir es bereits", entgegnete Witjon mit schalkhaftem Grinsen auf Massulas Geraune und verkniff sich ein Kichern. "Dann hätte dem Pacatus wohl schon ein Vogel auf den Kopf gesch..."
    "SCHHH!", kam es da verärgert von seinem Nebenmann und Witjon verstummte schnell, nicht ohne Massula noch einen vielsagendes Augenrollen zu offenbaren.


    Zitat

    Original von Marcus Petronius Crispus
    "Na also - Mogon soll sich nicht so anstellen!"


    Dann ging er wieder zurück an die Seite von Pacatus, um nach kurzem Zögern doch noch die Stimme des Haruspex zu hören:


    "Litatio!"


    Die Anrufung verlief im Weiteren zu Witjon Erleichterung ohne Zwischenfall. Der Ochse verlor seinem Schicksal als Opfertier entsprechend sein Leben und die Ganzheit seiner Schädelknochen. Was folgte war die übliche Geduldsübung für das Publikum während der musikalisch untermalten Beschauung der Innereien. Der Haruspex begutachtete die Leber außergewöhnlich lange und Witjon wechselte einen beunruhigten Blick mit Massula, als Petronius Crispus zu dem Opferschauer hinzutrat und es zu einem kurzen Wortwechsel kam.


    Das 'Litatio' des Haruspex erlöste schließlich die unruhig werdenden Zuschauer und löste Applaus und vereinzelte Jubelrufe aus. Witjon warf Massula erneut einen Seitenblick zu; diesmal zog er erleichtert die Augenbrauen hoch. "War also doch ein Windstoß gutartiger Natur", bemerkte er trocken. Sodann setzte die Prozession sich erneut in Bewegung mit dem Augustalium als Ziel.

  • Wieder dauerte es eine ganze Weile, bis der Haruspex seines Amtes gewaltet hatte. Von der anderen Seite des Platzes her, aus der Tempelküche des Capitolium, roch man bereits den Duft gebratenen Rindfleisches, das im Anschluss kostenlos unter den Teilnehmern der Opfer verteilt werden würde - bei insgesamt fünf ausgewachsenen Rindern würde wohl fast jeder Einwohner der Stadt einen kleinen Teil bekommen.


    "Litatio!"


    hieß es dann aber doch ein drittes Mal und Crispus nickte zufrieden - damit hatte kultisch an diesem Tag wohl alles funktioniert. Dann konnte man jetzt wohl guten Gewissens zum Essen schreiten. Zuvor musste aber das Volk informiert werden, was der alte Petronier als Vertreter der Priesterschaft nun ebenfalls noch übernehmen durfte:


    "Volk von Mogontiacum, Municipes Mogontiaci!


    Die Götter befürworten die Erhebung unserer Civitas zur Stadt und schenken uns ihren Segen! Wir haben ihnen die geforderten Opfer dargebracht und ihnen ihren Anteil gereicht! Wir wollen aber ebenfalls Gemeinschaft mit ihnen haben, deshalb kann jeder, der in die Bürgerliste Mogontiacums eingetragen ist, sich in einer Stunde an der Tempelküche des Capitolium und des Augusteum melden, um sich seinen Anteil am Opferfleisch zu nehmen. Die Stadt stellt dieses Fleisch kostenlos zur Verfügung! Kommt und holt euch davon, solange der Vorrat reicht!"


    Damit würde schon bald der Run auf die Fleischtöpfe starten. Damit dabei alles geordnet zuging, wurden die Rinder zuerst in den Tempelküchen geschlachtet und in kleine Portionen zerlegt, die dann an langen Bänken ausgegeben wurden. Jeder Bürger, der sich dort anstellte, würde eine Markierung mit Tinte auf dem Handrücken erhalten, damit sich niemand bei verschiedenen Tempeln mehrmals anstellte. Die besten Stücke wurden aber sowieso schon beiseite geschafft werden, denn die waren den Decuriones vorbehalten, die sich nun alle in Richtung Curia schoben...

  • Wie viele andere, die nicht zu den Decuriones und den geladenen Gästen gehörten, reihte sich Alpina an der Tempelküche in die Schlange ein, um ihren Anteil vom Opferfleisch zu bekommen. Es roch köstlich! Sie konnte sich kaum erinnern, wann sie das letzte Mal Fleisch gegessen hatte. Als sie an der Reihe war, erhielt sie ihre Fleischportion und bekam dafür einen Strich auf die Hand gemalt. Das Gedränge war beängstigend und Alpina musste zusehen, dass sie ihren Anteil vor den gierigen Fingern einiger Bettler in Sicherheit brachte. Sie eilte nach Hause, um ihr Opfermahl in Ruhe verspeisen zu können.

  • Man hatte den Göttern aus Freude über die Stadterhebung Dank abgestattet und Pacatus hoffte, dass sie ihre Opfer auch mit Vergnügen entgegen nehmen würden. Er war schon etwas erleichtert, dass es bei dem Opfer für Apollo nicht zu mehr Pannen gekommen war als diesen Windstoß, den irgendein Gott oder Dämon geschickt und sich möglicherweise über den kleinen Pacatus amüsiert hatte.


    Er schüttelte sich kurz und ging hinüber zur Curia, wo das Festbankett auf ihn wartete.

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