• "Ich danke dir", erwiderte ich auf die Worte des grimmigen ianitor hin und folgte dem Sklaven, der uns ins atrium führte. Kaum einen Blick aus dem conpluvium hinaus konnte man erhaschen, da kam bereits ein Bote vom Hausherren, der einige Worte mit dem Sklaven wechselte. Kurz darauf wurden wir auch schon weiter zu Gracchus' Arbeitszimmer geführt.

  • Man sollte meinen, während der Saturnalien sei ein Durchkommen auf den Straßen Roms nahezu unmöglich. Und doch gab es auch in diesen Tagen immer wieder Momente, in denen es ruhiger wurde, in denen so etwas wie Pausen einkehrten in die Festivitäten, fast als wollten die Feiernden etwas Atem holen, bevor der Trubel mit fortgeschrittener Stunde nur umso ausgelassener wieder einsetzen würde. Einer dieser Momente sah nun, wie sich langsam eine Sänfte durch die Straßen Roms bewegte. Mochte es Zufall sein oder tatsächlich geschickt koordiniert durch den Anführer des kleinen Trupps, der Zeitpunkt war klug gewählt, und es gab kaum Behinderungen. Die wenigen Sklaven, die die Sänfte trotz der Saturnalien begleiteten, hatten jedoch nichts anderes erwartet, und auch die Freien, in Ostia angeheuert, um Sänfte und das nötigste Gepäck zu tragen und somit erst seit kurzem im Genuss ihrer Gegenwart, begannen daran zu glauben, dass anderes gar nicht möglich war. Die Insassin der Sänfte mochte wenig für sie übrig haben, aber sie nötigte ihnen Respekt ab, Respekt von der Art, die sie tatsächlich glauben ließ, dass selbst eine Stadt wie Rom nicht anders konnte, als ebenfalls Respekt zu zollen. Nein, für sie konnte es kein Zufall sein, dass sie ausgerechnet zu einem Zeitpunkt Rom durchquerten, in denen die Feierlichkeiten etwas geringer wurden. Es war schlicht angemessen.


    Und so bewegte sich die Sänfte durch die Straßen, begleitet von einigen Sklaven, die, vor die Wahl gestellt die Saturnalien in Ostia oder in Rom zu begehen, die Hauptstadt vorgezogen hatten, auch wenn das hieß, dass sie jenen ersten Tag mit dem Weg dorthin verbringen würden. Hinter der Sänfte gingen noch einige Männer, die Gepäck trugen, das nötigste, hieß es, in Ostia lagere noch weit mehr. Auch hier hatte sich unter den Freien innerhalb kürzester Zeit eine Meinungsänderung vollzogen. Hatten sie in Ostia noch geglaubt, die Dame könne von Glück reden, dass ihre vorab geschickten Boten so kurz vor den Saturnalien noch Freie finden konnten, die bereit waren für sie zu arbeiten, und dass sie die Anzahl ihrer Gepäckstücke der Anzahl der Träger hatte anpassen müssen, waren sie nun davon überzeugt, dass es umgekehrt gewesen war. Sie hatte genau die Anzahl an Trägern gefunden, oder besser: finden lassen, die sie benötigte, und hätte sie auch nur einen mehr gebraucht, er wäre zur Stelle gewesen. In Gesprächen untereinander hatte sich herausgestellt, dass viele von ihnen bereits von anderen Familien angeheuert worden waren, während der Festtage dort zu arbeiten, dann jedoch von diesen neuen Auftrag erhalten hatten. Einige andere, die eigentlich nicht hatten arbeiten wollen, hatten von ihrem Patron die Aufforderung erhalten, diesen Auftrag anzunehmen. So hatte jeder der Freien seine Geschichte zu erzählen, wie er dazu gekommen war, am ersten Tag der Saturnalien eine Sänfte durch Rom zu tragen, obwohl sie bis vor kurzem etwas ganz anderes geplant hatten für diesen Zeitpunkt. Von den Sklaven wunderte sich indes keiner hierüber.


    Was die Insassin jener Sänfte selbst über diese Dinge dachte, war zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gewesen für die Freien. Lediglich die Sklaven, die sie schon länger kannten, mochten Mutmaßungen anstellen, aber sie bewahrten Stillschweigen auf jede Nachfrage hin. Fest stand jedoch, dass zumindest der Zeitpunkt ihrer Ankunft in Rom gewollt war. Am Abend des ersten Tages der Saturnalien hatte sie ankommen wollen, jenem Abend, an dem traditionellerweise die Familienfeiern stattfanden, und spaßeshalber hatte einer der Sklaven unter den Freien das Gerücht in die Welt gesetzt, Neptun höchstpersönlich habe dafür Sorge getragen, dass das Schiff nicht zu früh und nicht zu spät ankam, weil alles andere nicht angemessen gewesen wäre. Und so begab es sich, dass in jener Stunde, in der die Sonne hinter dem Horizont versank, die Sänftenträger die letzten Schritte zum Eingang der Villa Flavia Felix zurücklegten, wo sie abgesetzt wurde. Einer der Männer trat an die Porta und klopfte kräftig an, während einer den schweren Stoff beiseite schob und zwei weitere ihre Hände ausstreckten, um der Dame beim Aussteigen behilflich zu sein, die gleich darauf die Sänfte verließ und das Gebäude musterte, dass sie schon seit langer Zeit nicht mehr gesehen hatte. Eine Hand hob sich und flickte in einer nachlässig wirkenden Bewegung ein imaginäres Staubkorn vom Stoff der edlen Tunika, während Flavia Agrippina darauf wartete, dass die Tür sich öffnete und sie einließ.

  • He, jo, Saturnalien! Das ganze Jahr wartet man als Sklave auf die paar Tage, die von geheuchelter Freiheit geprägt sind! Endlich war es mal wieder so weit. Ich hatte mich schief gelacht, als Epicharis mir vom Versäumnis ihres blitzgescheiten Gemahls erzählt hatte. Tränen in den Augen hatten wir gehabt, als wir uns abends vor dem Schlafengehen ausgemalt hatten, wie Antonia und Epicharis Kartoffeln schälten und sich ihre tausendundeine Creme selbst auftrugen, ehe sie zu Bett gingen. Die Pritschen hatten sich vor lachen gebogen, das hatte man sogar noch bis zu den Mädels gehört.


    Der Morgen war prima gewesen. Ausschlafen! Wie lange hatte ich schon nicht mehr ausgeschlafen? Wann waren die Saturnalien letztes Jahr gewesen? Auch egal, ich hatte jedenfalls bis mittags gepennt, mir dann was zu essen organisiert und einen Krug Wein. Und später dann noch einen. Und jetzt war ich auf dem Weg in die Stadt, und zwar zum Feiern. Ordentlich vorgeglüht hatte ich ja, was man ein wenig an meinem bescheidenen Torkeln merkte. Das Eingangsportal hatte ich nach einigem Suchen und einem Umweg über die Besenkammer, in der sich ein sommersprossiger Junge gerade mit einer Küchenmagd vergnügte, schließlich auch gefunden.


    Ein fröhliches, obszönes Lied auf den Lippen, riss ich die Tür auf, wo mich der strahlende Sonnenschein der untergehenden Abendsonne empfing. Einen Blick warf ich noch zurück, um mir das Bild besser einzuprägen, damit ich auch nach Hause fand, wenn ich später stockbesoffen auf allen Vieren gen Bett kroch - sofern ich später stockbesoffen auf allen Vieren gen Bett kroch... Und weil ich mir das Bild des friedlichen, unbelebten Flavieratriums so gut einprägte - und halt ein ganz klein wenig vorgeglüht hatte - lief ich direkt in eine alte Frau hinein. Hastig sah ich nach vorn, beziehungsweise dorthin, wo ich vorn vermutete. "Oh", machte ich, als ich nach kurzem Suchen die alte Schachtel in den Armen des Sklaven erblickte, der geklopft hatte. Und der geistesgegenwärtig genug gewesen war, sie vor dem Sturz zu bewahren. "Schulligung", murmelte ich und streckte die Hand aus, um dem Ömchen einige Male tröstlich auf die Schulter zu patschen. In genau diesem Moment bemerkte ich, dass zwei Weinkrüge wohl doch ein wenig zu viel für den alten Nordwin gewesen waren. Ich dachte an einen Springbrunnen, denn so fühlte es sich an. Glücklicherweise konnte ich mich noch rechtzeitig herumreißen und zwei Schritt weit torkeln. So kotzte ich wenigstens nicht auf die teuer aussehende Tunika der alten Schachtel, sondern nur in die innig geliebten Blumenbeete neben dem Eingang.

  • Agrippina sah den Mann an, der so plötzlich auf sie zukam und sie anrempelte. Die Hand, die stützend nach ihr griff, wurde zwar registriert, bekam aber keine weitere Aufmerksamkeit. Stattdessen traf ein halb zweifelnder, halb ungläubiger Blick den Sklaven, denn nur um einen solchen konnte es sich handeln, während dieser es nach dem Rempler auch noch wagte, sie zu berühren. Eine Hand hob sich und wischte die seine weg. Die Bewegung ähnelte verblüffend jener, mit der sie kurz zuvor das imaginäre Staubkorn fortgewischt hatte, immerhin handelte es sich hierbei um nichts anderes als eben das: einen Störfaktor, der beseitigt werden musste.


    Eine Augenbraue wanderte nach oben, und zunehmend mischte sich in den Ausdruck in ihren Augen so etwas wie Aversion, etwa in der Art mit der man ein besonders widerwärtiges Insekt betrachten mochte, als der Blonde sich umdrehte und den Inhalt seines Magens von eben jenem in die Blumenbeete beförderte. Die Saturnalien dauerten sieben Tage. So lange konnte bedauerlicherweise nicht gewartet werden, nur um den Verursacher seine Hinterlassenschaft selbst beseitigen zu lassen. Einmal im Jahr wurde den Sklaven freie Hand gelassen, und jedes Jahr wieder konnte man sich darauf verlassen, dass sie an diesen Tagen zuverlässig bewiesen, warum man im restlichen Jahr gut daran tat, sie mit strenger Hand zu führen. Sklaven waren einfach nicht in der Lage, sich um sich selbst zu kümmern, und sie konnten von Glück reden, wenn sie Herren hatten, die das für sie übernahmen. Jeder Sklave, auf sich allein gestellt, war verloren, wenn nicht sofort, so doch auf Dauer. So gesehen war es eine Großzügigkeit von ihr, dass sie noch niemals einen der ihren freigelassen hatte. Dass nicht alle Sklaven dies wertzuschätzen wussten, gehörte ebenso zu ihrem Wesen wie ihre Unfähigkeit, selbständig zu sein.


    Agrippina wartete, äußerlich scheinbar geduldig, bis der Sklave fertig war und wenigstens ein Mindestmaß an Selbstbeherrschung wieder gewonnen hatte. "Und du bist…?" Nicht dass der Name dieses im Grunde bedauernswerten, in diesem Moment jedoch abstoßenden Wesens eine Rolle gespielt hätte, aber wenn er nach den Saturnalien angemessen für dies hier gemaßregelt werden sollte, dann war der Name wichtig. Auch wenn sie befürchtete, dass eine verspätete Lektion nicht in vollem Maß ihre Wirkung würde entfalten können. Mit Sklaven verhielt es sich nur minimal anders als mit Tieren. Folgte die Strafe nicht auf dem Fuß, so konnten sie es nur unzureichend mit der fraglichen Tat verbinden. In vorliegenden Fall hätte Agrippina es vorgezogen, das Gesicht dieses Sklaven mitten in seinen, nun auf dem Blumenbeet verteilten, Mageninhalt drücken zu lassen, aber da Saturnalien waren, kam dies nicht in Frage. Genauso wenig kam es jedoch in Frage, diese Aktion ungeahndet zu lassen.

  • Ein Beamter des Praetor Peregrinus klopfte an die Türe und wartete darauf, dass ihm geöffnet wurde. Dann stellte er sich vor. "Salve, ich komme im Auftrag des Praetor Peregrinus. Dort wurde im Namen von Flavia Celerina eine Klage eingereicht. Ich bin hier, um die gesetzlich vorgeschriebenen Prozesskosten von 500 Sesterzen einzufordern, ohne die der Prozess nicht eröffnet werden kann."


    Sim-Off:

    Staatskasse II, bitte

  • Ein wenig benommen richtete ich mich wieder auf und rieb mir den Bauch. Der musste schlecht gewesen sein, der Wein. Ich sollte den Keller mal genauer in Augenschein nehmen, damit das nicht mal dem Hausherren passierte, nahm ich mir vor. Einmal musste ich aufstoßen. Ein widerlich saurer Geschmack lag mir wie ein Pelz auf der Zunge. Vielleicht war's doch nicht das Beste, wenn ich mich jetzt noch auf den Weg in die Stadt machte. Andererseits... Jetzt war das schlechte zeug ja draußen, da war wieder Platz für gutes Stöffche.


    Eine Stimme sprach zu mir. Ach ja, da war ja was. Die alte Schachtel. Ich wandte mich von dem unansehnlichen Fleck zwischen Grün und Braun der Rabatte ab, nur ein ganz klein wenig wankend versteht sich, und musterte die Frau, als würde ich sie zum ersten Mal sehen. Hatte die Schrapnelle ihren Namen schon genannt? Mir fiel ein, dass Acanthus heute ja gar keinen Türdienst hatte. "'schpinnohh", begann ich, musste hicksen und daraufhin blinzelte irritiert. Was hatte ich doch gleich sagen wollen? "Mmh... 'schpinnnoh..dwnn", führte ich dann nur ein ganz winzig kleines bisschen nuschelnd aus und streckte ihr kameradschaftlich eine Hand entgegen, natürlich nicht, ohne dabei einnehmend zu grinsen. Sie zu fragen, wer sie eigentlich war und was sie hier überhaupt suchte, vergaß ich schlichtweg. Stattdessen fragte ich schlicht: "Unnu?"

  • Während Agrippina sich zum ersten Mal zu fragen begann, wo der Freie blieb, der während der Saturnalien die Aufgabe des flavischen Ianitors zu übernehmen hatte, hob ein kaum merkliches Seufzen ihre Brust. Vermutlich war es zu viel erwartet gewesen, von diesem Sklaven eine klare Antwort zu erhalten, nachdem er gerade eben erst nur allzu offensichtlich unter Beweis gestellt hatte, dass er kaum mehr zurechnungsfähig war. Dass er ihr die Hand hinstreckte und dabei frech entgegen grinste, war nur ein weiteres Zeichen hierfür. Agrippina nahm sich für einen winzigen Augenblick die Zeit, abzuwägen, welches Verhalten angemessen war. Für gewöhnlich hätte sie darüber nicht nachdenken müssen, aber in jenem Moment spielten zwei Dinge eine Rolle, die in dieser Form anderweitig nicht gegeben waren, die jedoch hier und jetzt bedacht werden wollten. Zum einen waren Saturnalien, das durfte nicht vergessen werden. Zum anderen war dieser Besuch, nach langen Jahren der Absenz, etwas Besonderes. Nichts, in dem durch das schlechte Betragen eines Sklaven in irgendeiner Form ein Missklang entstehen sollte.


    Sie kam zu dem Schluss, dass eine gewisse Großzügigkeit durchaus angebracht war. Erneut nach dem Namen zu fragen würde wohl kaum ein besser verständliches Ergebnis zeitigen, also unterließ sie dies. Gleiches galt für eine etwaige Frage nach dem Besitzer, darüber hinaus mochte es einigen Sklaven unangebracht erscheinen, ausgerechnet an den Saturnalien in Erinnerung gerufen zu bekommen, dass sie unfrei waren. Aber sie hatte nicht vor, in Bälde wieder abzureisen, also würde es mit dem Wortfetzen und dem Gesicht, dass jeder ihrer Begleiter nur zu gut sah, ein Leichtes sein herauszufinden, wer dieser Sklave war und wem er gehörte. Ihr Kopf bewegte sich um eine Winzigkeit, und einer Freien verstand und trat vor. Er war es, der die Hand des Blonden ergriff und ihn in derselben Bewegung etwas zurückschob, sachte nur, um keine Reaktion zu provozieren. "Ich schlage vor, du gehst deiner Wege", antwortete sie schließlich sogar auf seine Frage, ihr Tonfall durchaus neutral. Nur schwach war eine leicht herablassende Färbung hörbar. "Oder siehst du dich dazu imstande, mich einzulassen? Sofern dies an diesem Tag nicht zu viel verlangt ist. Immerhin sind Saturnalien." Nicht dass Agrippina wirklich damit rechnete, dass der Sklave dies auch tun würde – ob er nun nicht dazu imstande war oder sich weigern würde, weil er es an diesem Tag schlicht konnte, spielte da nur eine untergeordnete Rolle. Dennoch zog sie es in Anbetracht der Tatsache, dass scheinbar sonst kein Ianitor anwesend war, vor, ihn zu fragen, als einen ihrer Begleiter ohne jede Vorankündigung in die Villa zu schicken, um nach jemandem zu suchen, der sie angemessen empfangen konnte.

  • Statt der Schachtel griff einer ihrer Begleiter nach meiner Hand. Ich wollte ihm ausweichen, war aber zu langsam und hatte plötzlich ihn am Wickel. Er schob meine Hand fort, woraufhin ich mit den Schultern zuckte und den Arm fallen ließ. Angestrengt blinzelte ich die Frau an. Wie alt die wohl war? Der Anzahl ihrer sichtbaren Falten nach zu urteilen, musste sie ein älteres Kaliber sein, aber ihre Haare waren nach wie vor dunkel. Kein Grau zu sehen. Vielleicht färbte sie sich auch die Haare? Ich hatte gehört, dass die Mutter sich die Haare färbte, weil der Kleene ihr die ersten grauen Haare bescherte. Beim Gedanken daran musste ich schadenfroh grinsen. Was die Weiber immer alle hatten mit ihrem Aussehen!


    Der Vorschlag der Frau hörte sich dann ganz vernünftig an. Schien doch nicht so 'ne alte Megäre zu sein, wie ich zuerst gedacht hatte. Mein Mund klappte schon auf, als sie noch was nachschob. Ich sah zur Tür. Das Mistding war wieder zu gegangen inzwischen. Einmal sah ich zwischen Schachtel und Tür hin und her. "Maich", verkündete ich dann gönnerhaft und torkelte ans Holz der Tür, um kräftig daran zu hämmern. "Eeeeeh..... Mammaaauf! Hiars..." Irritiert hielt ich inne. Erst mit dem Sprechen, dann mit dem Klopfen. "Weh bissennuh ei'ntlich?" fragte ich die Alte.

  • Darauf angesprochen, Agrippina hätte vermutlich nicht mehr als einen Blick übrig gehabt für die Person, die es wagte, sie auf die Echtheit ihrer Haarfarbe anzusprechen. Ein Blick jedoch, der vermutlich das Mark in den Knochen hätte gefrieren lassen können. Es gab Dinge, über die sprach man nicht, und zumindest was sie betraf, tat man wohl daran, sich an derlei ungeschriebene Gesetze zu halten. Wer sie kannte, wusste das. Zu seinem Glück sprach der Sklave keine seiner in diese Richtung gehenden Gedanken laut aus, und so mischte sich in den leicht herablassenden Ausdruck ihrer Augen mittlerweile sogar eine Form von fast wissenschaftlichem Interesse. Es war nicht gänzlich ohne eine gewisse Faszination zu beobachten, was der übermäßige Genuss von Alkohol aus einem Sklaven machen konnte. Wäre es ein Römer gewesen, Agrippina hätte sich missbilligend abgewendet, denn von einem Römer hätte sie erwartet, sich trotz Alkoholkonsums zu benehmen zu wissen. Oder auf den Alkohol zu verzichten. Ein Sklave hingegen war etwas anderes.


    Inzwischen bequemte sich der Sklave dazu, sich um die Tür zu kümmern, wobei allerdings genau das geschah, was sie vermutet hatte: sein Zustand behinderte ihn. Es mangelte an Koordination, gar nicht zu reden von Selbstbeherrschung oder gar halbwegs angemessenem Benehmen. Für einen winzigen Moment verzog sie das Gesicht, als der Blonde begann, gegen die Porta zu hämmern und herumzulärmen. Saturnalien hin oder her, ein solches Verhalten konnte nicht toleriert werden, aber noch bevor sie einem der Freien einen Wink geben konnte, sich darum zu kümmern, drehte er sich schon wieder um und sprach sie wieder an. "Flavia Agrippina", antwortete sie, ihre Gesichtszüge nun wieder undeutbar. "Mein Name ist Flavia Agrippina."

  • Dido fand die Saturnalien noch immer suspekt. Sklaven durften sich wie Freie aufführen und nach den Saturnalien gab es dann ohne Ende Bestrafungen, weil man sich die Untaten der Sklaven natürlich merkte. Also tat man gut daran sich nichts zu schulden kommen zu lassen und die Tage das zu sein, was man sonst auch war, nämlich ein Sklave. Dido fiel das nicht sehr schwer, denn ihr Dominus behandelte sie gut und durch seine vielen neuen Klienten und seine Vorbereitungen zum Sacerdos hatte sie gewisse Freiräume nach Absprache.
    Später würde sie sogar ein Saturnaliengeschenk von ihrem Dominus bekommen. Sie hatte eine verpackte Schachtel entdeckt an der ein Zettel mit ihrem Namen war. Zuerst durfte sie jetzt aber mit ihrer Kampfhündin Sofia in Richtung Forum und zum Schmiedeviertel laufen und eine Bestellung abholen. Sie wusste nicht was es war, aber sie würde es herausfinden. Ihr Dominus hatte sich sehr ominös ausgedrückt. Also ein Geheimnis. Sie liebte Geheimnisse. Somit erledigte sie selbstverständlich diesen Botengang für ihn an den Saturnalien und hatte sich auch gegen die Begleitung eines Leibwächters ausgesprochen. Nero, einer der Kampfhunde ihres Dominus und ihre eigene Kampfhündin würden vollkommen ausreichen.
    Dido sah sich an der Porta um. Acanthus oder ein stellvertretender Ianitor war nicht zu sehen. Dido ging zu einer Stube und trat einem dösenden Sklaven gegen den Fuß. Dieser schreckte auf und ein Weinbecher fiel scheppernd zu Boden.
    „Ich gehe für meinen Dominus eine Besorgung erledigen und bin bald wieder zurück. Schließe die Porta wieder hinter mir.“


    Dido schritt zur Porta während sie sich den Namen des Sklaven in Erinnerung rief. Zu gegebener Zeit würde sie Sciurus darüber informieren. Sie entriegelte die Türflügel, nahm die Türketten ab und öffnete dann einen der Türflügel. Kaum war sie durch die Porta geschritten wäre sie am liebsten zurück gesprungen und hätte sie wieder verriegelt. Und die schweren Querbalken vorgelegt. Dido hatte vor Nichts Angst. Zumindest sagte sie sich das immer wieder, aber nun stand sie ihrem persönlichen Alptraum von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Plutos Handlangerin, der Schrecken aller Sklaven der Gens Flavia, der Gegenstand unzähliger Gerüchte und Todesberichte, die unbarmherzige Vollstreckerin. Die Angst drohte sie wie eine Welle zu überspülen. Panik kroch ihren Rücken hoch. Ihre Knie zitterten, ihr war kalt und schlecht. Bei den Furien, jetzt bloß nicht hier auf der Stelle Pipi machen oder ohnmächtig werden. Bitte, bitte, bitte! Selbst ihr Kampfhund Sofia duckte sich unter der Aura des Alptraums und drückte sich eng an sie. Kalter Schweiß stand auf Didos Stirn. Didos Selbstsicherheit war weggewischt. Aus weiter Ferne vernahm sie ihre eigene zitternde Stimme, während ihr Körper automatisch eine demütige Haltung einnahm, die ihr Überleben eventuell sichern würde.
    „Salve Domina Flavia. Io Saturnalia, Domina Flavia.“


    Lediglich Nero wedelte freundlich mit dem Schwanz, bellte 2 Mal laut, lief ohne Befehl zur Domina und machte dann Bei Fuß. Dido wünschte sich eine erlösende Ohnmacht herbei.

  • Es knisterte in meinen Ohren. Ich war ja nie sonderlich gut im Namenmerken gewesen, aber DEN hatte ich mir dann doch eingeprägt. Es lief mir aber weder kalt den Rücken runter, noch hatte ich das Bedürfnis, der Flavia vor die Füße zu pullern. Stattdessen starrte ich sie nur mit großen Augen an und ließ den Mund ein wenig aufklappen. Das war also die Flavia, vor der hier alle kuschten! So schlimm fand ich sie bisher gar nicht. Ein wenig durcheinander und ziemlich herrisch, aber waren nicht alle Flavier irgendwie so?


    "Oh. Äh." Etwas Sinnvolleres fiel mir nicht ein, deswegen schob ich ein unverbindliches Grinsen hinterher. "'llgommn i´'n Roohm", nuschelte ich und wollte eben wieder anfangen zu klopfen, als drinnen jemand den Riegel zurückschob und plötzlich die kleine....Wiehießsiedochgleich vor mir stand. "Ah, mmh, jetz'ss offn", sagte ich zu der Flavia und deutete über die Schulter durch den Eingang hindurch. Mir schwante Fürchterliches. Sicher hatte ich nach den Saturnalien einiges zu erwarten. "Tach, öhm, Tut-tut." Irgendso einen seltsamen Namen hatte die Kleene doch gehabt...

  • Durch das Gewuehl von Rom schritten zwei Gestalten durch. Der eine war von der schweren Last von zwei Kisten hinuntergedrueckt. Man konnte ihm die grossen Muehen an seinen Gesicht, welches mit einem Dreitagebart geschmueckt war, gut ansehen. Immerhin schien er nicht gar so duerr zu sein wie viele der anderen Sklaven - denn es war klar, dass jene Gestalt ein Sklave war. Gedaempft konnte man hie und da ein paar Flueche hoeren, ausgesprochen in einer komischen Sprache aus einem Land fernab von Rom.
    Der andere, ja, das war schon eine ganz andere Erscheinung! Die Ausstrahlung eines Kuenstlers ging von ihm aus. Zumindest dachte er das. Nobel gekleidet, fast schon ueberkandidelt. Unbeeindruckt von dem Muehen seines Sklaven schritt er vorwaerts, achtete aber darauf, ihn nicht aus den Augen zu verlieren.
    Vor einer prachtvollen Villa stoppten die beiden. Ein kurzes Schweigen brach aus.
    Dann sprach der Roemer den Sklaven an.
    "Cassivellaunus?"
    "Mein Heeeeeeeeeeeerr?", fragte der Sklave mit einem ziemlich daemlichen Tonfall.
    "Sind wir hier richtig?"
    Cassivellaunus fingerte einen Stadtplan aus seinem Guertel und starrte ihn an.
    "Ich glaub', das is' eeeeees.", sagte er.
    Der Roemer nickte.
    Zusammen gingen sie zur Villa hinauf, zum Eingang hin, und tatsaechlich stand dort in goldenen Lettern "VILLA FLAVIA."
    Der Roemer wandte sich an den Sklaven. "Ja, gut, mein Freund. Du weisst, was du zu tun hast."


    [Blockierte Grafik: http://www.cavernbeatles.com/blog/images/baldrick.jpgCassivellaunus


    Cassivellaunus nickte, stellte die Kisten ab und pochte an der Tuere, laut und deutlich. "Aufmachen, bitteeeeeeeeeee! Im Namen des verehrteeeeeen Aulus Flavius Piso!"
    Piso blickte Cassivellaunus an und laechelte. Wenigstens einer, der tat, was man ihm sagte.


  • Einmal mehr saß Acanthus auf seinem Bänkchen und dachte über sein Leben nach und wie es im Kontext zur Welt stand. Das war ganz schön knifflig, dachte er.
    Zum Glück klopfte da jemand! Klopfen war eigentlich zu milde ausgedrückt. Jenes Individuum vor der Tür, schlug beinahe die Tür ein und schrie dann etwas Seltsames hinterher.
    Das war seine Welt, ja! Seine Bestimmung!
    Er stand auf und öffnete die Tür, um dann diesem merkwürdigen Schrat ins Gesicht zu blicken. Schon wollte er zu seinem üblichen Spruch ansetzen, doch etwas hinderte ihn daran. "Du äh..ähm… du hast da was, im Gesicht." Das war gar nicht Acanthus´ Art, weswegen ihm das auch sehr peinlich war. Er räusperte sich und ging dann endlich zum Ritual seiner Aufgabe als Türöffner über.
    "Wer bist du und .. Wer?" Moment, der Schrat sagte was von Flavius irgendwas. Mhm, Flavius Piso den Namen hatte er noch nie gehört. Vielleicht hatte er sich aber auch verhört.
    "..äh was willst du?"

  • [Blockierte Grafik: http://www.cavernbeatles.com/blog/images/baldrick.jpgCassivellaunus


    Cassivellaunus nickte komplett begeistert, als er die Worte des Tuerstehers hoerte. "Ja, das habeeeeee ich!" Er deutete stolz drauf. "Ich habe mir immer gedacht, was habe ich da fuer ein Geschwuer im Gesicht? Jetzt weiss ich es, mein Herr hat es mir gesagt. Meine Naseeeeeee!" Er grinste ganz breit. "Ich bin so stolz drauf, dass ich mir ein Schoenheitsmal draufgeklebt habe! Steht mir doch, oder?", fragte er, in Erwartung einer positiven Antwort. Er nahm sein "Schoenheitsmal", was sich als ein Stueckchen Wachs entpuppte, von der Nase herunter, wedelte es vorm Tuersteher herum und setzte es sich wieder auf.
    "Ich bin Cassivellaunus. Und das da ist mein Herr, Aulus Flavius Piso. Ein Flavier. Wir wollen rein.", berichtete er wahrheitsgetreu.
    Eine kurze Pause entstand. Dann fiel Cassivellaunus ein, dass er was vergessen hatte. "Ach ja. Salve.", nuschelte er noch geschwind hinterher. "Koennen wir jetzt rein?"


    Piso sagte noch immer nichts. Er beobachtete nur die Konversation und rieb sich am Kinn.


  • Acanthus war sich durchaus der Ernsthaftigkeit der Lage bewußt und verzog auch kein bißchen das Gesicht zu einem Grinsen. Auch nicht, als der Sklave begann, auf seine Frage zu antworten. Erst als er das sogenannte Schönheitsmal aus seinem Gesicht entfernte, sah er den Sklaven entgeistert an. "Junge, Junge!", war sein einziger Kommentar.
    Glücklicherweise verharrte Acanthus´ Blick nicht lange an der cassivellaunischen Nase.
    Bei der Erwähnung seines Herrn, versuchte der Ianitor ein Blick auf den Flavier zu werfen.
    "Äh, aber natürlich! Bitte tretet ein! Salve Herr! Äh soll ich die Herrschaften von deiner Ankunft berichten Herr? Wünschst du jemand zu sprechen?"
    Nervös winkte Acanthus einen Sklavenjungen herbei, der den Herrn und seinen Sklaven zunächst einmal ins Atrium führen sollte.
    "Bitte Herr, folge dem Jungen! Er begleitet dich ins Innere der Villa und wird dir dort weiterhin zur Verfügung stehen." Der Kleine verbeugte sich ganz artig und ging voraus.

  • Cassivellaunus kraehte froehlich herum vor lauter Freude darueber, dass der Sklave sein Schoenheitsmal mit einem "Junge, Junge" quittiert hatte. Es war klar fuer ihn, dass dies wohl ein Zeichen von Respekt war.


    Piso blickte auf, als er angesprochen wurde. "Grossartig.", versetzte er. "Casse, du weisst, was du..." "Ja, Herr.", entgegente Cassivellaunus und hob die Kisten wieder auf seinen Ruecken.
    "Also. Wo waren wir. Ach ja! Wir wollten hinein. Es waere schoen, Gracchus zu sprechen, ich hoffe, er ist anwesend?"
    Er nickte dem Burschen zu und schritt nach ihm nach. hinter ihm her humpelte der arme Cassivellaunus, leise auf icenisch vor sich hinfluchend wie ein Fuhrmann, weil seine Rueckenschmerzen so schlimm waren.
    Piso war schon lange nicht mehr hier gewesen. Aber er konnte sich noch erinnern, wie er das letzte Mal beeindruckt gewesen war von der Villa. Sie war noch immer so schoen wie frueher. Mal schauen, wie Gracchus ihn empfangen wuerde.

  • Wie angekündigt und zuvor schon durch M. Aurelius Corvinus organisiert trat Q. Philo etwa zur vierten Stunde in einer gereinigten und gut zurecht gemachten, aber dennoch im Vergleich eher schlichten und einfachen Toga, an die porta der villa Flavia. Er würde sich heute also dem Beginn seiner Ausbildung im Cultus Deorum verschreiben. Sein magister wird wohl M'. Flavius Gracchus sein, welcher ihn schließlich zu einer Unterredung einlud.


    Hier stand er nun und klopfte an die porta.


    *klopf, klopf*


  • Mit leerem Blick starrte Acanthus, Ianitor der Villa Flavia, auf die Wand ihm gegenüber, wandelte in Gedanken in einem fernen Land in einer anderen Zeit - weder das Land, noch die Zeit hatte es je gegeben. Ein Pochen riss ihn aus seinen Träumereien und er stand langsam auf. Die salutatio war fast vorbei, nur noch ein oder zwei Klienten waren in der Villa, so dass der Besucher vor der Tür vermutlich kein Klient war. Aus diesem Grund setzte Acanthus sein übliches, grimmiges Gesicht auf, als er die Tür langsam öffnete.


    "Wer bist du und was willst du?" blaffte er den Mann vor der Tür an, nachdem er auf den ersten Blick erkannt hatte, dass dieser kein Patrizier war, und anscheinend auch sonst kein höherrangiges Mitglied der Gesellschaft, denn dazu fehlte ihm der Sklaventross.

  • Schlussendlich kam schließlich jemand zur porta, ein Sklave der villa Flavia, welcher ihn um seine Angelegenheiten befragte.


    "Ich habe einen Termin bei M'. Flavius Gracchus, es geht um eine Ausbildung im Cultus Deorum."


    So sprach er und wartete darauf, dass der ianitor ihn dorthin führte, wo ihn sein magister heute wohl hätte haben bzw. treffen wollen.

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