• Zu einem anderen Zeitpunkt stand ein anderer Mann vor der Tür der Villa Flavia und hatte eine Nachricht für einen anderen Hausbewohner dabei. Aber er kam auch von Senator Macer, nur dass es diesmal um die Wagenrennen ging. "Diese Tafel hier ist für Flavius Lucianus", erklärte der Bote nachdem er angeklopft hatte und ihm geöffnet worden war.


    Anmeldung Staffelrennen der Equirria


    Als gemeinsame Mannschaft fahren und dieser Reihenfolge:
    I. Hermes - Veneta
    II. Halil Torkebal - Russata
    III. Brinno - Russata
    IV. Dareios - Veneta


    Vale
    Sp. Purgitius Macer
    auch im Namen von M' Tiberius Durus


  • Draußen auf den Straßen von Rom tummelte sich das Leben. Die Menschen trieben durch die Straßen, die von den Häusern gesäumt wurden. Haus an Haus und jede hatte eine Porta und an jeder Porta musste ein Ianitor stehen. Selbst wenn es nur die Portae waren, die der Eingang zu einem reichen Haushalt stellte, so waren es doch genug Männer, die darauf warteten, dass jener eine Augenblick passierte, der jedoch mehrmals am Tag vollzogen wurde. Doch auf dieses Geräusch warteten sie. Das Klopfen. Auch Acanthus harrte an jenem Tage auf seinem Platz. Stoisch vor sich hin starrend und den Sklavenjungen nicht beachtend, der für den heutigen Tage dazu verdonnert war, den Laufburschen zu spielen. Es klopfte. Acanthus erhob sich und trat auf die Tür zu. Er öffnete sie und sah dem Boten entgegen. Der sich bereits erklärte und die Tafel an Acanthus weiter reichte. Dieser winkte den Laufburschen der Flavier heran und gab ihm die Tafel für F. Lucanus weiter. Die eilenden Schritte des Burschen waren noch eine Weile zu hören. Während sich Acanthus dem Boten zu wandte.


    "Sonst noch etwas?"

  • Der Bote schüttelte den Kopf. "Nein, das war schon alles. Ist ja nur eine Anmeldung für die Equirria und braucht wohl keine Antwort." Dass im Haushalt der Flavier sorgfältig mit solchen Nachrichten umgegangen wurde und sie den Weg von der Tür bis zur Hand des Empfängers schadlos überstanden, war einfach anzunehmen.


  • Es dauerte nicht lange, da kehrte der Botenjunge bereits zurück. Mit einem Nicken deutete er an, seinen Auftrag erfolgreich beendet zu haben. Acanthus wandte sich dem Boten des Senators zu. "Die Tabula hat den Herrn Flavius Lucanus erhalten. Vale!" Ein unbedeutendes Nicken war das einzige Zugeständnis an Höflichkeit. Dann schlug Acanthus bereits die Tür zu. Er verscheuchte den Jungen hinter sich und nahm auf seinem Stuhl Platz, auf dem er harrte, bis erneut das laute Signal ertönte, das seine Arbeit erforderte. Das Klopfen.

  • Man hatte die Villa, sprich das Auslieferungsziel, erreicht. Endlich. Anthus war sich sehr sicher, dass die kleine Wanderung sich deutlich länger angefühlt hatte, als sie in Wirklichkeit vonstatten gegangen war. Die dunklen Gassen hatten kein Ende nehmen wollen und die Bockigkeiten des Stierkalbes hatten ein schnelles Vorankommen auch nicht gerade gefördert. Dafür sah der Sklave an sich die ersten Anzeichen einer frisch ausgesäten Paranoia in sich wachsen, denn ständig drehte er den Kopf in dem zum Scheitern verurteilten Versuch, möglichst seine gesamte Umgebung auf einmal im Blickfeld zu wissen. Wirklich, er begann schon dieselben abergläubischen Ideen wie sein Herr zu zeigen. Als würde er damit rechnen, hinter jeder windschiefen Straßenecke eine Monstrosität winken zu sehen, freigelassen aus Alpträumen und größtenteils griechischer Mythologie. Trotz der winterlichen, sonnenlosen Kühle hatten sich kleine, verräterische Tröpfchen auf seiner Stirn gebildet, was er jedoch auf die Anstrengungen mit dem Kalb zurückführte. Ein klein wenig Stolz sammelte sich selbst in seinem Sklavenherzen noch.


    Allerdings kam er nicht umhin, allen Göttern die gerade zuhörten zu danken, dass seine Qualen ein absehbares Ende zeigten. Beruhigend klopfte er dem Tier neben sich auf den Rücken und sah zu, wie die zur Villa gehörende Sklavin an der Porta klopfte, da sie offenbar nicht wusste, wohin nun mit ihrem ‚Geschenk‘. Anthus‘ Blick zuckte kurz zu Milios hinüber, dessen breites Grinsen nach wie vor selbst in der Nacht zu leuchten schien, und worüber sein Sklavenkollege mißbilligend die Augenbrauen zusammenzog.
    „Hör auf so dämlich zu grinsen!“ zischte er ihm deswegen auch scharf zu, damit den Beweis antretend, dass es mit seiner Geduld rapide zur Neige ging. Ihm antwortete nur ein müdes Schulterzucken, das ihn nicht weniger provozierte und nach welchem er nur darum nicht noch weitaus aggressiver antwortete, weil er zeitgleich hörte, wie die junge Sklavin vor ihnen an der Porta nach irgendeinem Hannibal fragte, den sie wohl bezüglich des Opfers ansprechen sollte. Zwar würden ihnen nicht sofort die Herrschaften persönlich gegenüber treten, aber trotzdem sollte man um einen guten Eindruck bemüht sein, schließlich repräsentierten sie auch einen angesehenen (und nicht gerade billigen) Viehhändler.
    Also richtete sich Anthus ein wenig gerader auf, beschränkte sich auf einen letzten, mahnenden Blick zu seinem Begleiter und widmete sich ansonsten ruhigem und demütigem Warten.

  • Nicht seinem üblichen Treiben ging Hannibal nach. Ein Treiben, das bis jetzt nur einem in der Villa bekannt geworden war, selbst wenn er nur von dem letzten Nachhall ein Zeuge geworden war. Doch eigentlich hätte sich Hannibal, wie so viele Nächte in den letzten Wochen und Monaten, in Schale geworfen und wäre seinen pikant, ruchlosen Vergnügungen nach gegangen. Doch obwohl schon alles bereit lag, aus einer Kiste hervorgeholt, die er in dem Zimmer seines Herrn verschlossen aufbewahrte, hatte Hannibal noch nicht mit den Vorbereitungen angefangen. Er saß noch über einem Bericht, den er wöchentlich der Mutter seines Herrn schicken musste. Ein akribisch angefertigter Spionagereport, den Agrippina immer von ihm forderte. Und wer war schon Hannibal, das zu verwehren? Außerdem war er lieber der Spion als dass er befürchten musste, selbst einen Spion an der Hacke zu haben. Was er wohl so oder so hatte. Hannibal strich mit der Feder über sein rasiertes Kinn. Gerade heute morgen war er noch beim Barbier gewesen um die störenden Stoppeln zu entfernen. Die seiner Rolle für die Nacht sehr schaden würden. Seine Augen wanderten zu dem tief roten Kleid, was neben ihm lag und den blonden Locken, aus germanischen Haar gefertigt. Es dauerte immer mehr als zwei Stunden, sich in Schale zu werfen und eigentlich war er sogar noch verabredet. Leise murmelte er etwas, was sich wie ein Fluch anhörte oder ein paar ärgerliche Worte über eine Flavia in Baiae, dann kritzelte er weiter und berichtete von den Reaktionen der Römer, die von dem Tod ihres Kaisers erfahren hatte. Ein dezentes Klopfen ertönte an der Tür. Hannibal sah auf und spähte zur Tür. "Ja?", gab er als Antwort.


    Die Tür öffnete sich. Ein sklavischer Knabe streckte den dunklen Schopf herein. "An der Porta sind seltsame Leute, sie haben ein Tier bei sich. Und die neue Sklavin ist auch dabei. Diese Asny. Sie hat nach Dir gefragt, Hannibal." Hannibal runzelte die Stirn. Tier? Asny? Doch schon im selben Augenblick erschien der Lichtblitz in der düsteren Ignoranz seines Geistes. Das Opfer?! Hatte sie tatsächlich ein Tier aufgetrieben?, fragte sich Hannibal und erhob sich bereits bei den Gedanken. Er nickte stumm und schickte den Jungen mit einer Handbewegung fort. Hinter dem Bett seines Herrn holte Hannibal eine lederne Umhängetasche hervor. Diese zog er über seinen Kopf, griff dann nach einem Dolch und steckte ihn sich an seinen Gürtel, dazu einen Caestus. Dolch und lederner Handschuh waren die Lieblingswaffen von Hannibal. Damit hatte er das Kämpfen gelernt und in Rom hatte sich das oft als nützlich erwiesen. Außerdem waren es dezente Waffen. Denn mit dem Überwurf, den sich Hannibal nun anlegte, wurden die Waffen verborgen. Als Sklave durfte er offiziell natürlich keine tragen. Und in der Stadt Roma insbesondere nicht. Derart gerüstet verließ Hannibal das Zimmer seines Herrn, das er in den letzten Wochen immer wieder für sich genutzt hatte. Aber es stünde sonst nur leer.


    Seine Schritte hallten durch die Villa. Er bewegte sich schnurstracks auf die Porta zu, wohinter er das Muhen eines Tieres vernahm. Seine Augenbraue wölbte sich bereits in die Höhe, noch ehe er das Tier sah. Ein wenig Licht fiel von den Fackeln vor der Villa auf die drei menschlichen Lebewesen und auf das Huftier. Hannibals blinzelte verblüfft. Er starrte auf das Kalb und dann zu Asny, erst danach schien er die Männer zu bemerken. "Ein Kalb?" Wie ist Asny zu einem Kalb gekommen?, fragte sich Hannibal sofort. "Woher kommt das Kalb? Hast Du es gestohlen?", fragte Hannibal leise die junge Frau. Dabei glitten seinen Augen immer mal wieder zu den Männern.

  • Geduldig und beinahe bewegungslos wartete Asny auf eine Regung aus dem gewaltigen Bauch der Flaviervilla, in welchen ihre Anfrage soeben vorgedrungen war. Das milde Lächeln hatte bereits seit dem ersten Kontakt mit der Porta seinen alteingesessenen Platz wiedergefunden und der verträumte Blick wollte nicht recht zu der Geradlinigkeit passen, mit der sie den Eingang vor sich fixierte. Hinter ihr kündete sich ihre Ware mit unruhigen Rufen und nervösem Hufscharren schon beinahe selbst an und auch die beschwichtigende, leicht gedämpfte Stimme von Anthus drang ab und an zu ihr durch.
    Sie hoffte wirklich, dass Hannibal nicht gerade anderweitig beschäftigt wäre und sie auf den nächsten Tag oder dergleichen vertröstete – oder derzeit überhaupt nicht in der Villa weilte. Dies wäre ein unschöner Knick in ihrem bislang so perfekt verlaufenden Abend gewesen. Gut, das Stierkalb würde sie schon irgendwo unterstellen können, doch irgendwie war es ihr weitaus lieber, es bis zu seiner Opferung stets in ihrer Nähe und am besten noch im Auge zu halten. Der flavische Haushalt stand im allgemeinen unter einem zweifelhaften Ruf und sie war sich nicht sicher, ob nicht die ein oder andere darin hausende Gestalt eine diebische Ader unter ihren Gewändern verbarg. Vermutlich wäre es jenen Menschen dabei auch herzlich einerlei, ob es sich um ein Geschenk für den Kriegsgott handelte, das sie da gerade entführten und anderweitig verwendeten. Noch schlimmer wäre es jedoch, wenn sie das Opfer in ihrem Namen durchführten. Asnys Lächeln verstärkte sich abwesend unter jenem Gedankengang.


    Asas gehauchte Bemerkung, dass sich Schritte nähern würden, ließ ihre Schwester wieder zurück in die Gegenwart finden und nur wenig später streifte ihr sanftes Lächeln Hannibals Antlitz, jenes gezeichnet von reinster Verblüffung. Asnys Kopf neigte sich sacht zur Seite. Sie hatte eigentlich erwartet, dass er sie doch recht gut einschätzen könne und nicht mehr erwartet hätte, sie hier mit einem mickrigen Kaninchen auf dem Arm anzutreffen.
    Ruhig gab sie ihm Zeit und rührte nicht einen Muskel, während der Mann vor ihr seine ungläubigen Fragen stellte, von mehr oder weniger Intelligenz berührt.
    Nee, kein Kalb, ein rosagestreifter Elefant natürlich! Siehste doch! brummte Asa ziemlich genervt nach Hannibals erster Bemerkung und verdrehte derart die Augen, dass für einen kurzen Moment nichts als zwei weiße, leicht gerundete Flächen zwischen ihren Lidern hervorlugten, die allerdings wirklich überaus gruselig wirkten.
    Die nächste kritische Frage ließ allerdings sowohl Geist wie auch Lebende eine helle Augenbraue hochziehen. Asny hatte sich zwar gegen solcherlei Verdächtigungen abgesichert, dennoch befand sie es als ein wenig lächerlich, wirklich anzunehmen, dass man unauffällig einen kleinen bockigen Stier quer durch Rom stehlen könne, ohne dass es jemandem auffiele.


    Statt einer verbalen Antwort hob sie also nur in einer leichten Bewegung die Hand und hielt Hannibal das offizielle Schenkungsdokument entgegen, was wohl nur deswegen womöglich etwas von der Norm abwich, weil der Schreiber Derartiges bislang noch nie in seinem langen, knauserigen Leben ausgestellt hatte. Solidus‘ heiliges, unantastbares Siegel war darauf, und dies sollte die Hauptsache sein.
    Die beiden Männer hatten einen Gruß nur sehr knapp durch ein Nicken angedeutet und besonders Anthus wartete auf die erlösenden Worte, dass er sich nun entfernen könne. Angesichts der Mimik dieses Hannibals befürchtete er jedoch, dass jene Angelegenheit hier wesentlich komplizierter lag, als gedacht. Andererseits, was durfte er schon erwarten nach all diesen abendlichen Seltsamkeiten?

  • Die zwei Fackeln flackerten unruhig im Wind. Immer wieder streifte ihr unstetes Licht das Gesicht von Hannibal, beleuchtete sein Gesicht, um es gleich darauf in Schatten zu tauchen und mit dem gelben Schein Anderes zu liebkosen. Wie das Kalb, von dem Hannibal seine Augen nicht abwandte. Ein stattliches kleines Kalb war das. Und temperamentvoll zudem, wenn man sich das Gestampfe mit den Hufen betrachtete. Hannibals gewölbte Augenbraue kehrte auch nicht an seinen angestammten Platz zurück als Asny die Schenkungsurkunde vor seine Nase hielt. Er betrachtete das Dokument und warf Asny einen gelangweilten Blick zu. Glaubte sie im Ernst, dass man derartiges nicht fälschen konnte? Hannibal selber hatte solche Dinge einige Male in Auftrag gegeben, außerdem benutzte er das Siegel seines Herrn auch immer wieder. Also gab es zahlreiche Varianten, wie Asny nun wirklich an dieses Kalb gekommen war. Aber eines hatte sich Hannibal sehr gut gemerkt, den Namen, der unter dem Dokument gezeichnet war. Hannibal würde schon noch heraus finden, ob Asnys Finger ein paar Krümmungen aufwiesen und ob sie ihn heute und hier belog. Ein Kalb! Warum kein Kaninchen?, dachte Hannibal und unterdrückte ein Kopfschütteln, als er das Tier mit seinen braunen Augen fixierte. Das würde eine Heidenarbeit werden mit dem Tier. Ein Kalb! Innerlich seufzte Hannibal. Andererseits war er immer noch ein wenig überrascht, dass es Asny gelungen war ein solches Tier aufzutreiben, egal, welche Mittel sie genutzt hatte. Schließlich rannte sie nicht mit dem Kalb an der Leine heran, die halbe Stadtwache auf den Fersen. Nein, sie hat sogar an die kleinen Details bei einem wirklich gelungenen Coup gedacht. Hannibals nachdenkliche Miene streifte Asny, dann trat er zu dem Kalb.


    "Schicke die Männer fort, wir brechen alleine auf!", wies Hannibal die junge Sklavin an. Er streckte die Hand aus und wartete, bis einer der Männer ihm den Strick zu dem Rindvieh reichte. Mit einem Kaninchen wäre es bestimmt einfacher gewesen, die Stadt zu verlassen. Hannibal wartete ruhig und spähte immer mal wieder zu dem Eingang. Neugierige Zuschauer konnte er gar nicht gebrauchen. Doch er sah niemanden an dem kleinen Fenster neben dem Eingang und auch niemand, der durch eine geöffnete Tür spähte. Mit einer Hand zog Hannibal die Haustüre zu und war um die späte Stunde doch recht froh, denn dadurch minderte es das Treiben in und um die Villa und somit die Anzahl der Neugierigen gewaltig. Hannibal klopfte auf die Tasche, in der es metallisch wieder hallte. Dort trug er alles, was sie für ein blutiges Opfer brauchten und er war froh, sogar an den Hammer gedacht zu haben, mit dem man dem Opfertier einen Schlag auf die Stirn geben konnte. Damit jene dadurch in ihrem Bewusstsein getrübt wurden und das Opfertier leichter zu töten war. Schließlich hing viel an dem guten Gelingen davon ab, ob sich das Tier freiwillig oder bockig töten ließ. "Wir können gleich aufbrechen, Asny. Ich habe alle notwendigen Dinge auftreiben können. Zudem einen Ort, wo Du Dein Opfer vollführen kannst..." Mit diesem Kalb, das an dem Strick zog, ein Lamm war es auch vom Temperament ganz sicher nicht. Hannibal seufzte still in sich hinein und lächelte gleich darauf. Ein Kalb...wenn er das seinem Herrn bei der Rückkehr erzählte, würde der sicherlich sehr überrascht sein, womöglich sogar erfreut. Könnte gar nicht besser anfangen, um das Wohlgefallen von Aristides für die neue Sklavin zu gewinnen.


    Hannibal sah in Richtung der dunklen Straße, in der Ferne vernahm er das laute Poltern der Wägen, die nun durch die Straßen von Rom poltern durften und manch einen Bewohner der Stadt von einem ruhigen Schlaf abhielten. Aber was sollten die Besitzer auch anderes machen? Schließlich war es ihnen am Tage verboten durch die Straßen von Rom zu fahren. Hannibal sah zu Asny und musterte sie, ehe er meinte: "Vor den Stadttoren gibt es ein paar Schreine. Ich habe einen sehr Alten ausgemacht, der etwas abseits der Straße ist. Dort wirst Du ungestört sein..." Und somit er auch, denn er würde sie ja begleiten und Hand anlegen, sofern sie diese gebrauchte. Wie beim Halten des Kalbes. Ein Dianahain befand sich zudem nicht weit weg von dem anderen Altar, der gerüchteweise schon seit Jahrhunderten dort stand. Manche bösen Zungen behaupteten, dass manche der Peregrini dort das eine oder andere abstoßende Ritual durchgeführt hatten und andere dichteten dem Schrein sogar an, schon von den Frauen um die legendäre Clodia besucht worden zu sein. Aber auf solche Gerüchte gab Hannibal nichts, zudem hielt er sie für unglaubwürdig. Außerdem war der Schrein dem Göttertrias geweiht und somit für ihre Zwecke brauchbar. Hannibal wollte sich schon umdrehen und in Richtung der Straße gehen, sicherheitshalber fragte er jedoch Asny: "Bist Du bereit? Hast Du alles?"

  • Asnys Mimik hatte nach Hannibals wenig beeindrucktem Blick auf das Dokument nicht die kleinste Veränderung gezeigt, denn ob er die Schenkung für echt hielt oder nicht, war ihr gänzlich einerlei, solange er weiter seine Rolle in ihrer Absicht erfüllte und ihr bei der bevorstehenden Opferung half. Obgleich besonders Asa nach wie vor alles andere als angetan von der Aussicht war, ausgerechnet von ihrem Heimsuchungsziel einen solchen Dienst zu bekommen. Womöglich wollte er nur sein Stück vom Kuchen oder, noch schlimmer, er verpatzte absichtlich die - zugegeben etwas fragwürdigen - Absichten ihrer kleinen Schwester. Aus purer Freundlichkeit tat dieser Kerl dies laut Meinung des Geistes ganz bestimmt nicht, denn niemand, und ganz sicher kein Flaviersklave, half einer wildfremden und noch dazu nicht gerade unverdächtigen Sechzehnjährigen in einem solchen Ausmaß, ohne dass er sich irgendeinen Vorteil davon erhoffte. Oder bei Gelegenheit seinen 'Gefallen' wiedereinforderte.
    So misstrauisch die tote Schwester Hannibal beäugte, so gänzlich bar jedes schlechten Gedankens wirkte die lebende auch weiterhin. Warum dieser Mann ihr half würde sie gewiss erst erfahren, wenn dieser es für richtig empfand, und erst dann würde sie sich dieser neuen Wendung widmen. Allerdings nicht sonderlich lange. Ansprüche der Außenwelt an sie pflegten sie niemals allzu lange zu beschäftigen, wenn sie nicht selbst irgendeinen Nutzen daraus ziehen konnte, und so spontan fiel ihr nichts ein, das Hannibal von ihr einfordern könnte und das gleichsam ihr Interesse erweckt, außer vielleicht, er wollte ihre Hilfe bei der Buchhaltung. Insofern wäre ein 'Eine Hand wäscht die andere'-Denken an dieser Stelle nichts als eine naive, phantasievolle Illusion.
    Insofern besaß die junge Sklavin auch bei jedem Herzschlag, der das Leben erneut durch ihren Körper fließen ließ, die Vorbereitung auf einen abrupten Stimmungswechsel von Didos Erzeuger als stetigen Begleiter bei sich. Schön, wenn dieser Wechsel nie stattfand, doch sollte er plötzlich in Erscheinung treten, so wäre sie darauf vorbereitet. Es existierten keine Probleme, lediglich neue, sie fordernde Herausforderungen, die sie stärker machen würden. Sich langsam aber sicher realisierende Pläne waren angenehm, allerdings nicht permanent. Es wäre nicht das erste Mal, dass Asny persönlich einen Fehler in ihr Netz einwob, nur um ihn mit Aufwand und Anstrengung anschließend wieder zu beseitigen. Nur so lernte man, abseits der selbstverständlich vorhandenen Notfallpläne und Zweit-, Dritt- oder Viertlösungen. Kurz gesprochen, das Kalb hätte in dieser Nacht vermutlich auch dann noch sein blutiges Ende gefunden, wenn Neptun das gesamte Römische Reich verschlungen und in Fischfutter verwandelt hätte. Ein kleiner Hannibal-Streik wäre da noch der harmlosere Zwischenfall gewesen.


    Aber nein, Hannibal schien weiterhin an dem von ihm vorgeschlagenen Plan seiner Unterstützung festhalten zu wollen, wie Asny äußerlich mit der üblichen verträumten Teilnahmslosigkeit zur Kenntnis nahm. Kein Jubel, kein Aufatmen, keine mäßig unterdrückte Nervosität. Beinahe wirkte es, als habe sie schon tausende Male mit einem hart an der Grenze des Gesetzes entlangschrammenden Opfereinkauf vor der flavischen Villa gestanden und auf ihren Helfer gewartet, der weder seine eigenen Pläne für diese Nacht hegen noch andere Einwände von sich geben konnte. Weil.... weil halt.
    Ruhig ließ die weißblonde Sklavin den Älteren passieren, damit jener einen der beiden Stricke - selbstredend Anthus', der die Verantwortung gar nicht rasch und weit genug von sich werfen konnte - an sich nehmen und seine Anweisungen geben konnte. Weiterhin hörte sie ihm zu, ohne sich groß zu rühren oder ihn gar zu unterbrechen. Während Anthus jedoch keiner weiteren Anweisung bedurfte, um bereits einige Schritte gen sehnlichst herbeigeführter Heimat zu machen, verharrte Milios mit seliger Gelassenheit an seinem Platz auf der anderen Seite des schnaubenden, weiterhin blinden Kalbes, ähnlich wie Asny an der Porta, bis auf sein nach wie vor amüsiertes Grinsen, das nur kurz wich, als er sich ein im flackernden Zwielicht nicht näher zu definierendes Etwas zwischen die Zähne schob und darauf herumzukauen begann.
    Erst nach Hannibals letzter Frage erklang Asnys Stimme leise und mit einem Klang, welcher der ganzen ohnehin schon bizarren Situation vielleicht einen noch etwas beunruhigenderen Charakter verlieh.
    "Nein, noch nicht. Ich bin gleich zurück."
    Schon verschwand ihre schmale Gestalt - nach neuerlichem Anklopfen an die wieder geschlossene Tür - in der Villa und zurück blieben drei Männer und ein Kalb. Allerdings herrschte die Stille zwischen ihnen nicht lange vor. Milios spuckte das gut durchgekaute Stück Wasauchimmer in lässigem Bogen auf die Straße, klopfte dem Stierkalb wohlwollend auf den Rücken und wandte sich dann mit schiefem Grinsen Hannibal zu, um jenem in sowohl lockerem wie auch aufklärend wohlwollendem Tonfall mal kurz die Tatsachen zu präsentieren. Gemächlich und deutlich, damit unwissender Allgemeinverbraucher Hannibal auch hinter eines der wohlgehüteten Geheimnisse der Viehzucht stieg.


    "Also, Meister... eins mal jleich vornewech. Der Kleine hier bringt etwa vier Mal dein Kampfjewicht auffe Waaje. Normalerweise müssten wir den mit vier bis fünf Mann führen oder hinter 'nen Karren spannen, um ihn wirklisch zu kontrollieren. Dat wir den zu zweit überhaupt hierher jeschafft ha'n bei dem sein Temperament und der Unruhe, sacht schon, dass der Mars das Viech wirklisch will. Dat war Jlück, nix weiter. Isch will ja net behaupt'n, dat du enne Hänefling bis'... aber dat jute Tier krischst du allein im Leben net jebändigt, mein Freund. Dat is' mit dem Solidus, meinem Herrn, alles scho' abjeklärt, mach dir kinn Sorsch. Bis zu dere Opferung bleib isch bei dir und der Kleinen, weil sons' könnta dat wohl sofort verjesse. Der Solidus weess Bescheid."
    "Ach... weiß er das?" Anthus' Mimik war zwar nicht wolkenlos klar zu erkennen, allerdings mangelte es seinen Worten doch ganz erheblich an Begeisterung für die Sache. Inzwischen hatte er die paar bereits fortstrebenden Schritte auch alle wieder zurückgemacht und sich neben seinem Mitsklaven aufgebaut, wodurch die beiden irgendwie den Eindruck von 'Vor und nach der erziehenden Folter' darzustellen schienen. Milios hing scheinbar halb auf das Rind gestützt derart 'kühl' herum wie ein rückgratloser Schluck Wasser in der Kurve, während Anthus derart gerade stand, dass man ihn glatt als Architekteninstrument gebrauchen könnte. Ähnlich sah es auch mit Stimme, Wortwahl und Mimik aus.
    "Davon weiß ich nichts. Wann soll das bitte abgesprochen worden sein?"
    Ein leises Lachen war zu hören, das wie eine befremdliche Mischung aus Krächzen und Zischen klang und von einer über dichtes, nun dunkelbraun wirkendes Fell streichender Handbewegung begleitet wurde.
    "Als du dir dinge Schurz wechsele wars', weil du disch bepiss' häss vor Schiss vor de' dunkele Stroß’. Nä, du wars' em Stall, de Brunge holle. Äver wenn disch dat su stürt, kannste jern och mitkumme, dä Hannibal hier würd sisch sischerlisch freue – oder? Hannibal? Bei Iunos prallen Eutern, an die isch misch verdammt jern hänge' würd', wat bis' du jlatt rasiert! Iehrlisch, als du zu de' Düür raus kamst, isch hätt' disch fas' für en jung' Frau jehale... du net och, Anus? Nä, AnTHus heess der Jung', un' isch bin de' Milios. Halev Jriesche, halev Jermane und halev röm'sche Jung'. Vonne 'ner all nur dat Beste, sach isch imme'."
    Ein weiteres Kichern folgte, das lebhaft an den verzweifelten Überlebenskampf einer strangulierten Krähe erinnerte, für dessen Umsetzung Anthus in diesem Augenblick vermutlich am Allerliebsten höchst persönlich gesorgt hätte. Nicht nur, weil er den Akzent hasste, der bei jedem geäußerten Satz Milios' stärker durchzuschlagen schien. Allerdings würde es seinem würdevollen Auftreten ganz erheblich schaden, wenn er nun darauf einginge oder sich gar noch mit seinem Kollegen herumzanken würde wie die Waschweiber. Ausgerechnet vor der Bruthöhle der Flavier. In der Nacht. Umringt von Ausnahmen, Besonderheiten und Seltsamkeiten. Jaa, gibs mir, Schicksal, was hast du sonst noch drauf?
    "Tu, was du willst", erwiderte Anthus schließlich überaus eisig, allerdings die Beherrschung ordentlich aufrecht erhaltend.
    "Einen angenehmen Abend noch", ergänzte er mit einer leichten wie steifen Verneigung in Hannibals Richtung, ehe er sich auf dem Absatz umdrehte. Beinahe im selben Augenblick öffnete sich auch wieder die Porta und entließ Asny erneut in die mysteriöse Nacht. Rein äußerlich schien sich bei ihr nicht allzu viel verändert zu haben, vermutlich hatte sie auch nur den Inhalt ihres obligatorischen Gepäcks ausgetauscht.
    "Ich bin fertig", gab sie zusätzlich noch leise bekannt und ließ ihren Blick kurz und ruhig über die geringere Zahl Anwesender schweifen, ehe sie fortfuhr "Begleitet Milios uns?"

  • Der Schatten des Eingangs tauchte Hannibals Gesicht in Schwärze als seine Augen Asny verfolgten. Selbst als diese nicht mehr zu sehen war. Hannibal wollte, den Strick in der Hand, sich umwenden, um die beiden Männer nun fort zu schicken, sie schienen beharrlich an der Stelle verharren zu wollen. Doch schon öffnete der Eine den Mund und ließ einen Schwall von Worten heraus kommen. Hannibal verzog das Gesicht, denn jenen Akzent kannte er allzu gut. In der Subura hörte man den einen oder anderen auf diese Weise sprechen und Hannibal hatte lange genug in jenem Viertel gelebt, um die verschiedenen Kolorationen an Akzenten, Sprachgebrauch und Wortschändern zu erleben. Es tat jedoch Hannibal immer in der Seele weh, das klare und klangvolle Latein derart gefoltert zu erleben. Aber nicht jeder konnte sprechen, wie ein Cicero schrieb oder ein Ovid dichtete. Hannibal drehte seinen Kopf langsam in Richtung von Milios und musterte ihn mit einem kühlen Ausdruck auf dem Gesicht. Stumm lauschte er dem Verschandeln der römischen Sprache, zog den Sinn aus den Worten und seufzte in sich hinein. Warum auch immer, der Mann hatte es sich wohl in den Kopf gesetzt, sie alle zu begleiten. Neugier oder Hilfsbereitschaft? Es war Hannibal egal, aber gänzlich recht war ihm das Mitnehmen dieses Kerls nicht sonderlich. Hannibal wollte schon den Mund öffnen, um seinerseits eine Erwiderung und eine klare Absage zu erteilen, aber die beiden Männer waren schon in ihrem Dialog gefangen. So gab es Hannibal erst mal auf und taxierte Milios ohne ihm recht Glauben zu schenken, dass jener tatsächlich von...Solidus? Wer auch immer das war!...beauftragt worden war. Dennoch hob sich Hannibals Mundwinkel an der rechten Seite eine Nuance. Solidus! Ein Viehhändler? Darum würde sich Hannibal aber erst später kümmern.


    Denn im selbigen Augenblick war Hannibal mehr damit beschäftigt, den Kerl mit eisigen Blicken zu erdolchen als dieser seinen Mund immer weiter aufmachte und noch mehr Unfug diese leere und sinnfreie Zone verließ, die wahrscheinlich kein übergeordnetes, denkendes Zentrum mehr besaß. Hannibals Hand zuckte zu dem Dolch unter seinem Umhang. Ein Flackern erreichte seine Augen, das Glimmen, was er in Momenten verspürte, in denen er am Liebsten den Dolch in menschliches Fleisch stoßen wollte. Dabei würde er beobachten, wie langsam der Lebensfunke aus dem Kerl heraus schlich und sich in der Nacht verflüchtigte. Hannibals Hand zitterte am Griff des Dolches. Der Schatten, der seine Seele stets begleitete, rang mit der Ratio, die Hannibal über sich oft obsiegen ließ. Dann sank Hannibals Hand wieder herunter. Mit einem abfälligen Schnauben sah Hannibal von dem Kerl weg und ignorierte, was er noch von sich gab. Überhaupt, dem Mann schenkte Hannibal erst mal keine Beachtung, sondern betrachtete lieber den Stier, den jungen Stier. Bei dem schlechten Licht konnte Hannibal leider nicht erkennen, ob die Farbe auch dem Gott entsprach. Aber da Asny bereits jenes kleines Wunder vollbracht hatte, überhaupt ein so großes Opfertier aufzutreiben, stellte er nicht in Frage, dass sie auf die wichtigen Details auch geachtet hatte. Die junge Frau überraschte ihn immer mehr. Genau aus dem Grund kam er auch mit. Er wollte mehr über Asny erfahren und das gelang ihm am Besten durch ihre Taten und Handlungen.


    Hinter sich vernahm Hannibal das Öffnen der Tür. Er drehte sich halb zu Asny um. Schweigend fixierte er ihr helles Gesicht, das im Dunkeln zu leuchten schien, auch ihre Haare waren selbst in der Nacht sehr auffällig. Hannibal rang mit sich, schließlich gab er mit einem wortlosen Nicken seine Zustimmung. Er griff fester nach dem Strick und zog den Stier hinter sich her. Mit jedem Schritt rieb die lederne Tasche an seinem rechten Bein. Eisern hielt er den Strick in seiner Hand fest, auch wenn das Kalb sich mal störrischer bewegte. Welchen Weg sie nehmen mussten, welche Straßenzüge das Beste waren und wo sie am Leichtesten die Stadt verlassen konnten, das wusste Hannibal genau. Er kannte Rom sehr gut, schließlich lebte er schon eine Weile hier. Wagen polterten an ihnen vorbei und Menschen trieben sich auf den Straßen. Selbst zu jener Stunde lebte und pulsierte die große Metropole und das Herz des Imperiums.




    --> Vor den Toren der Stadt

  • Das war also das große Rom, ich war zugegeben beeindruckt. Alles hier schien ein wenig gewaltiger, pompöser und....teuerer zu sein. Für das was die Träger der Mietsänfte mir für den kurzen Weg zur Villa meiner Verwandschaft abknöpfen wollten, hätten mich in Tarraco freie Männer mit Freuden zum Landgut meines Vaters geschleppt. Und das mit bloßen Händen. Nun, ich wollte ja nicht wie ein Bettler mit staubigen Füßen bei meiner feinen römischen Verwandschaft anklopfen. Der Schein ist alles, das lehrte man mich früh und in diesen Zeiten konnte der Schein zwischen Erfolg und Bedeutungslosigkeit entscheiden. Der Schein war mir schon immer wichtig gewesen, in der relativen Abgeschiedenheit der Sänfte, prüfte ich immer und immer wieder den Sitz meiner, nach dem letzten Schrei der Mode gehaltenen Tunika.
    Ein neuer Kaiser regierte in Rom, wenn ich ehrlich zu mir war, wusste ich nicht viel über ihn, außer das ein Machtwechsel einem gewitzten Mann immer Möglichkeiten bot. Mann brauchte sie sich nur zu nehmen.
    Möglichkeiten sollte man sich nehmen, man sollte sie nutzen und so war ich hoch erfreut über die Möglichkeit meine Neffen kennenzulernen und mit meinem Jugendfreund Aquilius die eine oder andere Amphore leeren zu können. Wenn er das überhaupt noch wollte. Es drang nicht viel an Neuigkeiten zu unserem Landsitzt durch. Aber er schien Karriere gemacht zu haben. Ich musste bei dem Gedanken schmunzeln das er nun ein Priester des Mars war.


    Die Sänfte berührte den Boden, ich stieg aus, bezahlte murrend die Träger und begab mich zur Porta. Dann klopfte ich, drei mal in einem langsamen Rythmus, laut genug um Wichtigkeit zu demonstrieren, aber nicht so laut das es unhöflich wirkte. Wie gesagt, der Schein ist alles.


  • Singe den Zorn, o Göttin, des Ianitors Acanthus,
    Ihn, der entbrannt den Menschen unnennbaren Jammer erregte,
    ...


    ... wenn er dürfte, wie er wollte. Zum dreihundertsiebenundzwanzigsten Male nahm sich Acanthus vor, sein Versetzungsgesuch bei dominus Manius Flavius Gracchus einzureichen, immer wieder kam etwas dazwischen. Zum Beispiel: Gäste.


    "Ja?" steckte der Ianitor seinen Kopf zur Tür hinaus.

  • Die Tür öffnete sich und ein Sklave, der offensichtlich besseres zutun hatte, begrüste mich mit einem unwirschen "Ja". Entweder erwartete meine liebe Verwandtschaft unlieben Besuch, oder ihren Sklaven mangelte es an Erziehung. Mich konnten sie nicht erwarten, ich hatte meine Ankunft nicht angekündigt, ansonsten hätte ich die Reaktion des Sklaven durchaus verstanden.


    "Ja, was?" Entgegnete ich.


  • Acanthus seufzte. Offensichtlich jemand aus den Provinzen - oder irgendein Möchtegern, der sich mit ihm ein Späßchen erlaubte. Der Ianitor schielte zu dem Prügel aus weichem Pappelholz und dem aus harter Eiche, die in der Ecke bei der Tür standen und wog mit einem Blinzeln zu dem Mann den reparablen Schaden ab, den das ein oder andere Gerät wohl verursachen würde.


    "Hast Du an dieser Tür geklopft?" fragte Acanthus dann und legte seine Pranke auf das Holz, "dann sind die Rollenverhältnisse eigentlich klar: Du bist der, der ein Anliegen hat - ich bin der Ianitor, dem Du dieses Anliegen mitteilst. Daraus ergibt sich dann, was ich für Dich tun kann." Der Prügel aus Pappelholz, der würde genügen.

  • Ich war mehr als erstaunt darüber das sich ein Mann, der offensichtlich ein Sklave war(es sei denn meine römische Verwandschaft hatte einen skurilen Modegeschmack entwickelt) sich einen solchen Tonfall mir gegenüber erlaubte.
    Ich wünschte mir einen Prügel um diesem Mann benehmen beizubrigen. In der Vergangenheit hatte sich Pappelholz als nützlicher Rohstoff erwiesen, Prügel zur Züchtigung von Sklaven herstellen zu lassen. Mit vorliebe lies ich die zu bestrafenden Sklaven vor der Züchtigung ihren Prügel selbst zurecht schneiden. Schnitzten sie ihn zu dünn, bekammen sie die doppelte Anzahl an Schlägen, schnitzten sie ihn dick genug, kamen sie manchmal sogar ohne eine Strafe davon, immerhin hatten sie die schwere ihrer Schuld eingesehen.


    Allerdings wäre es nicht schicklich einen Sklaven, der nicht mein Eigentum war zu züchtigen und ich hätte diesem Sklaven durchaus zugetraut das er sich zur Wehr setzten würde. Nicht das es mich geängstigt hätte. Aber es wäre doch ein sehr eigentümliches Bild gewesen, welches ich meiner Verwandschaft geboten hätte. Ich wollte einen guten ersten Eindruck liefern. Eine Schlägerei mit ihrem Haussklaven war definitiv kein guter erster Eindruck. Zudem schien er es gewohnt zu sein, einen solchen Ton Fremden gegenüber anzuschlagen. Vermutlich um Bittsteller und Hausierer abzuweisen.
    So beschloss ich gute Miene zum bösen Spiel zu machen.


    "Appius Flavius Callistus ist mein name" sprach ich mit honigsüßer Stimme "Ich möchte zu Flavius Aquilius." Am meißten sehnte ich mich nach einem Wiedersehen mit meinem alten Jugendfreund. Aus diesem Grunde, da ich wusste was er von meiner Einstellung zur Mode hielt, trug ich meine neuste Tunika.

  • Er hatte ein ausgedehntes Bad zur Entspannung genommen, bevor er zur domus der Flavier aufgebrochen war. Eine Sänfte hatte den Aelier bis zur Pforte gebracht, der er nun mit prunkvollem pallium enstieg. Er hatte sich, da dieses Treffen auch keineswegs politischer Natur war, gegen eine Toga entschieden, außerdem war das pallium einfacher in seiner Handhabung. Die darunter getragene Tunika war prachtvoll abgesetzt, aus feinem Stoff und dezent verziert, das Haar geölt, der Bart sauber rasiert.
    Der Aelier ließ einen der Sklaven anklopfen und wartete ab.



    Sim-Off:

    Beginnen wir das einfach, wenn´s dir passt. :

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • [Blockierte Grafik: http://img249.imageshack.us/img249/7479/acanthusmj4et4.jpg]


    'Na also, geht doch' dachte sich Acanthus und stöhnte innerlich auf. Schon wieder ein neuer Flavier. Nicht, daß einer mehr oder weniger in diesem Haus ins Gewicht fallen würde, von dem Zustand "qualvoller Enge" war man hier selbst für extreme Klaustrophobiker so weit entfernt, daß einem Agoraphobiker Angst und Bange werden konnte.


    "Willkommen dominus" öffnete der Ianitor nun die Türflügel und winkte einem Botenjungen.


    'Wahrscheinlich wieder ein Flüchtling aus Hispanien' mußmaßte Acanthus wegen der guten Hautfarbe des Ankömmlings. 'Seit Flavius Furiosos dort sein Unwesen treibt, schauen die meisten, daß sie sich aus dem Staub machen.'


    "Herein, man wird Dich ins Atriumbegleiten und Flavius Aqulius umgehend von Deiner Ankunft in Kenntnis setzen."


  • Acanthus öffnet die Tür und entdeckt dort - pünktlich wie die Wassersteuereintreiber - einen gutgekleideten Sklaven, einen dezent und geschmackvoll gekleideten Herren und dahinter eine weit weniger zurückhaltend verzierte Sänfte, ein Modell mit allen Extras, die ganze Liste der Sonderausstattungen einmal runter und dann wieder hinauf.


    Das war der von Flavius Aquilius erwartete procurator a libellis, kein Zweifel. Der Ianitor öffnete mit einem Nicken beide Türflügel: "Willkommen. Rechter Fuß voran, möge Dein Besuch unserem Hause Glück bringen" lud er den Gast traditionell zum Betreten des Hauses ein. Zwei Sklaven standen bereit, um Aelius Callidus in den Oecus zu führen, der zum Ort der Begegnung auserkoren worden war.

  • Das Wetter war heute ausgesprochen schön und daher hatte Minervina beschlossen, dass dieser herrliche Tag sich exzellent dazu eignete um endlich der Einladung von Flavia Celerina nachzugehen.


    Die aurelische Sänfte schaukelte träge durch die Straßen Roms bis sie schließlich an der flavischen Villa angekommen war. In Begleitung zweier Sklavinnen, die eine mit hellem Haar aus dem Norden stammend, die andere dagegen mit honiggoldener Haut aus einem der östlichen Teilen des Imperiums, trat die junge Aurelia an die porta heran. Sie nickte zu der hellhaarigen, nordischen Sklavin als Zeichen, dass diese an der Tür klopfen sollte, was sie ohne zu Zögern dann auch tat.


    *tock tock tock*


    Während Minervina sich in der Zwischenzeit im Hintergrund aufhielt und nur mit einem Ohr das zaghafte Klopfen vernahm, musterte sie eingehend die prunkvolle Villa und malte sich dabei schon das Innere des Anwesens aus.


  • Gerade hatte Acanthus die lang ersehnte neue Ausgabe von 'Sklave Gaius ist der Beste' ergattern können, die zuerst vom jungen Herrn Serenus gekauft wurde, um dann zuerst insgeheim unter den Herrschaften, dann unter den des Lesens mächtigen Sklaven zirkulierte, als es an der Tür klopfte, und diese unwillkommene Unterbrechung seines Lesevergnügens ließ den ianitor der Flavier noch missmutiger dreiblicken als sonst.
    "Wer bist Du und was willst Du?" schnauzte er den aurelischen Sklaven in bester 'lass mich in Ruhe' Manier an, welche bisher immer geholfen hatte, lästige Vertreter oder unwillkommene Klienten das Fürchten zu lehren.

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